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Interview: Gemeinsames Forschungsprojekt des Institutsteils Mobile Arbeitsma- schinen (Mobima) des KIT und der stoba e-Systems GmbH untersucht das Poten- zial hybrider Antriebe für Arbeitsmaschinen Zur Person: Prof. Dr.-Ing. Marcus Geimer leitet seit 2005 den Institutsteil Mobile Arbeitsmaschinen (Mobima) des Karlsruher Insti- tuts für Technologie (KIT). Karsten Trautmann ist seit 2020 verantwortlich für den Vertrieb und die Geschäftsentwicklung der stoba e-Systems GmbH in Weinstadt/Stuttgart, die in den Bereichen Off-Highway, Urban Mobility und Transport & Logistik tätig ist. Prof. Marcus Geimer, können Sie uns bitte kurz erklä- Gibt es schon vergleichbare Forschungsprojekte oder ren, worum es in dem vorliegenden Forschungsprojekt ist das Forschungsfeld ganz neu? geht und welche Vorteile ein Hybridbagger gegenüber einem konventionellen Bagger besitzt? [Geimer] Das Forschungsgebiet der hybriden Antriebe gibt es tatsächlich schon relativ lange. Wir haben zum [Geimer] Sehr gerne. Der große Vorteil von Hybridsyste- Beispiel erstmalig 2007 eine Fachtagung für hybride und men ist, dass sie immer aus zwei Energiespeichern be- energieeffiziente Antriebe für mobile Arbeitsmaschinen stehen - somit kann Energie, die z.B. beim Abbremsen organisiert, die seitdem alle zwei Jahre stattfindet. Dort einer Drehbewegung entsteht, zwischengespeichert werden hybride Antriebe für Arbeitsmaschinen vorge- und anschließend wieder genutzt werden. Dadurch wird stellt und diskutiert – unter anderem auch für Bagger. das System letztendlich effizienter, was einen Vorteil Bisher haben sich aber in Hinblick auf Hybridantriebe in hinsichtlich der Betriebskosten darstellt. Häufig kann diesem Bereich nur vereinzelt Lösungen serienreif gleichzeitig auch die Produktivität gesteigert werden, da durchgesetzt. Deshalb möchten wir in dem Forschungs- durch den Speicher eine zusätzliche Leistung generiert projekt zeigen, wie stark solche Systeme sind und darle- werden kann. gen, welche Vorteile sie mit sich bringen. In diesem Forschungsprojekt möchten wir genau diese Möglichkeiten untersuchen: Wo gibt es Energierückge- Wie sind die Rahmenbedingungen für das Projekt? Wie winnungspotenziale und wie hoch sind diese? Wann kann man sich den Ablauf ungefähr vorstellen? können diese wieder genutzt werden? Und wie können sie möglichst produktiv und effizient eingesetzt wer- [Geimer] Von Seiten des KIT wird ein wissenschaftlicher den? Mitarbeiter für ein Jahr an dem Projekt arbeiten und Abbi ldung 1: Um diesen Bagger dreht s ich in den nächsten zwölf Monaten das Projekt des KIT und der s toba e -Sys tems KIT – Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft www.kit.edu
dieses verantworten. Da die einzelnen Schritte inner- Wie schwer fallen Baumaschinen beim CO 2 Ausstoß halb der kurzen Projektzeit allerdings nicht von einer überhaupt ins Gewicht? Person alleine erledigt werden können, wird ihn ein zweiter Mitarbeiter unterstützen. [Geimer] Land- und Baumaschinen machen Untersu- Ansonsten profitieren wir von unseren vielseitigen Er- chungen zum Kraftstoffverbrauch zufolge etwa acht bis fahrungen: Sei es im Bereich der Adaption von Mess- neun Prozent des CO 2 Ausstoßes von dieselmotorisch technik oder der Lastzkylenbestimmung. Auch technisch betriebenen Fahrzeugen in Deutschland bzw. in der EU sind wir sehr gut ausgestattet. Sollte uns zum Beispiel aus. Für die Kommunalfahrzeuge gibt es leider keine mir auffallen, dass uns eine Messgröße aus den praktischen bekannten Zahlen; man weiß also nicht, was für Müllab- Versuchen fehlt, können wir den Bagger auf unseren fuhren, Winterdienste usw. anzurechnen ist. Prüfständen unter realitätsnahen Betriebszuständen betreiben und die Messgröße dann nachträglich erfas- Karsten Trautmann, welche Rolle spielt stoba e-Sys- sen. tems innerhalb dieses Forschungsprojekts? Welches Potenzial haben Hybridbagger in puncto [Trautmann] Wir stehen bei dem ganzen Projekt als as- Nachhaltigkeit und Energieeffizienz? soziierter Partner beratend zur Seite. Aus der techni- schen Perspektive wird ein Mitarbeiter das Projekt un- [Geimer] Die Messungen hierzu schwanken leider stark, terstützen. Außerdem beraten wir das KIT, wenn bei- wir bewegen uns zwischen wenigen Prozent und bis zu spielsweise Fragen zur Produkt- bzw. Systemintegra- 35 Prozent Energievorteil. Das hängt immer sehr stark tion, zu Simulationsmodellen, Messanforderungen oder davon ab, welcher Zyklus betrachtet wird - für Arbeits- Ähnlichem aufkommen. maschinen gibt es bisher kein einheitlich genormtes Ar- Wir möchten als Hersteller für Antriebssysteme aus In- beitsspiel. Außerdem kommt es stark auf die betrach- dustriesicht aufzeigen, dass man mit dem untersuchten tete Maschine an. An einem konkreten Maschinenbei- System Emissionen reduzieren kann und für den End- spiel konnten wir beispielsweise zeigen, dass zehn bis 15 kunden durch gezielte systembezogene Hybridisierung Prozent Energie eingespart werden und gleichzei tig am ein signifikanter Kostenvorteil durch Kraftstoffver- Fahrzeug einzelne Komponenten, wie z.B. der Kühler, brauchsreduktion entsteht. Weiterhin werden wir dar- weggelassen werden können. Das sind Zusatzeffekte, stellen, dass auch Schallemissionen deutlich reduziert die für die Wirtschaftlichkeit der Maschine hoch rele- werden, was einen weiteren Vorteil bei der Nutzung im vant sind, die man aber nur erkennt, wenn die Maschine urbanen Umfeld darstellt. als Ganzes, also auch in ihrem Arbeits umfeld, betrachtet Im Zuge der zu erwartenden weltweiten kommenden wird. Emissionsgesetzverschärfung und des nachhaltigen Kli- maschutzes ist dies ein wichtiger Schritt für Kunden und Wenn wir einmal in die Zukunft blicken: Werden ir- Hersteller. gendwann nur noch Hybridbagger eingesetzt? Außerdem haben wir uns das Rightsizing auf die Fahne geschrieben: Wir optimieren unseren Antrieb so, dass [Geimer] Das ist eine gute Frage, die ich Ihnen so pau- wir ein ideales System für den Einsatz im Bau- und Ar- schal leider nicht beantworten kann. Das hängt sehr beitsmaschinenbereich zur Verfügung stellen können, stark von den Randbedingungen a b. Unsere Erfahrun- da wir speziell auf diese Anforderungen hin entwickeln. gen aus Forschungsprojekten zeigen, dass Effizienzvor- Und dann erreichen wir genau das, was auch Herr Prof. teile aufgrund der aktuell niedrigen Kraftstoffkosten zu- Geimer zu Beginn angesprochen hat: Wir – und vor al- sätzliche Investitionen wirtschaftlich nicht rechtferti- lem die OEMs – können effizienter werden. Ressourcen gen. Kann hingegen durch einen Hybridantrieb die Pro- sparen und nachhaltig die Vorteile der Elektrifizierung duktivität der Maschine gesteigert werden, so sind diese im Off-Highway Markt nutzen. Systeme dann häufig auch wirtschaftlich. Es gab in der Vergangenheit hybride Antriebe in Maschinen, die bis Können Sie näher erläutern, was das Besondere an Ih- zur Marktreife entwickelt wurden – dann fielen die Ben- rer Antriebsplattform ist? zin- und Dieselpreise so stark, dass die Alternativen un- wirtschaftlich wurden und die Systeme schlussendlich [Trautmann] Das Besondere ist, das stoba als Systeman- nicht in den Markt eingeführt wurden. bieter auftritt. Das heißt, unser Produkt besteht aus ver- schiedenen Komponenten: Motor, inklusive Inverter KIT – Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft www.kit.edu
und Steuerung, einem Batterie-Pack mit Batteriemana- gementsystem sowie einem elektronischen Steuerge- rät, welches die verschiedenen Produkte orchestriert. Dieses System bietet den Vorteil für die Kunden auf nur eine bekannte Schnittstelle zurückgreifen zu können. Leistungs-, Daten-, und Sicherheitsmanagement wer- den im System bedient. Dies gewährleistet – wie im Fall des Baggers– eine einfache, sichere und kostengünstige Integration. Dass der Baumaschinenhersteller auf ein vollintegriertes System zurückgreifen kann ist aus unse- rer Sicht neu und außergewöhnlich. Auch die Tatsache, dass hier speziell die Anforderungen aus dem Off- Highway Bereich erfüllt werden, bietet den Kunden ei- nen Vorteil. Zudem bietet stoba funktional sichere Antriebssysteme an: Wir arbeiten im Niedervoltbereich mit einem Span- nungslevel von kleiner 60 Volt und dies mit Leistungen pro Einzelantrieb von bis zu 100 kW. Damit ergeben sich z.B. bei der Wartung Vorteile. Fachexperten, wie s ie üb- Abbi ldung 2: In den Startlöchern: Das Projektteam vom KI T und licherweise für Systeme über 60 V benötigt werden, sind der s toba e-Systems vor dem Forschungsobjekt nicht von Nöten. Auch reduzieren sich die Entwicklungs- und Integrationsaufwände gegenüber einer Hochvoltin- Messzyklen aufgenommen und durch Simulationen Po- tegration in diesem Leistungsbereich deutlich. Aus un- tenzialanalysen durchgeführt haben. Letztendlich kön- serer technischen Sicht ist auch das Thema Kosten nicht nen wir damit abschätzen, welches Effizienzsteigerungs- zu vernachlässigen: Es geht darum, mit den existieren- potenzial wirklich realisierbar ist. den Ressourcen schonend umzugehen, auf standardi- sierte Bauteile für die Leistungselektronik zurückgreifen [Trautmann] Für uns ist dieses Projekt ein Meilenstein zu können und darum, Produkte zu entwickeln, die mo- in der Geschichte der stoba e-Systems GmbH. Wir dular skalierbar für den Markt angeboten werden kön- freuen uns darauf, mit einem so starken Institut (des nen. KIT) zusammenzuarbeiten. Also kurz: Besonders sind die Kosteneinsparungen, die Wir möchten damit Industrie und Forschung ein Stück funktionale Sicherheit und die Antriebplattform als sol- weit zusammenführen und aus beiden Perspektiven che. neutral aufzeigen, dass sich das Antriebsystem in einer elektrifizierten oder hybridisierten mobilen Arbeitsma- [Geimer] An dieser Stelle würde ich gerne nochmal kurz schine auch wirtschaftlich lohnt. einhaken. Ich finde es sehr gut, dass wir in diesem For- Zusätzlich zu berücksichtigen ist die langfristige Ausrich- schungsprojekt sowohl hydraulische als auch elektri- tung der Zusammenarbeit zwischen stoba und dem KIT. sche Antriebe in ihrer Leistungsdichte vergleichen. Denn Wir generieren in einem ersten Förderprojekt For- bisher gelten hydraulische Antriebe als diejenigen mit schungsergebnisse, können damit Referenzmodelle für einer höheren Leistungsdichte - es wird aber spannend Arbeitszyklen ableiten und schließlich unser Produkt- zu sehen, inwieweit die genannten elektrischen An- portfolio weiter kundenspezifisch und ideal an den triebe, die ja durchaus auch eine sehr hohe Leistungs- Markt anpassen. dichte besitzen, im niedrigen Spannungsbereich mit den Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit diesem Pro- hydraulischen konkurrieren können. jekt außerdem sehr viel gemeinsam lernen können. Un- ternehmen fällt es heute immer schwerer, als One-Stop- Was ist das Besondere an diesem Projekt? Was macht Shop zu agieren, sprich wie wir alle Produktelemente - aus dem Projekt ein erfolgreiches Projekt? Wer sind die in diesem Fall E-Motoren, Leistungselektronik, Batterie Nutznießer des Erfolges? Packs und Batteriemanagementsysteme - aus einer Hand anzubieten. Daher ist es sehr wertvoll, für be- [Geimer] Erfolgreich ist das Projekt, wenn wir in einem stimmte Arbeitspakete Partner aus Industrie oder For- Jahr die Maschine im realen Einsatz untersucht, schung hinzuzuziehen. KIT – Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft www.kit.edu
[Geimer] Definitiv. Und dazu kann ich noch ergänzen: Anmerkung der Forschungsstelle: Wir haben hier das Ziel in einem Folgeprojekt eine reale Das Projekt „Erforschung von Hybridisierungs- Maschine umzurüsten und sie im realen Einsatz zu er- maßnahmen am Beispiel eines Hydraulikbaggers“ wird forschen. Bisher haben wir das nur mit Maschinen ge- durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und tan, die eine maximale elektrische Leistung von zehn bis Wohnungsbau des Landes Baden-Württemberg aus 15 kW hatten. Nun bewegen wir uns im Niedervoltbe- Mitteln des baden-württembergischen Staatshaushalts reich bei 80 bis 100 kW. Das Projekt ist in dieser Hinsicht gefördert. also auch für uns etwas ganz Neues. KIT – Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft www.kit.edu
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