Islam & Entwicklung - Ein Widerspruch? - Programmbüro Interkulturelle Beziehungen mit islamisch geprägten Ländern

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Islam & Entwicklung - Ein Widerspruch? - Programmbüro Interkulturelle Beziehungen mit islamisch geprägten Ländern
Islam & Entwicklung – Ein Widerspruch?
Programmbüro Interkulturelle Beziehungen
mit islamisch geprägten Ländern

                          Im Auftrag des:
Islam & Entwicklung - Ein Widerspruch? - Programmbüro Interkulturelle Beziehungen mit islamisch geprägten Ländern
Impressum

     Herausgeber:                               Autoren:
     Deutsche Gesellschaft für Internationale   Dr. Peer Gatter, Anja Köhler,
     Zusammenarbeit (GIZ) GmbH                  Jenny Bednarek, Elvira Ganter, Nina Prasch,
     Abteilung 3300                             Arwa Hassan, André Kahlmeyer
     Postfach 5180
     D-65726 Eschborn                           Fotos:
     T +49 6196 79-0                            © Peer Gatter
     E info@giz.de
     I www.giz.de                               Gestaltung:
                                                design werk, Nikolai Krasomil
     Verantwortlich:                            www.design-werk.com
     Isabel Mattes-Kuecuekali
     Leiterin Abteilung Mittelmeer &            Erscheinungsort und –jahr:
     Mittlerer Osten (3300)                     Eschborn, 2013 (3. Auflage)

     Programmbüro Interkulturelle Beziehungen   © GIZ 2010-2013
     mit islamisch geprägten Ländern
     Dr. Peer Gatter (Programmkoordinator),     ISBN 978-3-944152-16-5
     Anja Köhler und Jenny Bednarek

     Kontakt:
     Ansprechpartner Islam, OE 3300
     E Islam-und-EZ@giz.de

02
Islam & Entwicklung - Ein Widerspruch? - Programmbüro Interkulturelle Beziehungen mit islamisch geprägten Ländern
Inhalt

Vorwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  04

Islam und Entwicklung – ein Widerspruch?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  06

Programmbüro Interkulturelle Beziehungen mit islamisch geprägten Ländern. . . . . . . . . . . . . .  10

Aus dem Themenspektrum des Programmbüros. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  14

Maghreb: Eckige Themen an Runden Tischen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  18

Algerien: Grüner Islam. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  20

Tadschikistan: Staat und Zivilgesellschaft im Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  22

Zusammenarbeit mit arabischen Gebern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  24

Publikationen des Programmbüros. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  27

                                                                                                                                                     03
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Vorwort

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Islam & Entwicklung - Ein Widerspruch? - Programmbüro Interkulturelle Beziehungen mit islamisch geprägten Ländern
Vorwort

Vorwort

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                                                                           Abteilungsleiterin Mittelmeer
                                                                                    und Mittlerer Osten

Liebe Leserinnen und Leser,

die Partnerländer der deutschen Entwicklungszusammenarbeit sind von einer überaus großen kulturellen
und religiösen Vielfalt geprägt. Diese birgt Potentiale für innovative Lösungen bestehender Entwicklungs-
probleme. Für unsere Arbeit stellt die gesellschaftliche Vielschichtigkeit eine wesentliche Herausforderung
dar. Entwicklungsansätze sind nicht uneingeschränkt übertragbar, sondern müssen an den jeweiligen
politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Kontext angepasst werden, um die gewünschten
Wirkungen zu erzielen und die Menschen zu erreichen.

Entwicklungsinitiativen können aber nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn sie von den Entschei-
dungsträgern und Bevölkerungen in unseren Partnerländern selbst getragen werden. Die Wertschätzung
lokaler Traditionen und Werte fördert die Eigenverantwortung unserer Partner für Entwicklungsprozesse
in ihren Ländern.

Bereits seit mehreren Jahrzehnten arbeiten wir im Auftrag der Bundesregierung, insbesondere des
Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), in islamischen und
islamisch geprägten Ländern. Zusammen mit ihren Partnern setzt die GIZ Maßnahmen in 37 der
weltweit rund 50 islamisch geprägten Ländern für verschiedene Auftraggeber um.

Um das Thema der kulturellen und religiösen Vielfalt besser in der Entwicklungszusammenarbeit zu
verankern, wurde 2007 das Programmbüro Interkulturelle Beziehungen mit islamisch geprägten Ländern
in der Abteilung Mittelmeer und Mittlerer Osten gegründet.

Wie das Programmbüro sich gemeinsam mit den Partnern vor Ort für eine nachhaltige Entwicklung in
den Ländern engagiert, welche Erfolge und Erfahrungen seit seiner Gründung gesammelt werden konnten,
das erfahren Sie auf den folgenden Seiten.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!

                                                                                                              05
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Islam und Entwicklung – ein Widerspruch?

Islam und Entwicklung – ein Widerspruch?

I  slamische Bewegungen sind heute fester
   Bestandteil der Zivilgesellschaften islamisch
geprägter Länder. Die zunehmende Bedeutung
                                                     >> C hancen und Herausforderungen
                                                         der Zusammenarbeit
von islamischen Organisationen und Bildungs-         Von der Entwicklungszusammenarbeit können
einrichtungen, von Moscheen, islamischen Räten       diese Bewegungen folglich nicht länger ignoriert
und religiösen Würdenträger innerhalb dieser         werden – kann die Einbindung moderater islami-
Gesellschaften ist jedoch nicht zwangsläufig         scher Institutionen in Entwicklungsprozesse doch
mit Radikalisierungstendenzen gleichzusetzen.        Konfliktpotentiale vermindern und eine höhere
Islamische Organisationen leisten vielerorts         Akzeptanz, Effektivität und Nachhaltigkeit unse-
soziale Grunddienste und tragen so zu Armuts-        rer Arbeit bewirken. Vor diesem Hintergrund hat
bekämpfung, Bildung und medizinischer                sich die GIZ zur Aufgabe gesetzt, die Potentiale
Versorgung bei. Sie besitzen daher eine oftmals      islamischer Kultur und Gesellschaft stärker in die
stärkere Verankerung in der Bevölkerung als staat-   Ausgestaltung von Entwicklungsprozessen einzu-
liche Behörden.                                      beziehen. So weisen etwa islamische Werte wie die
                                                     Bewahrung der Schöpfung, die Orientierung auf
                                                     das Gemeinwohl, soziale Gerechtigkeit als Ver-
                                                     pflichtung zu einer gerechten Verteilung von
                                                     Gewinnen, deutliche Parallelen zum Leitbild der
                                                     nachhaltigen Entwicklung auf. Dabei ist der Islam
                                                     kein monolithisches Gebilde mit einem starren,
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unveränderlichen Werte- und Normensystem, wie           Kräften. Aber auch Konflikte zwischen dem west-
er oft vereinfacht dargestellt wird. Er ist nicht nur   lichen Kulturkreis und dem Islam spielen hierbei
durch verschiedene religiöse Strömungen und             eine zentrale Rolle. Deren Verhältnis zueinander
Rechtsschulen geprägt, sondern auch von lokalen         ist häufig von Vorurteilen und Stereotypen
Traditionen und politisch-historischen Erfah-           geprägt. In der öffentlichen Meinung Europas
rungen, wie etwa der Kolonialzeit. Es ist gerade        dominiert dabei ein Islambild, das Entwicklungs-
diese Diversität, in welcher Chancen für eine           rückstände und Reformstau auf „den Islam“ als
fruchtbare Zusammenarbeit liegen. Eine differen-        Religion ursächlich zurückführt und in der islami-
zierte Wahrnehmung des soziokulturellen Umfelds         schen Kultur eine hohe Gewaltbereitschaft ver-
und die realistische Einschätzung von religiös          mutet. Umgekehrt besteht auf Seiten von
motivierten gesellschaftlichen Kräften sind daher       Muslimen die Angst, der Westen wolle über
wichtige Voraussetzungen, um Möglichkeiten              Eingriffe in politische Systeme und die gezielte
und Grenzen des jeweils Verhandelbaren erken-           Förderung einzelner Akteure, auf Gesellschaft,
nen und Spielräume nutzen zu können.                    Kultur und Religion der Partnerländer gestaltend
                                                        Einfluss nehmen, um dabei einen dem Westen
                                                        gefügigen Islam zu formen.
>> Vorurteile abbauen
                                                        Hier kommt der Entwicklungszusammenarbeit
Unterschiedlichste Hindernisse und Vorurteile           die wichtige Rolle zu, Spannungen und Infor-
erschweren häufig jedoch eine erfolgreiche Ko-          mationsdefizite abzubauen. Dies setzt jedoch
operation. Dazu zählen etwa Konflikte zwischen          Fachkräfte mit einer hohen kulturellen wie auch
Staatsmacht und oppositionellen islamischen             religiösen Sensibilität voraus.

Die GIZ hat sich zur Aufgabe gesetzt, die Potentiale
islamischer Kultur und Gesellschaft stärker in die Ausgestaltung
von Entwicklungsprozessen einzubeziehen.

                                                                                                             07
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Islam und Entwicklung – ein Widerspruch?

    >> Erfolg kultursensibler Ansätze                  Beispiele für gelungene Kooperationen sind
                                                       Projekte zur Einführung sozialer Kranken-
    Initiativen der GIZ im Bereich „Islam und          versicherungen für Arme auf der Grundlage des
    Entwicklungszusammenarbeit“ zeigen, dass           Zakat (der Verpflichtung zur Entrichtung von
    islamische Entwicklungsvorstellungen und           Abgaben zu Gunsten Bedürftiger), Mikrofinan-
    Handlungsgrundlagen mit den Werten der deut-       zierung nach Prinzipien des islamischen
    schen Entwicklungszusammenarbeit kompatibel        Bankwesens, Kooperationen mit Moscheen und
    sein können. Dies erlaubt, Entwicklungsvorhaben    Imamen zu Umwelterziehung und Biodiversität,
    so zu gestalten, dass sie zu spür- und messbaren   sowie die Zusammenarbeit mit religiösen
    Verbesserungen der Lebensbedingungen der           Würdenträgern zur rechtlichen Besserstellung von
    Menschen führen, eine gute Regierungsführung       Frauen und der Bekämpfung von häuslicher
    fördern und Konflikte in Bahnen des gewaltlosen    Gewalt.
    Ausgleichs lenken. Dies erfordert eine hohe
    Dialogfähigkeit und die sachkundige Ausein-
    andersetzung mit den vor Ort gegebenen
    Realitäten und Wertvorstellungen, die in vielen
    Partnerländern maßgeblich vom Islam geprägt
    werden.

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Islam & Entwicklung - Ein Widerspruch? - Programmbüro Interkulturelle Beziehungen mit islamisch geprägten Ländern
Der Entwicklungszusammenarbeit kommt die wichtige
Rolle dabei zu, Spannungen und Informationsdefizite
abzubauen.
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Programmbüro Interkulturelle Beziehungen mit islamisch geprägten Ländern

     Programmbüro Interkulturelle Beziehungen
     mit islamisch geprägten Ländern

     U    nter dem Eindruck der zunehmenden
          Politisierung des Islam und des Erstarkens
     extremistischer Strömungen hat sich die
                                                               Wirksamkeit sowie eine starke Partnerorientierung,
                                                               Transparenz und interkulturelle Sensibilität not-
                                                               wendig. Dies muss gepaart sein mit einer differen-
     Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf den             zierten Kenntnis der religiös-kulturellen
     Islam verdichtet. Innergesellschaftliche Konflikte        Ausprägungen des Islam, seiner Werte und
     und geopolitische Interessenlagen haben dazu              Traditionen sowie des religiösen und säkularen
     geführt, dass große Bevölkerungsteile in islamisch        Spektrums der Zivilgesellschaften. Interessen und
     geprägten Ländern die Glaubwürdigkeit von glo-            Reformansätze können so erkannt und erfolgreich
     balen Problemlösungsstrategien mehr denn je in            in Entwicklungsprozesse eingebunden werden.
     Frage stellen und externe Einflussnahme ablehnen.
                                                               Um kulturelle und religiöse Vielfalt zukünftig
                                                               noch stärker in der Entwicklungszusammenarbeit
     >> Okzident trifft Orient                                 zu verankern, wurde 2007 das Programmbüro
                                                               Interkulturelle Beziehungen mit islamisch gepräg-
     Zur Stärkung des Vertrauens in die Entwick-               ten Ländern geschaffen. Hervorgegangen ist es
     lungszusammenarbeit und ihrer Akzeptanz in der            aus einer Reihe von Pilotprojekten mit islami-
     Bevölkerung, ist, insbesondere im komplexen               schen Akteuren, welche die Bedeutung von Kultur
     gesellschaftlichen Umfeld unserer islamisch ge-           und Religion für den Verlauf und die Wirkung
     prägten Partnerländer, eine hohe Qualität und             von Entwicklungsprozessen verdeutlichen.

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Programmbüro Interkulturelle Beziehungen mit islamisch geprägten Ländern

>> Unsere Leistungen                                     Neben Fortbildungen, wie sie in den vergangenen
                                                         Jahren etwa regelmäßig im Jemen, Algerien,
Zu den wichtigsten Aufgaben des Programmbüros            Ägypten, Jordanien aber auch in Deutschland
zählt die kulturadäquate Konzeption und Um-              stattgefunden haben, bietet das Programmbüro
setzung von Entwicklungsvorhaben zur Erhöhung            auch regelmäßige Veranstaltungen zu aktuellen
von deren Wirkungen, Akzeptanz und Nach-                 Themen der Entwicklungszusammenarbeit in
haltigkeit. Daneben bietet das Programmbüro              islamisch geprägten Ländern an. Dazu zählen
eine Reihe fachlicher Beratungsleistungen für die        Konferenzen zum politischen Islam, islamischer
Vorhaben und Fachkräfte der deutschen Entwick-           Wirtschaftsethik, oder dem Karikaturenstreit und
lungszusammenarbeit an. Zu den wichtigsten               seinen Auswirkungen auf die deutsche Entwick-
Leistungen gehören:                                      lungszusammenarbeit.

• die Umsetzung von Pilotprojekten, welche
   religiöse und kulturelle Vielfalt als Entwick-
   lungsmotor begreifen,
• unternehmensweite Beratung zur kultursensiblen
   Ausgestaltung von Entwicklungsmaßnahmen,
• Analysen der Partnerlandschaft in islamisch
   geprägten Ländern und die Einbindung neuer
   Akteure in die Entwicklungszusammenarbeit,
• die Erschließung neuer entwicklungsrelevanter
   Themen,
• die Stärkung der interkulturellen Kompetenzen
   von Fachkräften der deutschen Entwicklungs-
   zusammenarbeit,
• Lernwerkstätten für nationale Mitarbeiter in
   unseren Partnerländern zur Unternehmens-
   kultur und Struktur der GIZ, sowie zu den
   Werten, Themen und Arbeitsweisen der deut-
   schen Entwicklungszusammenarbeit,
• die Durchführung von Dialogforen mit lokalen
   Partnern (religiös-säkularer Dialog),
• die Aufarbeitung erfolgreicher Ansätze der
   Entwicklungszusammenarbeit zu den Themen
   Islam und Kultur sowie deren Dokumentation
   und Übertragung in andere Partnerländer,
• Expertise und Veröffentlichungen zu Fachthemen.

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Programmbüro Interkulturelle Beziehungen mit islamisch geprägten Ländern

     >> Unsere Regionen, unsere Partner
     Regionale Schwerpunkte unserer Arbeit sind die
     arabisch-sprachigen Länder, Südosteuropa sowie
     Zentralasien und Afghanistan. Zukünftig ist eine
     Ausweitung der Tätigkeit des Programmbüros
     auch in den islamisch geprägten Ländern Süd­
     ostasiens und Afrikas denkbar.

     Zahlreiche Praxisbeispiele aus dem Jemen, Pakistan,
     Mauretanien oder Indonesien zeigen wie wichtig
     die Einbindung von islamischen Akteuren und
     Vertretern traditioneller Eliten für den Erfolg von
     Entwicklungsprozessen ist. Dies stärkt nicht nur
     die Legitimation unserer Maßnahmen, sondern               foren, die Partnerregierungen mit Vertretern zivil-
     auch die Zivilgesellschaft und die Eigenverant-           gesellschaftlicher und religiöser Institutionen
     wortung unserer Partner. Mit der Schaffung und            sowie mit Vertretern aus Wissenschaft und
     Erweiterung von Partnernetzwerken im religiös-            Forschung an einem Tisch bringen. Ziel ist dabei
     traditionellen Sektor unterstützt das Programm-           die Entwicklung gemeinsamer Perspektiven aus
     büro daher die Vorhaben der deutschen                     ganz unterschiedlichen Blickwinkeln.
     Entwicklungszusammenarbeit. Neuen Themen
     nähert sich das Programmbüro oft über Dialog-

12
Zahlreiche Praxisbeispiele zeigen wie wichtig die Einbindung
von islamischen Akteuren und Vertretern traditioneller
Eliten für den Erfolg von Entwicklungsprozessen ist.

                                                               13
Aus dem Themenspektrum des Programmbüros

     Aus dem Themenspektrum des Programmbüros

     I  n vielen Partnerländern der deutschen
        Entwicklungszusammenarbeit beeinflusst der
     Islam das Leben der Menschen tief. Er bietet nicht
                                                          >> Frauenrechte stärken
                                                          Frauenrechte in islamisch geprägten Ländern wer-
     nur Handlungsorientierungen für religiöse            den durch die Scharia und kulturelle Werte
     Praktiken und für das zwischenmenschliche            bestimmt, die mitunter Resultat patriarchaler
     Zusammenleben, sondern wirkt in vielfaltiger         Traditionen sind. In Fragen der Eheschließung
     Weise auf Kultur, Recht, Politik, Wirtschaft oder    und Scheidung, im Sorgerecht um Kinder, in der
     die Staatsform. In einer Reihe von Arbeitsfeldern    Vererbung der Nationalität oder in den
     der Entwicklungszusammenarbeit ergeben sich          Kleidungsvorschriften hat dies vielfach eine
     daher Schnittstellen mit dem Islam. In vielen die-   Benachteiligung der Frau zur Folge. Durch die
     ser Bereiche gestattet die Einbindung islamischer    Berufung auf die Scharia wird dies oftmals zum
     Akteure eine wirkungsvollere Zusammenarbeit.         quasi sakrosankten Recht erklärt. Die Scharia ist
     In anderen jedoch können Spannungsfelder zwi-        denn auch der Grund für die Vorbehalte der mei-
     schen den Zielen von Entwicklungszusammenarbeit      sten islamischen Staaten bei der Ratifikation der
     und den Interessen von Partnern auftreten. Eine      UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von
     äußerst kultursensible Herangehensweise ist etwa     Diskriminierung der Frau (CEDAW). Regional
     auf dem Feld der Frauenförderung, der Rechts-        bestehen große Unterschiede in der Interpretation
     beratung oder der guten Regierungsführung            und Umsetzung islamischer Vorschriften. Deren
     gefragt.                                             Anwendung kann persönlich gestaltet sein (wie
                                                          etwa in Zentralasien), als Personenstandsrechte
     Im Fokus des Programmbüros steht, neben der          kodifiziert sein (z.B. in Marokko) und sogar
     Verankerung des Themas Islam in der Entwick-         durch speziell ausgebildete Ordnungshüter einge-
     lungszusammenarbeit und der Erschließung neuer       fordert werden (so im Iran oder in Saudi Arabien).
     Themen mit Relevanz für die Arbeit mit unseren       Gleichberechtigung ist jedoch eine Voraussetzung
     Partnern in islamisch geprägten Ländern, daher       für nachhaltige Entwicklung. Grundlage dafür ist
     auch die Beratung zu Themenfeldern mit hohem         neben der rechtlichen Gleichstellung auch der
     Konfliktpotential.                                   Zugang zu Bildung. Für viele Frauen existiert
                                                          Bildung als Menschenrecht oft nur auf dem
     Zu den Themen des Programmbüros gehören              Papier. Bildung eröffnet die Chance auf ein selbst-
     neben Kultur und Wirtschaft, politischem Islam       bestimmtes Leben und zur Teilhabe an einer
     und islamischer Bildung, auch der Klimawandel,       repräsentativen Demokratie. Darüber hinaus
     Umwelt- und Ressourcenschutz, sowie islamische       muss die Teilhabe von Frauen am Wirtschafts-
     Mikrofinanz, islamisches Recht, Rechtsreform         kreislauf gestärkt werden, da die durch
     und Frauenrechte. Das Programmbüro greift diese      Bildungszuwächse erworbenen Kompetenzen von
     Themen im Rahmen von Pilotprojekten und              Frauen am Arbeitsmarkt häufig noch ungenutzt
     Beratungsleistungen für Kooperationsvorhaben         bleiben.
     der deutschen Entwicklungszusammenarbeit auf,
     sowie durch Studien, Fortbildungen und Kon-          Das Programmbüro berücksichtigt Ansätze zur
     ferenzen.                                            Förderung der Gleichberechtigung in der
                                                          Konzeption und Umsetzung von Pilotprojekten
                                                          und berät staatliche Institutionen und zivilgesell-
                                                          schaftliche Akteure in islamisch geprägten
                                                          Ländern bei der Förderung von Frauen. In der
                                                          Einführung des Themas Biodiversität in die

14
Aus dem Themenspektrum des Programmbüros

Curricula algerischer Koranschulen etwa, sind         den vergangenen Jahren ist das Thema Sicherheit
Koranlehrerinnen ein zentraler Partner und wich-      daher immer stärker in den Fokus der internatio-
tiger Multiplikator. Auch in den Dialogforen des      nalen Zusammmenarbeit gerückt. Mit der zuneh-
Programmbüros kommt der Betrachtung ent-              menden Verknüpfung von Entwicklungspolitik
wicklungspolitischer Themen in Hinblick auf           mit Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik,
geschlechterspezifische Rollen, Rechte und            kommt der Entwicklungszusammenarbeit eine
Bedürfnisse eine wichtige Rolle zu.                   immer wichtigere Rolle in der Vermittlung eines
                                                      friedlichen Ausgleichs von Interessen und der
                                                      Förderung von Aushandlungsprozessen zu. Wie
>> Brennpunkt Sicherheit                              gut sind unsere Fachkräfte auf diese anspruchsvol-
                                                      len Aufgaben vorbereitet? Wie kann Vertrauen
Zahlreiche Konflikte prägen die Region. Zu dem        gestärkt und wie Eigenverantwortung unserer
mittlerweile über Jahrzehnte andauernden              Partner für gemeinsame Vorhaben in islamisch
Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern       geprägten Ländern gestärkt werden? Diesen
kommen weitere zwischen- und innerstaatliche          Fragen stellt sich das Programmbüro. Dem
Auseinandersetzungen um Ressourcen, Minder-           Jahresthema der GIZ 2009 „Sicherheit entwickeln
heitenrechte, Chancengleichheit sowie Zugang zu       – Entwicklung sichern“ verpflichtet, veranstaltete
Bildung und Arbeit hinzu. Der internationale          das Programmbüro in Zusammenarbeit mit der
Terrorismus stellt auch für die islamisch geprägten   GIZ-Repräsentanz Berlin im Mai 2009 eine
Länder eine beständige Bedrohung dar und hat          Konferenz zum Thema „Blasphemie als internatio-
massive Auswirkungen auf ihre Ökonomien. In           nales Sicherheitsrisiko“. Aufhänger war der soge-

       Der Entwicklungszusammenarbeit kommt eine immer
       wichtigere Rolle in der Vermittlung eines friedlichen
       Ausgleichs von Interessen und der Förderung von
       Aushandlungsprozessen zu.

                                                                                                           15
Aus dem Themenspektrum des Programmbüros

     nannte „Karikaturenstreit“, der seit 2005 zu welt-   schaftsakteure prägen das Bild. Produktivitäts-
     weiten Protesten von Muslimen führte und auch        steigerungen und Beschäftigungsmöglichkeiten
     in unseren Partnerländern weit über 100              für die Bevölkerung sind begrenzt. Insbesondere
     Menschen das Leben kostete. Daneben haben            die Erwerbsquote von Frauen im Mittleren Osten
     auch die Veranstaltungen und Fortbildungen des       ist weltweit die niedrigste.
     Programmbüros zu interkultureller Kompetenz
     das Thema Sicherheit zum Fokus – erhöht das          Die globale Wirtschaftskrise und deren relativ
     Verstehen des religiös-traditionellen Umfeldes in    geringe Auswirkungen auf das islamische
     unseren Partnerländern doch die persönliche          Bankwesen hat islamischen Lösungen, wie etwa
     Sicherheit von Fachkräften der Entwicklungs-         der islamischen Mikrofinanz, in den vergangenen
     zusammenarbeit.                                      Jahren starken Aufwind gegeben. Im Raum
                                                          Mittlerer Osten/Nordafrika und in Zentralasien
                                                          sind islamische Wirtschaft und Wirtschaftsethik
     >> Islamische Wirtschaft im Fokus                    daher zentrale Themen bei Dialogforen des
                                                          Programmbüros. Gemeinsam mit dem alge­rischen
     Das hohe Bevölkerungswachstum sowie die              Religionsministerium arbeitet das Programmbüro
     Globalisierung der Wirtschaft verlangen geeignete    zusammen mit dem deutsch-algerischen
     Reaktionen der islamisch geprägten Länder, um        Programm für Wirtschaftsförderung an einer effi-
     ihre Wirtschaftsstrukturen den sich ändernden        zienteren Vergabe von Mikokrediten und einer
     Bedingungen anzupassen. Immer mehr junge             besseren Verwaltung des Fonds für religiöse
     Menschen drängen auf die Arbeitsmärkte, doch         Abgaben (Zakat). Eine Reihe von Trainings-
     das Wirtschaftswachstum dieser Länder bleibt         veranstaltungen sollen es Bediensteten des
     weitgehend ohne Beschäftigungswirkung. Der           Ministeriums für religiöse Angelegenheiten er-
     wertschöpfende Sektor hat sich in den meisten        möglichen, Kleinunternehmer zukünftig besser zu
     islamisch geprägten Ländern nicht weiter diffe-      fördern, Betriebsgründungen auf Basis von
     renziert, da die Bedeutung des Privatsektors noch    Mikrokrediten nachhaltiger zu gestalten und so
     relativ gering ist. Zahlreiche informelle Wirt-      die Rückzahlungsquote von Krediten zu erhöhen.

16
Aus dem Themenspektrum des Programmbüros

                                           17
Maghreb: Eckige Themen an Runden Tischen

     Maghreb: Eckige Themen an Runden Tischen

     E    ntwicklung braucht Visionen und handlungs-
          fähige Allianzen. Dieser Maxime folgend,
     initiierte die Veranstaltungsreihe „Runde Tische
                                                             >> Eine lebenswerte Zukunft schaffen
                                                             Umwelt- und Ressourcenschutz sind Themen von
     Maghreb“ einen innovativen Austausch ganz               besonderer Brisanz in den Ländern des Maghreb
     unterschiedlicher Akteure zu drängenden ent-            und bedeutsam für eine nachhaltigere Entwicklung
     wicklungspolitischen Themen der Region.                 der Region. Besonders die zunehmende Wasser-
     Religiöse Würdenträger trafen auf Vertreter aus         knappheit stellt die Menschen Nordafrikas vor
     Wissenschaft und Wirtschaft, Repräsentanten             enorme Herausforderungen und verlangt nach
     staatlicher Institutionen auf Aktivisten zivilgesell-   innovativen Lösungen. Daher standen die
     schaftlicher Organisationen. Die Veranstaltungs-        Vermittlung von Fachwissen zu den Themen
     reihe zu Umwelt, Migration und wirtschaftlicher         Klimawandel und Umweltschutz ebenso im
     Entwicklung verdeutlichte vor allem eines: auf          Mittelpunkt des zweiten Dialogforums (Algerien,
     dem Weg hin zu gemeinsamen Leitbildern und              November 2008) wie auch die Rolle von sozio-
     Lösungen für eine nachhaltige Entwicklung sind          kulturellen und religiösen Werten für eine nach-
     Dialog und Reflexion unentbehrlich.                     haltige Umweltentwicklung. Mangelndes
                                                             Umweltbewusstsein in der Bevölkerung wurde
                                                             dabei als wesentliches Problem identifiziert.
     >> Tradition und Moderne                                Beispiele aus Tunesien und Algerien verdeutlich-
                                                             ten, wie auf ganz unterschiedliche Art und Weise
     Soziale und ökonomische Veränderungen haben             – dem jeweiligen politischen und sozio-kulturel-
     in den letzten Jahrzehnten neben einem deutli-          len Kontext der Länder entsprechend – wissen-
     chen Wirtschaftswachstum auch das Erstarken             schaftliche Argumente, traditionelle Werte und
     eigener Identitätskonzepte im Maghreb bewirkt.          religiöse Bildung in der Umwelterziehung wirk-
     Dies drückt sich vor allem durch die Hinwendung         sam miteinander verflochten werden können, um
     zu islamischen Lösungen, wie etwa dem islami-           so eine breite Zuhörerschaft zu erreichen. Das
     schen Bankwesen, aus. Im Mittelpunkt der ersten
     Dialogveranstaltung (Marokko, April 2008) stan-
     den die für eine nachhaltige Entwicklung bedeut-
     samen Potentiale von islamischer Wirtschaftsethik
     sowie die Rolle traditioneller und religiöser
     Akteure in Entwicklungsprozessen. Dabei wurde
     auch die schwierige Lage vieler Frauen in der
     Region thematisiert, welche im Spannungsfeld
     zwischen traditioneller Geschlechterrolle und den
     Anforderungen der Moderne ihre wirtschaftlichen
     Potentiale oftmals nicht ausschöpfen können. Im
     Rahmen von durchaus kontroversen aber den-
     noch konstruktiven Diskussionen gelang es den
     Teilnehmern sich auf gemeinsame Werte und
     Entwicklungsziele zu verständigen. Erfolgreiche
     Ansätze aus einzelnen Ländern Nordafrikas dien-
     ten als Anregungen für eine Weiterführung und
     Vertiefung des Dialogprozesses.

18
Maghreb: Eckige Themen an Runden Tischen

Dialogforum gab den Anstoß für die Aufnahme        herrschte Einvernehmen unter den Teilnehmern,
des Themas Biodiversität in den Lehrplan von       dass nur durch eine Reihe komplementärer
Koranschulen in Annaba, Algerien.                  Maßnahmen die negativen Folgen von Migration
                                                   eingedämmt und ihre Entwicklungspotentiale
>> Jugend, Bildung & Migration                     genutzt werden können. Diese müssen sowohl
                                                   staatlicher, privater, lokaler, regionaler als auch
Eine hohe Arbeitslosigkeit und die damit verbun-   internationaler Natur sein. Eine bessere gesell-
dene Perspektivlosigkeit von Jugendlichen und      schaftliche Integration junger Menschen und ein
jungen Erwachsenen sind charakteristisch für die   verbesserter Zugang zu Bildungsmöglichkeiten
Länder des Maghreb. Mit der Hoffnung auf           von hoher Qualität sind dabei wesentliche
Arbeit und ein besseres Leben im Gepäck kehren     Faktoren. Was Politik, Zivilgesellschaft und reli-
daher viele Menschen Nordafrika den Rücken.        giöse Akteure konkret bei der Verbesserung der
Die meisten von ihnen zieht es nach Europa. Die    Lebensumstände und Zukunftsperspektiven jun-
dritte Veranstaltung der Reihe „Runde Tische       ger Menschen leisten können und welche Band-
Maghreb“ (Spanien, April 2009) widmete sich den    breite das aktuelle zivilgesellschaftliche Engage-
Ursachen, dem Ausmaß und den Folgen von            ment im Maghreb bei der Förderung von jungen
Migration, mit einem besonderen Augenmerk für      Menschen hat, verdeutlichten Projektbeispiele aus
die Probleme junger Menschen und Frauen. Es        den Ländern Nordafrikas.

Soziale und ökonomische Veränderungen haben in den
letzten Jahrzehnten neben einem deutlichen Wirtschafts-
wachstum auch das Erstarken eigener Identitätskonzepte
im Maghreb bewirkt.

                                                                                                         19
Algerien: Grüner Islam

     Algerien: Grüner Islam

     D     ie islamisch geprägten Länder Nordafrikas,
           des Mittleren Ostens und Zentralasiens sind
     in besonderem Maße vom globalen Klimawandel,
                                                         In der islamischen Vorstellung zur Beziehung von
                                                         Mensch und Natur sind vier zentrale Begriffe
                                                         verankert, die der islamisch-ökologische Diskurs
     zunehmender Desertifikation und dem Rückgang        als Pflicht der Gläubigen zum Umweltschutz
     natürlicher Ressourcen betroffen. Die Über-         interpretiert. Sie werden aus den traditionellen
     nutzung der Wasserressourcen etwa gefährdet die     Quellen wie dem Koran, der Sunna und den
     Trinkwasserversorgung der Bevölkerung genauso       Hadithen hergeleitet: es sind die Schöpfung
     wie die landwirtschaftliche Produktion. Deshalb     Gottes, die es zu bewahren gilt (Fitra), die Einheit
     gewinnt der Diskurs um Umweltbewusstsein und        der Schöpfung, in der alle Dinge in Beziehung
     Umweltschutz in diesen Regionen immer stärker       zueinander stehen (Tauhid), das Gleichgewicht
     an Bedeutung. Auch von islamischen Theologen        der Schöpfung, das einen perfekten Zustand dar-
     wird der Gedanke immer öfter aufgegriffen und       stellt und deshalb wieder hergestellt werden muss
     inzwischen publikumswirksam in Freitagspredigten    bzw. nicht zerstört werden darf (Mizan) und die
     thematisiert.                                       Rolle des Menschen als Sachverwalter von Gottes
                                                         Schöpfung (Khilafa). Nach Auslegung der ökolo-
                                                         gischen Theologie verpflichtet der Koran auch
                                                         zum Ressourcenschutz, fordert doch Sure 7:31 die
                                                         Gläubigen dazu auf, Verschwendung und
                                                         Übertreibung zu vermeiden.

20
Algerien: Grüner Islam

>> Imame für den Umweltschutz                        >> Biodiversität an Koranschulen
Mit den Zielen der deutschen Entwicklungszusam-      Das Lehrbuch zu Biodiversität legt großen Wert
menarbeit lässt sich dieses ökologisch-theologi-     darauf, Schülern die Bedeutung von ökologischer
sche Verständnis sehr gut vereinbaren. Der reli-     Vielfalt für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen
giöse Sektor wird von der GIZ daher zunehmend        verständlich zu vermitteln. Gleichzeitig arbeitet
in Entwicklungsmaßnahmen eingebunden und             das gemeinsam von algerischen Naturwissen-
religiöse Würdenträger aufgrund ihrer herausra-      schaftlern und Religionsgelehrten entworfene
genden Stellung in den Gesellschaften vieler isla-   Buch die Verbindung von Umwelt zum Islam auf
misch geprägter Länder als Multiplikatoren einge-    Basis der religiösen Quellen heraus. Das Lehrbuch
bunden. So können breite Kreise der Bevölkerung      erklärt anschaulich den Einfluss des Menschen auf
für umweltrelevante Themen sensibilisiert wer-       Ökosysteme und die Atmosphäre, die Zusammen-
den.                                                 hänge von Umweltverschmutzung und Krank-
                                                     heiten, die Vielfalt des Lebens, von Mikro-
Maßnahmen wie die Entwicklung eines Hand-            organismen bis zum Menschen. An einer Reihe
buches für Imame zur Rolle der Moschee bei der       von Koranschulen der algerischen Pilotregion
Umwelterziehung oder eines Lehrbuches zu             Annaba wurde das Lehrbuch bereits im Unterricht
Biodiversität für Koranschulen erwiesen sich dabei   getestet. 20 Koranlehrerinnen und Koranlehrer
als sehr erfolgreich. Wie das Handbuch, welches      wurden in seiner Anwendung ausgebildet und
Imamen religiöse Argumentationshilfen bietet,        rund 2000 Schüler mit dem Thema Biodiversität
um das Thema Umweltschutz für Freitagspredigten      vertraut gemacht. Der algerische Religionsminister
aus dem Koran herzuleiten, ist auch das Lehrbuch     sprach sich für eine weitere Verbreitung des
zu Biodiversität aus Kooperationen zwischen dem      Lehrbuches an den Koranschulen des Landes aus.
deutsch-algerischen Programm für integriertes        2011 soll es in enger Kooperation mit dem
Umweltmanagement, den algerischen Ministerien        Religionsministerium an Koranschulen der
für Umwelt und für Religion sowie dem                westalgerischen Stadt Tlemcen eingeführt werden
Programmbüro Interkulturelle Beziehungen mit         und von dort im Rahmen der offiziellen
islamisch geprägten Ländern entstanden. Der          Veranstaltungen „Islamische Kulturhauptstadt
Erfolg dieser Maßnahmen strahlt weit über            Tlemcen 2011“ weiter in die gesamte islamische
Algerien hinaus und findet Resonanz in Projekten     Welt getragen werden.
im Jemen, Pakistan, Bangladesch und Afghanistan.

Im Film „Glaube der Veränderung – Algerische
Imame für den Umweltschutz“ wurde das Pilot-
projekt im algerischen Annaba durch das
Programmbüro dokumentiert.

Der Koran verpflichtet zum
Resourcenschutz und fordert die
Gläubigen auf, Verschwendung und
Übertreibung zu vermeiden.

                                                                                                          21
Tadschikistan: Staat und Zivilgesellschaft im Dialog

     Tadschikistan: Staat und Zivilgesellschaft
     im Dialog

     M      uslime stellen in den ehemaligen Sowjet-
            Republiken Zentralasiens einen hohen
     Anteil an der Bevölkerung. Das Verhältnis zwi-
                                                                    wurden jeweils in enger Zusammenarbeit mit
                                                                    Vorhaben der deutschen Entwicklungszusam-
                                                                    menarbeit sowie mit tadschikischen staatlichen
     schen Regierungen und zivilgesellschaftlichen wie              Partnern (so den Ministerien für Erziehung,
     auch islamischen Akteuren ist jedoch oft ange-                 Arbeit und Soziales) durchgeführt.
     spannt. Während das offizielle Staatsverständnis
     weiterhin säkular, atheistisch und tendenziell                 Kulturelle und religiöse Faktoren nahmen in den
     autoritär ist, kommt islamischen Werten, Normen                Gesprächen eine prominente Rolle ein und wur-
     und Institutionen aber oft eine wichtige Rolle bei             den von den Teilnehmern, intensiv aber auch
     Themen wie Bildung, Gesundheit, wirtschaftli-                  kontrovers diskutiert. Dazu zählten etwa die Rolle
     cher und sozialer Entwicklung zu.                              der religiösen Schulen (Medressen) im Land,
                                                                    sowie der Einfluss von religiösen Autoritäten
     Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit enga-                  auf Entwicklungsthemen, wie beispielsweise
     giert sich in Zentralasien vor allem in den                    Mädchenbildung. Sensible Themen wie die
     Bereichen Wirtschaft und Bildung. Sie geht dabei               Bekämpfung von Korruption im Schulwesen und
     konfliktsensibel vor und fördert gezielt beteili-              der Wirtschaft wurde ebenso thematisiert wie
     gungsorientierte Dialog- und Aushandlungs-                     auch die zunehmende Religiosität der Bevölkerung
     prozesse. Hierbei ist das Programmbüro beratend                und deren Auswirkungen auf das Staatsverständnis
     tätig. So wurden beispielsweise 2007 in                        und die staatliche Religionspolitik. Wichtige
     Tadschikistan, Kirgisistan und Usbekistan die                  Herausforderungen, denen man sich in
     Studien „Rahmenbedingung für die nachhaltige                   Tadschikistan stellen muss, sind vor allem in der
     Wirtschaftsförderung in Zentralasien: kulturell-reli-          Verbesserung der Qualität der Bildung, in der
     giöse und politische Aspekte sowie Konfliktpotentiale
     und Ursachen von Fragilität“ durchgeführt. Diese
     legten nahe, Möglichkeiten für Bürgerinnen und
     Bürgern zu schaffen, die politische, wirtschaftli-
     che und soziale Entwicklung ihrer Länder stärker
     als bislang mitzugestalten.

     >> Entwicklung mitgestalten
     Dieser Empfehlung folgend wurde zwischen 2008
     und 2010 in Tadschikistan eine Reihe von
     Dialogforen zu entwicklungspolitischen Themen
     durchgeführt, welche nachhaltige und partizi-
     pative Aushandlungsprozesse anstoßen sollten.
     Die Foren richteten sich an Vertreter des Staats-
     apparates, der Zivilgesellschaft, der Medien, der
     Privatwirtschaft sowie an religiöse Akteure und
     Vertreter der deutschen und internationalen
     Entwicklungszusammenarbeit. Die Foren zu den
     Themen Bildung, Wirtschaft und Migration

22
Tadschikistan: Staat und Zivilgesellschaft im Dialog

Reform des Wirtschaftssystems, in der Steuerung         Lehrplan der staatlichen Schulen verankert ist.
der Arbeitsmigration sowie der Gestaltung eines         Dies trägt wesentlich zur Normalisierung vom
demokratischen und partizipativen politischen           Umgangs des Staates mit einer zunehmend reli-
Systems zu sehen. Hierfür wurden von den                giösen Bevölkerung bei. Die aktive Teilnahme von
Teilnehmern der Dialogforen Empfehlungen ent-           Ministern und ranghohen Vertretern des
wickelt, welche sich sowohl an die tadschikische        Staatsapparates zeigte ein wachsendes Interesse
Seite als auch an die deutsche und internationale       der Regierung an einem Dialog mit der
Entwicklungszusammenarbeit richteten.                   Zivilgesellschaft. Somit konnten die Dialogforen
                                                        einen Beitrag zur Vertrauensbildung zwischen
                                                        Staat, Zivilgesellschaft und religiösen Akteuren
>> V ertrauensbildung zwischen Staat                   leisten. Zudem weckten die Foren auch die
    und Gesellschaft                                    Aufmerksamkeit der Medien. So strahlte das
                                                        staatliche tadschikische Fernsehen eine umfang-
Vom Bildungsminister wurde eine dieser Em-              reiche Video-Dokumentation zur Dialogreihe
pfehlungen umgehend aufgenommen. Er bat die             und der Arbeit der deutschen Entwicklungs-
tadschikische Steuerungsgruppe der Dialogforen,         zusammenarbeit aus.
ein Curriculum für das Fach Religionskunde aus-
zuarbeiten, welches seit Oktober 2009 fest im

Die Diologforen des Programmbüros stoßen in Zentralasien
gezielt beteiligungsorientierte Aushandlungsprozesse an

                                                                                                           23
Zusammenarbeit mit arabischen Gebern

     Zusammenarbeit mit arabischen Gebern

     G     rundlegend für die nachhaltige Entwicklung
           unserer Partnerländer ist neben der engen
     Verzahnung mit den deutschen und „klassischen“
                                                        hungen erteilte das BMZ der GIZ im Jahr 2009
                                                        den Auftrag, ein regionales Programm zur
                                                        Kooperation mit arabischen Gebern im Raum
     internationalen Akteuren der Entwicklungs-         Mittlerer Osten/Nordafrika (MENA) aufzubauen.
     zusammenarbeit auch eine vertiefte Kooperation
     mit regionalen Gebern. Neben den Mitglieds-
     ländern der OECD haben die arabischen Staaten      >> Synergien fördern
     in den vergangenen Jahren immer mehr an
     Bedeutung in der Gebergemeinschaft gewonnen.       Im Hintergrund stand die Überlegung, dass eine
     Der Aufbau von Netzwerken zur Förderung zivil-     bessere Zusammenarbeit zwischen deutschen und
     gesellschaftlicher Organisationen und benachtei-   arabischen Entwicklungsorganisationen Synergien
     ligter Bevölkerungsgruppen in enger Zusam-         fördern und durch die Einbeziehung der
     menarbeit mit islamischen und arabischen           Erfahrungen beider Seiten die Entwicklungs-
     Geberorganisationen, war daher von Beginn an       zusammenarbeit noch nachhaltiger und wir-
     einer der Schwerpunkte der Arbeit des              kungsvoller gestaltet werden kann. Vor allem die
     Programmbüros. Zur Vertiefung dieser Bezie-        Mitgliedsländer des Golf-Kooperationsrats verfü-

24
Zusammenarbeit mit arabischen Gebern

gen über spezialisierte Institutionen zur Vergabe    >> R
                                                         egionale Geber als strategische
von Entwicklungshilfe. Neben den direkten               Partner
Finanztransfers, die überwiegend direkt an die
Staatshaushalte der arabischen Länder fließen,       Ein wichtiger Partner ist das Arab Gulf Programme
werden Zuwendungen und Kredite über nationa-         for Development (AGFUND), eine multilaterale
le und multilaterale Fonds sowie durch staatsnahe    Organisation mit Sitz in Saudi-Arabien, die von
und private Nichtregierungsorganisation und          sechs Golfstaaten finanziert wird. Gemeinsam
Stiftungen vergeben. Wichtige Sektoren für arabi-    fördern die GIZ und AGFUND im Jemen ein
sche Entwicklungszusammenarbeit sind Bildung,        Projekt zur Bekämpfung von Gewalt gegen
Gesundheit, Energie- und Wasserversorgung,           Frauen. Das Projekt vermittelt Frauen und
Umwelt- und Klimaschutz, Landwirtschaft und          Mädchen, die von häuslicher Gewalt betroffen
Ernährungssicherung sowie humanitäre Hilfe           sind, sowie aus der Haft entlassenen Frauen bes-
und Armutsbekämpfung. Damit sprechen arabi-          sere Zugänge zu Ausbildung und Kleinkrediten
sche Geber Bereiche an, in denen auch die            und hilft bei Existenzgründungen. Dabei arbeiten
OECD- Mitgliedsländer tätig sind.                    die GIZ und AGFUND eng mit Mikrofinan-
                                                     zierungsinstitutionen, sozialen Einrichtungen,
Das regionale GIZ Programm „Zusammenarbeit           Gefängnissen und der Polizei im Jemen zusam-
mit arabischen Gebern in MENA“ mit Sitz im           men. Ein weiteres Projekt mit AGFUND ist die
Jemen hat im Auftrag des BMZ einen offenen           Förderung des Center for Arab Women Training
Regionalfond eingerichtet, aus dem Projekte in       and Research (CAWTAR) mit Sitz in Tunis.
verschiedenen arabischen Ländern anteilig finan-     CAWTAR führt in Jemen, Syrien und Tunesien
ziert werden. An jedem Projekt sind mindestens       Maßnahmen durch, um Dienstleistungen für
eine arabische Geberorganisation sowie Durch-        Frauen im Gesundheitswesen zu verbessern. Wei-
führungsorganisationen in den Empfängerländern       tere Partner sind die Arab Democracy Foundation
beteiligt. Die gemeinsamen Projekte fördern vor      und Silatech. Beide Organisationen haben ihren
allem zivilgesellschaftliche Strukturen und tragen   Sitz in Katar und werden von der katarischen
zur Armutsbekämpfung bei. Arabische Fachkräfte       Regierung finanziert, um Projekte zur Förderung
aus der Region und aus Deutschland beraten die       von Jugendlichen in arabischen Ländern durchzu-
beteiligten Organisationen bei der Planung,          führen. Eine Reihe von Projekten mit der Islamic
Durchführung und Auswertung der Maßnahmen.           Development Bank sind in Vorbereitung.
Merkmale dieser arabisch-deutschen Dreiecks-
kooperationen sind transparente Prozesse, eine       Durch die gemeinsame Arbeit konnten der
gute Vernetzung mit anderen arabischen Institu-      Vertrauensaufbau und Dialog mit arabischen
tionen, kultursensible Ansätze sowie eine gemein-    Geberorganisationen wesentlich verbessert werden.
same Außendarstellung.                               Darüber hinaus stellt das Programm Informationen
                                                     zur Arbeitsweise und Vergabepraxis arabischer Geber
                                                     zur Verfügung, von denen die Programme der
                                                     deutschen Entwicklungszusammenarbeit bei der
                                                     Einwerbung von Kombifinanzierungen profitieren
                                                     können.

Neben den Mitgliedsländern der OECD haben die
arabischen Staaten in den vergangenen Jahren immer mehr
an Bedeutung in der Gebergemeinschaft gewonnen.

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Publikationen des Programmbüros

     Publikationen des Programmbüros

     • Islamistische und jihadistische Akteure in den Partnerländern der deutschen Entwicklungs­
        zusam­menarbeit (Buch 2013, von Oliver Schlumberger, Peer Gatter & Danaë Panissié,
        ISBN 978-3-00-041118-2) – verfügbar auf Deutsch.
     • Eine Theologie der Natur – Biodiversität als Unterrichtsfach an algerischen Koranschulen
        (Broschüre, 2012) – verfügbar auf Deutsch und Französisch.
     • Eine Theologie der Natur - Biodiversität als Unterrichtsfach an algerischen Koranschulen
       (Film 14 min., 2012) – verfügbar auf Deutsch, Französisch und Arabisch.
     • Sharia und Entwicklungszusammenarbeit (3. Auflage 2013) - Deutsch.
     • Islam und Entwicklungszusammenarbeit – Ein Widerspruch? / Islam and Development
        Cooperation/Islam et la Coopération au Développement (2010-2012) – verfügbar auf Deutsch,
        Englisch, Französisch und Arabisch.
     • Lehrbuch zu Biodiversität für Koranschulen (La Biodiversité - Défis et Solutions, 2010 / Biodiversity
        Education in Algerian Quranic Schools, 2012) – verfügbar auf Französisch, Englisch und Arabisch.
     • Challenges of Migration and Employment in Tajikistan against the Background of the Global
        Financial Crisis (Tajikistan Forum 3, 2010) – verfügbar auf Englisch und Russisch.
     • Challenges of Economic Development in Tajikistan under the Conditions of the Global
       Economic Crisis (Tajikistan Forum 2, 2010) – verfügbar auf Englisch und Russisch.
     • Challenges and main Directions of Development of the Education Sector in Tajikistan
        (Tajikistan Forum 1, 2008) – verfügbar auf Englisch und Russisch.
     • Glaube der Veränderung – Algerische Imame für den Umweltschutz (Film 25 min.) – verfügbar
        auf Deutsch und Französisch.
     • The role of the Mosque in environmental education / La Rôle de la Mosquée dans L’Éducation
        Environnementale (Handbuch für Imame zur Gestaltung von Freitagspredigten, 2008) - verfügbar
        auf Englisch, Französisch und Arabisch.
     • Young People, Migration and Education (Maghreb Round Table 3, Sevilla, Spain, 2009) – verfüg-
        bar auf Englisch und Französisch.
     • Creating a Future Worth Living: Supporting Environmental Ethics in the Maghreb (Maghreb
        Round Table 2, Algier, Algerien, 2008) – verfügbar auf Englisch und Französisch.
     • Tradition and Modernization – Promoting Sustainable Economic Development (Maghreb Round
        Table 1, Ifrane Marokko, 2008) – verfügbar auf Englisch und Französisch.
     • Politischer Islam in arabischen Ländern (2008) -Deutsch.
     • Materialsammlung „Islam und TZ in Afrika“ (2006).
     • Entwicklungszusammenarbeit in islamisch geprägten Ländern – Beispiele aus der Arbeit der GIZ/
        Development Cooperation in Muslim Countries – The Experience of the German Technical
        Cooperation (2006) – verfügbar auf Deutsch und Englisch.

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Publikationen des Programmbüros

                                  27
Deutsche Gesellschaft für
Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH

Dag-Hammarskjöld-Weg 1-5
65760 Eschborn
T +49 (0) 6196 79-0
F +49 (0) 6196 79-1115
E info@giz.de
I www.giz.de

ISBN 978-3-944152-16-5
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