"Arabischer Frühling" 2021 - Nr.4 | Juli2021 - 10 Jahre später: Wie geht es den Kirchen? - Evangelische Mission Weltweit

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"Arabischer Frühling" 2021 - Nr.4 | Juli2021 - 10 Jahre später: Wie geht es den Kirchen? - Evangelische Mission Weltweit
Nr. 4 | Juli 2021

Kirchenfenster in der Nationalen Evangelischen Kirche von Beirut (NECB)   Foto: Corinna Waltzt

„Arabischer Frühling“ 2021
10 Jahre später: Wie geht es den Kirchen?
Arabischer Frühling

                                                      Minderheit in
                                                      stürmischen Zeiten
Zu diesem Dossier                                     Am 17. Dezember 2010 hatten Polizisten in Tune-
                                                      sien einen Gemüsehändler grundlos schikaniert.
Die Emigration und Flucht, die vor 10 Jahren mit      Der 26-jährige Mohamed Bouazizi wusste nicht
dem Beginn des „Arabischen Frühlings“ zugenom-        mehr, wohin mit seiner Wut und Verzweiflung.
men hat, stellt die Kirchen in der Ursprungsregion    Er übergoss sich mit Benzin und zündete sich an.
des Christentums vor die Frage nach der eigenen       Sein Selbstmord war der Funke, der den gesam-
Existenz. Doch Kirchen und manche Pastor*innen        ten Nahen Osten zum Explodieren brachte.
und Gemeindeglieder wollen dennoch bleiben.
                                                         Von Marokko bis in den Irak gingen Men-
Der mit dem EMW verbundene mittelöstliche Kir-        schen auf die Straße und forderten politische
chenrat (MECC) hat sich in den vergangenen Jah-       Reformen, mehr Freiheit und bessere Lebensbe-
ren immer wieder zu gesellschaftspolitischen Frage-   dingungen. Die Welt staunte, wie sich Volk um
stellungen zu Wort gemeldet. Dabei weist er auch      Volk erhob. Und bald war der poetische Begriff
auf das Versagen der Regierungen hin. In den Pro-     vom „Arabischen Frühling“ geboren.
testbewegungen hat sich der MECC der Forderung           In Ägypten hatten die Menschen zwar den
nach Demokratie und Wahlen angeschlossen. Doch        verhassten Langzeitpräsidenten Hosni Mubarak
mehrheitlich versuchen die nationalen Kirchen         aus dem Amt demonstriert und die ebenso ver-
möglichst nicht Partei zu ergreifen, um den ohnehin   hassten Muslimbrüder nach einem kläglichen
schon fragilen Status als Minderheit in den autori-   Intermezzo an der Macht mit Hilfe des Militärs
tären Regimen nicht noch mehr zu gefährden.           wegskandiert. Heute aber herrscht General Ab-
                                                      delfattah Al-Sisi mit eiserner Faust über die 110
Auch an der „Near East School of Theology –           Millionen Ägypterinnen und Ägypter.
NEST“ in Beirut, wo vor allem protestantische            Noch härter hat es die Menschen in Syrien
Kirchen ihren theologischen Nachwuchs ausbilden       getroffen. Ihre ersten Demonstrationen wurden
lassen und das EMW ein Stipendienprogramm für         im März 2011 sofort mit äußerster Gewalt von
angehende Pfarrer*innen aus der Mitgliedskirchen      der Assad-Regierung niedergeschlagen. Es folg-
des MECC unterstützt, beschäftigt sich das theo-      te ein blutiger Krieg, in dem immer mehr Mächte
logische Forschen und Lehren mit der Frage, wie       von außen mitmischten. Millionen mussten flie-
glaubwürdig das Christ*insein in der Region gelebt    hen und leben seit Jahren in Flüchtlingslagern.
werden kann. Dass dies keine graue Theorie ist,          Für alle Kirchen im Nahen Osten gilt, dass sie
zeigen einige Beispiele in diesem Dossier.            vom „Arabischen Frühling“ genauso betroffen
                                                      waren und sind wie alle anderen gesellschaftli-
Überall, wo Staatsverfall zu beobachten ist,          chen Kräfte. Gehen die Menschen auf die Stra-
geschieht dies auf Kosten der Zivilgesellschaft.      ße, sind unter ihnen auch Kirchenmitglieder.
Jeder Tag ist für viele Menschen ein Kampf ums        Zwingt die Gesamtsituation die Bevölkerung
Überleben, um Nahrung, Wasser und Strom. Vie-         zur Flucht, sind auch Christ*innen unter ihnen.
le Seelsorger*innen kämpfen aber auch um die          Steigen die Lebensmittelpreise, spüren das auch
Herzen der Menschen, die die Hoffnung aufgeben        diejenigen, die in den Kirchen arbeiten oder
wollen und überlegen, der Heimat für immer den        dorthin zum Gottesdienst kommen.
Rücken zu kehren und zu emigrieren, denn nicht           Vor dem Krieg ging es den syrischen
überall wird es einen erfolgreichen Neuanfang         Christ*innen gut. Unter der Assad-Regierung
geben können.                                         konnten sie Kirchen bauen und Gottesdienst
                                                      feiern, Schulen gründen und Krankenhäuser
Dr. Almut Nothnagle                                   betreiben. Ganz legal und durchaus selbstver-
Theologische Referentin                               ständlich. In den meisten anderen Ländern mit
Evangelische Mission Weltweit e.V. – EMW              muslimischen Mehrheiten haben Christ*innen
im Juli 2021                                          wesentlich weniger Freiheiten. Vor diesem Hin-

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Arabischer Frühling

tergrund muss die Haltung syrischer Kirchen-        größte Kirche auf afrikanischem Boden bauen
führer Präsident Assad gegenüber gesehen wer-       lassen. Ebenso flossen Steuergelder in den Bau
den. Aus westlicher Sicht ist es schwer zu akzep-   der Gedenkkirche in Samalut in der Provinz
tieren, dass Kirchenführer und Christ*innen in      Minya, die für die 21 vom Islamischen Staat in
Syrien selbst nach zehn Jahren Krieg noch zu        Libyen ermordeten koptischen Gastarbeiter
ihm halten. Aber welche realistischen Alternati-    unlängst gebaut wurde. Als ihr Tod im Februar
ven gibt es? Wer könnte oder sollte Assads Platz    2015 bekannt wurde, rief Al-Sisi eine dreitägige
einnehmen?                                          Staatstrauer für sie aus. Das war das erste Mal
    Wohl kaum ein islamistisches Regime, das        in der Geschichte Ägyptens, dass für den Tod
von Minderheitenrechten nichts wissen will. Es      von Christen Staatstrauer angeordnet wurde.
bräuchte dringend gesellschaftliche Kräfte, die        Seine     Verbundenheit      zu   christlichen
den Übergang in ein demokratisches, rechts-         Bürger*innen drückt al-Sisi außerdem mit
staatliches System gestalten. Doch wer könn-        seinen mittlerweile legendären Besuchen der
te diese Rolle übernehmen? Wohl kaum eine           Weihnachtsmesse aus. Seit seinem Amtsantritt
Minderheit. Der Gang in die Opposition ist für      schaut er jedes Jahr am 7. Januar, dem kopti-
Christen mindestens genauso gefährlich wie für      schen Weihnachtsfest, in der koptischen Mar-
Muslime und hat sich oft als tödliche Sackgasse     kus-Kathedrale in Kairo vorbei, wird von Papst
erwiesen.                                           Tawadros II. wie ein Freund empfangen und
    Sicherlich wäre es wünschenswert, die Kir-      hält eine kleine Ansprache. Nach Jahrzehnten,
chenführer in Syrien würden all ihre bischöfli-     wenn nicht nach Jahrhunderten, fühlen sie sich
che und patriarchale Macht einsetzen und As-        endlich als gleichwertig angesehen – zumindest
sad endlich die Leviten lesen. Als westliche*r      vom Landesvater.
Christ*in könnte man endlich mal stolz auf die         Kritiker*innen aus westlichen Ländern se-
syrischen Glaubensgeschwister sein, die die         hen in der Autokraten-freundlichen Haltung der
Fahne der Menschenrechte und der Demokratie         Christ*innen im Nahen Osten ein jahrhunderte-
hochhalten. Doch auch hier stehen falsche Er-       altes Muster. Diese würden sich genauso verhal-
wartungen im Raum. Bischöfe und Patriarchen         ten, wie es ihre Vorfahren schon unter den Sul-
in Syrien sind zuallererst Kirchenführer und        tanen im Osmanischen Reich getan haben: Man
nicht Politiker. Sie sehen ihre wichtigste Auf-     dient sich dem Mächtigen an und verzeiht ihm
gabe darin, ihre Kirche und das 2000 Jahre alte     die eine oder andere Grausamkeit. Dafür hält
christliche Erbe in Syrien zu schützen. Und das     dieser seine schützende Hand über die Kirchen
ist im 21. Jahrhundert bedrohter denn je. Flucht    und sorgt für allgemeine Stabilität im Land. Es
und Emigration lassen die Mitgliederzahlen ste-     sei an dieser Stelle erinnert, dass Minderheiten
tig sinken.                                         stabile politische Verhältnisse brauchen, um ge-
    Vor diesem Hintergrund wird verständlich,       deihen zu können.
warum die Kirchenführer in Syrien und anders-          Setzt man einmal die Brille der Christ*innen
wo nicht auch noch eine Front gegenüber dem         am Nil auf, muss man zugeben, dass stabile Ver-
mächtigen Regime aufmachen wollen.                  hältnisse unter einer repressiven Regierung, die
    In Ägypten leben mit schätzungsweise bis zu     offiziell einen Gleichberechtigungskurs fährt,
15 Millionen so viele Christ*innen wie in keinem    immer noch besser sind, als staatliche Diskri-
anderen nahöstlichen Land. Was in vielen west-      minierung oder gar Bürgerkrieg. Bedrängt und
lichen Analysen gerne unterschlagen wird: Den       bedroht werden sie ohnehin, nämlich von mili-
Kirchen am Nil geht es unter Abdelfattah al-Sisi    tanten Gruppen, die dem Gedankengut des Isla-
so gut wie schon lange nicht mehr. Auch wenn        mischen Staates nahestehen und allen Anders-
der Präsident repressiver herrscht als alle sei-    denkenden eine freie Existenz absprechen.
ne Vorgänger, fährt er gegenüber den Kirchen
einen Kurs der Gleichberechtigung. So konnten
zum Beispiel gut 2000 Kirchengebäude und Ge-
meindehäuser in den letzten Jahren legalisiert
werden. Er lässt sogar manchen Kirchenbau
von staatlicher Seite finanzieren. In der neuen                             Katja Dorothea Buck ist
Verwaltungshauptstadt, die derzeit 50 Kilome-             Religionswissenschaftlerin und Politologin.
ter östlich von Kairo entfernt aus dem Wüsten-                           Lesen Sie den vollständigen
boden gestampft wird, hat er auf Staatskosten                             Text in „EineWelt“ 2/2021
nicht nur die größte Moschee, sondern auch die                         Herausgeber: EMW, Hamburg

                                                                                                   3
Arabischer Frühling

10 Jahre Arabischer Frühling
   Die Revolutionen des „Arabischen Frühlings“       Bedeutung der Zivilgesellschaft
begannen friedlich. Einige blieben friedlich,
während andere militarisiert wurden. So wie             In arabischen politischen Regimen ist eine
in Syrien, wo eine mit dem Extremismus ver-          Verquickung diktatorischer Ideologie und theo-
bündete Diktatur ein tödliches Spiel spielte und     kratischer Säulen zu beobachten. Sie hindern die
regional-internationale Interessen über den Um-      Zivilgesellschaften, sich kreativ an der Entwick-
gang mit dem syrischen Volk stellte, das Opfer       lung nationaler Werte zu beteiligen, und sie be-
von Morden und Vertreibungen wurde. Dies ist         rauben sie ihrer politisch-konstitutionellen Aus-
ein entsetzliches Fiasko des Versuchs der inter-     drucksformen. Tatsächlich störten die Machtha-
nationalen Gemeinschaft, Menschen vor ihren          benden die aktiven Kräfte innerhalb der Zivil-
Henkern zu schützen. Im Libanon war die Be-          gesellschaft – Gewerkschaften, Wissenschaft,
völkerung schon seit 2005 einer organisierten        Medien, Kunst, Kultur, Wirtschaft und Religion
Kriminalität ausgesetzt, die von einer macht-        – und verlangten, dass sie den Regimen dienen.
gierigen Allianz aus Mafia und Milizen unter der        Daher liegt die Bedeutung des „Arabischen
Führung ehrgeiziger regionaler Agenden verübt        Frühlings“ darin, dass die Zivilgesellschaften
wird. Geschichte ist eine Dialektik des Wandels      Einflussmöglichkeiten entwickelt haben, obwohl
und ein interaktiver Prozess; die Zukunft aber       die aktiven Kräfte Unterdrückung, Einschüchte-
ist dann vielversprechend, wenn die lebendi-         rung, Entführung, Folter, Manipulation und so-
gen gesellschaftlichen Kräfte in ihrem Kampf         gar Ermordung ausgesetzt waren. Diese Formen
für Menschenwürde und Friedensförderung be-          der Aggression durch die Machthaber waren
harrlich bleiben.                                    nicht ausschließlich physisch. Vielmehr strebten
                                                     sie deren Dämonisierung an und stellten sie als
Der Beginn der Revolutionen                          Verräter*innen und Extremist*innen dar.

    Die Revolutionen des „Arabischen Frühlings“      Gesellschaftlicher Konsens zum Sozialvertrag
waren keine kurzlebigen, plötzlich auftretenden,
verknöcherte Regime erschütternden Ereignis-            Die politischen Herrschaftssysteme in der
se, die einen Wandel in Mentalitäten und Ver-        arabischen Welt, so sehen es diejenigen, die die
haltensweisen heraufbeschworen. Sie forderten        Revolutionen erlebt haben, beruhen auf der Be-
die Wahrung der Menschenrechte und Freihei-          wahrung eines Klassen-, Klientelismus-, Aus-
ten, den demokratischen Wandel und eine ver-         beutungs-, und Monopol-Systems. Infolgedessen
antwortungsvolle, gerechte, transparente und         blühte die Diskriminierung zwischen den städti-
soziale Staatsführung. Dem gegenüber standen         schen und ländlichen Gebieten, Frauen und Män-
ein verheerender terroristischer Extremismus,        nern, dem öffentlichen und privaten Sektor und
eine totalitäre und diktatorische Welle und eine     der Zivilgesellschaft, was zu Privilegien einzel-
bestimmte Minderheiten politisch ausschlie-          ner Personen und Gruppen führte.
ßende ideologische Expansion. Basierend auf             Die im Gesellschaftsvertrag der Staaten ver-
diesen gegenläufigen Strömungen wurden die           ankerten Werte wurden neu bewertet – auch ein
Bestrebungen arabischer Revolutionär*innen           Verdienst des „Arabischen Frühlings“ – und ein
systematisch behindert, um die Positionen der        demokratischer Wandel eingeleitet. Dies hat sich
Entscheidungsträger zu zementieren. Trotz die-       auch in virtuellen Social-Media-Räumen weiter-
ser strukturellen Mängel zeigt es sich zehn Jahre    entwickelt, vor allem in den letzten zwei Jahren,
später, dass die Dynamik des Wandels des „Ara-       aufgrund der Anforderungen der COVID-19 Pan-
bischen Frühlings“ in den arabischen Gesell-         demie und neuer digitalen Möglichkeiten.
schaften verstanden wurde und weiter existiert.
Zwar müssen die Aktivist*innen nach Rück-            Abschaffung der Mehrheit-versus-Minderheit-
schlägen ihre Taktik ändern, aber sie werden         Haltung
dem friedlichen Kampf gegen die traditionellen
autoritären Plattformen auf allen politischen, re-      Die Revolutionen des „Arabischen Frühlings“
ligiösen, kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen,   haben aufgedeckt, wo und wie die Machthaben-
Bildungs-, Militär-, Verfassungs- und Rechtsebe-     den gesellschaftliche Mehrheiten und Minder-
nen treu blieben.                                    heiten, sei es religiös, ethnisch oder klassenbe-

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Arabischer Frühling

zogen, gegeneinander ausgespielt wurden. Diese         bruch in den pathologischen Denkweisen, die die
Haltung, die sich in den Bevölkerungen durchge-        soziologische Struktur, das Wertsystem und die
setzt hatte, wurde zumindest auf der konzeptio-        staatlichen Optionen beherrschten. Dies haben
nellen Ebene gekippt.                                  die Revolutionen des „Arabischen Frühlings“ er-
   Der gewalttätige Extremismus von „ISIS“, der        reicht, und die praktische Umsetzung der Philo-
aus einer das islamische Kalifat verzerrenden          sophie der Gleichheit aller Menschen, des Rechts
Ideologie resultiert, oder der bewaffnete Flügel,      auf ein menschenwürdiges Leben, auf Glaubens-
der mit „Wilayat al-Faqih“ im Iran verbunden ist,      freiheit und Gewissensfreiheit wird nicht rasch
nähren zweifellos die Ängste vor denjenigen, die       erfolgen, aber sich in späteren Stadien als der
deren Ideologien anhängen. Trotzdem zeigt sich         wichtigste Paradigmenwechsel der letzten zwei
dadurch auch, dass die sich selbst überschätzen-       Jahrzehnte manifestieren.
de Mehrheit ihre unterdrückende Wirksamkeit                In den Ländern, in denen es in Folge des Arabi-
in einer pluralistischen Gesellschaft letztend-        schen Frühlings zu Gewalt und Krieg gekommen
lich verlieren wird. Aber ebenso ist die Illusion      ist, haben sich die Machthabenden mit Extremis-
der Minderheiten, also derjenigen, die religiöser      ten zusammengetan. Dort zeigten sich auch die
oder ethnischer weniger zahlreichen Gruppen            Interessen der internationalen Gemeinschaft
angehören, zerstört, wenn sie geglaubt haben,          und deren Unfähigkeit, die Opfer vor ihren Peini-
dass sich alle, die sich von der Mehrheit abge-        gern zu schützen. Aber es kann nur dann, wenn
lehnt fühlen, zusammenschließen, um dann,              die Bewegung weiterhin zu den Menschenrech-
unter dem Vorwand der Selbstverteidigung, die          ten steht und friedlich bleibt, die Revolutionen
„anderen“ wiederum auszuschließen.                     zum Erfolg geführt werden.
   Die Abschaffung des Mehrheits- und Minder-                  Ziad Es Sayegh ist Aktivist und politischer Berater,
heitenansatzes ist ein grundlegender Durch-                         u.a. für den Mittelöstlichen Kirchenrat MECC

   Arabischer Frühling 2010–2011
  17. Dezember 2010, Tunesien:       Selbstverbrennung von Mohamed Bouazizi
  18. Dezember 2020, Tunesien:       Beginn der Proteste
  14. Januar 2011, Tunesien:         Präsident Zine al Abidine Ben Ali tritt zurück, Verfassungsreform
                                     und Neuwahlen folgen
  28. Januar 2011, Saudi-Arabien     Beginn der Proteste, die gewalttätig niedergeschlagen werden
      Januar/Februar, Marokko        Beginn der Proteste; Verfassungsreform und Neuwahlen folgen
  3. Februar 2011, Jemen:            Beginn der Proteste
  11. Februar 2011, Ägypten:         Präsident Hosni Mubarak tritt nach anhaltenden Protesten zurück
  14. Februar 2011, Bahrain:         Beginn der Proteste
  15. Februar 2011, Libyen:          Beginn der Proteste
  25. Februar 2011, Irak:            Beginn der Proteste
  25. Februar 2011, Jordanien:       Beginn der Proteste
  15. März 2011, Syrien:             Proteste gegen Präsident Baschar al-Assad entwickeln sich zu
                                     einem seither andauernden Krieg; 400.000 Menschen wurden
                                     getötet, hunderttausende sind auf der Flucht
  15. März 2011, Bahrain:            Truppen aus Saudi-Arabien schlagen Proteste nieder
  19. März 2011, Libyen:             NATO-Truppen unterstützen Rebellen gegen das Militär
  3. Juni 2011, Jemen:               Präsident Ali Abdullah Saleh wird verletzt, er flieht nach Saudi-Arabien
  3. August 2011, Ägypten:           Präsident Hosni Mubarak wird vor Gericht gestellt
  20. August 2011, Libyen:           Rebellen erreichen die Hauptstadt
  23. September 2011, Jemen:         Präsident Ali Abdullah Saleh kehrt zurück
  8. Oktober 2011, Jemen:            Präsident Ali Abdullah Saleh kündigt Rücktritt an
  20. Oktober 2011, Libyen:          Muammar al-Gaddafi und sein Sohn werden verhaftet und getötet
  23. Oktober 2011, Tunesien:        Wahlen werden durchgeführt
  19. November 2011, Ägypten:        Massive Proteste in Kairo, die trotz Neuwahlen bis heute anhalten
  23. November 2011, Jemen:          Präsident Saleh tritt zurück; Neuwahlen folgen; seit 2013 Bürgerkrieg
  23. Oktober 2011, Tunesien:        Wahlen finden statt; Tunesien gilt seit 2015 als „freies Land“
  19. November 2011, Ägypten:        Massive Proteste in Kairo

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Arabischer Frühling

Flucht oder
Martyrium?
Wer heute im Nahen Osten Pastor*in oder             Martyrium ist keine theologische Frage
Priester werden will, muss sehr überzeugt
sein von der Berufung. Es gibt weder ein gu-        Ohne große Umschweife spricht Issam die Frage
tes Gehalt noch gesellschaftliche Anerken-          nach dem Martyrium an. Ein Thema, das offen-
nung. Und es kann sehr gefährlich sein.             sichtlich unter Studierenden und Dozent*innen
                                                    häufig diskutiert wird und das westlichen
Mit den Umbrüchen im Nahen Osten ist der Be-        Christ*innen so schrecklich fremd ist. „Unsere
ruf des Seelsorgers oder der Seelsorgerin sehr      Kirche ist eine Märtyrerkirche“, wird über die
viel schwieriger geworden. Angesehen war er         maronitische Kirche nicht ohne Stolz gesagt:
noch nie wirklich, denn im Nahen Osten gilt ein     „Die Kirche lebt vom Blut der Märtyrer.“ Damit
Theologie-Studium nicht viel. Als Pfarrer*in ver-   diese Sätze nicht falsch verstanden werden, er-
dient man außerdem nicht gut. Wer dann noch         klärt ein Student, der während des Gesprächs
Familie hat, muss sich ständig fragen, wie lange    anwesend ist, sie sofort: „Wir wollen leben und
er es noch verantworten kann, seine Kinder im       wollen dem Leben dienen, nicht dem Tod. Aber
Bombenhagel und in permanenter Unsicherheit         wenn wir gezwungen werden, im Sterben unse-
aufwachsen zu sehen.                                ren Glauben zu bezeugen, dann hängen wir nicht
                                                    am Leben. Wir vertrauen auf Gott.“
Einige Pfarrer*innen sind bereits ins Exil ge-
gangen, oft mit einem sehr schlechten Gewissen      Vielleicht haben die maronitische Kirche und
ihren Gemeinden gegenüber. An der protestanti-      auch die anderen alten Kirchen im Nahen Osten
schen Hochschule in Beirut sinken auch deshalb      den Protestanten gegenüber einen historischen
die Studierendenzahlen. Interessanterweise be-      Standortvorteil.
werben sich aber am maronitischen Priesterse-
minar nach wie vor viele Studenten. Ihre Kirche     Die Mitglieder dieser Kirchen fühlen sich ganz
geht auf den Mönch Maron zurück, der im fünf-       selbstverständlich ihrer bald 2000 Jahre langen
ten Jahrhundert gelebt hat. Seit 1445 ist sie mit   Geschichte in der Region verpflichtet. Die Ge-
der römisch-katholischen Kirche uniert.             nerationen vor ihnen haben das Erbe bewahrt
                                                    und an sie heute weitergegeben. Das macht stolz
Warteliste für das Priesterseminar                  und gibt Kraft. Protestant*innen dagegen gibt
                                                    es im Nahen Osten erst seit dem 19. Jahrhun-
Etwa eine Million Maronit*innen leben noch          dert, als Missionare aus Amerika und Europa
im Libanon, ein knappes Drittel der Gesamtbe-       die Region als Tätigkeitsfeld entdeckten. Im Li-
völkerung des Landes. Als größte christliche        banon, in Syrien und im Irak sind evangelische
Gemeinschaft stellen sie laut Verfassung den        Christ*innen eine Minderheit in der Minderheit
Präsidenten des Landes. Aber auch sonst sind        – aber in der Regel sind sie eine sehr gebildete.
Maroniten stark in der Politik vertreten und ha-    Das hat große Vorteile, wenn es um die Wirk-
ben sich von jeher in die Frage der Zukunft des     kraft der Protestant*innen in der Gesellschaft
Landes eingemischt.                                 geht. Über ihre Bildungseinrichtungen, die allen
                                                    Menschen offen stehen, tragen oft nur sehr we-
Monsignore Issam ist Rektor des Priesterse-         nige Protestant*innen ungemein viel zur gesell-
minars in Ghazir. Noch nie habe es so viele An-     schaftlichen Entwicklung und zum Dialog mit
wärter gegeben wie heute, darunter seien viele      den Muslim*innen oder mit Christ*innen ande-
Banker, Anwälte oder Ärzte, berichtet er. Eine      rer Denominationen bei.
einfache Erklärung, warum das Priesteramt so
attraktiv sei, habe er nicht – und gibt dann eine   Mittlerweile finden aber auch einige junge evan-
Antwort, die, gerade weil sie so allgemein gehal-   gelische Pfarrer*innen, dass sie – trotz aller
ten ist, nachdenklich macht. „Ich glaube, dass es   Gefahren – im Nahen Osten in den sehr klein ge-
anziehend ist, wenn Menschen den christlichen       wordenen Gemeinden Seelsorger*innen werden
Glauben authentisch leben", sagt er.                sollen. Aber sie sind die Ausnahme.
                                                                                  Katja Dorothea Buck

                                                                                                   6
Arabischer Frühling

3 Fragen an:
Pastorin Najla Kassab
Vor 10 Jahren teilte die Welt die Hoffnung mit den     Außerdem ist die Kirche aufgerufen, sich am Dia-
Menschen im Mittleren Osten, dass Demokratie,          log und an der Pflege respektvoller Beziehungen
Freiheit und Gerechtigkeit dem „Arabischen Früh-       zwischen den Religionen in einer multireligiösen
ling“ in der Region folgen würden. Was bleibt von      Gesellschaft zu beteiligen. Religionen im Mittleren
diesen Hoffnungen übrig?                               Osten verfügen über die Möglichkeit Veränderun-
                                                       gen zu bewirken, wenn sie sich auf Würde und ein
Man kann das Gefühl der Hoffnung und Euphorie          besseres Leben für alle konzentrieren. Die Kirche
gar nicht überbewerten, das diese Revolutionen in      muss mit der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten
der Region und im Rest der Welt auslösten. Den-        und allen Menschen Respekt zollen.
noch brachte diese Hoffnung nicht die erwarteten
Ergebnisse. Die Sehnsucht nach Gleichheit, Freiheit    Die Welt wird Zeuge eines Exodus von Christ*innen
und Demokratie waren Slogans, die die Jugend           im Mittleren Osten. Sehen Sie eine Zeit vor uns, in
inspirierten, diesen Ländern aber nicht halfen, sich   der alle die Wiege der Christenheit verlassen haben
auf Reformen zuzubewegen. Stattdessen wurde die        werden?
Lage in den meisten Ländern schwieriger.
                                                       Es gibt einen Exodus von Christ*innen und
Was vom „Arabischen Frühling“ bleiben wird ist die     Mus­lim*innen aus dem Mittleren Osten; weil
Lektion, die die Menschen in Bezug auf ihre Rechte     Christ*innen eine Minderheit darstellen, ist deren
gelernt haben: Sie haben gelernt für sich zu spre-     Anwesenheit stärker bedroht.
chen und ihre Bedenken zu äußern. Auch die Betei-
ligung von Frauen ist zum Leuchtturm geworden,         Manche Christ*innen verlassen die Gegend
und der Wandel im Mittleren Osten wird niemals         aufgrund des wachsenden Fundamentalismus.
von der aktiven Rolle der Frauen zu trennen sein.      Diese Erstarkung des Fundamentalismus in der
                                                       Region schadet sowohl Christ*innen als auch
Auch leben wir in der Hoffnung, dass die Proteste      Muslim*innen. Gemäßigte Gläubige sind dadurch
unter der Oberfläche weiter brodeln und zu gegebe-     bedroht, wie man es im Irak und in Syrien beob-
ner Zeit und in geeigneter Form wieder auftauchen.     achten kann.

Welche Rolle spielt die Kirche bei all dem?            „Wir wollen nicht, dass unsere Kinder leiden, was
                                                       wir erlitten haben“, denken christliche Eltern. Also
Die Kirche spielt eine wichtige Rolle und bereitete    verlassen sie die Region und kommen zurück,
den Boden bei der jungen Generation vor. So konn-      wenn sie in Rente gehen, während ihre Kinder ihr
ten sie die Werte und den Funken des „Arabischen       Leben im Ausland mit der ständigen Sehnsucht
Frühlings“ insbesondere in den Ländern weiterge-       nach ihrem Mutterland und ihre Kultur fortsetzen.
ben, in denen die Kirche – so wie im Libanon – im      Deshalb versucht die Kirche im Mittleren Osten,
Bildungsdienst tätig ist. Ohne eine starke gebildete   insbesondere die katholische Kirche, sich mit den
Bürger*innenschaft ist die demokratische Zukunft       Menschen, die in der Diaspora leben, zu verbinden,
eines Landes in Gefahr.                                in der Hoffnung, dass sie eines Tages wiederkom-
                                                       men werden. Die Kirche bleibt das Leuchtfeuer der
Auch ist die Kirche aufgerufen, ein demokratisches     Hoffnung auf eine bessere Zukunft und wirkungs-
Paradigma in ihren Strukturen zu präsentieren, um      volle christliche Präsenz.
die junge Generation zu lehren und deren Verhal-
ten zu beeinflussen. In dieser Hinsicht spielt die
Reformierte Kirche im Mittleren Osten eine wich-
tige Rolle als eine Kirche, in der Demokratie prak-                  Pastorin Najla Kassab ist Präsidentin
tiziert wird und die Rechenschaftslegung auf allen             der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen
Ebenen einfordert. Eines der Haupthindernisse                                        und lebt im Libanon.
gegen den „Arabischen Frühling“ ist der Umstand,                        Das Interview führte Freddy Dutz.
dass Verantwortliche nicht zur Rechenschaft gezo-
gen werden, weder in der Politik, noch in religiösen                         Lesen Sie das ganze Interview
Institutionen, ja, nicht einmal im Justiz-Wesen.                                    auf der EMW-Website.

                                                                                                            7
Arabischer Frühling

Syrien: Nicht am
Boden zerstört
Viele Menschen flüchten aus Syrien, doch              lichen, von denen viele ihre Eltern im Krieg ver-
manche kommen zurück, um denen, die ge-               loren haben, oder die ohne sie geflohen sind, or-
blieben sind, die Heimat zu erhalten.                 ganisiert sie Kindergottesdienste, Bibelstunden
                                                      und Jugendgruppen. Sie will die junge Generati-
Besonders begeistert war die Gemeinde, von der        on nicht verloren geben und lädt zu einem „nor-
nur noch wenige ältere Personen übrig waren,          malen“ Leben ein, in das auch Ausflüge, Partys,
nicht, als die junge Frau, frisch von der Universi-   Computerkurse und Sport gehören. Und sie kom-
tät im Libanon, 2016 ihre Pastorin wurde. Doch        men gerne: Kinder aus der eigenen, aber auch
ihr Vorgänger war geflüchtet, und so wurde            anderen Kirchen. „Mit den Mädchen tanze ich
Mathilde Sabbagh, die aus einer alteingesesse-        gerne: Ich finde es schön, wenn sie sich zu diesen
nen, angesehenen Familie stammt, ohne Ordina-         Gelegenheiten ‚fein‘ machen“, freut sich die opti-
tion – es gab inmitten des Krieges im kurdischen      mistische Frau.
Selbstverwaltungsgebiet Rojava in Syrien keine
passende Gelegenheit – Pastorin der kleinen re-       Doch manchmal kommt auch sie an ihre Gren-
formierten Gemeinde in ihrer Heimatstadt Has-         zen: Als sie bei einem Hausbesuch feststellte,
sakeh.                                                dass die Gastgeber ihren Kühlschrank verkau-
                                                      fen mussten, um Nahrung zu kaufen. Und als
Die Region im Norden Syriens ist fruchtbar: „Es       eines der sechs Geschwister versucht hatte, sich
wurden Weizen, Obst und Gemüse angebaut“,             das Leben zu nehmen. „Das hat in der Gemein-
erinnert sich Mathilde Sabbagh. Doch jetzt liege      de einen Schock ausgelöst. In der Kindergruppe
die Landwirtschaft danieder: „Wegen der unsi-         haben wir dann ein halbes Jahr darüber gespro-
cheren Lage trauen sich die Bauern nicht auf die      chen, was es bedeutet, wenn jemand aus Ver-
Felder und zudem leiden wir unter einer großen        zweiflung nicht mehr leben will.“
Trockenheit“, berichtet die Pastorin. Und die
Kriegsgefahr bleibt, „denn an den Ölvorkommen         Pastorin Mathilde Sabbagh will bleiben. Sie hat
in der Region sind alle am Krieg Beteiligten in-      zusammen mit ihrem Mann eine Familie gegrün-
teressiert.“ Sie hofft, dass die kurdische Seite      det. Auf Facebook zeigt die junge Familie glückli-
ihren Autonomieanspruch durchsetzen kann.             che Momente. Ihren Optimismus haben die Men-
Dann würde zum Beispiel der Geldtransfer ein-         schen in Hassakeh nötig. „Kirche muss relevant
facher, auf den viele Familien angewiesen seien:      für die Menschen sein“, betont sie. Für sie heißt
„Sie haben kein Einkommen mehr und sind auf           das eben „zuerst die materiellen Nöte befriedi-
Geld der Verwandten, die jetzt im Ausland leben,      gen.“ Und dann könne auch Gottesdienst gefei-
angewiesen.“                                          ert werden. Ganz so, wie es im 2. Korintherbrief
                                                      heißt: „ … wir sind ratlos, aber nicht verzweifelt
Man hoffe auf Frieden und Stabilität, sagt sie in     … zu Boden geworfen, aber nicht am Boden zer-
einem Telefon-Interview, das Dr. Almut Noth-          stört.“
nagle im EMW mit ihr in den späten Abendstun-
den führen konnte, als es kurzzeitig Strom gab.
„Wir wollen ein ‚normales‘ Leben, in dem es Was-
ser und Energie, Lebensmittel und eine medizi-
nische Versorgung gibt. Und Menschen von ihrer
Hände Arbeit leben können.“

Die Rolle der Kirche sieht die Seelsorgerin, die
sich jetzt per Fernstudium an der Theologi-
schen Hochschule in Beirut weiterbildet, darin,
„in Wort und Tat“ die Menschen zu trösten und
zu unterstützen: 400 Familien erhalten täglich                                             Freddy Dutz
Lebensmittel, Schulmaterial für die Kinder und                            Pressereferentin Evangelische
Hygieneartikel. Und für die Kinder und Jugend-                             Mission Weltweit e.V. – EMW

                                                                                                      8
Arabischer Frühling

                          „Unterstützen Sie
                          bitte die Menschen
                          im Nahen Osten“
                          Im Juni hatte die Katholische Akademie Ber-         dass diakonische und pädagogische Einrich-
                          lin zu einer Veranstaltung mit dem Titel „Zur       tungen der Kirchen nicht mehr aufrechterhalten
                          Lage der Christen im Nahen Osten“ eingela-          werden können.
                          den, um über deren schwierige Bedingungen
                          zu diskutieren. „Wir wissen uns mit allen           Für die Bundesregierung betonte die Staatsse-
                          christlichen Schwestern und Brüdern ver-            kretärin in Bundesministerium für Wirtschaft-
                          bunden, die in anderen Teilen der Welt um           liche Zusammenarbeit, Dr. Maria Flachsbarth,
                          ihres Glaubens Willen verfolgt werden.“ Mit         dass die Sorge um Syrien auch die Bundesre-
                          diesen Worten eröffnet der Vorsitzende der          gierung bewege: „Es ist das Ziel der Bundesre-
                          Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in         gierung, ein friedliches Zusammenleben unter-
                          Deutschland (ACK), Erzpriester Radu Con-            schiedlicher Ethnien und Religionen zu fördern.“
                          stantin Miron, die Veranstaltung.                   Allerdings wies sie die Forderung der kirchli-
                                                                              chen Gesprächspartner zurück, die Sanktions-
                          In der sich anschließenden Diskussion ging es       politik zu überdenken und nach Kriterien zu su-
                          um die Frage, was von Seiten der Kirchen, der       chen zum Aufbau der Infrastruktur auch in den
                          Zivilgesellschaft und der Politik getan wer-        vom Assad-Regime beherrschten Gebieten. Hier
                          den muss, um den von Gewalt und Vertreibung         machte die Vertreterin der Bundesregierung
                          betroffenen Glaubensgeschwistern im Mittle-         deutlich, dass solange es keine politische Lösung
                          ren Osten zu helfen. Mit welchen Problemen          für Syrien gebe, sich Deutschland als zweitgröß-
                          Christ*innen in Syrien zu kämpfen haben, wur-       ter Geldgeber ausschließlich an humanitären
                          de durch Video-Berichte über Einzelschicksale       Hilfsaktionen im Rahmen der UN beteiligt (UN-
                          deutlich. Bischof em. Dr. Markus Dröge berichte-    Flüchlingshilfe, WHO, Unicef, Welternährungs-
                          te als Vorsitzender der „Evangelischen Mittelost-   programm, UN Habitat).
                          kommission der EKD“ von den Bemühungen,
                          durch Stellungnahmen und Reisen in die Region       Zum Ende der Veranstaltung überreichten der
                          auf die Situation der Menschen in der Ursprungs-    Primas der Armenisch–Apostolischen Kirche,
                          region des Christentums aufmerksam zu ma-           der Primas der Syrisch-Orthodoxen Kirche von
s Zur Veranstaltung:      chen. Als materielle Unterstützung hat „Brot für    Antiochien und der Antiochenisch-Orthodoxe
„Was tun? Zur Lage der    die Welt“ seit dem Ausbruch des Bürgerkrieges       Metropolit in Deutschland einen Appell an Dr.
Christen im Nahen         in Syrien 85 Mio. Euro für 55 Hilfsprojekten zur    Flachsbarth. Darin machen sie auf die drama-
Osten“ der Katholischen   Verfügung gestellt, um 1,3 Millionen Menschen       tische Situation der Christ*innen in Syrien auf-
Akademie in Berlin        zu unterstützen.                                    merksam: „Wir appellieren an die politisch Ver-
                                                                              antwortlichen, die Lage ernst zu nehmen und
s Zum Appell der          Erzpriester Dr. Elias Esber, Beauftragter der       einen Weg zu finden, wie man die Christen in Sy-
Erzdiözese der Syrisch-   Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland         rien unterstützen kann, und zwar nicht, weil sie
Orthodoxen Kirche von     für Flüchtlinge und Migration wies darauf hin,      Christen sind, sondern weil ihr Verbleib in dieser
Antiochien in Deutsch-    dass die 4000 syrischen Ärzt*innen, die nach        Region von großer Bedeutung ist.“
land, der Antioche-       Deutschland geflüchtet sind, für das Land einen
nisch-Orthodoxen Me-      ungeheuren „Brain Drain“ bedeuten, da sie jetzt     Die Veranstaltung schloss mit einem Für-
tropolie von Deutsch-     in ihrer Heimat fehlten. Er bat die Bunderegie-     bitt-Gottesdienst unter Beteiligung aller
land und Mitteleuropa     rung in bewegenden Worten, sich für eine Aufhe-     Kirchenvertreter*innen und Teilnehmenden an
und der Diözese der       bung der gegen das Land verhängten Sanktionen       der Veranstaltung in der Katholischen Akademie.
Armenischen Kirche in     einzusetzen, weil sie die syrische Zivilbevölke-
Deutschland               rung in eine humanitäre Katastrophe trieben.
                          Dazu gehöre auch das Verbot von Geldüberwei-
s Video-Berichte von      sungen, mit denen Familienangehörige im Aus-                                    Dr. Almut Nothnagle
Christen aus dem Na-      land ihren Verwandten vor Ort helfen wollen. Die                             Theologische Referentin
hen Osten                 Verarmung der Mittelschicht habe dazu geführt,              Evangelische Mission Weltweit e.V. – EMW

                                                                                                                              9
Arabischer Frühling

Das Dossier mit
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