Islam in Schulen Handlungsleitlinien für Schulleitungen und Lehrkräfte bei religiös begründeten Fragestellungen im schulischen Kontext - RAA ...

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Islam in Schulen
Handlungsleitlinien für
Schulleitungen und Lehrkräfte
bei religiös begründeten Fragestellungen
im schulischen Kontext
Islam in Schulen Handlungsleitlinien für Schulleitungen und Lehrkräfte bei religiös begründeten Fragestellungen im schulischen Kontext - RAA ...
Einleitung

    Deutschland ist in den letzten Jahrzehnten vor            Schule ist ein Ort, in dem gesellschaftliche
    allem durch Zuwandererinnen und Zuwande-                  Vielfalt vorhanden, beachtet und wertge-
    rer aus muslimisch geprägten Herkunftsstaa-               schätzt wird. Insofern kommt der politischen
    ten religiös und kulturell vielfältiger geworden.         sowie interkulturellen Bildung in den Schulen
    Nach Angaben des Bundesamtes für Migra-                   eine hohe Bedeutung zu. Extremismus, un-
    tion und Flüchtlinge (BAMF) liegt die Anzahl              abhängig davon, ob er politisch motiviert ist
    der Muslime in Deutschland aktuell zwischen               oder in religiöser Form stattfindet, wird des-
    5,3 und 5,6 Millionen. Dies entspricht einem              halb nicht toleriert.
    Bevölkerungsanteil zwischen 6,4 und 6,7 Pro-
    zent.1 Ein Forschungsprojekt der Universität              Ziel dieser Broschüre ist es, Schulleitungen
    Potsdam schätzte im Jahr 2018 die Zahl der                und Lehrkräften eine Hilfestellung zu bieten
    Muslime in Brandenburg auf 25.000.2 Das                   und ihnen so rechtssicheres Handeln und
    sind circa 1 Prozent der Gesamtbevölkerung.               Kommunizieren bei religiös begründeten Fra-
                                                              gestellungen im Umgang mit muslimischen
    Das muslimische Leben in Deutschland ist in               Schülerinnen und Schülern und deren Eltern
    Bezug auf Glaubensrichtungen, Religiosität,               zu ermöglichen. Die vorliegenden Informatio-
    religiöse Praxis und Herkunft vielfältig. Der             nen beziehen sich auf einige wesentliche Be-
    Islam ist eine Religion, für deren Ausübung               reiche und sind daher nicht als abschließend
    nach dem Grundgesetz die ungestörte Reli-                 zu betrachten. Am Ende dieser Broschü-
    gionsausübung, wie für alle anderen Religio-              re sind weitere Publikationen, die über we-
    nen und Weltanschauungen, zu gewährleis-                  sentliche Regeln des islamischen Glaubens
    ten ist. Auch nach dem Brandenburgischen                  und über den Umgang mit religiös begründe-
    Schulgesetz haben die Schulen die Freiheit                tem Extremismus informieren, aufgeführt. Für
    des Gewissens sowie Offenheit und Toleranz                die Behandlung des Themas Islamismus im
    gegenüber unterschiedlichen kulturellen, re-              schulischen Alltag sind auf dem Bildungsser-
    ligiösen, weltanschaulichen und politischen               ver Berlin-Brandenburg entsprechende Un-
    Wertvorstellungen, Empfindungen und Über-                 terrichtsmaterialien eingestellt.
    zeugungen zu wahren. Hierbei ist es sehr
    wichtig, zwischen dem Islam als Religion und
    dem Islamismus als politischer Ideologie mit
    seinen extremistischen Strömungen zu unter-
    scheiden. Islamisten stehen mit ihrer Ausle-
    gung des Islam im Widerspruch insbesondere
    zu den im Grundgesetz verankerten Grund-
    sätzen der Volkssouveränität, der Trennung
    von Staat und Religion, der freien Meinungs-
    äußerung und der allgemeinen Gleichberech-
    tigung.

    1   Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020“, BAMF
    2   „Dem Islam auf der Spur – Wie leben Muslime in Brandenburg?“, Universität Potsdam, Hafner, 2019

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Sind Schülerinnen und Schüler berechtigt, sich an
            besonderen religiösen Feiertagen vom Unterricht befreien
1           zu lassen? Ist die Schule zur Freistellung verpflichtet?

        Grundsätzlich praktizieren viele Muslime einen   Ergänzend wird auf die Möglichkeit der Be-
        selbstverantworteten Umgang mit besonde-         urlaubung für Schülerinnen und Schüler des
        ren religiösen Feiertagen und beziehen die       islamischen Bekenntnisses hingewiesen. Für
        Schule samt ihren Leistungsanforderungen,        die Beurlaubung aus religiösen Gründen in
        Klausuren und Prüfungen derart ein, dass die     Brandenburg (für Muslime für das Fest des
        Schule Vorrang vor dem religiösen Feiertag       Fastenbrechens sowie für das Opferfest) gilt
        hat.                                             folgende Regelung:

        Der Auftrag der Schule kann hinsichtlich der     „Schülerinnen und Schüler können für die
        Planung von Leistungskontrollen, Klausuren       Erfüllung religiöser oder weltanschaulicher
        und Prüfungen grundsätzlich nicht auf unter-     Pflichten beurlaubt werden, wenn die Zuge-
        schiedliche religiöse Auslegungen und Be-        hörigkeit zu der jeweiligen Religions- oder
        dürfnisse der Schülerschaft, einschließlich      Weltanschauungsgemeinschaft nachgewie-
        der Eltern, eingehen. Es gilt auch gegen-        sen wird. Sie sollen beurlaubt werden für die
        über religiösen Interessen, dass die Interes-    Teilnahme an Kirchentagen ihres Glaubens,
        sen Einzelner oder bestimmter Gruppen nicht      soweit nicht vorrangige schulische Belange
        maßgeblich den schulischen Kalender und          dem entgegenstehen.“3
        die Organisation des Schulbetriebs bestim-
        men dürfen. Zu verhindern ist es also, dass      Intervenieren muss die Schule gegenüber
        die Schule ihre leitenden Grundsätze und Pla-    Praktiken und Argumenten von Schülerinnen
        nungen angesichts religiös motivierter Forde-    und Schülern sowie deren Eltern, wenn Ab-
        rungen in Frage stellt, die zudem nicht zwin-    weichungen von der religiösen Praxis (z.B.
        gend aus den religiösen Vorgaben abzuleiten      Ausnahmen vom Fasten im Ramadan) als
        sind. Dies wäre auch nicht mit der religiösen    nicht zulässig angesehen werden oder Mit-
        und weltanschaulichen Neutralität der Schu-      schülerinnen und Mitschüler mit Hinweis auf
        le zu vereinbaren. Die schulischen Pflichten,    den Islam sozial und moralisch unter Druck
        die sich insbesondere aus dem Brandenbur-        gesetzt werden. Zudem entbindet das Fas-
        gischen Schulgesetz (BbgSchulG) ergeben,         ten im islamischen Fastenmonat Ramadan
        sind von den Kindern und Jugendlichen auch       nicht von der Teilnahme an Klassenarbeiten /
        während der besonderen religiösen Feiertage      Klausuren, sonstigen Leistungsüberprüfun-
        zu erfüllen. Die Verantwortung für den Schul-    gen oder vom Sportunterricht.
        besuch Minderjähriger liegt bei den Eltern.

        3   Nummer 8 Abs. 3 VV-Schulbetrieb

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Können Schülerinnen und Schüler aus religiösen Gründen
2           vom Sport- oder Schwimmunterricht befreit werden?

        Mit Blick auf die Schulpflicht verwirklicht sich           ten Angaben zu bewerten ist, kann ein Antrag
        die integrative Kraft der öffentlichen Schule              auf Beurlaubung vom koedukativen Sport- und
        dadurch, dass die Schülerinnen und Schü-                   Schwimmunterricht bewilligt werden.5
        ler mit der in der Gesellschaft vorhandenen
        Vielfalt an Verhaltensgewohnheiten in Kon-                 Sollte es seitens der Eltern zu einem ord-
        takt kommen. Hierzu gehört auch der An-                    nungswidrigen Verhalten kommen (El-
        blick von Mädchen und Jungen in Bade- und                  tern halten die Tochter ohne Erlaubnis vom
        Sportbekleidung. Das Bundesverwaltungs-                    Schwimmunterricht fern), kann dieses – nach
        gericht hat im Jahr 2013 in einer Entschei-                Ausschöpfen aller Kommunikationsmöglich-
        dung festgehalten, dass es grundsätzlich für               keiten – durch die zuständige Kreisordnungs-
        muslimische Schülerinnen auch unter Be-                    behörde wegen Verletzung der Schulpflicht
        rücksichtigung ihres Glaubens zumutbar ist,                mit einer Geldbuße geahndet werden6. Un-
        am koedukativen Schwimmunterricht teilzu-                  ter bestimmten Voraussetzungen kann auch
        nehmen.4 Die Zumutbarkeit wird u. a. mit der               die Anwendung von Verwaltungszwang (ins-
        Möglichkeit begründet, einen sogenannten                   besondere Festsetzung eines Zwangsgel-
        Burkini (Ganzkörperbadeanzug) zu tragen.                   des) in Betracht kommen7. Hier ist das jewei-
        Nach der Rechtssprechung besteht somit für                 lige staatliche Schulamt zuständig. Wird die
        muslimische Schülerinnen die Pflicht zur Teil-             Schülerin im Zusammenhang mit der Ableh-
        nahme am koedukativen, wie auch an dem                     nung der Befreiung für den Schwimmunter-
        nach Geschlechtern getrennten, Sport- und                  richt krankgemeldet, kann die Vorlage eines
        Schwimmunterricht.                                         ärztlichen Attests oder auch eine schulärzt-
                                                                   liche (amtsärztliche) Bescheinigung gefor-
        Soweit zwischen der Schule und den Eltern                  dert werden. Für den Sportunterricht gilt all-
        von muslimischen Schülerinnen wegen der                    gemein, dass besondere Kleidung und auch
        verpflichtenden Teilnahme am Schwimmun-                    ein Kopftuch erlaubt sind, wenn dadurch die
        terricht Konflikte aufgrund religiöser Vorschrif-          Sicherheit für die Schülerin oder den Schü-
        ten entstehen, sollte die Schule zunächst das              ler selbst und ihrer Mitschülerinnen oder Mit-
        Gespräch mit den Eltern suchen. Insbeson-                  schüler nicht gefährdet wird. Als mögliches
        dere die Eltern minderjähriger muslimischer                Entgegenkommen ist die Anregung an den
        Schülerinnen sollten davon überzeugt wer-                  Schulträger zu erachten, z.B. für einsichts-
        den, dass Sport- und Schwimmunterricht für                 geschützte Umkleide- und Duschkabinen zu
        die Entwicklung der Schülerinnen förderliche,              sorgen.
        verbindliche Unterrichtsfächer sind. Eine Be-
        freiung kommt vorübergehend nur aus ge-
        sundheitlichen Gründen in Betracht. Nur im
        begründeten Einzelfall, der eine Ausnahme
        aufgrund des religiösen Glaubenskonfliktes
        darstellt und daher nur mit glaubhaft dargeleg-

        4   BVerwG, Urteil vom 11. September 2013, Az: 6 C 25/12
        5   Es besteht eine entsprechende Darlegungslast für den Konflikt zwischen Glauben und Schulpflicht. Das heißt,
            dass der Glaubenskonflikt einen starken Widerspruch in der Lebenswirklichkeit des Mädchens darstellen muss
            (bspw. durch Gefahr für Leib und Leben des Mädchens).
        6   vgl. §§ 41, 42 BbgSchulG
        7   § 41 Abs. 3 BbgSchulG

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Können Schülerinnen und Schüler aus religiösen Gründen
3           von der Sexualkundeerziehung befreit werden?

        Eine Befreiung aus religiösen oder aus an-         rer Fakten (auch Krankheits- und Empfäng-
        deren Gründen ist nicht möglich. Unter be-         nisverhütung) ausgerichtet. Dabei ergänzt die
        stimmten Voraussetzungen kann die Schule           schulische Sexualerziehung die der Eltern.
        darüber entscheiden, ob es auch im Hinblick        Seitens der Schule besteht eine Pflicht ge-
        auf den Sexualkundeunterricht pädagogisch          genüber den Eltern, rechtzeitig über Ziel, In-
        sinnvoll ist, Schülerinnen und Schüler zeit-       halt und Formen der unterrichtlichen Sexual-
        weise getrennt zu unterrichten8. Ansprüche         erziehung zu informieren.
        auf einen nach Geschlechtern getrennten
        Sexual­kundeunterricht bestehen indes nicht.       Das Thema Sexualerziehung sollte von den
                                                           Lehrkräften sensibel behandelt und als sol-
        Der gesetzliche Bildungs- und Erziehungs-          ches nicht unvermittelt angegangen werden.
        auftrag der Schule schließt die Sexualerzie-       Die Kommunikation dieses Themas erfolgt in
        hung als einen wichtigen und unverzichtbaren       der Verantwortung der einzelnen Schule im
        Teil der Gesamterziehung ein9. Der Rahmen-         Rahmen der schulischen Mitwirkungsgremi-
        lehrplan (RLP) für die Jahrgangsstufen 1 – 10      en, in Elternabenden oder entsprechenden
        beschreibt in Teil B wesentliche Bereiche der      Informationsbriefen. Dazu ist auch der Integ-
        überfachlichen Kompetenzentwicklung. Dazu          rationsauftrag der öffentlichen Schule zu be-
        gehören u. a. Sexualerziehung / Bildung für        rücksichtigen. Kommt es dabei zu Konflikten
        sexuelle Selbstbestimmung, Bildung zur Ak-         zwischen Schule und Elternhaus, ist zunächst
        zeptanz von Vielfalt (Diversity), Gesundheits-     das klärende Gespräch mit den Eltern zu su-
        förderung sowie Gleichstellung und Gleichbe-       chen. Sofern dies nicht zielführend ist, kön-
        rechtigung der Geschlechter. Der Unterricht        nen weitere Maßnahmen in Betracht kommen
        erfolgt religiös-weltanschaulich neutral und ist   (siehe Frage 2 – Schulpflichtverletzung).
        auf eine Vermittlung biologischer und weite-

        8   siehe § 4 Abs. 7 BbgSchulG
        9   § 12 Abs. 3 BbgSchulG

    5
Ist die Teilnahme an einer Schulfahrt für alle Schülerinnen
4         und Schüler, unabhängig von ihrer Religion, verpflichtend?

        Schulfahrten sind schulische Veranstaltun-       Bei Vorbehalten muslimischer Eltern, dass is-
        gen, die außerhalb von Schule stattfinden.       lamische Moralvorstellungen und Verhaltens-
        Sie können als Wandertag, Exkursion, zur         weisen auf einer Schulfahrt nicht hinreichend
        Teilnahme an Veranstaltungen schulischer         umgesetzt oder geschützt werden, sollte in
        Wettbewerbe, im Rahmen von Schülerbe-            möglichst vertrauensvollen Gesprächen auf
        gegnungen und Schüleraustausch oder als          die Fahrt vorbereitet werden. Es wird hilfreich
        mehrtägige Klassen-, Kurs- und Jahrgangs-        sein, über die aufsichtführenden Lehrkräfte,
        stufenfahrt stattfinden. Schulfahrten sollen     den Reiseablauf, die räumlichen Bedingun-
        gemeinsame neue Erfahrungen und Erlebnis-        gen und die nächtliche Unterbringung zu infor-
        se der Schülerinnen und Schüler fördern und      mieren – u.a. auch über die Bedingungen zur
        dazu beitragen, das gegenseitige Verständnis     Einhaltung der Geschlechtertrennung sowie
        zu vertiefen und den Gemeinschaftssinn zu        über das Speiseangebot und das Alkoholver-
        fördern. Dies setzt voraus, dass – auch wenn     bot. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit,
        die Teilnahme an der Schulfahrt freiwillig ist   gezielt muslimische Eltern für eine Begleitung
        – allen Schülerinnen und Schülern die Ge-        als Betreuer/Betreuerinnen anzusprechen.
        legenheit zu einer Teilnahme gegeben wird.       Erfahrungen der Elternarbeit zeigen, dass so-
        Neben dem Bildungsauftrag von Schule soll        mit Vertrauen aufgebaut, Vorurteile und Ängs-
        diese auch eine Integrationsfunktion erfüllen.   te (auf beiden Seiten) reduziert, sowie die In-
        Hierfür ist in besonderer Weise die (mehrtägi-   tegration gefördert werden können.
        ge) Schulfahrt von Bedeutung. Die Schulfahrt
        hat als schulische Veranstaltung an anderem
        Ort außerhalb der Schule eine besondere pä-
        dagogische Bedeutung für die Integration in
        die Gemeinschaft der Klasse (bzw. des Kur-
        ses oder der Jahrgangsstufe) und die Gesell-
        schaft.

    6
Wie sollte mit dem Wunsch nach besonderer
5         Schulspeisung umgegangen werden?

        Es besteht kein Anspruch darauf, dass be-      Grundsätzlich liegt es in der Entscheidung
        sondere Essgewohnheiten oder religiös moti-    des Schulträgers, wie die vielfältig zu beach-
        vierte Anforderungen an Speisen, z.B. im Zu-   tenden Voraussetzungen (neben der Ausge-
        sammenhang mit der Schulspeisung, durch        wogenheit des Essens u. a. auch die Kosten
        die Schule oder durch den für die Schulspei-   bzw. angemessene Preise für die Schülerin-
        sung zuständigen Schulträger zu berücksich-    nen und Schüler) am besten zu gewährleis-
        tigen sind.                                    ten sind. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass
                                                       nicht allen religiösen Besonderheiten im Sin-
        Generell hat die Schule jedoch mit darauf      ne verschiedener Religionen entsprochen
        zu achten, dass den Bedürfnissen muslimi-      werden kann und insofern nicht von einem
        scher Schülerinnen und Schüler an bestimm-     Rechtsanspruch auf ein speziell hergestelltes
        ten Speisen im schulischen Zusammenhang        oder ein der Art nach ganz bestimmtes Essen
        entsprochen wird bzw. diese auf alternative    auszugehen ist. Im Ergebnis wird es darum
        Angebote ausweichen können, wenn dies mit      gehen, eine nicht einseitige Schulspeisung
        verhältnismäßigen Mitteln und zumutbarem       anzubieten, die der Vielzahl der Schülerinnen
        Aufwand möglich ist. Die Schulträger haben     und Schüler gerecht wird und spezielle bzw.
        im Benehmen mit den Schulen dafür zu sor-      religiöse Wünsche soweit berücksichtigt, wie
        gen, dass Schülerinnen und Schüler an einer    es vernünftigerweise möglich ist.
        warmen Mittagmahlzeit teilnehmen können.10

        10 siehe § 113 BbgSchulG

    7
Wie ist das Tragen von Niqab und Burka
6         in der Schule zu beurteilen?

        Schülerinnen, die mit einer Burka (Ganzkör-      zu gewährleisten. So müssen alle am Schul-
        perverschleierung, zumeist mit kleinem Seh-      leben Beteiligten in der Lage sein können,
        schlitz) oder einem Niqab (Gesichtsschleier,     schulfremde Personen als solche zu identifi-
        ebenfalls zumeist mit Sehschlitz) zum Un-        zieren und die Schulleitung über deren Anwe-
        terricht erscheinen, machen ihre Identifika-     senheit zu informieren.
        tion und eine Kommunikation mit ihnen un-
        möglich. Damit entziehen sie sich der Pflicht,   Generell sollte bei der Beurteilung des Tra-
        schulischen Vorgaben zu entsprechen die          gens eines Niqabs oder einer Burka durch
        dazu bestimmt sind, das Bildungs- und Er-        Schülerinnen berücksichtigt werden, dass die
        ziehungsziel der Schule zu erreichen und die     Verschleierung kein religiöses Gebot des Is-
        Ordnung in der Schule zu gewährleisten11.        lam ist. Der schulische Raum sollte es Schü-
        Diese Formen der vollständigen Gesichts-         lerinnen, die sich außerhalb der Schule ent-
        verschleierung sind in der Schule im Rahmen      sprechend kleiden, ermöglichen, in der Schule
        eines bestehenden Schulverhältnisses somit       die Erfahrung zu machen, frei und ohne die-
        nicht akzeptabel. Auch muss zu jeder Zeit die    se Bekleidung zu agieren. Unabhängig da-
        Identifikation aller am Schulleben Beteiligten   von, ob eine Schülerin angibt, die Bekleidung
        möglich sein, um die Sicherheit in der Schule    freiwillig oder nicht freiwillig zu tragen, soll-

        11 vgl. § 44 Abs. 3 BbgSchulG

    8
te sie im Kontext Schule die Gelegenheit ha-            von Schülerinnen und Schülern) die Schule
        ben, im Zuge ihrer Persönlichkeitsentwick-              und das Schulgrundstück nicht vollverschlei-
        lung ein Körpergefühl ohne Burka oder Niqab             ert oder nur nach vorheriger Anmeldung und
        kennen zu lernen; ohne die damit einherge-              Identitätsfeststellung betreten dürfen.
        henden Einschränkungen hinsichtlich Bewe-
        gung, Geschlechtertrennung und gesundheit-              Von einer Vollverschleierung des Gesichts
        licher Risiken.                                         ist das Kopftuch, welches das Gesicht frei
                                                                lässt, als zulässige religiöse Kleidung zu un-
        Im Vorgriff auf potentielle Probleme mit ge-            terscheiden. Allerdings müssen auch hier die
        sichtsverschleierten Schülerinnen wird es als           konkreten Situationen wie etwa im Sport-
        sinnvoll erachtet, wenn Schulen in den Haus-            oder Chemieunterricht betrachtet werden
        ordnungen Klarstellungen anstreben, um                  (freie Beweglichkeit, Gefahr des Einklem-
        auch hinsichtlich derart religiös motivierter           mens, Anbrennens). Grundsätzlich gilt, dass
        Gesichtsverschleierung die bekleidungsge-               der Wunsch des Tragens religiöser Kleidung
        mäßen Voraussetzungen für die erforderlich              kein Grund für die Befreiung von bestimm-
        offene Kommunikation und die Sicherheit in              ten Unterrichtsfächern oder sonstigen schu-
        der Schule zu verdeutlichen. In diesem Rah-             lischen Aktivitäten darstellt. Letztlich kom-
        men könnte ebenfalls konkretisiert werden,              men – wie bei Frage 2 – Maßnahmen wegen
        dass auch nicht der Schule angehörige Per-              Schulpflichtverletzung in Betracht.
        sonen (einschließlich Eltern oder Verwandte

           Wie geht Schule mit dem Wunsch nach einem
7          Gebetsraum um?

        Auf die Einrichtung von Gebetsräumen spezi-             falls die zusätzliche Feststellung des Bun-
        ell für Verrichtungen muslimischen Glaubens             desverwaltungsgerichts, dass Schülerinnen
        oder als Gebetsräume für alle Religionen be-            und Schüler die Schule so hinzunehmen ha-
        steht kein Anspruch. Dem entsprechend wer-              ben, wie sie ist13. Die Glaubensfreiheit ist in-
        den an Schulen (einschließlich der Ganztags-            soweit durch den staatlichen Bildungs- und
        schulen) und in Einrichtungen des Zweiten               Erziehungsauftrag beschränkt14. Empfohlen
        Bildungswegs keine Gebetsräume eingerich-               wird, dass Schulen ohne Anerkennung eines
        tet. Die Glaubensfreiheit beinhaltet keinen             Anspruches auf einen Gebetsraum unter Be-
        Anspruch, der eigenen Glaubensüberzeu-                  rücksichtigung der räumlichen Möglichkeiten
        gung mit staatlicher Unterstützung – in die-            im Sinne pragmatischen Eingehens Gebets-
        sem Fall mit Unterstützung durch die Schule             möglichkeiten eröffnen. Hierzu können für
        – Ausdruck zu verleihen12. Insofern gilt eben-          schulischen Zwecke vorgesehene geeignete

        12 BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 – 1 BvR 1087/91
        13 BVerwG, Urteil vom 30. November 2011 - G 6 C 20.10
        14 Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 7 Abs. 1 GG

    9
Räume in Pausen für kürzere rituelle Gebete             zeit (Pausen) kann aber grundsätzlich zuläs-
         genutzt werden. Grundsätzlich ist es zu ver-            sig sein. Eine Untersagung durch die Schule
         meiden, dass größere Gruppen auf einsehba-              ist möglich, wenn Mitschülerinnen und Mit-
         rem Schulgelände rituelle Gebete verrichten.            schüler und / oder Lehrkräfte dadurch unaus-
                                                                 weichlich in einer unzumutbaren Weise dem
         Eine Unterrichtsbefreiung zur Ausübung re-              Einfluss eines anderen Glaubens ausgesetzt
         gelmäßiger Gebete, etwa zum freitäglichen               sind oder dadurch der Schulfrieden konkret
         Moscheebesuch oder fünfmal am Tag, ist aus-             gefährdet wird15. Die Glaubensfreiheit ist in-
         drücklich nicht vorgesehen und auch nicht zu-           soweit durch den staatlichen Bildungs- und
         lässig. Die Gebetsverrichtung während des               Erziehungsauftrag beschränkt16.
         Schulbesuchs außerhalb der Unterrichts-

            Wie kann Schule angemessen reagieren, wenn eine Gemein-
            de oder Personen mit islamistischen oder salafistischen
            Tendenzen am Schulstandort Einfluss auf die Schul- und
8           Unterrichtsgestaltung der Schule nehmen möchte?
         Es gilt Artikel 7 Abs. 1 des Grundgesetzes:             Sollte ein bestehender Disput dennoch anhal-
         „Das gesamte Schulwesen steht unter der                 ten und schulintern nicht zu lösen sein, muss
         Aufsicht des Staates.“ Darüber hinaus sind              kurzfristig die Schulaufsicht eingebunden
         die Lehrprogramme und Lehrpläne im Rah-                 werden. Für das weitere Vorgehen wird auf
         men von demokratisch legitimierten Abstim-              das Rundschreiben 9/21 „Hinsehen – Han-
         mungsprozessen auf der Basis des Grund-                 deln – Helfen“ vom 22. Juni 2021 verwiesen.
         gesetzes, der Verfassung des Landes
         Brandenburg sowie des Brandenburgischen
         Schulgesetzes entstanden. Damit sind sie
         gleichsam für alle an Schule beteiligten Per-
         sonen bindend. Beabsichtigen Eltern, sich in
         diesem Sinne im Zuständigkeits- und Aufga-
         benbereich der Schule rechtswidrig zu ver-
         halten, hat die Schule gegenüber diesen El-
         tern klar Stellung zu beziehen. Gleiches gilt,
         wenn sich Eltern mit entsprechenden Inhalten
         gegenüber anderen Schülerinnen und Schü-
         lern äußern.

         15 siehe Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 30. November 2011, Az: 6 C 20/10
         16 Art. 4 Abs. 1 und 2; Art. 7 Abs. 1 GG.

    10
Was tun, wenn Schülerinnen oder Schüler islamistische,
            salafistische, antisemitische oder djihadistische Propaganda
 9          über soziale Medien oder andere Dienste verbreiten oder zeigen?

          Die Verbreitung von islamistischem, salafisti-    Schulaufsicht eingebunden werden, um das
          schem, antisemitischem oder djihadistischem       weitere Vorgehen abzustimmen. Gleichzeitig
          Propagandamaterial oder anderem extremis-         müssen Schülerinnen und Schüler für diese
          tischen Material kann eine Straftat darstellen.   Thematik sensibilisiert werden, um sich bei
          Es ist Aufgabe der Schulleitung, der Lehrkräf-    Bekanntwerden solcher Vorfälle an die für sie
          te und der Eltern, bei der Verbreitung von ju-    entsprechenden Vertrauenspersonen an der
          gendgefährdendem oder gewaltverherrlichen-        Schule wenden zu können. Hierzu steht die
          dem Material durch Schülerinnen und Schüler       Fachstelle Islam der Regionalen Arbeitsstel-
          Position zu beziehen und klare Grenzen auf-       len für Bildung, Integration und Demokratie
          zuzeigen. Bei der Feststellung eines solchen      für Unterstützung und Fortbildung im Konflikt-
          Sachverhaltes sollte in jedem Fall die untere     umgang zur Verfügung.

            Wer kann einer Schule bei Fragen bezüglich des religiös
10          begründeten Extremismus helfen?

          Auf den Internetseiten des Bildungsservers        fassungsschutzes ist unter der Telefonnum-
          Berlin-Brandenburg haben die Schulen die          mer 0331 866-2699 montags bis freitags von
          Möglichkeit, sich zu informieren und Mate-        9 bis 15 Uhr erreichbar.
          rial zu beziehen. Schulinterne Fortbildungs-
          veranstaltungen sowie Schulentwicklungsta-        In Angelegenheiten, die eine erhebliche Stö-
          ge können die Schulen bei Interesse bei ihrer     rung des Schulfriedens verursachen oder
          zuständigen BUSS-Koordinierungsstelle er-         eine Straftat darstellen könnten, ist durch
          fragen. Darüber hinaus steht die Fachstelle       die Schulleitung umgehend die zuständige
          Islam im Land Brandenburg der Regionalen          Schulaufsicht zu kontaktieren. Darüber hin-
          Arbeitsstellen für Bildung, Integration und De-   aus steht die Schulaufsicht natürlich auch in
          mokratie mit einem Team aus Experten, die         Fällen der Prävention zur Unterstützung zur
          für die weitreichende Thematik breit aufge-       Verfügung. In akuten Notfällen und Gefahren-
          stellt sind, zur Verfügung.                       lagen sollte zunächst immer zuerst unter der
                                                            Nummer 110 die nächste Polizeidienststelle
          Internet: https://raa-brandenburg.de/             und anschließend die zuständige Schulauf-
          Projekte-Programme/Fachstelle-Islam               sicht informiert werden.

          Bei Fragen im Zusammenhang mit Radika-
          lisierung und Extremismus im schulischen
          Kontext haben die Schulen darüber hinaus
          die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit
          dem Brandenburgischen Verfassungsschutz,
          der dafür im Rahmen seines gesetzlichen In-
          formationsauftrags zur Verfügung steht. Das
          „Hinweistelefon“ des Brandenburgischen Ver-

     11
11          Publikationen zur Thematik

          Islam und Schule – Handreichung für Lehrerinnen und Lehrer an Berliner Schulen,
          Hg.: Senats­verwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung, 2010
          Download unter dem Link:
          https://www.berlin.de/sen/bildung/unterricht/politische-bildung/interkulturelle-bildung/

          Herausforderung Islamismus – Schule und religiös begründeter Extremismus –
          Hintergrundwissen, Handlungsoptionen und Materialien für die pädagogische Praxis
          im Überblick;

          Hg: Bundeszentrale für politische Bildung, Nov. 2020
          Download unter dem Link:
          https://www.bpb.de/shop/buecher/einzelpublikationen/284928/herausforderung-salafismus-
          schule-und-religioes-begruendeter-extremismus

          Was geht? Ein Begleitheft für Pädagogen zum Thema Islam;
          Hg: Bundeszentrale für politische Bildung, 2020
          Download unter dem Link:
          https://www.bpb.de/shop/lernen/was-geht/125841/was-geht-ein-begleitheft-fuer-paedagogen-
          zum-thema-islam

          Generation Allah – Warum wir im Kampf gegen religiösen Extremismus umdenken müssen,
          Ahmad Mansour, Bonn, 2016
          Download unter dem Link:
          https://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/222595/generation-allah

          Demokratie und Vielfalt leben – Radikalisierung und Extremismus verhindern
          Download unter dem Link:
          https://www.bildungsserver.de/Demokratie-und-Vielfalt-leben-Radikalisierung-und-
          Extremismus-verhindern-11306-de.html

          Islamismus und Salafismus
          Download unter dem Link:
          https://www.bildungsserver.de/Islamismus-und-Salafismus-12364-de.html

          Übersichtswerke: Brunner (Hrsg.) „Islam. Einheit und Vielfalt einer Weltreligion.“
          G. Krämer: „Geschichte des Islam.“ G. Endreß: „Der Islam. Eine Einführung in seine
          Geschichte.“ U. Haarmann: „Geschichte der arabischen Welt.“

          Koranübersetzungen: Deutsch: R. Paret, H. Bobzin; Englisch: A. Jones, M. Asad

          Erläuterungen zum Koran: H. Bobzin: „Der Koran: Eine Einführung“, A. Neuwirth:
          „Der Koran als Text der Spätantike“, N. Sinai: „Der Koran: Eine Einführung“

     12
Sunna, Hadith: J. Brown, „Hadith.“ & „Canonization of Bukhari and Muslim.“
     Diverse Artikel von H. Motzki

     Schiiten: H. Halm: „Die Schiiten.“

     Islamisches Recht: Matthias Rohe: „Das Islamische Recht.“

     Allgemeine Einführung: Nasr Hamid Abu Zaid: „Der Gesandte Gottes.“ M. Khorchide:
     „Islam ist Barmherzigkeit.“ G. Krämer: „Demokratie im Islam.“ J. Elias: „Key Themes for the
     Study of Islam.“

     Schöngeistige Literatur: A. Aswani: „Der Jakubijan Bau.“ Y. Ziedan: „Azazeel“ O. Pamuk:
     “Rot ist mein Name.“, „Schnee.“ E. Shafak: „Der Bastard von Istanbul.“, „Die 40 Geheimnisse
     der Liebe.“ H. Matar: „Die Rückkehr.“ S. Fatah: „Der letzte Ort.“ N. Mahfous: „Die Kinder un-
     seres Viertels.“, „Die Midaq Gasse.“

     Weitere Autoren: Mahmoud Doulatabadi, Mehmet Uzun, Nazim Hikmet, Aziz Nesin, Franz
     Werfel, Taha Hussein.

     Geographie: Ketterman: „Atlas zur Geschichte des Islam“; Sluglett & Currie „Atlas of Islamic
     History“

     Religion, Theologie, Sufismus: C. Lange, „Paradise and Hell in Islamic Traditions“;
     R. Gramlich, „Die schiitischen Derwischorden Persiens.“

     Orientalismus: E. Said: „Orientalism“; A. Pflitsch „Mythos Orient“

     Soziologie: Blaschke-Nacak & Hößl: „Islam und Sozialisation.“ Barz & Spenlen: „Islam und
     Bildung.“ I. Attia: „Die  und ihr Anderes.“

     Radikalisierung: Dantschke, Mansour, Müller, et.al.: „Ich lebe nur für Allah.“ Krägel
     „Kein Plan B.“ Ceylan & Kiefer: „Salafismus.“ Said & Fouad: „Salafismus.“ S. Maher:
     „Salafi-Jihadism.“

     Islam in Deutschland: M. Rohe: „Der Islam in Deutschland.“ K.Krüger: „Eine Reise durch
     das muslimische Brandenburg.“

13
Impressum

     Herausgeber:
     Ministerium für Bildung, Jugend und Sport
     des Landes Brandenburg
     Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
     Heinrich-Mann-Allee 107
     14473 Potsdam

     Internet: mbjs.brandenburg.de
     E-Mail: pressestelle@mbjs.brandenburg.de

     Bildquellen: S. 5 SDI Productions, S. 6 monkeybusinessimages, S. 8 Rawpixel (Istockphoto);
     S. 7 Odua Images (Adobe)
     Redaktionsschluss: Mai 2022

     Einzelne Passagen dieser Broschüre wurden mit freundlicher Genehmigung des Ministeriums
     für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein der Publikation „Religion,
     Islamismus, Salafismus in Schulen“ sprachlich angepasst übernommen.

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