Jahrbuch Greifensee Freizeit - freie Zeit? 2012/2013

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Jahrbuch Greifensee
          Freizeit – freie Zeit?

                    2012/2013

                  16. Jahrbuch, November 2013,
                  Arbeitsgruppe für Ortsgeschichte,
                  Gemeinde Greifensee
2   Freizeit – freie Zeit?                                                       Jahrbuch Greifensee – 2012/2013

    Impressum

    Herausgeber                         Fotografen                        Bisher erschienene Jahrbücher
    Arbeitsgruppe für Ortsgeschichte,   Peter Jakoubek, Margret Muff,     1983        Kirche Greifensee
    Gemeinde Greifensee                 Armin Mühlebach, Silvia Riccio,   1984/1985 Renovation Limi
                                        Ernst Schärer, Hansruedi Strebel, 1986/1987 Pfahlbauer/Schiffahrt
    Redaktion                           Claudia Stury, Elsbeth Suter,     1988/1989 Die Grossüberbauungen
    Schwerpunktthema                    Herma Wenk, Franziska Wenzinger,              in Greifensee
    Herbert Gehrig                      Archiv der AG OG, Archiv der NaG  1990/1991 Fischerei
    Elsbeth Suter                       und der Redaktion unbekannte                  auf dem Greifensee
    Franziska Wenzinger                 Bildautoren                       1992/1993 Werkhof
                                                                          1994/1995 Schloss Greifensee
    Chronik                             Umschlag                          1996/1997 Jugend und Bildung
    Elsbeth Suter                       Freizeitgestaltung                1999/2000 Der letzte Bauboom
                                        in den vier Jahreszeiten                      des Jahrhunderts
    Autoren                                                               2001/2002 Wirtshäuser
    Schwerpunktthema                    Abkürzungen                       2003/2004 Leben an Greifensees
    Peter Goetsch, Heidi Huber,         AG OG Arbeitsgruppe                           Gewässern
    Bruno Hug, Theres Kolar,                   für Ortsgeschichte         2005/2006 Vielfältige Landwirtschaft
    Martin Kunz, Silvia Riccio,         ASUG Arbeitsgruppe Naturschutz 		 2007/2008 Feste feiern
    Lucas Rieder, Cristina Rudolph,            Greifensee                 2008/2009 Älter werden
    Elsbeth Suter, Martin Weilenmann,   EmW ElternmitWirkung                          in Greifensee
    Franziska Wenzinger                 KGG KunstGesellschaft             2010/2011 Greifensee als Arbeitsort
                                               Greifensee
    Chronisten                          KGH Kirchgemeindehaus             Verkauf alter und neuer Jahrbücher:
    Eva von Brüning, Alfred Gasser,     LBH Landenberghaus                Gemeindeverwaltung Greifensee
    Hans Gerber, Helga Grein,           LGG Landberg Gesellschaft
    Herbert Grein, Hilde Hoell,                Greifensee                 Gestaltung
    Jutta Huber, Peter Ingold,          MSUG Musikschule                  typodoro.ch
    Annemarie Kohler, Alfred Kunz,             Uster Greifensee           Paul Ruoff
    Nanny Ribi, Cristina Rudolph,       MZO Mehrzweckraum Ocht
    Walter Rüedlinger, Elsbeth Suter,   NaG Nachrichten aus Greifensee    Druck
    Franziska Wenzinger                 ZiH    Zentrum im Hof             Druckerei Studer AG, Horgen
Freizeit – freie Zeit?                                                                3

Inhaltsverzeichnis

Vorwort                   Vorwort des Gemeindepräsidenten                          5
                          Bilderserie «Individuelle Freizeitgestaltung»            6

Freizeit – freie Zeit?

Zeitreise                 Freizeit im Wandel                                       8
                          Vereinsliste                                            16

Musse                     Macht Freizeit frei?                                    18
                          Szenen am See                                           20
                          Freizeit und Hund                                       24
                          Freizeitort Breiti                                      28

Zeichnungen               Eine fünfte Klasse denkt über ihre freie Zeit nach      30

Engagement                Freiwilligenarbeit – Evelyne Presa                      34
                          Freie Zeit für Gemeindepolitik, Naturschutz und Sport   38

Gemeinschaft              Der Cevi Greifensee                                     42

Gemeindehaus              Sanierung und Umbau                                     46

Chronik                   Chronik von September 2011 bis August 2013              49
                          In memoriam                                             81
                          Greifensee in Zahlen                                    88
                          Unsere Erstklässler                                     90
Freizeit – freie Zeit?                                                                                   5

Vorwort

                          Freizeit in Greifensee                     Unser Dorf birgt aber noch ganz
                                                                  andere Schätze, die es zu entdecken
                             Freizeit? Freie Zeit? Von A wie      gilt. So kann ein Engagement in
                          Ausflugsziele über P wie Paintball-     einem Verein, verbunden mit vielen
                          Arena bis Z wie Zauberwerkstatt?        sozialen Kontakten und dem Gefühl,
                          Ist freie Zeit etwas, das man einfach   in der Gemeinschaft eingebunden zu
                          mit etwas anderem, etwas Fremd-         sein und gebraucht zu werden, unge-
                          bestimmtem, ausfüllt? Oder wäre         mein bereichernd sein. Probieren Sie
                          es allenfalls erstrebenswert, unser     doch einfach aus, ob das für Sie auch
                          Zeitbewusstsein hin zum Versuch,        stimmig sein könnte.
                          in der Gegenwart zu leben, zu ent-         Wenn freie Zeit und körperliche
                          wickeln? Manchmal – und das soll        Aktivitäten verbunden werden sol-
                          nicht belehrend wirken, weil es mir     len – bitte schön. Mit dem Zürcher
                          auch zur Genüge widerfährt – tun        Oberland gleich vor der Haustüre
                          wir aber einfach alles, um nicht        lassen sich beliebig viele Sportarten
                          selber aktiv werden zu müssen. Wir      inmitten einer intakten Landschaft
                          konsumieren gerade in unserer Frei-     ausüben. Geniessen wir sie also, un-
                          zeit passiv und riskieren dabei, das    sere freie Zeit!
                          Bereichernde der Eigeninitiative zu
                          übersehen!                                    Beat Brand, Gemeindepräsident
                             Dabei bekommen wir die Gelegen-
                          heiten für eine aktive, selbstbe-
                          stimmte Freizeitgestaltung praktisch
                          auf dem Tablett serviert. Gönnen wir
                          uns doch zum Beispiel Musse (heute
                          heisst das «chillen») am See. Verbun-
                          den mit angenehmer Anstrengung
                          lässt sich dieser auch ganz leicht
                          umwandern. Wem das zu wenig kon-
                          templativ ist, versucht es via Schiff
                          auf dem Wasser.
6   Freizeit – freie Zeit?         Jahrbuch Greifensee – 2012/2013

    Bilderserie
    «Individuelle Freizeitgestaltung»

                                Freizeit hat viele Gesichter. Mal
                             fliegt Freizeit einem zu, wird einem
                             im unscheinbarsten Moment bewusst,
                             etwa im fröhlichen Gespräch mit
                             der Tochter am Esszimmertisch. Ein
                             anderes Mal ist Freizeit mit einem
                             festgelegten Einsatz verbunden, zum
                             Beispiel als Stimmenzählerinnen
                             am Abstimmungssonntag im Gemein-
                             dehaus oder als Ministrantinnen im
                             Gottesdienst in der Limi.
                                Freizeit kennt viele Orte, auch in
                             Greifensee. In grossformatigen Fotos
                             haben wir einige im Jahreslauf fest-
                             gehalten und präsentieren sie ohne
                             weitere Worte auf blauem Wellen-
                             grund zwischen den Textbeiträgen.
                             Am Anfang dieser Bildersammlung
                             stand ein Aufruf in den NaG, Frei-
                             zeitfotos abzugeben, die Augenblicke
                             freier Zeit in Greifensee festhalten.
                                Freizeit ist mit Engagement ver-
                             bunden. Neben der Schreibarbeit
                             der Autoren stehen hinter diesem
                             Jahrbuch viele Stunden Freizeitarbeit
                             der Redaktion und der Chronistinnen
                             der AG OG, der Arbeitsgruppe für
                             Ortsgeschichte. Sie geniessen ihre
                             Freizeit einmal im Jahr auf einem
                             gemeinsamen Ausflug.

                                               Franziska Wenzinger
8                 Zeitreise                                                                             Jahrbuch Greifensee – 2012/2013

                            Freizeit im Wandel

                              Wie verbrachten früher die          zwei Knaben, kamen alle zuhause          Städtlibewohnerin habe sich darüber
                            Kinder in Greifensee die Freizeit?    mit der Unterstützung einer Heb-         immer sehr gefreut, so dass sie allen
                            Gab es für sie überhaupt Freizeit,    amme auf die Welt. Bei der Familie       Kindern eine Wurst spendierte. Die
                            als jede Kinderhand bei den mehr-     wohnte auch eine Tante, die als          Familie hatte auch ein Ruderboot,
                            heitlich Bauernfamilien in unse-      Bürolistin tätig war. Da es noch kei-    und weil sie so nahe am See wohn-
                            rem Dorf fürs Mitarbeiten gefragt     nen Kindergarten                                            ten, lernten die
                            war? Ja, es gab Freizeit für die      gab, besuchte Aga-                                          Kinder schon
                                                                                            «
Elsbeth Suter
seit 32 Jahren mit          Kinder, und es gibt sie noch heute.   the ab sechs Jah-                                           früh schwimmen.
                                                                                               Bereits mit fünf Jahren
                                                                                                                      »
der Familie wohnhaft        Sicher ist, dass sich die Freizeit-   ren die 8-Klassen-                                          An den Aben-
in Greifensee, 13 Jahre
                            beschäftigungen nur teilweise wan-    schule im heutigen         konnte ich schwimmen             den sassen die
NaG-Redaktorin, aktiv
in der Trachtengruppe,      delten. Wir haben acht Personen       KGH. Weil diese                                             Kinder oft bei
im Bücherkaffee und im      befragt, die im Abstand von zwölf     Klasse sehr gross                                           den Nachbarn
Turnen für jedermann.       Jahren zur Welt gekommen und in       war, musste sie ab dem 5. Schuljahr      draussen auf der Bank und sangen
                            Greifensee aufgewachsen sind. Bei     mit weiteren Kindern das Türmli-         zu ihrer Freude viele Lieder. Die
                            einigen Interviews kommen auch        schulhaus in Nänikon besuchen.           Kinder mussten auch in Mutters
                            die Geschwister zu Wort.              «Das war jeweils ein halbstündiger       Gemüsegarten mithelfen. Ausser-
                                                                  Schulweg, und mittags musste man         dem halfen sie den Nachbarn beim
                            Agathe Zürni-Hertrich *1920,          zu Fuss nach Hause gehen, um zu          Heuen, bei der Kartoffel- und Obst-
                            geboren an der Dorfstrasse 23. Ihre   essen, und nach einer Viertelstunde      ernte sowie beim Rübenputzen. Das
                            Mutter führte den Dorfladen, worauf   wieder zur Schule abmarschieren.»        taten sie umso lieber, weil sie später
Cristina Rudolph            das Salzmonopol war, ihr Vater arbei- Danach gab es Hausaufgaben zu erle- Räben für den Räbeliechtliumzug
lebt seit 15 Jahren         tete bei der Bahn sowie gleichzeitig  digen. Schon als Kleinkind besuchte bekamen. Im Winter waren Gesell-
zusammen mit ihrem
                            als gelernter Korbmacher.             sie die Sonntagsschule und ab der        schaftsspiele wie Halma, Eile mit
Lebenspartner in Greifen-
see. Interessiert sich        Agathe ist in                       4. Klasse die Kinderlehre. Ihr Vater     Weile, Mühle und Schach angesagt
in ihrer Freizeit           einem 10-köpfi-                       beglückte seine Kinder mit einem         sowie ein Dichter-Quartett, bei dem
für Geschichte und          gen Haushalt als                      selbst angefertigten Trottinett, einem sie einiges über die bekanntesten
Genealogie, Mitglied        zweitjüngstes                         Stall mit Holzkühen, Puppenwagen,        Dichter mitbekommen hätten, und
der AG OG.                  Kind aufgewach-                       Puppenstuben und Schlitten.              zu Weihnachten bekam immer eines
                            sen. Die Kinder,                         Der 1. August war für die Kinder      der Kinder ein neues Spiel. Weitere
                            geboren zwischen                      ein besonderer Tag. Sie übten Lieder Freizeitbeschäftigungen waren Eis-
                            1906–1921, fünf                       ein, die sie auf der Treppe des Schul- laufen auf dem See, in Holzzubern
                            Mädchen und                           hauses gemeinsam vortrugen. Eine         den Bach hinunterfahren, Ballspiele
Zeitreise                                                                                                                  9

 auf der Dorfstrasse sowie Murmel-                                                 den älteren Schwestern ins Wasser
 spiele.                                                                           nachsprang, obwohl sie noch nicht
   War eitel Freude in der Jugendzeit?                                             schwimmen konnte, was sie aber
 Belastend waren für Frau Zürni das                                                bald darauf erlernte. Sie spielten mit
 «Lismen» und − als Linkshänderin –                                                den Puppen und hatten ein Puppen-
 das strikte Schreiben mit der rechten                                             haus, und waren auch mit den ande-
 Hand. Als Agathe Zürni zehn Jahre                                                 ren Kindern, die im Städtli wohnten,
 alt war, starb ihre Mutter. Ihr Vater                                             zusammen, u. a. mit Max Homberger
 und ihre älteste, bereits berufstätige                                            (dem Bruder des Vaters von Gret
 Schwester mussten sehr darum           2                                          Bachmann und Ursula Beyeler). An
 kämpfen, dass die Familie nicht                                                   den Sonntagen machten sie beide
 auseinandergerissen und die Kinder       Marianne Tobler-Jucker *1932             mit den jüngsten Hertrich-Töchtern
 fremdplatziert wurden. Eine weitere      und Hanna Jucker *1930, sind             (Agathe Zürni und Dora Kagerbauer)
 Schwester, damals 18-jährig, küm-        mit ihren Eltern, der Vater war ein-     – sie waren 10 Jahre älter – Kreis-
 merte sich danach um Haushalt und        ziger Dorflehrer, im ersten Stock des    spiele, und die beiden seien immer
 Kinder, obwohl sie hätte Kranken-        Städtlischulhauses aufgewachsen.         sehr nett zu ihnen gewesen.
 schwester werden wollen.                 Drei weitere Töchter, geb. 1924, 25        Am Mittwoch kam Mutters Schwes-
                                          und 29 gehörten zur Familie. In ihrer    ter, sie war Klavierlehrerin in Zürich.
                                          Jugendzeit gab es in der 6-Klassen-      Die vier älteren Kinder konnten bei
                                          schule nur ca. 15 Kinder; Hanna war      ihr Klavierspielen lernen. Hanna
                                          die einzige ihres Jahrgangs und bei      hätte Geigenspielen bevorzugt und
                                          Marianne waren es zwei, sie und un-      holte dies später am Seminar nach.
                                          ser späterer Gemeindepräsident Kurt        Am 1. August gab es jeweils ein
                                          Müller.                                  Feuer am See. Die Kinder sammelten
                                            Der Alltag war ausgefüllt mit Schul-   dafür Holz im Wald und bei den Bau-
                                          besuch, Aufgaben erledigen und           ern. Das Holz wurde hinter dem jetzi-
                                          der Mutter behilflich sein, die noch     gen LBH in einem kleinen Unterstand
1                                         Schulhausabwartin und Organistin         zwischengelagert und kurz vor dem
                                          war. Das bedeutete unter anderem         Festtag von den grösseren Buben zu
     Agathe Zürni absolvierte nach der das Sonntagsessen kochen, im gros-          einem Haufen aufgeschichtet. Einmal
  Schulzeit eine kaufmännische Lehre, sen Garten jäten und Hühner und              war der Holzstoss einen Tag früher
  arbeitete im Beruf, heiratete später    Kaninchen versorgen. Doch blieb          angezündet worden, so dass die
  und lebte in Zürich. Vor zehn Jahren noch reichlich Zeit, am Bachbord            grossen Burschen am Festtag Brenn-
  ist sie an die Burstwiesenstrasse 31    − das Bächli bei der Garnhänki lag       material betteln gehen mussten. Die
  zurückgekehrt. Hier wird sie von        nicht so tief unten wie heute − zu       Bauern hätten so «Verbarme» gehabt,
  einer ihrer Nichten und einem Neffen spielen oder Holzschiffchen fahren          dass sie ihnen sehr viel Holz gaben.
  im Alltag und mit Fahrdiensten un-      zu lassen. Marianne sass gerne am        Das Feuer war danach grösser als alle
  terstützt.                              Bachbord und bestaunte, was sich         früheren.
                                          im Wasser regte. Verbotenerweise           In den Sommerferien durften die
     Am 8. Juli 2013 ist Frau Agathe      sprangen sie durch den Garten beim       Mädchen in Vaters Elternhaus im
  Zürni-Hertrich im 94. Altersjahr fried- Meisterhaus. Die Mutter hatte zeit-
  lich eingeschlafen.                     weise auch ein Dienstmädchen, das
                                                                                   1   Agathe Zürni mit ihrer Schwester.
                                          Hanna als kleines Mädchen einmal
                                          aus dem Wasser rettete, weil sie         2   v.l. Marianne und Hanna Jucker.
10    Zeitreise                                                                                    Jahrbuch Greifensee – 2012/2013

                                                sie tief traurig war, verwendete sich       gab es keine Unterhaltungsanlässe.
                                                ihre ältere Schwester für sie. Nachher      Auf den Tanz gehen kam nicht in
                                                war noch Schule. Der Lehrer-Vater las       Frage; die Mutter war Pfarrerstoch-
                                                den Kindern eine schöne Geschichte          ter. Marianne und Hanna konnten
                                                vor und beschenkte alle Kinder mit          von der Mittelschule aus zu günsti-
                                                einem Silvesterbüchlein mit Geschich-       gem Preis das Schauspielhaus und
                                                ten und Kinderversen.                       Konzerte in Zürich besuchen. Hanna
     1                                             Mit einer anderen Frau zusammen          bildete sich zur Primarlehrerin aus
                                                erteilte die Mutter Sonntagsschule.         und arbeitete in Uster. Marianne
       Tösstal bei Verwandten die Ferien        Hanna und Marianne erinnern sich            musste ihr Talent zur Kindergärtne-
       verbringen. Hanna erlernte dort das      noch, wie schön die beiden erzählen         rin erst entdecken, weil sie diesen
       Melken und brachte auch einmal die konnten. Die Mutter war viele Jahre               Beruf nicht kannte. Sie unterrichtete
       Milch, in einer Kanne am Rücken          Präsidentin des Frauenvereins und           viele Jahre und war zwischenzeitlich
       angehängt, in die Milchhütte.            inszenierte u. a. jährlich eine Thea-       als freischaffende Webereikünstle-
         Während ihrer Kindheit von             teraufführung für die alten Leute,          rin tätig. Ihre Wandbehänge waren
       1939–1945 war der 2. Weltkrieg. Sie bei welcher ihre Töchter mitspielen              begehrt. Sie lebte lange ausserhalb
       hätten deshalb oft ein beklemmendes durften.                                         der Gemeinde und kehrte erst 1995
       Gefühl gehabt. Weil ihr Vater Vize-         Da der Vater Ornithologe war,            zurück.
       kommandant in der Ortswehr war,          brachten die Leute verletzte Vögel,
       mussten die Kinder für ihn Mittei-       die von der Familie gefüttert und
       lungszettel verteilen. Einmal brannte gesund gepflegt wurden. Im Herbst
       bei einem Botengang über Hanna           mussten die Mädchen auf Vaters
       ein Jagdbomber. Sie hatte furchtbare Anweisung auf einer Leiter zu den                                    Willi Graf
       Angst und rannte unter einen Baum. Nistkästchen hochsteigen und diese                                     *1944,
       Der Bomber stürzte dann in den See. putzen. Dabei nahmen sie sich sehr                                    wuchs mit seinen
         Im Winter konnten sie auf dem Eis in acht, dass sie von den Nestern                                     drei jüngeren
       nahe beim Ufer                                                 keine Flöhe abbe-                          Brüdern im

                                «
       Schlittschuhlaufen.                                            kamen. Pro Nach-                           heutigen Haus
       Es gab auch einen            Am Mittwochnachmittag             mittag Mithilfe                            Graf an der Dorf-
       Räbeliechtliumzug,                                             erhielten sie     2                        strasse 16 auf.
                             erteilte uns die Schwester unserer
                                                            »
       den die Kinder sel-                                            einen Franken.                             Schon sein Vater
       ber organisierten.         Mutter Klavierunterricht            Den durften sie       und der Grossvater seines Grossva-
                                                              
       Ein paar Tage vor                                              am Ustermärt          ters stammten aus Greifensee. Davor
       dem Schulsilvester,                                            ausgeben. Um          wohnte die Familie im heutigen Haus
       er war immer am letzten Schultag         Geld zu sparen, begaben sich die            Schneebeli mitten im Städtli. Sie hat-
       vor Weihnachten, besorgten sich die      Kinder (sie durften alleine gehen) zu       ten 7 Kühe, 2 Säuli, 10 Hühner und
       Kinder bei den Bauern Kuhglocken.        Fuss nach Uster und kauften dort zu-        bestimmt auch einen Hahn. Sein Va-
       Damit wanderten sie durchs Städtli.      erst das Zugbillett für die Heimreise.      ter war Bauer und Baumwärter. Als
       Der letzte, der sich vor dem Umzug       Dann hätten sie etwas «gekrömlet»,          Baumwärter pflegte und wartete
       beim Schulhaus einfand, wurde aus-       d. h. etwas Süsses und etwas Kleines
       gelacht, in ein Wägelchen gesetzt und zum Spielen gekauft; für eine Wurst
       zu seiner Schande durchs Städtchen       reichte das Geld nicht.                     1   v.l. Marianne Tobler-Jucker und
                                                                                                Hanna Jucker.
       gezogen. Als Hanna als kleines Mäd-         Nach der Konfirmation endlich
       chen einmal diese Schmach traf und       freier Ausgang? Ausser den Chilbis          2   Willi Graf.
Zeitreise                                                                                                                  11

er die vielen Obstbäume in Greifen-       man wollte, durfte Nägel einschla-       in Regensdorf und bei Zellweger
see und Umgebung. Zu Most wurden gen, auch wenn es Mittagszeit oder                Textilmaschinenbau in Uster.
früher mehrheitlich Mostbirnen            spät abends war, und am See wurden         Da Willi und seine Frau Vreni
verarbeitet, Äpfel wurden nur un-         sogar Pfahlbauhütten nachgebaut.         keine Wohnung in Greifensee fan-
schöne und vom Baum gefallene             Heute undenkbar!                         den, wohnten sie von 1970–1976
beigemischt.                                 In den beiden Wohnungen im heu-       in Gossau ZH. Während dieser Zeit
  Nach der Schule half Willi Graf         tigen Gemeindehaus wohnten der           arbeitete er bei Mettler in Stäfa. Als
den Eltern, im Sommer etwa beim           Gemeindepräsident sowie der Gehilfe      das Elternhaus zu drei Wohnungen
Heuen und im Winter beim Holzen,          der Chemischen Fabrik. Diese lag         ausgebaut wurde, kehrte er glücklich
um «Bürdeli oder Schitli» zu machen. am See etwa bei der Bootshabe. Es             nach Greifensee zurück und arbeitete
Ein Bürdeli musste 80 cm lang sein,       wurden schwarze und braune Schuh-        hier bis zur Pensionierung als Elekt-
ein Schitli 25 cm.                                            wichse sowie         roniklaborant bei Mettler-Toledo.
Taschengeld ver-                                              Schuhfett herge-       Er war Betriebssanitäter, ver-
diente man sich
                            «   Freizeit hatte man
                                                              stellt. Der Besit-   brachte seine Freizeit lange Jahre

                                              »
mit dem Fangen                                                zer hiess Kunz       im Samariterverein Uster, später
von Mäusen, Els-                 auch damals                  und stammte aus      Greifensee, sowie in der Feuerwehr
tern und Krähen.                                              Nänikon, wohin       Greifensee. Auch heute ist er sehr
Dafür bekam man                                               er seine Fabrik      aktiv, unternimmt Seniorengruppen-
dann je nach Tierart und Alter des        später auch verlegte. Seine Tochter      ausflüge und hilft die Wochenmarkt-
Tieres zwischen 20 Rappen und             half im Betrieb tatkräftig mit.          Stände aufstellen.
zwei Franken, viel Geld für die da-          In Greifensee gab es einen Jugend-      Meistens geniesst Willi Graf seine
malige Zeit. Abgeben musste man           treff. Dieser organisierte Ausflüge,     Freizeit im wunderschönen Blumen-,
den Fang beim Abdecker, der für           Diskussionsrunden, Vorträge, und         Beeren- und Gemüsegarten am Rand
die Beseitigung von toten Tieren          einmal veranlasste Gemeinderat           des Städtlis. Ihm wird es nicht lang-
zuständig war.                            Ernst Homberger eine Schilfpflege,       weilig, da es im Haus immer etwas
  Willi Graf besuchte die Mehrklas-       damit das Schilf besser wuchs. Ge-       zu reparieren oder erneuern gibt. Er
senschule im Städtli - das Schulhaus schnitten wurde es im Winter, und             freut sich, dass er vieles selbst ma-
war das heutige KGH. Der Turnun-          daraus wurden Schilfmatten herge-        chen darf und kann, und hofft, dass
terricht fand in Nänikon statt, aber      stellt.                                  es so bleibt.
auch dort gab es keine Turnhalle.            Das nächste Kino lag in Uster. Ab
Meist ging es in den Hardwald. Dabei und zu fuhr man mit dem Zug oder
besuchte man immer wieder den             mit einem Älteren mit Fahrprüfung
Franzosengraben – einen ca. 60 Me-        nach Zürich zum Tanz.
ter langen und 1 Meter tiefen Graben,        Die Lehre machte Willi Graf als       Geschwister Homberger:
dem nachgesagt wurde, dass sich da- Kleinmechaniker in der Maschi-                 Ursi Beyeler *1956 und
rin die Franzosen gegen die Russen        nenfabrik Oerlikon. Zur Arbeit und       Gret Bachmann *1953
während der napoleonischen Besat-         zurück fuhr er jeweils mit seinem          Wenn die beiden Schwestern an
zung im August 1799 verschanzt            Fahrrad. Er erinnert sich noch gut,      ihre Jugend zurückdenken, geraten
hatten. In die erste und zweite Sek       dass er nur 2 Wochen lang eine           sie ins Schwärmen: «Wir hatten eine
durfte man nach Nänikon. Die Ober-        6-Tage-Woche hatte (jeden 2. Sams-       unbeschwerte, schöne Jugend. Wir
stufenschüler sowie die Drittsekler       tag musste gearbeitet werden). Am        wuchsen im 1948 von unseren El-
mussten nach Uster.                       1. Mai 1960 wurde dann die 5-Tage-       tern erbauten Haus an der heutigen
  Freizeit hatte man auch damals:         Woche in seinem Betrieb eingeführt.      Sandbüelstrasse 31 auf. Die meiste
Man konnte Baumhütten bauen, wo           Später arbeitete er bei Studer Revox     Zeit verbrachten wir aber am, im
12   Zeitreise                                                                                 Jahrbuch Greifensee – 2012/2013

     oder auf dem See, oft zusammen mit zwischen See und Hombergerhaus,
     unserem Vater beim Rudern, Fischen dem Wohnhaus ihrer Grosseltern,
     oder Segeln. Wir waren auch viel im aufgestellt wurde.
     nahe gelegenen Wald, bauten Hütten            Ende der Fünfzigerjahre eröffne-
     oder spielten ‹Indianerlis› oder ‹Ver- ten die Eltern neben dem Kiosk die
     steckis›. In und mit                                              Bootsvermietung
     der Natur leben –                                                 und betrieben
     so durften wir auf-
                           «  Wir hatten eine unbeschwerte, Handel mit Se-
                                                     »
     wachsen.»                                                         gelbooten. «Als
       Natürlich hiess                schöne Jugend                    Kinder haben      1
     es auch zu Hause                                                  wir immer viel
     helfen; sei es im                                                 ‹glupft›: Geträn-   warteten jeweils alle darauf, bis der
     grossen Gemüsegarten, bei der Haus- keharasse für den Kiosk oder Boote                zugefrorene See zum Betreten freige-
     arbeit oder dann in der hauseigenen beim Ein- und Auswassern.» Der                    geben werden konnte. Dies gehörte
     Glacé-Zubereitung für den Kiosk am Kiosk wurde später auf die Seeseite                u. a. zu den Aufgaben des Vaters Ernst
     See. Dieser Kiosk war zuerst ein hell- des LBH verlegt, dorthin, wo es                als Polizeivorsteher im Gemeinderat
     blauer kleiner Wohnwagen, welcher heute das Städtlicafé gibt. Im Winter (1958–1974). Zu Hause hatte er eine
                                                                                           Werkstatt, wo er nicht nur Boote
                                                                                           baute und reparierte, sondern auch
                                                                                           die Schlittschuhe der Kundschaft für
                                                                                           eine vergnügliche Fahrt auf dem Grei-
                                                                                           fensee schliff. Die Eltern sind 1985
                                                                                           resp. 2004 verstorben.
                                                                                              Margrit, kurz «Gret» genannt, zeigt
                                                                                           ein Foto der Seegfrörni 1963 mit der
                                                                                           1.–3. Klasse (total 18 Kinder) von
                                                                                           Frau Stutz. «Wir wurden damals alle
                                                                                           drei Klassen in einem Klassenzimmer
                                                                                           unterrichtet. Die 4.–6. Klasse ging zu
                                                                                           Herrn Natter. Ich hatte eine schöne
                                                                                           Schulzeit und denke gerne an meine
                                                                                           Lehrer zurück.»
                                                                                              «Völkerball spielten wir nicht nur
                                                                                           im Fach Turnen, sondern auch in der
                                                                                           Pause und in der Freizeit. Auf dem
                                                                                           Pausenplatz gab es als einzige Attrak-
                                                                                           tion eine hohe Turnstange. Turnho-
                                                                                           sen, wie man sie heute kennt, gab es
     Hintere Reihe, von links: Hans Peter Schneider, Thomas Matusik, Ursula Schiess        damals nicht. Unsere Mutter nähte
     Mittlere Reihe, von links: Gerda Stöckli, Hermann Steiner, Doris Klingler,            uns kurze, blaue Baumwollstoffhosen
     Helen Müller, Maya Künzli, Ursula Bachmann, Erwin Bachmann
     Vordere Reihe, von links: Roland Pahud, Roland Wolfensberger, Hugo Kagerbauer,
     Gret Homberger, Walter Meier, Andreas Rudin, Max Bandle, Manuel Zimmermann         1   Die Geschwister Ursi und Gret
     und unsere Lehrerin Frau Stutz                                                         Homberger.
Zeitreise                                                                                                                  13

                                          Kinder Claudia und Thomas zur Welt. sass er manchmal zwei Stunden lang
                                          Beide sind inzwischen erwachsen, le- vor dem Haus und schaute mit Inte-
                                          ben aber immer noch in Greifensee.      resse den spielenden Kindern zu. Im
                                            Heute malt Ursi aus Leidenschaft      Winter las er sehr viele Bücher. Er
                                          und gibt Malkurse. Ihre Schwester       verschlang sämtliche Kinderkrimis
                                          Gret ist seit Ende 2009 ihre Nachba- der Bibliothek, ebenso die damals
                                          rin. Nach 36 Jahren auswärts zog sie bekannten Kinderfernsehsendun-
                                          zusammen mit ihrem Mann ins Haus gen. An den Sonntagen besuchte die
                                          ein, welches die Eltern 1984 am Ha-     ganze Familie den Gottesdienst. Sein
1                                         senweg 2A erbaut hatten. Auch Emil Vater, beruflich in der Firmen- und
                                          und Gret schätzen die hohe Lebens-      Personalberatung tätig, war viele
  mit Gummizügen in der Taille und        qualität in Greifensee und geniessen Jahre Pfarreiratspräsident. Seine
  an den Beinen. Diese sahen aus wie      ihren Ruhestand im eigenen Garten, Mutter, gelernte Handarbeitslehre-
  ‹Pumphosen› und waren nicht sonder- auf Wanderungen in der näheren oder rin, erteilte während ihrer Tätigkeit
  lich beliebt.»                          weiteren Umgebung oder bei einem        als Familienfrau Religionsunterricht
     Auch die Sonntagskleider nähte       Konzert im LBH.                         und Nähkurse – heute sind ihre
  und strickte die Mutter oft selber:                                             wunderschönen Lederarbeiten ein
  «glismeti Schüpli und wyssi Strumpf-                                            Begriff. Das Engagement der Eltern
  hose». Wenn man grösser wurde,                                                  für die katholische Kirche und die
  wurden einfach entsprechend viele                                               Verbundenheit mit deren Mitgliedern
  Reihen «draglismet». So wuchsen die                          Daniel Beck        war für die ganze Familie sehr berei-
  Kleider mit den Kindern.                                     *1968              chernd. So war Daniel auch eine Zeit-
     «In der Kindheit war die Milchhütte                         Mit seinen El-   lang jeden Freitag im «Jugendkaffee»
  unser erster Treffpunkt», erinnert                           tern und der jün- anzutreffen, in dessen Organisation
  sich Ursula, von allen «Ursi» gerufen.                       geren Schwester er mithalf.
  «Wir gingen gerne jeden Abend mit                            zog Daniel 1972      Ein grosser Anziehungspunkt
  unseren ‹Milchkesseli› los, um un-                           ins Pfisterhölzli, für Daniel war das Jugendhaus: Mit
  sere Gspänli in der Hütte zu treffen. 2                      später kam noch einem Kollegen besuchte er jeden
  Später trafen wir Jugendlichen uns                           ein Bruder dazu. Samstag das Jugi, um dort mit Kolle-
  in der Limi, welche einige Jahre als    Daniel besuchte den dortigen Kinder- gen zu reden, auszuspannen, nichts
  Jugendhaus diente. Für Teenager fan- garten, danach das                                               zu tun; «chillen»
  den die Treffen dann im Jugendhaus Schulhaus Breiti                                                   würde dies heute
  Uster statt.                            und zuletzt die
                                                                 «  Jeden Samstag besuchte ich
                                                                                                        genannt.

                                                                                           »
     Mit 18 Jahren ging Ursi nach         Oberstufenschule                                                Daniel absol-
  Zürich, wo sie Telefonistin (PTT /      Wüeri. In seinem               das Jugendhaus                 vierte an einer
  Fernamt) lernte. Wegen der unregel- Jahrgang besuch-                                                  Handelsschule
  mässigen Arbeitszeiten wohnte sie       ten ca. 60–80 Kin-                                            eine kaufmänni-
  in einer möblierten Unterkunft in       der die Schule. Er erinnert sich, dass sche Ausbildung und war danach ein
  Zürich-Seefeld. Später wechselte sie    es im Wüeri zwei Sekundar- und zwei Jahr im Welschland tätig. Seit 1990
  ins Hotelfach (Réceptionistin, Chef de Realklassen gab.
  Service) und kehrte nach zehn Jahren      In der Freizeit war er sehr gerne
  zusammen mit ihrem Mann Ruedi ins draussen mit anderen Kindern zu-              1 Die Geschwister Homberger: v.l. Ursi
                                                                                      Beyeler und Gret Bachmann heute.
  elterliche Wohnhaus nach Greifensee sammen. Weil er dort nur mit Hilfe
  zurück. Hier kamen auch die beiden von Gehstöcken herumgehen konnte, 2 Daniel Beck.
14    Zeitreise                                                                               Jahrbuch Greifensee – 2012/2013

      arbeitet er im Warenlogistiksupport   15 Jahren musste er leider das Fuss- aufrecht. Immer in den Frühlingsfe-
      beim Migros-Genossenschaftsbund in    ballspiel aufgeben, denn sein schnel- rien reisten sie in das grüne Land in
      Zürich. Er wohnt in einem sehr schön  les Wachstum erforderte Knieopera- Ostafrika, wo der Nil entspringt. «Es
      eingerichteten 2½-Zimmer-Apparte-     tionen. Danach traf er sich mit Kol-       gibt dort die höheren Berge als in der
      ment im ZiH. Daniel ist sehr am Ge-   legen zum Basketballspiel auf dem          Schweiz sowie viel Wasser und man-
      schehen in Greifensee interessiert    roten Platz. In sei-                                           che Seen.»
      und hat früher während fast zehn      nem Jahrgang gab                                                  Nach der Schul-
      Jahren als freier Mitarbeiter bei den es vier Schulklas-
                                                                           « Ich spielte in jeder          zeit absolvierte

                                                                                                  »
      NaG mitgewirkt. «Diese Tätigkeit war  sen, sodass immer                                              er eine kaufmän-
      sehr abwechslungsreich und hat mir    Spielkollegen da             freien Minute Fussball            nische Lehre und
      viel zurückgegeben.»                  waren. Im Sommer                                               lebte danach in
                                            waren «Räuber und                                              Zürich, wo er eine
                                            Poli» beliebt, und im Winter schätzte Zusatzausbildung für chinesische
                                            er das Schlitteln. Er erinnert sich        Medizin abschloss.
                                            auch an die sehr schöne Beziehung             «Wie lebt es sich in Uganda,
                                            mit der Wohnungsnachbarfamilie.            und wie sind die Leute dort?» Diese
                                               Sidneys Mutter führte über viele        Fragen bewegten ihn so sehr, dass
                                            Jahre das Strandbad in Küsnacht. An er mit 24 Jahren nach Uganda aus-
                                            den Mittwochnachmittagen, am Wo- wanderte. Er lernte die Sprache
                                            chenende und in den Ferien halfen          «Luganda», denn Englisch ist dort
                                            die Söhne dort mit: Boden wischen,         nur erste Fremdsprache. Sidney blieb
                                            Tische säubern, Abfall aufnehmen           8 Jahre in Kampala und gründete
                                            und vieles mehr. Das sei eine super        eine Familie. Mit seiner Frau und
                                            Zeit gewesen. Manchmal fiel sehr viel den beiden Söhnen, 6 Jahre alt und
                                            Arbeit an, aber danach gab es auch         halbjährig, kam er letztes Jahr nach
                                            reichlich Zeit, um zu schwimmen            Greifensee zurück. Grund für die
                                            und Fussball zu spielen. In der Frei-      Rückkehr war die bevorstehende
                                            zeit besuchten sie oft die Grosseltern Einschulung des älteren Sohns, denn
                                            mütterlicherseits am Bodensee.             «das Leben und der Verkehr sind in
                                               Im Alter von 13 Jahren bereiste         Uganda teilweise sehr chaotisch.»
     1                                      Sidney mit seiner Familie erstmals         Das Schul- und Freizeitangebot findet
                                                                  Uganda, das          Sidney in der Schweiz ebenfalls bes-
       Sidney Kavuma *1980                                        Heimatland sei-      ser. Auch müsse man sich in Uganda
         Sidneys Eltern zogen 1982 in der                         nes Vaters. Weil mit Mauern umgeben, wenn Geld da
       Müllerwis 5 ein, wo er zusammen                            dort zuvor Krieg sei; oder mit dem Auto irgendwohin
       mit dem zwei Jahre älteren Bruder                          herrschte und        fahren, wenn das Kind Velo fahren
       aufwuchs. Bereits im Kindergarten-                         die Lage instabil oder Fussball spielen möchte. In der
       alter wurde sein Fussballtalent ent-                       war, hatten sie      Schweiz hat sich die Familie gut ein-
       deckt, er durfte in der Mannschaft                         seine Verwandt- gelebt. Der Sohn gewann letztes Jahr
       seines Bruders trainieren und Mat- 2                       schaft nicht
       ches spielen. Zuerst war er Stürmer                        früher besuchen
       und danach Mittelfeldspieler. Es     können. Mit 14 Jahren verlor Sidney
       gab zwei Trainings wöchentlich und seinen Vater. Die Mutter behielt mit         1 Sidney Kavuma in seiner Jugend und...
       am Wochenende Wettkämpfe. Mit        den Söhnen den Kontakt zu Uganda           2 ...heute.
Zeitreise                                                                                                                       15

  bereits den schnellsten Greifenseer        Während meiner Primarschulzeit             Karten oder fahren mit dem Zug nach
  in seinem Jahrgang und pflegt so         verbrachte ich die meisten freien            Zürich in den Ausgang.
  die Familientradition weiter: Sidney     Stunden beim Unihockeyspielen                   Wenn ich irgendwann ausziehen
  und sein Bruder Charly standen frü-      mit meinen Kollegen, nicht nur im            werde, dann möchte ich in Greifensee
  her über mehrere Jahre hinweg am         Sommer, sondern auch im Winter.              bleiben, denn es hat einen See, ich
  schnellsten Greifenseer zuoberst auf     Bei Schnee räumten wir einfach das           bin schnell in Zürich, es ist ein länd-
  dem Podest, worauf sie beide immer       Spielfeld frei. Die Eishockeyspieler         liches Dorf, wo man sich kennt – es
  sehr stolz waren.                        waren unsere grossen Vorbilder,              ist einfach gemütlich hier, mit viel
                                           denen wir nachzueifern versuchten.           Natur und Lebensqualität – der per-
                                             Später spielten meine Kollegen             fekte Ort, um zu leben!»
                                           und ich Fussball auf dem ‹roten
                                           Platz› in der Breiti, trafen uns beim
                                           Baum hinter der Schule, wo das Re-
                                           servoir ist, und freuten uns über die
                                           nicht verbauten Wiesen mit freier
                                           Sicht auf den See. Im Sommer gingen
                                           wir oft in den See baden; entweder in
                                           der Seebadi oder in der Garnhänki.
                                           Auch bei den Wölfli und später in der
1                                          Pfadi traf ich mich regelmässig mit
                                           meinen Freunden.
  David Bachmann *1992                       Während der Mittelstufe ging ich
    «Diesen Sommer sind es genau           jeden Mittwochnachmittag in die
  20 Jahre, seit ich als Einjähriger       Jugi. Dies ist eine ‹Männerriege für
  zusammen mit meinen Eltern von           Kinder›. Dort spielten wir Unihockey,
  Uster nach Greifensee gezogen bin.       Fussball und andere Plausch-Sport-
  Zuerst wohnten wir in der Seilerwis. arten.
  Von dort habe ich schöne Kindheits-        Ich machte eine Lehre als Elekt-
  erinnerungen, denn es hatte einen        roinstallateur, welche ich erfolg-
  tollen Spielplatz, wo ich meine ganze reich abgeschlossen habe. Physik            2
  Freizeit zusammen mit den vielen         interessierte mich sehr und mein
  Nachbarkindern verbringen konnte.        Vater, dessen Beruf Elektroingenieur         Sandro Conrad *2004
  Ich ‹tschuttete› gerne, schaukelte auf ist, war mein grosses Vorbild. Mit               An der Meierwis 27 begrüssen
  der ‹Gireizi› und                                              meiner Mutter,         mich Sandro und sein Vater Renato.
  kletterte auf den                                              Primarlehrerin in      Der noch etwas scheue Junge erzählt,
  Spielgeräten he-
                        «   Greifensee – der perfekte Ort,
                                                                 Uster, verbindet       dass er im Spital Uster geboren sei

                                                 »
  rum, sodass meine                                              mich auch mein         und seither in Greifensee zusammen
  Mutter oft meine                  um zu leben                  grosses Interesse      mit seinen Eltern und seinem 2 Jahre
  Hosen flicken                                                  für die (Familien-)    älteren Bruder Marco wohne.
  musste.                                                        Geschichte.
    Seit 1999 wohne ich mit meinen           Mir fällt auf, dass ich seit der Lehr-
  Eltern Peter und Andrea und mit          zeit mehr Freizeit drinnen verbringe         1   David Bachmann, rund 15 Jahre liegen
  meiner 2 Jahre jüngeren Schwester        als früher. Oft treffen wir uns bei              zwischen den beiden Fotos.
  Annina im Rietpark 28.                   einem Kollegen zu Hause und spielen          2   Sandro Conrad.
16    Zeitreise                                                                                         Jahrbuch Greifensee – 2012/2013

                              «Zuoberst auf           Sandros Lieblingsbeschäftigung        in die Jugi kann, dann ist das ganz
                            der Freizeitliste      ist das Kochen, und ja, Koch wolle er schlimm für mich! Meine Eltern
                            steht Trampolin        werden. «Und nicht nur Nudeln kann hätten mich gerne als Kunstturner
                            hüpfen», und           ich kochen, sondern auch Gemüse!»        gesehen, ich habe aber Angst, mich zu
                            gleich will Sandro     Nur zu dumm, dass                                            verletzten, und sie

                                                                                 «
                            einen Salto auf        er sich beim Rüs-                                            akzeptieren das.»
                            dem Trampolin          ten immer mal wie-            Und nicht nur Nudeln             Die Eltern Re-
     1                      im Garten zeigen.      der in den Finger                                            nato und Barbara
                                                                                   kann ich kochen,
                                                                                                             »
                            Nur das aufkom-        schneidet. «Aber                                             Conrad freuen sich
       mende Gewitter hält ihn davon ab.           das gehört dazu»,            sondern  auch Gemüse            über die sportli-
       «…dann kommen Fussball spielen,             meint er und sucht                                           chen Tätigkeiten
       mit dem Velo um den See fahren oder         im Fotoalbum nach                                            ihrer Kinder, bei
       ‹Versteckis mit Aschloo›, aber die          dem passenden Foto.                      welchen sie wenn möglich mitma-
       Rollerblades benutze ich kaum mehr.»           Mein Interesse für die Haustiere      chen, sei es beim Skifahren, Velofah-
       Dafür nimmt er wie sein Bruder am           lässt Sandro vollends auftauen. Er       ren oder beim Geräteturnen, wo Bar-
       Silvesterlauf in Zürich teil – in ver-      führt mit dem 17-jährigen Kater          bara eine Mädchengruppe leitet.
       schiedenen Kategorien natürlich! Im         Rocky gleich Kunststücke vor. Die          Da beide Eltern Teilzeit arbeiten
       Winter steht das Skifahren für die          Katze Blitzi, 13-jährig, ist derweil     können – Barbara im Büro am Bahn-
       ganze Familie an erster Stelle. Stolz       wohl auf Mäusefang.                      hof und Renato als Hausabwart in
       zeigt Sandro sein Zimmer und die               «In die Jugi gehe ich auch sehr       den Häusern der Umgebung – bleibt
       vielen Medaillen aus Wettkämpfen in         gerne, jeden Mittwochabend! In der       den Vieren viel Zeit, die Freizeit ge-
       verschiedenen Sportarten. Der Bruder        Turnhalle treffen wir uns und spielen meinsam zu verbringen.
       betont, dass auch er so viele Medail-       oder bereiten uns auf den Weit- und
       len habe.                                   Hochsprung vor. Wenn ich mal nicht 1 Sandro Conrad als Schüler heute.

         Unsere Vereinsliste gemäss www.greifensee.ch
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         national · claro Weltladen · Dorfmusig Gryfesee · Elterngruppe Gryfechind · ElternmitWirkung · FC Müllerwis · Feuerwehrverein ·
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Freizeit im Wandel   17
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