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Islam in Schulen Handlungsleitlinien für Schulleitungen und Lehrkräfte bei religiös begründeten Fragestellungen im schulischen Kontext
Einleitung Deutschland ist in den letzten Jahrzehnten vor Schule ist ein Ort, in dem gesellschaftliche allem durch Zuwandererinnen und Zuwande- Vielfalt vorhanden, beachtet und wertge- rer aus muslimisch geprägten Herkunftsstaa- schätzt wird. Insofern kommt der politischen ten religiös und kulturell vielfältiger geworden. sowie interkulturellen Bildung in den Schulen Nach Angaben des Bundesamtes für Migra- eine hohe Bedeutung zu. Extremismus, un- tion und Flüchtlinge (BAMF) liegt die Anzahl abhängig davon, ob er politisch motiviert ist der Muslime in Deutschland aktuell zwischen oder in religiöser Form stattfindet, wird des- 5,3 und 5,6 Millionen. Dies entspricht einem halb nicht toleriert. Bevölkerungsanteil zwischen 6,4 und 6,7 Pro- zent.1 Ein Forschungsprojekt der Universität Ziel dieser Broschüre ist es, Schulleitungen Potsdam schätzte im Jahr 2018 die Zahl der und Lehrkräften eine Hilfestellung zu bieten Muslime in Brandenburg auf 25.000.2 Das und ihnen so rechtssicheres Handeln und sind circa 1 Prozent der Gesamtbevölkerung. Kommunizieren bei religiös begründeten Fra- gestellungen im Umgang mit muslimischen Das muslimische Leben in Deutschland ist in Schülerinnen und Schülern und deren Eltern Bezug auf Glaubensrichtungen, Religiosität, zu ermöglichen. Die vorliegenden Informatio- religiöse Praxis und Herkunft vielfältig. Der nen beziehen sich auf einige wesentliche Be- Islam ist eine Religion, für deren Ausübung reiche und sind daher nicht als abschließend nach dem Grundgesetz die ungestörte Reli- zu betrachten. Am Ende dieser Broschü- gionsausübung, wie für alle anderen Religio- re sind weitere Publikationen, die über we- nen und Weltanschauungen, zu gewährleis- sentliche Regeln des islamischen Glaubens ten ist. Auch nach dem Brandenburgischen und über den Umgang mit religiös begründe- Schulgesetz haben die Schulen die Freiheit tem Extremismus informieren, aufgeführt. Für des Gewissens sowie Offenheit und Toleranz die Behandlung des Themas Islamismus im gegenüber unterschiedlichen kulturellen, re- schulischen Alltag sind auf dem Bildungsser- ligiösen, weltanschaulichen und politischen ver Berlin-Brandenburg entsprechende Un- Wertvorstellungen, Empfindungen und Über- terrichtsmaterialien eingestellt. zeugungen zu wahren. Hierbei ist es sehr wichtig, zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als politischer Ideologie mit seinen extremistischen Strömungen zu unter- scheiden. Islamisten stehen mit ihrer Ausle- gung des Islam im Widerspruch insbesondere zu den im Grundgesetz verankerten Grund- sätzen der Volkssouveränität, der Trennung von Staat und Religion, der freien Meinungs- äußerung und der allgemeinen Gleichberech- tigung. 1 Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020“, BAMF 2 „Dem Islam auf der Spur – Wie leben Muslime in Brandenburg?“, Universität Potsdam, Hafner, 2019 2
Sind Schülerinnen und Schüler berechtigt, sich an besonderen religiösen Feiertagen vom Unterricht befreien 1 zu lassen? Ist die Schule zur Freistellung verpflichtet? Grundsätzlich praktizieren viele Muslime einen Ergänzend wird auf die Möglichkeit der Be- selbstverantworteten Umgang mit besonde- urlaubung für Schülerinnen und Schüler des ren religiösen Feiertagen und beziehen die islamischen Bekenntnisses hingewiesen. Für Schule samt ihren Leistungsanforderungen, die Beurlaubung aus religiösen Gründen in Klausuren und Prüfungen derart ein, dass die Brandenburg (für Muslime für das Fest des Schule Vorrang vor dem religiösen Feiertag Fastenbrechens sowie für das Opferfest) gilt hat. folgende Regelung: Der Auftrag der Schule kann hinsichtlich der „Schülerinnen und Schüler können für die Planung von Leistungskontrollen, Klausuren Erfüllung religiöser oder weltanschaulicher und Prüfungen grundsätzlich nicht auf unter- Pflichten beurlaubt werden, wenn die Zuge- schiedliche religiöse Auslegungen und Be- hörigkeit zu der jeweiligen Religions- oder dürfnisse der Schülerschaft, einschließlich Weltanschauungsgemeinschaft nachgewie- der Eltern, eingehen. Es gilt auch gegen- sen wird. Sie sollen beurlaubt werden für die über religiösen Interessen, dass die Interes- Teilnahme an Kirchentagen ihres Glaubens, sen Einzelner oder bestimmter Gruppen nicht soweit nicht vorrangige schulische Belange maßgeblich den schulischen Kalender und dem entgegenstehen.“3 die Organisation des Schulbetriebs bestim- men dürfen. Zu verhindern ist es also, dass Intervenieren muss die Schule gegenüber die Schule ihre leitenden Grundsätze und Pla- Praktiken und Argumenten von Schülerinnen nungen angesichts religiös motivierter Forde- und Schülern sowie deren Eltern, wenn Ab- rungen in Frage stellt, die zudem nicht zwin- weichungen von der religiösen Praxis (z.B. gend aus den religiösen Vorgaben abzuleiten Ausnahmen vom Fasten im Ramadan) als sind. Dies wäre auch nicht mit der religiösen nicht zulässig angesehen werden oder Mit- und weltanschaulichen Neutralität der Schu- schülerinnen und Mitschüler mit Hinweis auf le zu vereinbaren. Die schulischen Pflichten, den Islam sozial und moralisch unter Druck die sich insbesondere aus dem Brandenbur- gesetzt werden. Zudem entbindet das Fas- gischen Schulgesetz (BbgSchulG) ergeben, ten im islamischen Fastenmonat Ramadan sind von den Kindern und Jugendlichen auch nicht von der Teilnahme an Klassenarbeiten / während der besonderen religiösen Feiertage Klausuren, sonstigen Leistungsüberprüfun- zu erfüllen. Die Verantwortung für den Schul- gen oder vom Sportunterricht. besuch Minderjähriger liegt bei den Eltern. 3 Nummer 8 Abs. 3 VV-Schulbetrieb 3
Können Schülerinnen und Schüler aus religiösen Gründen 2 vom Sport- oder Schwimmunterricht befreit werden? Mit Blick auf die Schulpflicht verwirklicht sich ten Angaben zu bewerten ist, kann ein Antrag die integrative Kraft der öffentlichen Schule auf Beurlaubung vom koedukativen Sport- und dadurch, dass die Schülerinnen und Schü- Schwimmunterricht bewilligt werden.5 ler mit der in der Gesellschaft vorhandenen Vielfalt an Verhaltensgewohnheiten in Kon- Sollte es seitens der Eltern zu einem ord- takt kommen. Hierzu gehört auch der An- nungswidrigen Verhalten kommen (El- blick von Mädchen und Jungen in Bade- und tern halten die Tochter ohne Erlaubnis vom Sportbekleidung. Das Bundesverwaltungs- Schwimmunterricht fern), kann dieses – nach gericht hat im Jahr 2013 in einer Entschei- Ausschöpfen aller Kommunikationsmöglich- dung festgehalten, dass es grundsätzlich für keiten – durch die zuständige Kreisordnungs- muslimische Schülerinnen auch unter Be- behörde wegen Verletzung der Schulpflicht rücksichtigung ihres Glaubens zumutbar ist, mit einer Geldbuße geahndet werden6. Un- am koedukativen Schwimmunterricht teilzu- ter bestimmten Voraussetzungen kann auch nehmen.4 Die Zumutbarkeit wird u. a. mit der die Anwendung von Verwaltungszwang (ins- Möglichkeit begründet, einen sogenannten besondere Festsetzung eines Zwangsgel- Burkini (Ganzkörperbadeanzug) zu tragen. des) in Betracht kommen7. Hier ist das jewei- Nach der Rechtssprechung besteht somit für lige staatliche Schulamt zuständig. Wird die muslimische Schülerinnen die Pflicht zur Teil- Schülerin im Zusammenhang mit der Ableh- nahme am koedukativen, wie auch an dem nung der Befreiung für den Schwimmunter- nach Geschlechtern getrennten, Sport- und richt krankgemeldet, kann die Vorlage eines Schwimmunterricht. ärztlichen Attests oder auch eine schulärzt- liche (amtsärztliche) Bescheinigung gefor- Soweit zwischen der Schule und den Eltern dert werden. Für den Sportunterricht gilt all- von muslimischen Schülerinnen wegen der gemein, dass besondere Kleidung und auch verpflichtenden Teilnahme am Schwimmun- ein Kopftuch erlaubt sind, wenn dadurch die terricht Konflikte aufgrund religiöser Vorschrif- Sicherheit für die Schülerin oder den Schü- ten entstehen, sollte die Schule zunächst das ler selbst und ihrer Mitschülerinnen oder Mit- Gespräch mit den Eltern suchen. Insbeson- schüler nicht gefährdet wird. Als mögliches dere die Eltern minderjähriger muslimischer Entgegenkommen ist die Anregung an den Schülerinnen sollten davon überzeugt wer- Schulträger zu erachten, z.B. für einsichts- den, dass Sport- und Schwimmunterricht für geschützte Umkleide- und Duschkabinen zu die Entwicklung der Schülerinnen förderliche, sorgen. verbindliche Unterrichtsfächer sind. Eine Be- freiung kommt vorübergehend nur aus ge- sundheitlichen Gründen in Betracht. Nur im begründeten Einzelfall, der eine Ausnahme aufgrund des religiösen Glaubenskonfliktes darstellt und daher nur mit glaubhaft dargeleg- 4 BVerwG, Urteil vom 11. September 2013, Az: 6 C 25/12 5 Es besteht eine entsprechende Darlegungslast für den Konflikt zwischen Glauben und Schulpflicht. Das heißt, dass der Glaubenskonflikt einen starken Widerspruch in der Lebenswirklichkeit des Mädchens darstellen muss (bspw. durch Gefahr für Leib und Leben des Mädchens). 6 vgl. §§ 41, 42 BbgSchulG 7 § 41 Abs. 3 BbgSchulG 4
Können Schülerinnen und Schüler aus religiösen Gründen 3 von der Sexualkundeerziehung befreit werden? Eine Befreiung aus religiösen oder aus an- rer Fakten (auch Krankheits- und Empfäng- deren Gründen ist nicht möglich. Unter be- nisverhütung) ausgerichtet. Dabei ergänzt die stimmten Voraussetzungen kann die Schule schulische Sexualerziehung die der Eltern. darüber entscheiden, ob es auch im Hinblick Seitens der Schule besteht eine Pflicht ge- auf den Sexualkundeunterricht pädagogisch genüber den Eltern, rechtzeitig über Ziel, In- sinnvoll ist, Schülerinnen und Schüler zeit- halt und Formen der unterrichtlichen Sexual- weise getrennt zu unterrichten8. Ansprüche erziehung zu informieren. auf einen nach Geschlechtern getrennten Sexualkundeunterricht bestehen indes nicht. Das Thema Sexualerziehung sollte von den Lehrkräften sensibel behandelt und als sol- Der gesetzliche Bildungs- und Erziehungs- ches nicht unvermittelt angegangen werden. auftrag der Schule schließt die Sexualerzie- Die Kommunikation dieses Themas erfolgt in hung als einen wichtigen und unverzichtbaren der Verantwortung der einzelnen Schule im Teil der Gesamterziehung ein9. Der Rahmen- Rahmen der schulischen Mitwirkungsgremi- lehrplan (RLP) für die Jahrgangsstufen 1 – 10 en, in Elternabenden oder entsprechenden beschreibt in Teil B wesentliche Bereiche der Informationsbriefen. Dazu ist auch der Integ- überfachlichen Kompetenzentwicklung. Dazu rationsauftrag der öffentlichen Schule zu be- gehören u. a. Sexualerziehung / Bildung für rücksichtigen. Kommt es dabei zu Konflikten sexuelle Selbstbestimmung, Bildung zur Ak- zwischen Schule und Elternhaus, ist zunächst zeptanz von Vielfalt (Diversity), Gesundheits- das klärende Gespräch mit den Eltern zu su- förderung sowie Gleichstellung und Gleichbe- chen. Sofern dies nicht zielführend ist, kön- rechtigung der Geschlechter. Der Unterricht nen weitere Maßnahmen in Betracht kommen erfolgt religiös-weltanschaulich neutral und ist (siehe Frage 2 – Schulpflichtverletzung). auf eine Vermittlung biologischer und weite- 8 siehe § 4 Abs. 7 BbgSchulG 9 § 12 Abs. 3 BbgSchulG 5
Ist die Teilnahme an einer Schulfahrt für alle Schülerinnen 4 und Schüler, unabhängig von ihrer Religion, verpflichtend? Schulfahrten sind schulische Veranstaltun- Bei Vorbehalten muslimischer Eltern, dass is- gen, die außerhalb von Schule stattfinden. lamische Moralvorstellungen und Verhaltens- Sie können als Wandertag, Exkursion, zur weisen auf einer Schulfahrt nicht hinreichend Teilnahme an Veranstaltungen schulischer umgesetzt oder geschützt werden, sollte in Wettbewerbe, im Rahmen von Schülerbe- möglichst vertrauensvollen Gesprächen auf gegnungen und Schüleraustausch oder als die Fahrt vorbereitet werden. Es wird hilfreich mehrtägige Klassen-, Kurs- und Jahrgangs- sein, über die aufsichtführenden Lehrkräfte, stufenfahrt stattfinden. Schulfahrten sollen den Reiseablauf, die räumlichen Bedingun- gemeinsame neue Erfahrungen und Erlebnis- gen und die nächtliche Unterbringung zu infor- se der Schülerinnen und Schüler fördern und mieren – u.a. auch über die Bedingungen zur dazu beitragen, das gegenseitige Verständnis Einhaltung der Geschlechtertrennung sowie zu vertiefen und den Gemeinschaftssinn zu über das Speiseangebot und das Alkoholver- fördern. Dies setzt voraus, dass – auch wenn bot. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Teilnahme an der Schulfahrt freiwillig ist gezielt muslimische Eltern für eine Begleitung – allen Schülerinnen und Schülern die Ge- als Betreuer/Betreuerinnen anzusprechen. legenheit zu einer Teilnahme gegeben wird. Erfahrungen der Elternarbeit zeigen, dass so- Neben dem Bildungsauftrag von Schule soll mit Vertrauen aufgebaut, Vorurteile und Ängs- diese auch eine Integrationsfunktion erfüllen. te (auf beiden Seiten) reduziert, sowie die In- Hierfür ist in besonderer Weise die (mehrtägi- tegration gefördert werden können. ge) Schulfahrt von Bedeutung. Die Schulfahrt hat als schulische Veranstaltung an anderem Ort außerhalb der Schule eine besondere pä- dagogische Bedeutung für die Integration in die Gemeinschaft der Klasse (bzw. des Kur- ses oder der Jahrgangsstufe) und die Gesell- schaft. 6
Wie sollte mit dem Wunsch nach besonderer 5 Schulspeisung umgegangen werden? Es besteht kein Anspruch darauf, dass be- Grundsätzlich liegt es in der Entscheidung sondere Essgewohnheiten oder religiös moti- des Schulträgers, wie die vielfältig zu beach- vierte Anforderungen an Speisen, z.B. im Zu- tenden Voraussetzungen (neben der Ausge- sammenhang mit der Schulspeisung, durch wogenheit des Essens u. a. auch die Kosten die Schule oder durch den für die Schulspei- bzw. angemessene Preise für die Schülerin- sung zuständigen Schulträger zu berücksich- nen und Schüler) am besten zu gewährleis- tigen sind. ten sind. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nicht allen religiösen Besonderheiten im Sin- Generell hat die Schule jedoch mit darauf ne verschiedener Religionen entsprochen zu achten, dass den Bedürfnissen muslimi- werden kann und insofern nicht von einem scher Schülerinnen und Schüler an bestimm- Rechtsanspruch auf ein speziell hergestelltes ten Speisen im schulischen Zusammenhang oder ein der Art nach ganz bestimmtes Essen entsprochen wird bzw. diese auf alternative auszugehen ist. Im Ergebnis wird es darum Angebote ausweichen können, wenn dies mit gehen, eine nicht einseitige Schulspeisung verhältnismäßigen Mitteln und zumutbarem anzubieten, die der Vielzahl der Schülerinnen Aufwand möglich ist. Die Schulträger haben und Schüler gerecht wird und spezielle bzw. im Benehmen mit den Schulen dafür zu sor- religiöse Wünsche soweit berücksichtigt, wie gen, dass Schülerinnen und Schüler an einer es vernünftigerweise möglich ist. warmen Mittagmahlzeit teilnehmen können.10 10 siehe § 113 BbgSchulG 7
Wie ist das Tragen von Niqab und Burka 6 in der Schule zu beurteilen? Schülerinnen, die mit einer Burka (Ganzkör- zu gewährleisten. So müssen alle am Schul- perverschleierung, zumeist mit kleinem Seh- leben Beteiligten in der Lage sein können, schlitz) oder einem Niqab (Gesichtsschleier, schulfremde Personen als solche zu identifi- ebenfalls zumeist mit Sehschlitz) zum Un- zieren und die Schulleitung über deren Anwe- terricht erscheinen, machen ihre Identifika- senheit zu informieren. tion und eine Kommunikation mit ihnen un- möglich. Damit entziehen sie sich der Pflicht, Generell sollte bei der Beurteilung des Tra- schulischen Vorgaben zu entsprechen die gens eines Niqabs oder einer Burka durch dazu bestimmt sind, das Bildungs- und Er- Schülerinnen berücksichtigt werden, dass die ziehungsziel der Schule zu erreichen und die Verschleierung kein religiöses Gebot des Is- Ordnung in der Schule zu gewährleisten11. lam ist. Der schulische Raum sollte es Schü- Diese Formen der vollständigen Gesichts- lerinnen, die sich außerhalb der Schule ent- verschleierung sind in der Schule im Rahmen sprechend kleiden, ermöglichen, in der Schule eines bestehenden Schulverhältnisses somit die Erfahrung zu machen, frei und ohne die- nicht akzeptabel. Auch muss zu jeder Zeit die se Bekleidung zu agieren. Unabhängig da- Identifikation aller am Schulleben Beteiligten von, ob eine Schülerin angibt, die Bekleidung möglich sein, um die Sicherheit in der Schule freiwillig oder nicht freiwillig zu tragen, soll- 11 vgl. § 44 Abs. 3 BbgSchulG 8
te sie im Kontext Schule die Gelegenheit ha- von Schülerinnen und Schülern) die Schule ben, im Zuge ihrer Persönlichkeitsentwick- und das Schulgrundstück nicht vollverschlei- lung ein Körpergefühl ohne Burka oder Niqab ert oder nur nach vorheriger Anmeldung und kennen zu lernen; ohne die damit einherge- Identitätsfeststellung betreten dürfen. henden Einschränkungen hinsichtlich Bewe- gung, Geschlechtertrennung und gesundheit- Von einer Vollverschleierung des Gesichts licher Risiken. ist das Kopftuch, welches das Gesicht frei lässt, als zulässige religiöse Kleidung zu un- Im Vorgriff auf potentielle Probleme mit ge- terscheiden. Allerdings müssen auch hier die sichtsverschleierten Schülerinnen wird es als konkreten Situationen wie etwa im Sport- sinnvoll erachtet, wenn Schulen in den Haus- oder Chemieunterricht betrachtet werden ordnungen Klarstellungen anstreben, um (freie Beweglichkeit, Gefahr des Einklem- auch hinsichtlich derart religiös motivierter mens, Anbrennens). Grundsätzlich gilt, dass Gesichtsverschleierung die bekleidungsge- der Wunsch des Tragens religiöser Kleidung mäßen Voraussetzungen für die erforderlich kein Grund für die Befreiung von bestimm- offene Kommunikation und die Sicherheit in ten Unterrichtsfächern oder sonstigen schu- der Schule zu verdeutlichen. In diesem Rah- lischen Aktivitäten darstellt. Letztlich kom- men könnte ebenfalls konkretisiert werden, men – wie bei Frage 2 – Maßnahmen wegen dass auch nicht der Schule angehörige Per- Schulpflichtverletzung in Betracht. sonen (einschließlich Eltern oder Verwandte Wie geht Schule mit dem Wunsch nach einem 7 Gebetsraum um? Auf die Einrichtung von Gebetsräumen spezi- falls die zusätzliche Feststellung des Bun- ell für Verrichtungen muslimischen Glaubens desverwaltungsgerichts, dass Schülerinnen oder als Gebetsräume für alle Religionen be- und Schüler die Schule so hinzunehmen ha- steht kein Anspruch. Dem entsprechend wer- ben, wie sie ist13. Die Glaubensfreiheit ist in- den an Schulen (einschließlich der Ganztags- soweit durch den staatlichen Bildungs- und schulen) und in Einrichtungen des Zweiten Erziehungsauftrag beschränkt14. Empfohlen Bildungswegs keine Gebetsräume eingerich- wird, dass Schulen ohne Anerkennung eines tet. Die Glaubensfreiheit beinhaltet keinen Anspruches auf einen Gebetsraum unter Be- Anspruch, der eigenen Glaubensüberzeu- rücksichtigung der räumlichen Möglichkeiten gung mit staatlicher Unterstützung – in die- im Sinne pragmatischen Eingehens Gebets- sem Fall mit Unterstützung durch die Schule möglichkeiten eröffnen. Hierzu können für – Ausdruck zu verleihen12. Insofern gilt eben- schulischen Zwecke vorgesehene geeignete 12 BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 – 1 BvR 1087/91 13 BVerwG, Urteil vom 30. November 2011 - G 6 C 20.10 14 Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 7 Abs. 1 GG 9
Räume in Pausen für kürzere rituelle Gebete zeit (Pausen) kann aber grundsätzlich zuläs- genutzt werden. Grundsätzlich ist es zu ver- sig sein. Eine Untersagung durch die Schule meiden, dass größere Gruppen auf einsehba- ist möglich, wenn Mitschülerinnen und Mit- rem Schulgelände rituelle Gebete verrichten. schüler und / oder Lehrkräfte dadurch unaus- weichlich in einer unzumutbaren Weise dem Eine Unterrichtsbefreiung zur Ausübung re- Einfluss eines anderen Glaubens ausgesetzt gelmäßiger Gebete, etwa zum freitäglichen sind oder dadurch der Schulfrieden konkret Moscheebesuch oder fünfmal am Tag, ist aus- gefährdet wird15. Die Glaubensfreiheit ist in- drücklich nicht vorgesehen und auch nicht zu- soweit durch den staatlichen Bildungs- und lässig. Die Gebetsverrichtung während des Erziehungsauftrag beschränkt16. Schulbesuchs außerhalb der Unterrichts- Wie kann Schule angemessen reagieren, wenn eine Gemein- de oder Personen mit islamistischen oder salafistischen Tendenzen am Schulstandort Einfluss auf die Schul- und 8 Unterrichtsgestaltung der Schule nehmen möchte? Es gilt Artikel 7 Abs. 1 des Grundgesetzes: Sollte ein bestehender Disput dennoch anhal- „Das gesamte Schulwesen steht unter der ten und schulintern nicht zu lösen sein, muss Aufsicht des Staates.“ Darüber hinaus sind kurzfristig die Schulaufsicht eingebunden die Lehrprogramme und Lehrpläne im Rah- werden. Für das weitere Vorgehen wird auf men von demokratisch legitimierten Abstim- das Rundschreiben 9/21 „Hinsehen – Han- mungsprozessen auf der Basis des Grund- deln – Helfen“ vom 22. Juni 2021 verwiesen. gesetzes, der Verfassung des Landes Brandenburg sowie des Brandenburgischen Schulgesetzes entstanden. Damit sind sie gleichsam für alle an Schule beteiligten Per- sonen bindend. Beabsichtigen Eltern, sich in diesem Sinne im Zuständigkeits- und Aufga- benbereich der Schule rechtswidrig zu ver- halten, hat die Schule gegenüber diesen El- tern klar Stellung zu beziehen. Gleiches gilt, wenn sich Eltern mit entsprechenden Inhalten gegenüber anderen Schülerinnen und Schü- lern äußern. 15 siehe Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 30. November 2011, Az: 6 C 20/10 16 Art. 4 Abs. 1 und 2; Art. 7 Abs. 1 GG. 10
Was tun, wenn Schülerinnen oder Schüler islamistische, salafistische, antisemitische oder djihadistische Propaganda 9 über soziale Medien oder andere Dienste verbreiten oder zeigen? Die Verbreitung von islamistischem, salafisti- Schulaufsicht eingebunden werden, um das schem, antisemitischem oder djihadistischem weitere Vorgehen abzustimmen. Gleichzeitig Propagandamaterial oder anderem extremis- müssen Schülerinnen und Schüler für diese tischen Material kann eine Straftat darstellen. Thematik sensibilisiert werden, um sich bei Es ist Aufgabe der Schulleitung, der Lehrkräf- Bekanntwerden solcher Vorfälle an die für sie te und der Eltern, bei der Verbreitung von ju- entsprechenden Vertrauenspersonen an der gendgefährdendem oder gewaltverherrlichen- Schule wenden zu können. Hierzu steht die dem Material durch Schülerinnen und Schüler Fachstelle Islam der Regionalen Arbeitsstel- Position zu beziehen und klare Grenzen auf- len für Bildung, Integration und Demokratie zuzeigen. Bei der Feststellung eines solchen für Unterstützung und Fortbildung im Konflikt- Sachverhaltes sollte in jedem Fall die untere umgang zur Verfügung. Wer kann einer Schule bei Fragen bezüglich des religiös 10 begründeten Extremismus helfen? Auf den Internetseiten des Bildungsservers fassungsschutzes ist unter der Telefonnum- Berlin-Brandenburg haben die Schulen die mer 0331 866-2699 montags bis freitags von Möglichkeit, sich zu informieren und Mate- 9 bis 15 Uhr erreichbar. rial zu beziehen. Schulinterne Fortbildungs- veranstaltungen sowie Schulentwicklungsta- In Angelegenheiten, die eine erhebliche Stö- ge können die Schulen bei Interesse bei ihrer rung des Schulfriedens verursachen oder zuständigen BUSS-Koordinierungsstelle er- eine Straftat darstellen könnten, ist durch fragen. Darüber hinaus steht die Fachstelle die Schulleitung umgehend die zuständige Islam im Land Brandenburg der Regionalen Schulaufsicht zu kontaktieren. Darüber hin- Arbeitsstellen für Bildung, Integration und De- aus steht die Schulaufsicht natürlich auch in mokratie mit einem Team aus Experten, die Fällen der Prävention zur Unterstützung zur für die weitreichende Thematik breit aufge- Verfügung. In akuten Notfällen und Gefahren- stellt sind, zur Verfügung. lagen sollte zunächst immer zuerst unter der Nummer 110 die nächste Polizeidienststelle Internet: https://raa-brandenburg.de/ und anschließend die zuständige Schulauf- Projekte-Programme/Fachstelle-Islam sicht informiert werden. Bei Fragen im Zusammenhang mit Radika- lisierung und Extremismus im schulischen Kontext haben die Schulen darüber hinaus die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit dem Brandenburgischen Verfassungsschutz, der dafür im Rahmen seines gesetzlichen In- formationsauftrags zur Verfügung steht. Das „Hinweistelefon“ des Brandenburgischen Ver- 11
11 Publikationen zur Thematik Islam und Schule – Handreichung für Lehrerinnen und Lehrer an Berliner Schulen, Hg.: Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung, 2010 Download unter dem Link: https://www.berlin.de/sen/bildung/unterricht/politische-bildung/interkulturelle-bildung/ Herausforderung Islamismus – Schule und religiös begründeter Extremismus – Hintergrundwissen, Handlungsoptionen und Materialien für die pädagogische Praxis im Überblick; Hg: Bundeszentrale für politische Bildung, Nov. 2020 Download unter dem Link: https://www.bpb.de/shop/buecher/einzelpublikationen/284928/herausforderung-salafismus- schule-und-religioes-begruendeter-extremismus Was geht? Ein Begleitheft für Pädagogen zum Thema Islam; Hg: Bundeszentrale für politische Bildung, 2020 Download unter dem Link: https://www.bpb.de/shop/lernen/was-geht/125841/was-geht-ein-begleitheft-fuer-paedagogen- zum-thema-islam Generation Allah – Warum wir im Kampf gegen religiösen Extremismus umdenken müssen, Ahmad Mansour, Bonn, 2016 Download unter dem Link: https://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/222595/generation-allah Demokratie und Vielfalt leben – Radikalisierung und Extremismus verhindern Download unter dem Link: https://www.bildungsserver.de/Demokratie-und-Vielfalt-leben-Radikalisierung-und- Extremismus-verhindern-11306-de.html Islamismus und Salafismus Download unter dem Link: https://www.bildungsserver.de/Islamismus-und-Salafismus-12364-de.html Übersichtswerke: Brunner (Hrsg.) „Islam. Einheit und Vielfalt einer Weltreligion.“ G. Krämer: „Geschichte des Islam.“ G. Endreß: „Der Islam. Eine Einführung in seine Geschichte.“ U. Haarmann: „Geschichte der arabischen Welt.“ Koranübersetzungen: Deutsch: R. Paret, H. Bobzin; Englisch: A. Jones, M. Asad Erläuterungen zum Koran: H. Bobzin: „Der Koran: Eine Einführung“, A. Neuwirth: „Der Koran als Text der Spätantike“, N. Sinai: „Der Koran: Eine Einführung“ 12
Sunna, Hadith: J. Brown, „Hadith.“ & „Canonization of Bukhari and Muslim.“ Diverse Artikel von H. Motzki Schiiten: H. Halm: „Die Schiiten.“ Islamisches Recht: Matthias Rohe: „Das Islamische Recht.“ Allgemeine Einführung: Nasr Hamid Abu Zaid: „Der Gesandte Gottes.“ M. Khorchide: „Islam ist Barmherzigkeit.“ G. Krämer: „Demokratie im Islam.“ J. Elias: „Key Themes for the Study of Islam.“ Schöngeistige Literatur: A. Aswani: „Der Jakubijan Bau.“ Y. Ziedan: „Azazeel“ O. Pamuk: “Rot ist mein Name.“, „Schnee.“ E. Shafak: „Der Bastard von Istanbul.“, „Die 40 Geheimnisse der Liebe.“ H. Matar: „Die Rückkehr.“ S. Fatah: „Der letzte Ort.“ N. Mahfous: „Die Kinder un- seres Viertels.“, „Die Midaq Gasse.“ Weitere Autoren: Mahmoud Doulatabadi, Mehmet Uzun, Nazim Hikmet, Aziz Nesin, Franz Werfel, Taha Hussein. Geographie: Ketterman: „Atlas zur Geschichte des Islam“; Sluglett & Currie „Atlas of Islamic History“ Religion, Theologie, Sufismus: C. Lange, „Paradise and Hell in Islamic Traditions“; R. Gramlich, „Die schiitischen Derwischorden Persiens.“ Orientalismus: E. Said: „Orientalism“; A. Pflitsch „Mythos Orient“ Soziologie: Blaschke-Nacak & Hößl: „Islam und Sozialisation.“ Barz & Spenlen: „Islam und Bildung.“ I. Attia: „Die und ihr Anderes.“ Radikalisierung: Dantschke, Mansour, Müller, et.al.: „Ich lebe nur für Allah.“ Krägel „Kein Plan B.“ Ceylan & Kiefer: „Salafismus.“ Said & Fouad: „Salafismus.“ S. Maher: „Salafi-Jihadism.“ Islam in Deutschland: M. Rohe: „Der Islam in Deutschland.“ K.Krüger: „Eine Reise durch das muslimische Brandenburg.“ 13
Impressum Herausgeber: Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Heinrich-Mann-Allee 107 14473 Potsdam Internet: mbjs.brandenburg.de E-Mail: pressestelle@mbjs.brandenburg.de Bildquellen: S. 5 SDI Productions, S. 6 monkeybusinessimages, S. 8 Rawpixel (Istockphoto); S. 7 Odua Images (Adobe) Redaktionsschluss: Mai 2022 Einzelne Passagen dieser Broschüre wurden mit freundlicher Genehmigung des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein der Publikation „Religion, Islamismus, Salafismus in Schulen“ sprachlich angepasst übernommen. 14
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