Institutionalisierung und Organisation eines transformativen öffentlichen Sektors - Public Managers! Tagung "Der Staat in der Großen Transformation"
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Tagung „Der Staat in der Großen Transformation“ Public Managers! Institutionalisierung und Organisation eines transformativen öffentlichen Sektors Uli Klüh, Center for Sustainable Economic and Corporate Policy und Darmstadt Business School
Transformation ist eine zeitlich dynamisierte, akteursgetriebene, radikale (anti‐modernistische), systemübergreifende gesellschaftliche Veränderung (in Anlehnung an Merkel 2010).
Beispiel II: Macro Policy Quelle: https://www.ft.com/content/63404e0e‐3dcc‐11ea‐ Quelle: Project Syndicate 2020 a01a‐bae547046735
Beispiel III: Systeminnovation für Nachhaltige Entwicklung Quelle: Hochschule Darmstadt 2017 Quelle: finde ich nicht
Problemstellung und Thesen • Wie kann der Staat ertüchtigt werden, damit er die Herausforderungen der Nachhaltigkeitstransformation bewältigen kann? Ertüchtigung sollte an der Ermöglichung eines leistungsfähigen Public Management ansetzen. • Welche Formen der Governance und vor allem der Governance zweiter und dritter Ordnung werden benötigt? Governance unter den Fittichen demokratisch legitimierter Vertreter und öffentlicher Manager, gemäß Entscheidung ersterer. • Welche organisationalen und institutionellen Voraussetzungen benötigen Public Manager (diejenigen, die im öffentlichen Auftrag mit Umsetzungsfragen im Zuge der sozial‐ökologischen Transformation befasst sind)? • Woran scheitert „Public Management“ aktuell? Vor allem an einem Mangel an Politik, Ressourcen und wahrgenommenen fiskalischen Spielräumen. • Wie können „Public Manager“ in die Lage versetzt werden, Ihre zunehmend anspruchsvolle Aufgabe zu bewältigen? Diskursverschiebung! • Welche internen und externen Strukturen und Ressourcen benötigt ein funktionstüchtiges „Public Management“: Arenen des politischen Konflikts, Diskursräume, neue Makropolitik, insbesondere lockere Budgetbeschränkungen.
Agenda • Problemstellung und Thesen • Einige eher lose Beobachtungen zur Einführung in das Thema • Ein wenig Theorie: Warum Individuen gerade dann relevant werden, wenn man sich methodischen Individualismus verbietet • Beispiele/Erste empirische Erkenntnisse • Infrastrukturen der Urbanität • Infrastrukturen des Geldes • Weitere instruktive Beispiele • Politikimplikationen und Offene Fragen
Einführende Beobachtungen aus der Praxis eines Public Managers • Tendenz zu einer fiskalisch motivierten Selbstbeschneidung, nicht selten befördert durch akademische Welt und durch Berater. Beispiel: Public Management‐Szene. • Teilweise paradoxe Situationen, Tendenz zum Rollentausch: Private agieren öffentlich, öffentliche privat. Beispiel Finanzinstitute. • Private Unternehmer verstehen sich zunehmend als Sachwalter des öffentlichen und ökonomisieren die Welt durch die Hintertür. Beispiel: Gemeinwohlökonomie. • Ansätze, die dem Kapitalismus eine natürliche Tendenz zuschreiben, dem öffentlichen Sektor im Zeitverlauf eine immer größere Rolle zuzuweisen (Schumpeter, Wagner, …) sind im öffentlichen Diskurs unterrepräsentiert. • Staatsskepsis ist ein generationen‐ und lagerübergreifendes Phänomen und wird durch Unterschiede in Ideologien und Kulturen verfestigt.
Einführende Beobachtungen aus der Praxis eines Public Managers • Klassische Public Manager: • Oft in einer Verteidigungshaltung – Verzerrtes Bild. Hinterherhecheln statt vorausdenken. (Nicht selten berechtigte) Angst vor den Bürgern. Beispiel: Flüchtlingskrise. • Ausnahmen sind äußerst instruktiv. Oder bestätigen sie die Regel? Liefern sie Ansatzpunkte für Reformen? Beispiel: Kelkheim im Taunus. • Zunehmende Bedeutung – zunehmende Belastungen – abnehmende Anerkennung. Beispiel: Frankfurt am Main. • Neue „alte“ Public Manager: Zunehmende Bereitschaft, sich transformativen Herausforderungen zu stellen – dadurch: zunehmende Offenlegung demokratischer Defizite. Beispiel: Internationale und europäische Finanzarchitektur, kommunale Beteiligungsgesellschaften, Sovereign Wealth Funds. • Neue „neue“ Public Manager: Könnten eine wichtige Rolle in der Transformation zu einer nachhaltigeren Wirtschaft spielen, trotz zahlreicher Probleme politischer, legitimatorischer und praktischer Natur.
Einführende Beobachtungen: Schwierige begriffliche Abgrenzung • Tradierte Einordnung in den Bereich „Öffentliche Verwaltung“ zu eng: Eigenbetriebe, kommunale Beteiligungen, kommunale Beteiligungsgesellschaften, aber auch Staatsfonds, Zentralbanken oder Unternehmen wie die Deutsche Bahn müssen erfasst sein. • Neue Einordnung unter dem Stichwort „Public Value“ wohl zu weitreichend: Der Umstand, dass ein Unternehmen auf ein komplexes Geflecht gesellschaftlicher Erwartungen reagiert, macht einen Manager noch nicht zum Public Manager. • Grauzonen, wenn sich Unternehmen explizit am Gemeinwohl orientieren und sich dafür demokratische oder auch zivilgesellschaftliche Legitimation suchen.
Einführende Beobachtungen: Schwierige begriffliche Abgrenzung • Drei zu beachtende Leitdifferenzen: • Public Management/Political Management/Politics • Public Management/Private Management • Public Management/Public Administration • Zentrales Kriterium: Dominanz eines Bündels öffentlicher Rationalitäts‐ und Legitimitätsvorstellungen, das auch eine staatlicher Träger‐ und Eigentümerschaft einschließt. • Wichtige Aspekte: Bei Akteuren ansetzen, Ambiguität aushalten
UK3 Einführende Beobachtungen: Schwierige Abgrenzung • Tradierte Bereiche des Public Management: „Und ganz selbstverständlich erklingt auch am Ende dieser Vereidigung unsere Nationalhymne. Dafür brauchen wir keine Hassmarschierer und keine Usurpatoren von Schwarz‐Rot‐Gold. Das machen wir in der freiheitlichen Tradition der Demokraten, vom ersten demokratisch gewählten Staatsoberhaupt Deutschlands (Beifall), dem ersten Präsidenten aus dem Arbeiterstande, Friedrich Ebert, der dieses Lied zu unserer Nationalhymne erklärt hat. (Beifall) Und damit machen wir klar, die Stadt Leipzig ist nicht irgendeine rechtsstaatsgebundene, betriebswirtschaftlich optimierte Agentur, die öffentliche Dienstleistungen liefert. Die Stadt Leipzig ist nicht irgendeine … – Entschuldigung, es ist sehr bewegend für mich. (Beifall)“ Ulrich Hörning, Verwaltungsbürgermeister Stadt Leipzig bei der Eröffnung des Verdi Bundeskongresses 2019 (Verdi 2019)
Theoretische Vorüberlegungen • Einige demokratietheoretische Grundüberlegungen vor dem Hintergrund einer äußerst unüberschaubaren Literatur • Governance, Network Governance, Meta‐Governance: Konstruktiv‐kritische Anmerkungen • Regulatorischer Staat – Regulatorischer Kapitalismus
Theorien des Public Management: Ein unübersichtliches Feld • Zahllose potenzielle Zugänge. Traditionell üblicherweise Neo‐ Institutionalismus, Rational Choice, Informationsökonomik, Governance‐ Theorien, …; vermehrt auch postmoderne Zugänge (siehe Pollitt [2016] für eine Übersicht). • Ökonomik: • Wichtige Erkenntnisse aus dem Mechanismus‐Design, Informationsökonomik, Finanzwissenschaft Wirtschaftsgeschichte, Finanzwissenschaft • Heterodoxe Ökonomik • Kontextuelle Ökonomik • Foucault: Gouvernementalität, Habermas: …, …., … • Hier lediglich (1.) demokratietheoretische Grundüberlegung, (2.) Ansatz der Metagovernance, (3.) einige Gedanken zum regulatorischen Staat und regulatorischen Kapitalismus
Theorie: Demokratietheoretische Grundüberlegungen Control Problems have to be solved Trust in the System Efficiency Public Management Good politics Identities Process integrity Agonistics Discourse has to be ensured Politics ‐ Political Fights have to be fought Order Democratic Institutions Foundational Moments Passions
UK2 Theorie: Governance, Governance Networks, Metagovernance • Why bother with the buzzwords? “The rise of governance coincided with the widespread consensus that ours is (again) an era of change, of shifts, and even of transformation and paradigm change. In the governance literature this was best captured in the observation of "shifts" in governance and controversies about their directions and implications. These shifts suggest that authority is institutionalized, or at least can be institutionalized in different spheres, and by implication these arenas can compete, bargain, or coordinate among themselves or ignore each other.” Levi‐Faur 2012: 7
UK1 Theorie: Governance, Governance Networks, Metagovernance (Torfing und Sørensen, 2007): Entlehnungen bei Torfing und Sørensen Tabelle: eigene Darstellung mit Hierarchien Märkte Netzwerke Grundstruktur Monozentrisch Multizentrisch Polyzentrisch Beziehungslogik Unterordnung Unabhängigkeit Interdependenz Entscheidungsbasis Substanzielle Werte Prozessintegrität Verhandlung Sanktionierung Autorität Sanktion Verpflichtung Vision Political Anti‐Political Post‐Political • Trend zu Governance Networks mit einer inhärenten Notwendigkeit zur Autonomie, informellem Austausch und Privatheit. Gewisse Vorteile bei der Lösung von „wicked problems“, aber schwerwiegende Legitimationsprobleme und häufig dann doch mangelnde Durchschlagkraft und Geschwindigkeit. • „Governance‐driven democratization“ (Warren)? Bietet interessante Ansatzpunkte, verschlimmert aber auch das Problem, ist effizienzzentriert und ignoriert weiterhin die antagonistische Natur der Politik.
Theorie: Governance, Governance Networks, Metagovernance • Grundproblem: Es ist vor dem Hintergrund es Rückbaus der letzten Jahrzehnte schlicht nicht oder nur unzureichend bekannt, welche Rolle ein ertüchtigter Staat mit entsprechenden finanziellen, personellen und technologischen Ressourcen als Garant einer demokratiefesten und der Dringlichkeit der ökologischen Probleme angemessen Metagovernance spielen könnte. • Vielmehr basiert ein Großteil des Vertrauens in hybride Governancenetzwerke und Metagovernance im Misstrauen gegenüber staatlichen Akteuren. • Inzwischen zeigt sich aber, dass die entsprechenden Netzwerke selbst über das Fehlen eines stärker steuernden Staates klagen. Die alternative Governance‐Modi scheitern. Vor allem erweisen sie sich als zäh und langsam, was nun, da klar wird, dass uns der Klimawandel zu raschem Handeln zwingt, zum großen Problem wird. • Bevor dieses Scheitern stärker reflektiert wird muss allerdings gefragt werden, ob ein regulatorischer Staat im Sinne Majones eine mögliche Lösung darstellt.
Der regulatorische Staat: From „Big Government to Big Governance“(Levi‐Faur 2012)? Problem: Auch der regulatorische Staat löst nicht das Problem der entpolitisierten Governance, er verschärft es: • Er ist eine „Hybridisierung von Kontrollmodi, die die Erzeugung einer fragmentierten und mehrdimensionalen Ordnung • innerhalb des Staates, • durch den Staat, • ohne den Staat und • außerhalb des Staates ermöglicht. • Ob „die Vielzahl der Kontrollmodi neue Wege der Politikgestaltung, das neue Verständnis der staatlichen und außerstaatlichen Institutionen reflektiert und verändert, die Bürger stärkt und neue und experimentelle Formen der Demokratie fördert“ scheint vor dem Hintergrund der Erfahrung der letzten Jahre aber sehr fraglich.
From „Big Government to Big Governance“ and Back Again? • Sich mit „Governance“ und insbesondere „Metagovernance“ erscheint – trotz der inflationären und fehlgeleiteten Verwendung der Begriffe – unerlässlich. • Der Diskurs zu Governance muss aber vom Kopf auf die Füße gestellt werden – statt Skepsis vor staatlicher Kontrolle müsste eine prinzipielle Offenheit dafür sein Ausgangspunkt sein. • Parallelbewegung aus einer Stärkung der antagonistischen Dimension von Politik, einer Ertüchtigung der öffentlichen Verwaltung und einer mehr als situativen (systematischen) Einflussnahme auf Governance‐ Netzwerke, die dann wiederum auch Kontrollinstanz sein können.
Beispiele und erste empirische Erkenntnisse • Wirtschaftsgeschichte und die aktuelle Praxis bieten ein reichhaltiges Menü an zukunftsweisenden Formen der Meta‐Governance • Allerdings werden diese durch verengte Blickwinkel und einseitige Narrative nicht oder nur zu wenig wahrgenommen • Grundbedingungen einer Re‐Vitalisierung des Public Management ist eine Re‐Vitalisierung des Politischen. Zu viele öffentliche Akteure tummeln sich in Zwischenräumen zwischen Public Management und dem Politischen.
Feld I: Urban Governance Infrastrukturen des Urbanen UK4 Beispiele: • Werner Sombart: „Die deutsche Volkswirtschaft im neunzehnten Jahrhundert“ • Entwicklung und Finanzierung des ÖPNV seit den fünfziger Jahren • Stuttgart 21 Quelle: Wikipedia CC BY‐SA 3.0
Feld I: „Urban Governance“: Infrastrukturen des Urbanen Erste Erkenntnisse aus „Systeminnovation für Nachhaltige Entwicklung“ • Vertrauen in Technologie und Network Governance, mangelndes Vertrauen in Organisation und Hierarchie, unklare Einstellung zum (öffentlichen und privaten) Akteur und zum Markt • Äußerst unterschiedliche Auffassungen zur adäquaten Kombination zentraler und dezentraler Koordinationsmechanismen • Vorherrschend ist jedoch die Meinung, dass Politik und Verwaltung mit der Komplexität der Probleme überfordert sind und die einzige Option deren Überwindung ist.
Feld I: „Urban Governance“: Infrastrukturen des Urbanen Erste Erkenntnisse aus „Systeminnovation für Nachhaltige Entwicklung“ • Nahezu alle Akteure aus Praxis wünschen sich klarere Kante der Politik, vor allem jedoch die Verwaltung, die sich durch die „Angst der Politik“ vor den „Investoren und Autofahrern“ permanent ausgebremst sieht • Die Verwaltung beschreibt eindrucksvoll ihre Stutzung durch Personalkürzungen und Kontrollübergabe an unüberschaubare Governancestrukturen • Nur wenige Akteure aus klassischen Milieus trauen sich jedoch, die politischen Entscheidungsträger zu fordern. Vielmehr hofft man auf „Fridays for Future“ und fürchtet den lauten „Wutbürger“.
Feld I: „Urban Governance“: Infrastrukturen des Urbanen Erste Erkenntnisse aus „Systeminnovation für Nachhaltige Entwicklung“ • Eine spezielle Rolle spielen die unternehmerischen Einheiten des öffentlichen Sektors • Sie trauen sich radikalere Schritte zu, von ihnen wird deshalb stetes Innovieren abverlangt • Doch auch hier kommt schnell der Punkt, an dem mutige politische Richtungsentscheidungen notwendig wären. • Nur wenige Akteure aus klassischen Milieus trauen sich jedoch, die politischen Entscheidungsträger zu fordern. Vielmehr hofft man auf „Fridays for Future“ und fürchtet den lauten „Wutbürger“
Feld I: „Urban Governance“: Erste Ergebnisse • Probleme des Selbstverständnisses, mangelnde Politisierung und damit mangelnde Orientierung. • Tiefgreifende kognitiven Konsequenzen der Schuldenbremse und anderer Spardiktate. Beispiel: Public Management Programme an Hochschulen. • Zahlreiche Ansatzpunkte für europäische, nationale und regionalpolitische Impulse durch hohe Investitionsbedarfe. • Politische Bürgermeister sind möglich, eventuell unter Einrichtung des Amtes von Verwaltungsbürgermeistern. • Etablierung einer Kultur des mutigen Handelns: Verlernen und lernen ist ein zwar zeitintensiver, vor dem Hintergrund der noch verfügbaren Human Resources aber durchaus erfolgversprechender Prozess
Feld II: Public Management im Geld‐ und Kreditschöpfungsprozess • Betrachtung von fünf Ebenen: Lokal (Sparkassen), regional (Landesbanken), national, europäisch, globale. • Auswertung von Experteninterviews, Auswertung von Fallstudien, Biografien, Metaanalyse, kritische Analyse der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur. • Wichtige Ausgangsbedingungen: • Unbehagen mit dem Geldsystem • Quasi‐fiskalische Natur vieler Aktivitäten • Zentrale Rolle von Banken als „Ephoren“, Schiffsbrücke, des Kapitalismus • Europäische und geopolitische Dimension • Starke Tendenz der Politik, entsprechende Handlungsfelder zu delegieren.
UK5 Feld II: Geldmanagement auf lokaler Ebene (insbesondere Sparkassen, teilweise Genobanken) • Zwiespältiges Verhältnis zum öffentlichen Auftrag und zur demokratischen Kontrolle • Kernprobleme: Prioritäten bei der Auswahl von Vorstandsmitgliedern, Zurückhaltung demokratisch legitimierter Akteure • Denkweisen stark von kommunalen Budgetbeschränkungen bestimmt. • Spezifisches Nachhaltigkeitsverständnis so stark, dass kein Raum für Diskurse bleibt („Wir sind nachhaltig von Geburt an“) • Verfestigung all dieser Aspekte in einem ausgeprägten Berufsethos Quelle: Sparkassengeschichtsblog 2018
Feld II: Geldmanagement auf lokaler Ebene (insbesondere Sparkassen, teilweise Genobanken) • Historisch erwiesenermaßen mögliche Institutionalisierungen werden negiert • Kontextuelle Auseinandersetzung mit Strukturen und Umweltbedingungen fehlt • Es fehlen Bereitschaft gewählter Entscheidungsträger zur Intervention, die Nutzung regulatorischer Spielräume sowie radikale Gegenentwürfe Quelle: Sparkassengeschichtsblog 2018
Feld II: Geldmanagement auf nationaler Ebene (Zentralbanken) • Zentralbankunabhängigkeit als institutionelle Qualität war lange Zeit Phänomen in einigen Volkswirtschaften oft föderaler Prägung • Historische Bedingtheit und Komplexität der Arrangements wird unterschätzt • Erst seit Mitte der achtziger Jahre Aufstieg zu einem zweifelhaften Mantra
Feld II: The New Deal and MMT Source: The New York Times
Feld II: Geldmanagement auf europäischer Ebene (EZB, EIB, EBRD, …) /02/ep‐ecb‐climate/ https://https://www.positivemoney.eu/2020 [The European Parliament] recalls that, as an EU institution, the ECB is bound by the Paris Agreement on climate change and that this should be reflected in its policies, while fully respecting its mandate and its independence. … [The EP] suggests a framework for coordination between the ECB and the European Investment Bank
Feld II: Pragmatische Demokratisierung des Geldwesens als unterschätzte Option • Schwieriger Abwägungsprozess zwischen der Möglichkeit des Missbrauchs des Geldschöpfungsmechanismus und der Möglichkeit ihres Einsatzes. Pendel kehrt sich aktuell allerdings um, mit der erwarteten Gegenreaktion am erwarteten Ort (Südamerika). • Welcher Grad der Verschleierung des Geldsystems ist notwendig, welcher vertretbar? In einem Wirtschaftssystem mit stark ungleich verteilten Vermögen ist etwas Verschleierung eher notwendig. Zu viel Verschleierung (Sparkassen) führt eher zur Unternutzung, zu wenig (MMT) zur Übernutzung von Geldschöpfung. • Vor dem Hintergrund der historischen und internationalen Erfahrung wäre deutlich mehr institutionelle Variation denkbar und wünschenswert, die eine verbesserte Einbettung des Public Management im Geldwesen in demokratische Prozesse ermöglichen und legitimieren würde • Balance zwischen einer Berücksichtigung konservativ‐deutscher Befürchtungen und progressiv‐französischer Vorstellungen scheint mithin weniger unrealistisch als allgemein angenommen
Feld II: Pragmatische Demokratisierung des Geldwesens durch fünf konkrete Maßnahmen • Austauschprogramm für Top‐Zentralbanker: Ein deutscher Chef für die Banque der France, ein französischer für die Bundesbank. • Strategic Review‐Prozess der EZB: Neudefinition des Inflationsziels sowie Berücksichtigung von Nachhaltigkeit in der Geldpolitik muss auch ein Thema des Europäischen Parlaments sein. • Sustainable Finance‐Strategie der EU: Hinzunahme eines Staatsfonds in die Green Deal‐Planungen • Zentralbankgeld für Klimaprojekte: Sollte als gemeinsames Projekt von Finanzministerien, Kommission und EZB angegangen und • Europäisierung der Idee eines öffentlich‐rechtlichen Finanzsektors bei gleichzeitiger Aufnahme von Nachhaltigkeitszielen in die Formulierung des öffentlichen Auftrags.
Weitere instruktive Beispiele • Wasserstoffstrategie der Bundesregierung • EU‐Beihilferecht: Gründerfreundlichkeit auch im öffentlichen Sektor • Beteiligungsstrategien für Gebietskörperschaften • Gemeinsame Beteiligungsstrategie über Gebietskörperschaften hinweg • Staatsfonds • Digitale Infrastruktur, Umgang mit Plattformen
Vorläufige Thesen: Drei Grundvoraussetzungen für eine Ertüchtigung des Public Management • Public Management im neuen und im traditionellen Sinne wird nur dann eine Ertüchtigung erfahren, wenn es „politisch aufgeladen“ wird, d.h. wenn diskursive und antagonistische Dimensionen der Politik wieder ins Zentrum politischen Handelns und Arbeitens rücken. So werden einerseits Räume für PM frei gemacht, andererseits klare Richtungsentscheidungen ermöglicht. • Gleichzeitig ist eine Befreiung von der Vorstellung notwendig, man handele unter engen Budgetbeschränkungen. • Mittel zum Wiederaufbau personeller Kapazitäten in relevanten Bereichen (nicht bei der Deutschen Rentenversicherung) • Mittel zur Umsetzung sichtbarer und erfahrbarer Maßnahmen, bspw. im ÖPNV • Keine Angst vor Staatlichkeit in Systemen mit gefestigten demokratischen Institutionen; mehr Mut zur Staatlichkeit in anderen Systemen. Grundüberlegung: Die Alternativen sind kostenträchtiger.
Vorläufige Thesen: Big Governance und Big Government sind kein Widerspruch • Governance von klassischen öffentlichen Einrichtung muss stärker am Prinzip der demokratischen Legitimation und öffentlichen Eigentums bzw. Trägerschaft ausgerichtet werden. Die Strategie öffentlicher Unternehmen und Einrichtungen muss „Chefinnensache“ werden, auch im Bereich der Geldpolitik, wobei Chef*innen demokratisch legitimiert sein sollten. • Governancenetzwerke können mittels Formen der Metagovernance durchaus einen Ansatzpunkt für öffentliche Innovationen und Problemlösungen sein. Allerdings müssen Politik und/oder Verwaltung im Rahmen solcher Strukturen die Führung übernehmen. Im Gegenzug zu dem damit einhergehenden Autonomieverlust kann eine Zusage von beschleunigter Umsetzung und verbesserter Ressourcenausstattung stehen. • Die politischen Vertreter entscheiden, wann statt ihnen Public Manager in Governancenetzwerke entsandt werden.
Vorläufige Thesen: Am Beginn steht ein neues Narrativ und ein Kulturwandel. • Zahlreiche Ansatzpunkte für ein Narrativ, das die Leistungsfähigkeit und Bedeutung öffentlichen Managements glaubhaft macht: Forschungsergebnisse zur Rolle in Innovations‐ und Transformationsprozessen, zahllose erfolgreiche Projekte, gemeisterte Krisen, heroischer Einsatz. • Aber auch zahlreiche Probleme im Selbstverständnis: Selbstbeschneidung und Selbstbescheidung des öffentlichen Sektors. • „Wer im öffentlichen Sektor ernsthaft führt handelt stets an der Grenze der Illegalität, des Burnout und der Ausbeutung von Mitarbeiter“*innen.
Konkrete Politikimplikationen • Ein Ende der Schuldenbremse und eine massive personelle Ertüchtigung der öffentlichen Verwaltung • Klare Ausrichtung der Programme klimaaktiver Parteien auf sozial‐ ökologische Transformation. Gegensatz zwischen Green Deal und Green New Deal (Klimapaket versus Klimapakt) muss als Alternative, die für eine harte politische Auseinandersetzung geeignet ist, entwickelt werden. • Möglichst rasche und mutige Initiierung einiger Großprojekte ohne die Befürchtung, ein paar Milliarden zu verschwenden (was passieren wird): Wasserstoffstrategie, gebührenfreier ÖPNV, Sozialisierung bzw. Schaffung offensichtlicher öffentlicher Infrastrukturen der Digitalisierung
Bild‐ und Quellennachweise • Merkel, Wolfgang (2010): Systemtransformation. Eine Einführung in die Theorie und Empirie der Transformationsforschung, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. • HR Info 2018HR Info Podcast Judith Kösters (2018): Mit Banken die Welt retten? Die Finanzbranche 10 Jahre nach der Lehman‐ Pleite, [online] https://www.hr‐inforadio.de/programm/wissenswert/wissenswert‐mit‐den‐banken‐die‐welt‐retten‐die‐ finanzbranche‐10‐jahre‐nach‐der‐lehman‐pleite,epg‐so‐9450.html [17.03.2020] • Daylimail (2008): End of the Master of the Universe: Rise and fall of the Lehman Brothers ‐ and its boss dubbed 'The Gorilla‘, [online]https://www.dailymail.co.uk/news/article‐1056411/End‐Master‐Universe‐Rise‐fall‐Lehman‐Brothers‐‐boss‐dubbed‐The‐ Gorilla.html [17.03.2020]4) • Tagesschau (2019): „Bitte nehmt das Geld“, [online]https://www.tagesschau.de/inland/investitionen‐105.html [17.03.2020]5) • Financial Times (2020): https://www.ft.com/content/63404e0e‐3dcc‐11ea‐a01a‐bae547046735 [16.3.20] • Project Syndicate (2020): Shelton the Charlatan, [online]https://www.project‐syndicate.org/commentary/judy‐shelton‐fderal‐ reserve‐nominee‐charlatan‐by‐j‐bradford‐delong‐2020‐02 [17.03.2020]6) • Hochschule Darmstadt (2017): Innovative Hochschule: Hochschule Darmstadt bei „Exzellenzinitiative für HAWs“ erfolgreich, [online]https://h‐da.de/news‐anzeigen/meldung‐einzelansicht/news/innovative‐hochschule‐hochschule‐darmstadt‐bei‐ exzellenzinitiative‐fuer‐haws‐erfolgreich/?tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5B action%5D=detail&cHash=f6891f678ade4fe4c73c6d433bc25b73 [17.03.2020] • Verdi (2019): Grußwort von Ulrich Hörning, Bürgermeister und Beigeordneter für Allgemeine Verwaltung der Stadt Leipzig, [online]https://www.verdi.de/++file++5d88fae02193fb3de6d08807/download/Grußwort%20von%20Ulrich%20Hörning.pdf [17.03.2020]16)
Bild‐ und Quellennachweise • Levi Faur, David (2012): From „Big Government“ to „Big Governance“?, in: Ders. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Governance, New York: Oxford University Press, S. 3–18, hier. • Warren: https://www.palgrave.com/gp/book/9781403995285 • Sørensen, E., & Torfing, J. (2007). Introduction governance network research: Towards a second generation. In Theories of democratic network governance (pp. 1‐21). Palgrave Macmillan, London. • https://www.zvab.com/buch‐suchen/titel/die‐deutsche‐volkswirtschaft‐ im/autor/werner‐sombart/25–27)Bildquelle finde ich nicht. Siehe Folie 630–31) • Sparkassengeschichtsblog (2018): https://www.sparkassengeschichtsblog.de/schlagwort/rathaus/ [17.03.2020]; Abbildung abgedruckt in Kreissparkasse Staßfurt (Hrsg.): 125 Jahre Kreissparkasse Staßfurt – Für Tradition und Fortschritt, 1993, S. 832)
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