Die Polis im Wandel EHRENDEKRETE FÜR EIGENE BÜRGER IM KONTEXT DER HELLENISTISCHEN POLISGESELLSCHAFT - Vandenhoeck & Ruprecht

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Die Polis im Wandel EHRENDEKRETE FÜR EIGENE BÜRGER IM KONTEXT DER HELLENISTISCHEN POLISGESELLSCHAFT - Vandenhoeck & Ruprecht
Florian Rudolf Forster

Die Polis im Wandel
EHRENDEKRETE FÜR EIGENE BÜRGER
IM KONTEXT DER HELLENISTISCHEN
POLISGESELLSCHAFT

Die hellenistische Polis als Lebensform
Florian Rudolf Forster: Die Polis im Wandel

  © 2018 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
ISBN Print: 9783946317180 — ISBN E-Book: 9783946317197
Florian Rudolf Forster: Die Polis im Wandel

Die hellenistische Polis als Lebensform
Herausgegeben von Martin Zimmermann

Band 9

               © 2018 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
             ISBN Print: 9783946317180 — ISBN E-Book: 9783946317197
Florian Rudolf Forster: Die Polis im Wandel

Florian Rudolf Forster

Die Polis im Wandel
Ehrendekrete für eigene Bürger im Kontext
der hellenistischen Polisgesellschaft

Vandenhoeck & Ruprecht

              © 2018 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
            ISBN Print: 9783946317180 — ISBN E-Book: 9783946317197
Florian Rudolf Forster: Die Polis im Wandel

Gedruckt mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf, und des
Forschungszentrums Historische Geisteswissenschaften der Johann Wolfgang
Goethe-Universität Frankfurt am Main aus Mitteln des ProPostDoc-Programms.

                                                          FORSCHUNGSZENTRUM
                                                          HISTORISCHE GEISTESWISSENSCHAFTEN
                                                          FRANKFURT HUMANITIES
                                                          RESEARCH CENTRE

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© 2018, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich
geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen
bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Umschlagabbildungen Vorderseite: Modelle von Knidos mit freundlicher Genehmigung von
H. Bankel, V. Hinz und S. Franz. Rückseite: Athen, Akropolis. Basis eines Weihgeschenks
des Hegelochos. Zeichnung von A. Brauchle und Z. Spyranti mit freundlicher Genehmigung.
(Hauptmotiv spiegelverkehrt verwendet; alle Abbildungen in Band 1 dieser Reihe, Stadtbilder im
Hellenismus, S. 114, 115 und 226).

Satz: SchwabScantechnik, Göttingen
Umschlaggestaltung: disegno visuelle kommunikation, Wuppertal

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

ISBN 978-3-946317-19-7

                        © 2018 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
                      ISBN Print: 9783946317180 — ISBN E-Book: 9783946317197
Florian Rudolf Forster: Die Polis im Wandel

              Für Nicola und Emilia

  © 2018 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
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Florian Rudolf Forster: Die Polis im Wandel

                                                           Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    11

1. Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung . . . . . . . . . . . . . 15
   1.1 Das Phänomen des Euergetismus und die Frage nach dem Einfluss
       der Honoratioren in den hellenistischen Städten . . . . . . . . . . . . . . . . 16
   1.2 Die Ehrendekrete der hellenistischen Städte für eigene Bürger . . . .  31
   1.3 ψήφισμα, δόγμα, γνώμη – Ehrendekrete als Volksbeschlüsse . . . . . . .  36
   1.4 Die chronologische Verteilung der Ehrendekrete . . . . . . . . . . . . . . .  45

2. Ehrendekrete als Mittel zur Verbreitung von politischen Ideologien – 
   Das Fallbeispiel Athen im frühen Hellenismus . . . . . . . . . . . . . . . . . .  51
   2.1 Erste Kämpfe um Freiheit und Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  55
   2.2 δημοκρατία, ἐλευθερία, αὐτονομία – Die Polis Athen in den Jahren
        zwischen 287–262 v. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  65
   2.3 Makedonische Fremdherrschaft und erneute Freiheitsbestrebungen . 76
   2.4 Ehrendekrete als Träger von politischen Ideologien . . . . . . . . . . . . . 85
   2.5 Ph. Gauthier und das Problem der «megistai timai» . . . . . . . . . . . . . .  91

3. Nicht ausschließlich ein athenisches Phänomen –
   Frühhellenistische ­Ehrendekrete aus Priene und Erythrai . . . . . . . . 97
   3.1 Festungskommandanten und Kriegshelden –
       Die frühhellenistischen Ehrendekrete aus Priene . . . . . . . . . . . . . . . 97
   3.2 Bewährung in der Krise – Die Polis Erythrai im frühen
       3. Jhdt. v. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
   3.3 Die frühhellenistischen Ehrendekrete aus Priene und Erythrai . . . . 129

4. Weitere Fallbeispiele aus dem Frühhellenismus –
   Die Inseln der Ägäis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  131
   4.1 Idealbilder und individuelle Leistungen – Die Ehrendekrete
        von der Insel Samos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  132
   4.2 Arkesine, Minoa, Aigiale – Drei unabhängige Kleinstädte
        auf der Insel Amorgos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  144
   4.3 Synoikismos und Sympolitie – Die Insel Kos als Ausnahmefall . . .  157
   4.4 Ehrendekrete für eigene Bürger auf den Inseln im Ägäisraum . . . . 182
   4.5 Ein erstes Zwischenfazit – Die ideologische Ausrichtung
        ­frühhellenistischer Ehrendekrete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

                              © 2018 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
                            ISBN Print: 9783946317180 — ISBN E-Book: 9783946317197
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8                                                     Inhalt

5. Ehrendekrete im Kontext von Gymnasion und Gymnasiarchie . . . . 189
   5.1 Individuelle Leistungen und allgemeine Bürgertugenden –
       Die Gymnasiarchen der Polis Eretria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
   5.2 Zwei ideale Bürger – Diodoros aus Ephesos und Melanion
       aus Iasos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
   5.3 Die Ehrendekrete für Gymnasiarchen aus Pergamon –
       Ein Ausnahmefall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
   5.4 Der Bedeutungswandel der Gymnasiarchie im 1. Jhdt. v. Chr. . . . . . 224
   5.5 Bürgerideal und Selbstdarstellung – Ehrendekrete im Kontext
       von Gymnasion und Gymnasiarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226

6. Noch einmal Pergamon – Die Ehrendekrete für Menodoros und
   Diodoros Pasparos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
   6.1 Demokratie und gute Beziehungen nach Rom –
       Das Ehrendekret für Menodoros . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
   6.2 Diodoros Pasparos – Der neue König von Pergamon . . . . . . . . . . .  233
   6.3 Ehrendekrete für eigene Bürger aus der Polis Pergamon . . . . . . . . .  243

7. Die Römer kommen nach Kleinasien – Ehrendekrete im
   direkten Zusammenhang mit dem Krieg gegen Aristonikos . . . . . . .                                        247
   7.1 Politische Verdienste und diplomatische Erfolge . . . . . . . . . . . . . . .                          248
   7.2 Militärische Erfolge während der Kämpfe gegen Aristonikos . . . . .                                    256
   7.3 Römerfreunde als ideale Bürger – Ehrendekrete für eigene
        Bürger als Loyalitätsbekundungen gegenüber Rom . . . . . . . . . . . . .                              265

8. Kolophon, Priene, Sestos – Ehrendekrete als Beispiele für die
   Verwirklichung eines idealen Lebens im Dienst der Polis . . . . . . . . .  269
   8.1 Zwei ideale Bürger – Die Lebenswerkdekrete für Menippos und
         Polemaios aus Kolophon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
   8.2 Die späthellenistischen Ehrendekrete von der Nordhalle der
        Agora in Priene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
   8.3 Bewährung in der Krise – Das Ehrendekret für den zweimaligen
        ­Gymnasiarchen Menas aus Sestos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  315
   8.4 Lebenswerkdekrete im Kontext des gesellschaftlichen Wandels
         im Späthellenismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  323

9. Eine Randregion der griechischen Welt – Ehrendekrete für eigene
   Bürger aus den griechischen Städten am Schwarzen Meer . . . . . . . .                                      327
   9.1 Versorgungskrisen und außenpolitische Konflikte –
        Die Ehrendekrete der Polis Histria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                327
   9.2 Die Ehrendekrete der Polis Olbia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                 345
   9.3 Im Konflikt mit der indigenen Bevölkerung – Die Ehrendekrete
        der griechischen Städte an der Schwarzmeerküste . . . . . . . . . . . . . .                           353

                           © 2018 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
                         ISBN Print: 9783946317180 — ISBN E-Book: 9783946317197
Florian Rudolf Forster: Die Polis im Wandel

                                                           Inhalt                                                           9

10. Großzügige Priesterinnen und reiche Bauherrinnen –
    Ehrendekrete für wohltätige Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                            357
    10.1 Weibliches Engagement im Kontext von Religion und Kult . . . . . .                                               358
    10.2 Reiche Frauen als großzügige Baustifterinnen –
         Die Ehrenmonumente für Epie aus Thasos und Archippe aus Kyme .                                                   369
    10.3 Ehrendekrete für engagierte Bürgerinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                377

11. Ehrendekrete für eigene Bürger in der römischen Kaiserzeit . . . . . .                                                381
    11.1 Eine Stadt im Wandel – Die Ehrendekrete aus der Polis Akraiphia
         vom späten Hellenismus bis zur frühen Kaiserzeit . . . . . . . . . . . . . .                                     384
    11.2 Feste und Baustiftungen – Zwei Ehrendekrete aus der Polis Kyme .                                                 391
    11.3 Die Polisgesellschaft am Beginn der Kaiserzeit
         im Spiegel der Ehrendekrete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                      398

12. Die literarische Qualität der Ehrendekrete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                405
    12.1 ἔπαινος, ἐγκώμιον, μακαρισμός/εὐδαιμονισμός – Ehrendekrete als
           Lobreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .         409
    12.2 Die literarische Gestaltung von Ehrendekreten – Einzelne
          Fallbeispiele aus verschiedenen Regionen der hellenistischen Welt .                                             421
    12.3 Ehrendekrete und Biographie – Biographische Elemente in
          ­Ehrendekreten mit ausführlichen Lebensbeschreibungen . . . . . . . .                                           441
    12.4 Hellenistische Ehrendekrete im Spannungsfeld von Rhetorik,
          Biographie und Geschichtsschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                             457

13. Ehrendekrete für eigene Bürger im Kontext der hellenistischen
    ­Polisgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  461

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    485
  1. Geographische Inschriftenliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                     485
  2. Konkordanz Inschriftensammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                               529
  3. SEG-Konkordanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                 530

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  533

Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    559
  1. Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .          559
  2. Griechische Begriffe und Wendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                             570
  3. Gottheiten/Heroen/Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                           574
  4. Geographisches Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                    582
  5. Begriffe und Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                585

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                            ISBN Print: 9783946317180 — ISBN E-Book: 9783946317197
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                                         Vorwort

Die vorliegende Studie ist die überarbeitete Fassung meiner im Wintersemester
2015/2016 an der Fakultät für Geschichts- und Kunstwissenschaften der Ludwig-
Maximilians-Universität München angenommenen Dissertationsschrift. Ermöglicht
hat meine intensive Arbeit an der Monographie – gänzlich frei von finanziellen Sor-
gen – ein Promotionsstipendium der Gerda Henkel Stiftung. Vor allem zu danken ist
insbesondere aber den zahlreichen Personen, die meine Arbeit in ihrer Entstehung
auf verschiedenste Weisen begleitet haben, sowohl für Kritik und fachlichen Aus-
tausch als auch für Zuspruch und persönliche Unterstützung.
     Prof. Dr. Christof Schuler, Erster Direktor der Kommission für Alte Geschichte
und Epigraphik des Deutschen Archäologischen Instituts, hat bereits während mei-
nes Studiums mein Interesse an griechischer Epigraphik im Allgemeinen und den
hellenistischen Ehrendekreten im Besonderen geweckt und meine Dissertation, die
aus der Beschäftigung mit diesen Thematiken angeregt worden ist, stets mit großem
Interesse betreut. Zahlreiche lange Gespräche, für die sich auch in seinem vollen
Terminkalender immer Platz finden ließ, und ein stets bereichernder fachlicher Aus-
tausch haben mir geholfen, meinen eigenen Zugang zu den Inschriften zu finden
und meine Ideen auf neuen Pfaden weiterzuentwickeln. Die Kommission hat mir
zudem für die Arbeit an meiner Dissertation stets einen Arbeitsplatz und – noch
viel wichtiger – unbegrenzten Zugang zur hervorragend ausgestatteten Instituts-
bibliothek zur Verfügung gestellt und ist mir darüber hinaus durch das anregende
wissenschaftliche Umfeld auch eine geistige Heimat geworden. Allen Kollegen,
Mitarbeitern, Doktoranden und Stipendiaten sei für ihre Unterstützung und viel-
fache anregende Gespräche gedankt. Prof. Dr. Michael Wörrle, dem an dieser Stelle
besonderer Dank gebührt, hat sich die Zeit für die kritische Lektüre einzelner Kapi-
tel genommen und das Entstehen der Arbeit daneben auch in mehreren langen und
intensiven Diskussionen begleitet.
     Prof. Dr. Martin Zimmermann hat als Inhaber des Lehrstuhls für Alte Geschichte
an der Ludwig-Maximilians-Universität München das Zweitgutachten übernommen
und die Arbeit auch darüber hinaus schon in ihrem Entstehen stets mit wichti-
gen Hinweisen bereichert. Als Herausgeber der Reihe «Die hellenistische Polis als
Lebensform» ist ihm nunmehr auch für die freundliche Aufnahme meiner Arbeit in
seine Schriftenreihe zu danken. Prof. Dr. Jens-Uwe Krause hat freundlicherweise das
Drittgutachten übernommen und mich durch seine kritische Art des Fragens stets
dazu veranlasst, eigene Positionen zu überdenken und noch einmal aus anderen Per-
spektiven zu beleuchten. Prof. Dr. Martin Hose hat die Arbeit aus philologischem
Blickwinkel stets mit Interesse verfolgt und der Disputation als Nebenfachprüfer
beigewohnt. Ihnen allen sei für Ihre Unterstützung auf das Herzlichste gedankt.

                    © 2018 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
                  ISBN Print: 9783946317180 — ISBN E-Book: 9783946317197
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12                                        Vorwort

     Der Lehrstuhl für Alte Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität Mün-
chen hat mir darüber hinaus durch seine Forschungsschwerpunkte – insbesondere das
DFG-Projekt 1209 «Die hellenistische Polis als Lebensform» – ein sehr anregendes
und in vieler Hinsicht bereicherndes Umfeld für meine Studien geboten. Für Förde-
rung und Unterstützung bereits während des Studiums sowie einen lebhaften fach-
lichen Diskurs in einer stets regen Arbeitsatmosphäre sei allen Mitarbeitern und Dok-
toranden herzlich gedankt. Profitiert haben meine Studien daneben auch durch den
interdisziplinären Austausch in den Doktorandenseminaren des Münchner Zentrums
für Antike Welten unter der Leitung jährlich wechselnder Gastprofessoren. Zu danken
ist für seine anregenden Beiträge zu meinen Studien insbesondere Prof. Dr. Hans-­
Joachim Gehrke. Dr. Alexander Free hat die mühevolle Aufgabe auf sich genommen,
das Manuskript im Ganzen Korrektur zu lesen, und ist mir über die gemeinsamen
Jahre des Promovierens zugleich ein guter Freund geworden.
     Große Bereicherung durch neue Perspektiven hat die Studie daneben auch durch
einen mehrmonatigen Aufenthalt am Institut Ausonius der Université Bordeaux Mon-
taigne im Rahmen des Erasmus-Programms erfahren. Besonderer Dank gebührt an
erster Stelle Prof. Dr. Pierre Fröhlich für die herzliche Aufnahme in Bordeaux sowie
für zahlreiche kritische Diskussionen meiner Thesen. Die Institutsbibliothek Robert
Étienne hat mir während meines Aufenthalts auch über die regulären Öffnungszeiten
hinaus ideale Arbeitsbedingungen ermöglicht und war zugleich der soziale Treffpunkt
des Instituts. Besonders zu danken ist daneben aber insbesondere allen Doktoranden
und Masterstudenten für das herzliche Willkommen sowohl in einem zunächst frem-
den Institut als auch in einer zu Anfang noch fremden Stadt, so dass mein Aufenthalt
nicht nur in fachlicher Hinsicht schnell zu einer großen Bereicherung geworden ist.
     Zum Druck vorbereiten konnte ich meine Monographie an der Abteilung für
Alte Geschichte am Historischen Seminar der Johann Wolfgang Goethe-Universität
Frankfurt am Main, der ich seit dem Sommersemester 2016 als Akademischer Rat
auf Zeit angehöre. Dass ich dabei neben den vielfältigen Aufgaben am Lehrstuhl
stets auch die nötige Zeit und Ruhe zur Überarbeitung des Manuskripts gefunden
habe, verdanke ich Prof. Dr. Frank Bernstein, der mir daneben auch in allen ande-
ren Fragen der Publikation durch seine Umsicht ein wertvoller und stets hilfreicher
Ratgeber geworden ist. Den Kollegen an der Abteilung für Alte Geschichte möchte
ich für die sehr herzliche Aufnahme am Institut sowie die große Unterstützung in
der Phase der Drucklegung danken.
     Den Mitarbeitern des Verlags Vandenhoeck & Ruprecht – insbesondere Mat-
thias Ansorge, Julia Beenken und Kai Pätzke – ist für die hervorragende redaktio-
nelle Betreuung der Monographie sowie die stets freundliche und vertrauensvolle
Zusammenarbeit zu danken. Wichtige Impulse für die Vorbereitung zur Drucklegung
hat zudem Dr. Martina Trampedach beigesteuert. Ermöglicht wurde der Druck der
Monographie jedoch erst durch die erneute Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung
in Form einer beträchtlichen Druckkostenbeihilfe. Für die äußerst großzügige För-

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Florian Rudolf Forster: Die Polis im Wandel

                                          Vorwort                                          13

derung in jeder Phase meines Projekts sei der Stiftung an dieser Stelle noch einmal
ausdrücklich gedankt. Zu danken habe ich daneben auch dem Forschungszentrum
Historische Geisteswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frank-
furt am Main für einen ebenfalls großzügigen Druckkostenzuschuss aus den Mitteln
des ProPostDoc-Programms.
    Besonderen Dank für ihre Unterstützung über die langen Jahre des Studiums und
der Promotion verdienen meine Eltern und meine Familie. Meine Eltern haben mein
Studium stets mit Interesse begleitet und gefördert und mir dabei die Freiheit ermög-
licht, meinen eigenen Weg zu finden und zu gehen. Insbesondere danken möchte
ich meiner Ehefrau Nicola für ihr Verständnis in schwierigen Phasen des Arbeitens
sowie für ihre Geduld in manch langem Gespräch über meine Ehrendekrete. Ohne
ihre Unterstützung hätte ich diese Arbeit nicht schreiben können. Unser Leben
bereichert seit zwei Jahren auch unsere Tochter Emilia Sophie und sorgt dabei stets
auch für die wohltuende Ablenkung in intensiven Phasen des Arbeitens. Ihnen bei-
den sei dieses Buch gewidmet.

Frankfurt am Main, den 03.05.2018                                      Florian Rudolf Forster

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Florian Rudolf Forster: Die Polis im Wandel

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Florian Rudolf Forster: Die Polis im Wandel

          1. Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung

In den Jahren um 130 v. Chr. publizierte die Polis Priene einen Beschluss des Rates
zu Ehren des Athenopolis.1 Der von einem gewissen Lykinos verfasste Motivbericht
bot folgende Begründung für die beantragten Anerkennungen (8–24):

    (8) Λυκῖνος Λυκίνου ε.ἶπε[ν· ἐπειδὴ Ἀ]|θηνόπολις Κυδίμου ἀνὴρ καλὸς [καὶ ἀγαθὸς
    ὑ]πάρχω[ν] | καὶ ἄξιος τῆς τῶν προγόνων ἀρε[τῆς πρό]τερόν τε φιλά|γαθον ἑαυτὸν
    παρεχόμενος ἐμ πᾶ[σιν ἔ]λαβεν παρὰ τοῦ | (12) δήμου τιμάς, πολλὰ καὶ χρήσιμα τ[ῆι
    πόλ]ει συνκατασκευ|άσας διὰ τὴν αὑτοῦ ­καλοκἀγαθ[ία]ν., καὶ μετὰ ταῦτα μέ|νων ἐπὶ
    τῆς αὐτῆς προθέσεως οὐδ[ενὸ]ς ἀφίσταται τῶν τῶι | δήμωι συμφερόντων, καὶ λέγων κ[αὶ
    πρ]άσσων τὰ ἄριστα οὐ|(16)δεμιᾶς λειπόμενος φιλαγαθίας, ἄξι[ον ἑα]υτὸν παρεχόμενος
    | τῶν προδεδομένων αὐτῶι τιμῶν. [καὶ ο]ὐκ ἐπιλανθανόμε|νος τῶν προειρημένων, πολὺ
    δὲ μᾶλλο.[ν συ]ντηρῶν τὴν πρὸς | τοὺς πολίτας εὔνοιαν, νομίζων το[ῦτο α]ὑτῶι μέγιστον
    ὑπάρ|(20)χειν τὸ τὴν πρὸς τοὺς συν.α.ναστρ[ε]φ.ο.[μέν]ους ἐκτένειαν συν|τηρεῖν, ὅθεν ἐν
    οὐθενὶ λειπομένου α.[ὐτο]ῦ., προσεπαύξοντος | δὲ τὴν κατὰ τὸ κάλλιστον προθυ[μίαν,]
    (vac.) καθῆκον δέ ἐστιν | καὶ ἄξιον τῆς τοῦ ἀνδρὸς φ[ιλαγαθίας] ταύτης τυχεῖν τῆς |
    (24) τιμῆς Ἀ.θ.[η]νόπο[λιν πάσ]η.ς., [δεδόχ]θαι τῆι βουλῆι·

    Lykinos, Sohn des Lykinos, hat den Antrag gestellt: weil Athenopolis, Sohn des
    Kydimos, der von Anfang an ein ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός gewesen ist und sich bei
    allem erwiesen hat würdig der Tugend der Vorfahren und bereits früher das Gute
    liebend, vom Volk Ehrungen erhalten hat, weil er bei vielem und nützlichem für
    die Stadt mitwirkte durch seine καλοκἀγαθία, und weil er danach, indem er bei
    seinen Vorsätzen bleibt, nichts unterlässt von den Dingen, die dem Volk nutzen,
    wobei er das Beste sowohl sagt als auch tut, keine φιλαγαθία auslässt, sich würdig
    erweist der ihm früher zuerkannten Ehrungen, die Vorsätze nicht vergisst, son-
    dern vielmehr das Wohlwollen gegenüber den Bürgern bewahrt, glaubt, dass ihm
    dies am meisten zukommt, nämlich den Eifer gegenüber seinen Mitmenschen
    zu bewahren, weshalb er bei nichts übertroffen wird, sondern sein Streben nach
    dem Schönsten noch vermehren wird, und weil es angemessen und würdig ist
    dieser φιλαγαθία des Mannes, dass Athenopolis alle folgenden Ehrungen erhält,
    soll der Rat beschließen: (…)

Die Beschlussvorlage verzichtete auf jegliche Bezüge zu konkreten Leistungen des
Athenopolis. Stattdessen bot Lykinos gleichsam eine theoretische Abhandlung über

1   I. Priene 107 = I. Priene2 63.

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16                  Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung

den idealen Lebensweg eines Polisbürgers. Als ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός stellte Atheno­
polis sein ganzes Leben in den Dienst der Polis und versuchte sein niemals nach-
lassendes Engagement für die Bürgergemeinschaft bei jeder sich bietenden Gelegen-
heit noch zu steigern.2 Mit dem vollständigen Verzicht auf konkrete Bezüge zum
Leben der ausgezeichneten Person war der Beschluss aus Priene eine Ausnahme-
erscheinung unter den hellenistischen Ehrendekreten für eigene Bürger. Dennoch
lenkt gerade die außergewöhnliche Form des Antrags den Blick auf grundlegende
Fragen zu Sinn und Zweck der entsprechenden Inschriften. Welche Ziele verfolgte
die Polis mit der Publikation eines Ehrendekrets? Wer hatte Interesse an einem ent-
sprechenden Beschluss? Wen sollte die Inschrift erreichen? Was sagen die theoreti-
schen Abhandlungen über Zustand und Verfassung der Polis aus? In weiten Teilen
der althistorischen Forschung galten die Ehrendekrete für eigene Bürger lange Zeit
als allgemeines Phänomen des Hellenismus und wurden als Quelle für den bürger-
lichen Euergetismus ausgewertet. Die Funktion der Inschriften wurde in der Regel
auf eine zusätzliche Ehre für die ausgezeichneten Personen reduziert. Zumindest
für das Ehrendekret für Athenopolis scheinen solche Interpretationsansätze jedoch
eine ungenügende Erklärung zu bieten. Zur ehrenhaften Erinnerung an einzelne
Erfolge konnte die Inschrift nicht beitragen. Insbesondere in späteren Generationen
wird die Erinnerung an die konkreten Verdienste allmählich verblasst sein. Welche
persönlichen Interessen konnte der ausgezeichnete Bürger also an der allgemeinen
Tugenddarstellung haben? Welche anderen Institutionen verfolgten mit der Auf-
zeichnung des Beschlusses möglicherweise Eigeninteressen? Für eine Vertiefung der
angerissenen Fragen müssen zunächst die bisherigen Forschungen zu Euergetismus
und Ehrendekreten in der hellenistischen Zeit betrachtet werden.

     1.1 Das Phänomen des Euergetismus und die Frage nach dem Einfluss
                der Honoratioren in den hellenistischen Städten

Bereits Aristoteles beschrieb in einem Abschnitt der wohl bereits vor 347 v. Chr. ent-
standenen Schrift über die Rhetorik den Zusammenhang zwischen Ehre und wohl-
tätigen Handlungen.3 Neben einem Katalog an möglichen Wohltaten bot der Absatz
auch einen Überblick über verschiedene Arten der Ehrung:4

2    Für eine ausführliche Analyse von Inhalt und Form s. u. S. 285–287. 432–434. Zum Kon-
     zept der καλοκἀγαθία in der literarischen Überlieferung der klassischen Zeit s. ausführlich
     Bourriot 1995.
3    Zur Datierung der Schrift s. ausführlich Rapp 2002a, 178–184.
4    Arist. Rh. 1361 a 27–b 2.

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                              Das Phänomen des Euergetismus                                  17

    τιμὴ δ᾽ ἐστὶν μὲν σημεῖον εὐεργετικῆς εὐδοξίας, τιμῶνται δὲ δικαίως μὲν καὶ μάλιστα
    οἱ εὐεργετηκότες, οὐ μὴν ἀλλὰ τιμᾶται καὶ ὁ δυνάμενος εὐεργετεῖν· εὐεργεσία δὲ ἢ εἰς
    σωτηρίαν καὶ ὅσα αἴτια τοῦ εἶναι, ἢ εἰς πλοῦτον, ἢ εἴς τι τῶν ἄλλων ἀγαθῶν, ὧν μὴ ῥᾳδία
    ἡ κτῆσις ἢ ὅλως ἢ ἐνταῦθα ἢ τότε· πολλοὶ γὰρ διὰ μικρὰ δοκοῦντα τιμῆς τυγχάνουσιν, ἀλλ᾽
    οἱ τόποι καὶ οἱ καιροὶ αἴτιοι. μέρη δὲ τιμῆς θυσίαι, μνῆμαι ἐν μέτροις καὶ ἄνευ μέτρων, γέρα,
    τεμένη, προεδρίαι, τάφοι, εἰκόνες, τροφαὶ δημόσιαι, τὰ βαρβαρικά, οἷον προσκυνήσεις καὶ
    ἐκστάσεις, δῶρα τὰ παρ᾽ ἑκάστοις τίμια. καὶ γὰρ τὸ δῶρόν ἐστι κτήματος δόσις καὶ τιμῆς
    σημεῖον, διὸ καὶ οἱ φιλοχρήματοι καὶ οἱ φιλότιμοι ἐφίενται αὐτῶν· ἀμφοτέροις γὰρ ἔχει ὧν
    δέονται· καὶ γὰρ κτῆμά ἐστιν οὗ ἐφίενται οἱ φιλοχρήματοι, καὶ τιμὴν ἔχει οὗ οἱ φιλότιμοι.

    Ehre ist ein Zeichen des guten Rufes als Wohltäter, geehrt werden demnach mit
    Recht und am meisten diejenigen, die durch ihre Taten Wohltäter sind, aber es
    wird freilich auch der geehrt, der in der Lage ist, Wohltaten zu erbringen. Eine
    Wohltat bezieht sich entweder auf Rettung und alle allgemeinen Ursachen des
    Seins, oder auf Reichtum, oder auf etwas von den anderen Gütern, von denen
    der Erwerb nicht leicht ist, entweder ganz oder an diesem Ort oder zu diesem
    Zeitpunkt. Viele erhalten nämlich Ehre für dem Anschein nach kleine Dinge,
    aber die Orte und die richtigen Augenblicke sind die Ursache. Formen der Ehre
    sind Opfer, Gedenkschriften in Versen oder ohne Versmaß, Ehrengeschenke,
    geweihte Bezirke, Ehrensitze, Begräbnisse, Bildnisse, öffentliche Speisung, die
    Barbarischen, wie Proskynese und ehrfürchtiges Ausweichen, Geschenke, die
    bei den jeweiligen Gemeinschaften geschätzt werden. Und das Geschenk ist
    nämlich ein Geben von Besitz und ein Zeichen von Ehre, weswegen sowohl
    die Besitzliebenden als auch die Ehrliebenden nach ihnen verlangen. Für beide
    hat es nämlich, was sie begehren. Denn es ist Besitzstück, nach dem die Besitz-
    liebenden verlangen, und es beinhaltet Ehre, nach der die Ehrliebenden verlangen.

Ehre war Zeichen für eine εὐεργετικὴ εὐδοξία.5 Ehrungen erfolgten demnach zumeist
als Gegenleistung für erbrachte Wohltaten. Entsprechende Anerkennungen konnten
allerdings auch für die prinzipielle Befähigung zu wohltätigem Handeln vergeben
werden.6 In der Regel gaben die jeweiligen Personen für die Zukunft aber sicherlich
auch berechtigten Anlass zur Hoffnung auf ein herausragendes Engagement. Die
entsprechenden Leistungen bezogen sich zumeist auf die Rettung von Leben oder
auf das öffentliche Wohlergehen im Allgemeinen. Wohltätiges Engagement konnte

5   Anstelle von εὐδοξίας findet sich in manchen Handschriften auch das Wort δόξης. Für
    den Inhalt ergeben sich jedoch keine nennenswerten Unterschiede. Die Textgestalt folgt
    der kritischen Ausgabe von Ross. Vgl. auch Rapp 2002b, 346. Rapp entscheidet sich für
    δόξης.
6   Zu vorweggenommenen Ehrungen vgl. Domingo Gygax 2006b, 15. S. ausführlich u.
    S. 24 f.

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18                Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung

jedoch ebenso über finanzielle Leistungen wie durch den Erwerb von schwer zu
beschaffenden Gütern erbracht werden. Entscheidend war bei entsprechenden Unter-
nehmungen zudem stets der richtige Zeitpunkt (καιρός).7 Die Gegenleistungen für
Wohltaten konnten sehr vielfältig ausfallen und reichten von kultischen Ehren wie
Opfern oder öffentlichen Begräbnissen über – aus Sicht des Griechen Aristoteles –
barbarische Ehrenbezeugungen wie Proskynese bis hin zu einfachen Geschenken,
der Aufstellung von Statuen und der öffentlichen Bekanntmachung der Ehrungen
in Versen oder in Prosa. Hinzukommen konnten Ehrensitze, öffentliche Speisung
sowie die Zueignung von Grundstücken. Entsprechende Auszeichnungen konnten
den Menschen sowohl unter materiellen Gesichtspunkten als auch im Hinblick auf
den ideellen Wert von Ehre Anreize zu euergetischem Engagement bieten.8
     Das von Aristoteles in der Mitte des 4. Jhdts. v. Chr. beschriebene Phänomen
breitete sich in den nachfolgenden Jahrhunderten in zahlreichen Städten der grie-
chischen Welt aus und überdauerte bis in die Kaiserzeit. Die Ursprünge der Ent-
wicklung lagen wohl bereits in den archaischen Gesellschaftsstrukturen begründet.9
Zur vollen Ausprägung gelangte das Phänomen nach Anfängen in der klassischen
Zeit allerdings erst in den hellenistischen Städten. Hauptquelle für diese besondere
Form des Austausches und der öffentlichen Kommunikation sind die in großen Zah-
len in den Städten aufgestellten Statuen und Inschriften. Unter den epigraphischen
Zeugnissen nehmen die von den Volksversammlungen beschlossenen und oft-
mals wortreichen Ehrendekrete eine besondere Stellung ein. Sowohl Bürger und
Fremde als auch hellenistische Könige und andere Monarchen erwarben sich auf
unterschiedlichste Weise Verdienste um Institutionen, Vereine, Städte, Gemeinden
oder ganze Regionen. Hauptbetätigungsfelder waren Politik und Krieg, finanzielle
oder materielle Leistungen sowie der Bau von öffentlichen Gebäuden. Als Gegen-
leistung für die Wohltaten erhielten die jeweiligen Personen öffentliche Ehrungen
wie einen goldenen Kranz, einen Ehrensitz bei Versammlungen und im Theater
oder das Recht auf öffentliche Speisung im Prytaneion oder vergleichbaren Ein-
richtungen. Zuweilen ließen die Städte auch Statuen oder Bildnisse der Wohltäter
aufstellen. Öffentliches Begräbnis und heroische Verehrung blieben Einzelfälle und
scheinen bis in den Späthellenismus Königen und Herrschern vorbehalten gewesen
zu sein.10 Fremde Wohltäter erhielten in der Regel den Status eines Proxenos oder
sogar das volle Bürgerrecht. Zusätzlich wurden die Ehrungen in den meisten Fäl-
len öffentlich bekanntgemacht und bisweilen auch dauerhaft durch Inschriften
festgehalten und erinnert. Die moderne Forschung hat für diese spezifische Form
des reziproken Austausches zwischen Gemeinden und Individuen den Begriff des

 7   Thériault 2007 Abs. 29. S. auch u. S. 49 f.
 8   Zum Konzept der φιλοτιμία im klassischen Athen s. auch Whitehead 1983.
 9   Domingo Gygax 2006a, 294.
10   Vgl. Bresson 2012, 216. Ma 2013, 7.

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                              Das Phänomen des Euergetismus                                19

­ uergetismus geprägt und im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit dem Phä-
E
nomen zwei Hauptrichtungen eingeschlagen, die im Folgenden jeweils in chrono-
logischer Reihenfolge skizziert werden sollen: Während sich eine Richtung vornehm-
lich dem Phänomen des Euergetismus sowie dessen gesellschaftlichen Grundlagen
widmete, stellte eine andere Richtung auf Basis der Beobachtungen die Frage nach
den Auswirkungen des Euergetismus auf die demokratische Verfasstheit der grie-
chischen Städte.
     Zum ersten Mal Verwendung fand der französische Begriff «évergetisme» bereits
im Jahr 1923 in einer Arbeit des Historikers A. Boulanger.11 Der Ausdruck war ein
Neologismus und leitete sich von dem griechischen Wort εὐεργέτης ab. Eingang in
die Forschungsdiskussion fand der Begriff allerdings erst ein halbes Jahrhundert
später durch die umfangreiche und vielbeachtete Monographie von P. Veyne mit
dem Titel «Le pain et le cirque» aus dem Jahr 1976.12 Gegenstand der Untersuchung,
die der Autor sowohl als «histoire sociologique» als auch als «sociologie histori-
que» verstanden wissen wollte, bildeten im Wesentlichen drei Personengruppen: die
Honoratioren aus einzelnen Städten, die römischen Senatoren und die römischen
Kaiser.13 P. Veyne unterschied zwei Arten des Euergetismus: einen freiwilligen Euer-
getismus («évergetisme libre») und einen «évergetisme ob honorem».14 Zudem musste
eine als Euergetismus zu bezeichnende Leistung stets der kollektiven Erwartung an
die Reichen entsprechen. Die jeweiligen Personen sollten in der Regel einen finan-
ziellen Beitrag zur allgemeinen Verwaltung sowie zu den öffentlichen Ausgaben
leisten.15 Im Einzelnen erstreckte sich das Engagement in den meisten Fällen auf
Baustiftungen oder die Veranstaltung von öffentlichen Vergnügungen wie Spie-
len, Festen oder Banketten. Prägendes Element in der Politik der Städte – gleich
ob es sich um eine frühhellenistische Polis oder eine römische Stadtgemeinde des
4. Jhdts. n. Chr. handelte – war für P. Veyne die Vormachtstellung eines «régime des
notables» («Honoratiorenregime»).16 Einen deutlichen Bruch sah der Autor hingegen
zur klassischen Zeit. Spätestens mit der Untersuchung von P. Veyne war das Phäno-
men des Euergetismus demnach mit der Frage nach dem politischen System der grie-
chischen Städte im Hellenismus verknüpft. Nicht zuletzt durch die Übersetzungen

11   Boulanger 1923, 25. Für einen allgemeinen Überblick zur Forschungsgeschichte s. jetzt
     Brélaz 2009. Vgl. auch Cramme 2001, 15–35. Domingo Gygax 2003, 181–183. Müller
     2011, 346–348.
12   Veyne 1976. Für eine Diskussion der Thesen s. Gauthier 1985, 7–10. Quaß 1993, 14 f.
     Brélaz 2009, 39 f.
13   Zur Unterscheidung zwischen «histoire sociologique» und «sociologie historique» s. Veyne
     1976, 11–13.
14   Ebd. 20 f. Veyne hielt die Unterscheidung jedoch selbst für oberflächlich. Beide Begriffe
     bezeichneten lediglich zwei Seiten desselben Phänomens.
15   Ebd. 20–29. Vgl. etwa auch Reitzenstein 2011, 93.
16   Zum «régime des notables» s. ausführlich Veyne 1976, 110–118.

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20                 Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung

ins Italienische, Deutsche und Englische erlangte die Arbeit in der Fachwelt große
Popularität. Die Thesen gaben in der Folgezeit jedoch immer wieder Anlass zu Kri-
tik.17 Insbesondere die Vorstellung von der ungebrochenen Kontinuität des politi-
schen Systems in den griechischen Städten von der Mitte des 4. Jhdts. v. Chr. bis
zum Ende des 4. Jhdts. n. Chr. stieß in der Forschung von vielen Seiten auf Wider-
spruch. Zumindest für die hellenistische Zeit ist die durchgängige Existenz eines
«Honoratiorenregimes» in Zweifel gezogen worden.18
     Eine kritische Auseinandersetzung mit den Thesen von P. Veyne unternahm etwa
Ph. Gauthier in seinem 1985 erschienenen Buch «Les cités grecques et leurs bienfai-
teurs».19 Die Arbeit schuf eine maßgebende Grundlage für jede Beschäftigung mit
dem Phänomen des Euergetismus in den hellenistischen Städten. Das erste Kapitel
befasste sich mit der Geschichte des Euergetismus. Einzelne Unterkapitel waren den
fremden Wohltätern, den Bürgern der Städte sowie den Königen gewidmet. Grund-
legende Voraussetzung für die Untersuchung war die auf L. Robert zurückgehende
Unterteilung der hellenistischen Zeit in eine «haute époque hellénistique» und eine
«basse époque hellénistique».20 Zwischen beiden Zeitabschnitten bestanden nach
Ph. Gauthier beträchtliche Unterschiede in der öffentlichen Wahrnehmung sowie
im Auftreten der Wohltäter.21 Im Verlauf des Hellenismus muss das Phänomen des
Euergetismus dementsprechend einem Wandel unterzogen gewesen sein. Erst im
späten Hellenismus gerieten die griechischen Städte allmählich in Abhängigkeit von
den Leistungen der bürgerlichen Euergeten und entwickelten sich zu «Honoratio-
renregimen». Einen deutlichen Bruch vom frühen Hellenismus zur spätklassischen
Zeit sah Ph. Gauthier im Gegensatz zu P. Veyne nicht.22 Bis zum 2. Jhdt. v. Chr.
unterschieden sich die herausragenden Bürger in den hellenistischen Städten kaum
von den «prostatai tou dèmou » der klassischen Zeit.23 Das zweite Kapitel untersuchte
im Detail die Leistungen von athenischen Bürgern sowie die anschließenden Ehrun-

17   Vgl. Domingo Gygax 2003, 181–183.
18   Ablehnend etwa Habicht 1995b, 87–92. Zu den Thesen von Habicht s. auch Gauthier
     2005a, 4. Hamon 2007, 82. 84. 89–91. 98. Vgl. Brélaz 2009, 43–49. Van der Vliet 2011,
     180–182. Mann 2012.
19   Gauthier 1985. Zu den zentralen Thesen der Arbeit s. auch Quaß 1993, 15 f. Kralli
     1999/2000, 138–141.
20   Gauthier 1985, 4. Zusammenfassend Gauthier 2005a, 1–3. Vgl. Brélaz 2009, 47. Zur
     Definition der «basse époque hellénistique» s. etwa Robert 1960, 325 f. Robert 1963, 481.
     Robert/Robert, BE 1978, 390. Zu den Veränderungen im späten Hellenismus s. auch
     Hamon 2007, 87–91. 99. Scholz 2008, 83–87. Van der Vliet 2011, 161. Kah 2015, 386 f.
21   Gauhier 1985, 66–75.
22   Zur Kritik an Veyne s. ebd. 7–10. Zur Kontinuität von der klassischen Zeit zum Hellenis-
     mus s. auch Hamon 2007, 81–83. Scholz 2008, 79. Kah 2015, 386 f.
23   Gauthier 1985, 69.

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                              Das Phänomen des Euergetismus                               21

gen durch die Polis.24 Den fremden Wohltätern und der Entwicklung der städtischen
Ehrungen war das dritte und zugleich letzte Kapitel gewidmet.
    Eine für das Phänomen des antiken Eurgetismus ebenso bedeutende – wenn
auch in der Forschung oftmals wenig beachtete – Untersuchung war die von F. Quaß
im Jahr 1993 vorgelegte Monographie «Die Honoratiorenschicht in den Städten des
griechischen Ostens».25 F. Quaß beschränkte sich nicht auf die hellenistische Zeit,
sondern versuchte stattdessen – ähnlich dem Ansatz von P. Veyne – auch die römi-
sche Kaiserzeit bis zur Spätantike in den Blick zu nehmen. Der umfassende Ansatz
war zugleich jedoch eine Schwäche der Arbeit. Auch F. Quaß sah eine weitgehend
ungebrochene Kontinuität im politischen System der griechischen Stadtstaaten. Seit
dem frühen Hellenismus hätten kleine Gruppen aus lokalen Honoratioren maß-
geblichen Einfluss auf die Geschicke der Städte genommen.26 Der Blick für Ent-
wicklungen, die Ph. Gauthier gerade für die hellenistische Zeit zu zeigen vermocht
hatte, ging in der Untersuchung weitgehend verloren. Die strikte Trennung zwischen
der «haute époque hellénistique» und der «basse époque hellénistique» wollte F. Quaß
insbesondere im Hinblick auf das politische System nur mit Einschränkungen gelten
lassen.27 Aus der teilweise berechtigten Kritik an der polarisierenden Darstellung von
Ph. Gauthier zog F. Quaß jedoch die falschen Schlüsse. So deuten die Kontinuitäten
in den Gesellschaftsstrukturen gerade nicht auf die Existenz eines «Honoratioren-
regimes» seit dem 3. Jhdt. v. Chr. Vielmehr scheinen die zu beobachtenden Konstan-
ten zumindest in einzelnen Regionen für einen Fortbestand des politischen Systems
der Polisdemokratien bis in den Späthellenismus zu sprechen. Die größte Leistung
der umfassenden und materialreichen Arbeit bleibt demgegenüber die ausführliche
analytische Darstellung zur Tätigkeit der Honoratioren in den Bereichen von Politik
und Krieg sowie zum öffentlichen Engagement der Bürger durch private Wohltaten
und finanzielle Leistungen.28
    Im Anschluss an die Arbeiten von Ph. Gauthier und F. Quaß gewann der Euer-
getismus insbesondere in den zahlreichen Forschungen zur hellenistischen Staaten-
welt in den vergangenen Jahrzehnten entscheidende Bedeutung. Die meisten Unter-
suchungen beschränkten sich dabei auf Detailfragen und widmeten sich in Form von
Aufsätzen in der Regel einzelnen Themenkomplexen. Im Zusammenhang mit dem
Phänomen des Euergetismus stellten zahlreiche Publikationen zudem die Frage nach

24   S. ausführlich u. S. 91–95.
25   Quaß 1993.
26   S. insbesondere ebd. 347–352. Für Kritik an den Thesen von Quaß s. Gauthier 2005a, 3.
     Vgl. Brélaz 2009, 43.
27   Quaß 1993, 15: «Eine gewisse Entwicklung, die Gauthier hier mit Recht konstatiert, kenn-
     zeichnet er auf diese Weise durch zwei ziemlich extreme Alternativen. Ganz so krass dürf-
     ten die Unterschiede in Wirklichkeit kaum gewesen sein.»
28   Zur politischen Tätigkeit der Honoratioren s. in Rückgriff auf Quaß auch Scholz 2008,
     89–91.

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22                 Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung

dem Ausmaß von Demokratie und Bürgerbeteiligung in den hellenistischen Städten.29
Bereits im Jahr 1992 war der Euergetismus zentrales Thema des 10. Internationalen
Epigraphikkongresses in Nîmes und erhielt dementsprechend auch einen eigenen
Schwerpunkt im anschließenden Kongressband. Die Aufsätze von L. Migeotte und
J.-L. Ferrary untersuchten das Phänomen des Euergetismus in der hellenistischen Zeit.
L. Migeotte widmete sich dem wohltätigen Engagement und dem entsprechenden
Auftreten von Bürgern aus einzelnen Städten in der klassischen Zeit und im Hellenis-
mus.30 Hauptaspekte der Untersuchung bildeten die politische Bedeutung und die
wirtschaftliche Rolle der Euergeten. Die Überlegungen von J.-L. Ferrary nahmen
den Übergang von einem hellenistisch geprägten Euergetismus zu einem Euerge-
tismus römischer Form in den Blick.31 Schwerpunkte waren neben den römischen
Wohltätern im Allgemeinen die von griechischen Städten beschlossenen Ehrungen
für einzelne Römer sowie das Verhältnis von Euergetismus und römischem Patro-
nat. Ch. Habicht und K. Bringmann untersuchten im Rahmen des Kongresses Phä-
nomene des monarchischen Euergetismus in der hellenistischen Zeit. Ch. Habicht
widmete seine knappen Überlegungen dem Verhältnis der Könige zu Städten und
Bünden. Der Beitrag von K. Bringmann konzentrierte sich auf das Umfeld der hel-
lenistischen Monarchen und bot einen ersten Ausblick auf die später vorgelegten
umfangreichen Studien zu den Schenkungen der hellenistischen Herrscher.
    Ausführlich befasste sich K. Bringmann mit dem wohltätigen Engagement der
Könige in einem gemeinsam mit H. von Steuben durchgeführten Forschungsprojekt
zum monarchischen Euergetismus. Eine erste Publikation sammelte und kommen-
tierte alle literarischen, epigraphischen und archäologischen Zeugnisse.32 Die histo-
rische Auswertung des gesammelten Materials blieb einem zweiten Teilband vor-
behalten.33 Im Zentrum der Untersuchung stand die Frage nach dem Verhältnis der
hellenistischen Herrscher zu den einzelnen Städten. Schwerpunkte waren der mon-
archische Euergetismus im Allgemeinen sowie die Selbstdarstellung der Herrscher
durch großzügige Wohltaten. B. Schmidt-Dounas unternahm in einem dritten Band
die gesonderte Auswertung der archäologischen Denkmäler.34 In den Monumenten
zeigte sich ein weiteres Mal der große Wert von Schenkungen und Stiftungen für die
Selbstdarstellung und die Machtpolitik der hellenistischen Könige.35 Gleichsam als
Gegenpart zu den Schenkungen der Könige untersuchte H. Kotsidu die Ehrungen

29   Zu diesem zweiten Zweig der Forschung s. u. S. 26–30.
30   Migeotte 1997.
31   Ferrary 1997.
32   Bringmann/Von Steuben 1995.
33   Bringmann 2000.
34   Schmidt-Dounas 2000.
35   Ebd. 313–319.

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                              Das Phänomen des Euergetismus                                23

für hellenistische Herrscher.36 Die Monographie folgte dem Schema der Publika-
tionen von K. Bringmann und H. von Steuben und versammelte in einem ersten Teil
zunächst die literarischen, epigraphischen und archäologischen Zeugnisse. In einem
zweiten Abschnitt der Arbeit erfolgte die Auswertung des Quellenmaterials. In der
Analyse zeigte sich das Wechselspiel von Erwartungshaltungen und erbrachten Leis-
tungen auf der einen Seite sowie den entsprechenden Ehrungen auf der anderen Sei-
te.37 Die Wirksamkeit des Mechanismus bestand im beiderseitigen Nutzen für Stadt
und Herrscher. Die Polis profitierte von den Zuwendungen der Könige. Die Herr-
scher konnten durch das wohltätige Engagement und die entsprechenden Ehrungen
den eigenen Ruhm und das öffentliche Ansehen erhöhen. Ehrungen erwiesen sich
in diesem Zusammenhang als wichtiges Mittel in der Politik der Städte.
     M. Domingo Gygax widmete sich in den Jahren zwischen 2003 und 2009 zunächst
in Form von mehreren Aufsätzen dem Wechselspiel zwischen erbrachten Leistun-
gen und anschließenden Ehrungen durch die Städte und spürte zudem Ursprüngen
und frühen Formen des griechischen Euergetismus nach. Die verschiedenen Einzel-
studien, deren Themen im Anschluss in chronologischer Reihe vorgestellt werden
sollen, bildeten zugleich die Grundlage für eine zusammenfassende Monographie
zu den Ursprüngen des Euergetismus sowie zu dessen Entwicklung bis in die spät-
klassische Zeit.38 Eine erste Publikation aus dem Jahr 2003 untersuchte das Verhält-
nis von Eurgetismus und Gabentausch und konnte sowohl inhaltliche ­Parallelen
als auch formale Gemeinsamkeiten der beiden reziproken Phänomene aufdecken.39
Durch den Vergleich mit den Grundsätzen des Gabentausches gewann die moderne
Sichtweise des Euergetismus an Komplexität.40 Die Gemeinsamkeiten der beiden
Phänomene, die auch in der klassischen Zeit niemals vollständig verschwunden zu
sein scheinen, ließen daneben eine kontinuierliche Entwicklung von der archaischen
Frühzeit bis zum Hellenismus vermuten.41 Ein Aufsatz aus dem Jahr 2006 spürte
ebenfalls den Ursprüngen des Euergetismus nach und betonte erneut die Rezi-
prozität des Systems von Gabe und Gegengabe.42 Die grundlegenden Prinzipien

36   Kotsidu 2000. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf den Aussagen der archäo-
     logischen Zeugnisse.
37   Ebd. 592–597.
38   Domingo Gygax 2016.
39   Domingo Gygax 2003. S. insbesondere ebd. 187–192. Vgl. Domingo Gygax 2016, 26–
     45. Zur Reziprozität von Leistung und Ehrung s. auch Gehrke 2003, 228. 231–233. Vgl.
     Bielfeldt 2012, 93–97. Ausführlich Beck 2015, 42–144.
40   Der Euergetismus ist als Phänomen sowohl auf der Ebene der institutionalisierten Wechsel-
     seitigkeit als auch auf der Ebene der nicht institutionalisierten Wechselseitigkeit zu be-
     trachten. Domingo Gygax 2003, 199.
41   Ebd. 192–199.
42   Domingo Gygax 2006a. Vgl. Domingo Gygax 2016, 26–45.

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24                 Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung

sah M. Domingo Gygax fest in der archaischen Adelsethik verankert.43 Einen wei-
teren Schwerpunkt der Untersuchung bildete die Entwicklung von den Wohltätern
der archaischen Zeit bis zu den hellenistischen Euergeten. Als Fallbeispiel diente
das klassische Athen.44
    Ein zweiter Aufsatz desselben Jahres verfolgte demgegenüber einen theoreti-
schen Ansatz.45 Ausgangspunkt der Untersuchung waren der augenscheinliche Unter-
schied in der Wahrnehmung von fremden Euergeten und wohltätigen Bürgern sowie
das daraus resultierende Ungleichgewicht bei der Vergütung der Leistungen durch
die Polis.46 Den frappierenden Widerspruch zwischen dem öffentlichen Bild und
den tatsächlichen Leistungen von fremden Wohltätern führte M. Domingo Gygax
auf den Versuch der Städte zurück, potentielle Euergeten durch Ehrungen ohne
konkreten Anlass zu künftigen Wohltaten zu verpflichten – auch wenn eine ent-
sprechende Verpflichtung in der Realität selbstverständlich nicht mehr als das mora-
lische Gebot von gesellschaftlichen Konventionen sein konnte.47 Die Untersuchung
unterschied demzufolge zwischen tatsächlichen Wohltätern («bienfaiteurs») und
«euergétai». Für wohltätige Bürger standen möglicherweise andere Formen der Ver-
gütung von Leistungen zur Verfügung.48 Einen Aufsatz aus dem Jahr 2009 widmete
M. Domingo Gygax im Anschluss dem Phänomen der vorweggenommenen Ehrun-
gen («proleptic honours»).49 Entsprechende Anerkennungen wurden von den Städ-
ten ohne vorhergehende Leistung im Vorgriff auf zu erwartendes oder zumindest
erhofftes Engagement verliehen. Ausgangspunkt zur Erklärung des zunächst para-
dox anmutenden Phänomens war die Gleichsetzung der Prinzipien des Euergetismus
mit den Funktionsweisen des Gabentausches.50 Das Wechselverhältnis von Wohltat
und Ehrung folgte denselben Mustern wie der Austausch von Gabe und Gegen-
gabe, wobei die ursprünglich als Gegengabe gedachte Ehrung an den Beginn der
wechselseitigen Beziehung treten konnte und dabei den Platz einer Gabe einnahm.
Das Gegenüber in Form des potentiellen Euergeten hatte in der Folge die morali-
sche Verpflichtung zu einer Gegengabe.51 «Proleptic honours» konnten von Städ-

43   Domingo Gygax 2006a, 294. Domingo Gygax 2016, 58–63. Zu den Prinzipien des
     Gabentausches in der archaischen Zeit sowie in der klassischen Zeit s. ausführlich auch
     Domingo Gygax 2007. Vgl. Beck 2015, 89–124.
44   Die Polis Athen ist für sich genommen allerdings wieder ein Sonderfall. Domingo Gygax
     2006a, 286.
45   Domingo Gygax 2006b.
46   Ebd. 9 f. Vgl. Gehrke 2003, 228. 231–233. Gehrke trifft noch keine Unterscheidung zwi-
     schen eigenen Bürgern und fremden Wohltätern. Ähnlich Bielfeldt 2012, 93–97.
47   Domingo Gygax 2006b, 19–22.
48   Ebd. 23.
49   Domingo Gygax 2009. Vgl. Domingo Gygax 2016, 45–57.
50   Domingo Gygax 2009, 26–45.
51   Ebd. 182–187.

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                            Das Phänomen des Euergetismus                         25

ten unter den beschriebenen Voraussetzungen als Mittel zur Gewinnung von neuen
Wohltätern genutzt werden und sollten etwa häufig hellenistische Könige höflich
an deren im Herrscherideal verankerte wohltätige Pflichten erinnern.52 Im Prinzip
konnten aber auch andere Personen bereits im Vorgriff auf zu erwartende Leistun-
gen Auszeichnungen erhalten. So hatten etwa die seit der archaischen Zeit belegten
Verleihungen des Titels πρόξενος an fremde Personen in vielen Fällen den Charakter
vorweggenommener Ehrungen.53
    Die zusammenfassende Monographie zu den Ursprüngen des Euergetismus wid-
met sich aufbauend auf die beschriebenen Einzelstudien nach einem theoretischen
Kapitel zu den Themen Euergetismus und Gabentausch sowie «proleptic honours»
der Institutionalisierung des Phänomens sowie in zwei weiteren Kapiteln unter
dem Stichwort «continuity and change» verschiedenen Euergetengruppen – neben
Fremden und Athleten im zweiten Abschnitt auch den bürgerlichen Wohltätern.54
Ein fünftes Kapitel bietet unter der Überschrift «the generalization of euergetism»
einen abschließenden Ausblick auf die Weiterentwicklung des Phänomens bis zur
spätklassischen Zeit und legt einen Schwerpunkt der Darstellung dabei – wie schon
in den beiden vorangegangenen Kapiteln zu den verschiedenen Euergetengruppen –
auf die Verhältnisse in der Polis Athen.
    Einem in der vormaligen Forschung oftmals vernachlässigten Teilaspekt des
öffentlichen Handelns der Wohltäter widmete sich Ch. Müller mit der wirtschaftlichen
Seite des Euergetismus.55 Der Aufsatz aus dem Jahr 2011 nahm dabei insbesondere
die finanzielle Dimension der Wohltaten in den Blick und stellte die Frage nach dem
Verhältnis von Euergesien und Anleihen. Die Überlegungen rückten die Spenden in
die Nähe von wohlüberlegten Finanzinvestitionen.56 Die Autorin suchte in der Folge
die deutliche Abgrenzung zu den Ansichten von P. Veyne und wollte das Bild von
den großzügigen Spendern und selbstlosen Euergeten im unermüdlichen Einsatz
für das Wohl der Gemeinschaft zumindest zum Teil revidieren. Wohltaten waren
für Ch. Müller keine irrationalen Entscheidungen. Den Unternehmungen der Euer-
geten lag stattdessen vermutlich stets ein hohes Maß an ökonomischer Rationalität
zu Grunde.57
    Mit den nichtbürgerlichen Rezipienten eines politischen Euergetismus versuchte
sich M. Beck – wenn auch ohne genaue Definition der Begrifflichkeiten – in einer
ausführlichen Monographie aus dem Jahr 2015 einem weiteren Teilaspekt des Euer-

52   Ebd. 178.
53   Ebd. 180–182. Zum Verhältnis von Proxenie und Euergetismus s. auch Domingo Gygax
     2016, 108–114.
54   Domingo Gygax 2016.
55   Müller 2011.
56   Ebd. 356–359.
57   Ebd. 360.

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