Jeannine Ohlert Deutsche Sporthochschule Köln Psychologisches Institut - Abt. Gesundheit & Sozialpsychologie

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Jeannine Ohlert Deutsche Sporthochschule Köln Psychologisches Institut - Abt. Gesundheit & Sozialpsychologie
SPORTPSYCHOLOGISCHE LEHRGANGSBETREUUNG                                            1

Evaluation of a sport
psychological group
intervention in girls’
football
                                Jeannine Ohlert
      Deutsche Sporthochschule Köln
      Psychologisches Institut – Abt. Gesundheit & Sozialpsychologie
        Das Deutsche Forschungszentrum für Leistungssport Köln - momentum

                                                  Am Sportpark Müngersdorf 6
                                                                    50933 Köln
Tel.: 0221 - 4982 5530 | Fax: 0221 - 4982 8170 [ E-Mail: j.ohlert@dshs-koeln.de

Anmerkungen der Autorin:
Das Betreuungsprojekt wurde finanziert von der Sportstiftung NRW.
Die Autorin dankt Prof. Jens Kleinert für die grundlegende Projektidee sowie
den drei beteiligten Trainerinnen für ihre Offenheit gegenüber
sportpsychologischen Ideen.

Women’s football:
Played, Watched, Talked about!
                                     FREE Conference
                 University of Copenhagen, June 2013
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          This paper is a work in progress.
             Please do not quote without
      explicit written permission of the author.
Wie wichtig ein „starker Kopf“ für einen Spitzensportler ist, wird besonders in
Zusammenhang mit den jüngsten Burnout-Fällen und der hohen Dropout-Rate
im Jugendleistungssport immer häufiger diskutiert. Von verschiedenen Seiten
wird dabei immer wieder betont, dass es sinnvoll ist, sportpsychologische
Strategien bereits im Jugendbereich zu trainieren (vgl. z.B. Beckmann, Elbe,
Szymanski & Ehrlenspiel, 2006; Kleinert, 2010; Kleinert & Raven, 2011;
Schweer, 2008). Im Rahmen eines von der Sportstiftung NRW finanzierten
Projekts wurde daher eine sportpsychologische Betreuung in reguläre
Verbandskaderlehrgänge der U15 und U17 Mädchenfußball-Teams in NRW
integriert. Im Folgenden wird die Konzeption und Evaluation dieser
sportpsychologischen Maßnahme dargestellt und diskutiert.
             Zielsetzung sportpsychologischer Betreuung im
                           Nachwuchsleistungssport
Junge Leistungssportler sind heutzutage der hohen Belastung aus Schule
(zusätzlich verstärkt durch die Einführung von G8) einerseits sowie Training
und Wettkampf andererseits ausgesetzt. Daher sollte die sportpsychologische
Betreuung von Jugendlichen drei verschiedene Aspekte beinhalten: 1.) Stärkung
psychischer Ressourcen für das System Leistungssport, 2.) Unterstützung der
allgemeinen Persönlichkeitsentwicklung, sowie 3.) Strategien zur optimalen
Leistungsentwicklung im Sport.
1.) Stärkung psychischer Gesundheitsressourcen für das System
Leistungssport
Die Stärkung psychischer Gesundheitsressourcen lehnt sich in erster Linie an
das von Antonovsky (Antonovsky, 2009; Antonovsky & Franke, 1997)
entwickelte Modell der Salutogenese an. Die Sportpsychologie als edukatives
Angebot zum Aufbau von mentalen Ressourcen und Kompetenzen kann dabei
als ein wichtiger Baustein im Sinne der Salutogenese gesehen werden (vgl. auch
Breuer & Kleinert, 2008; Sulprizio, 2011).
2.) Unterstützung der allgemeinen Persönlichkeitsentwicklung
Jedes Jahr steigen unzählige junge Sportler wieder aus dem Leistungssport aus
und beenden aus verschiedenen Gründen ihre Karriere (vgl. z.B. Kleinert, 2010;
Kleinert & Raven, 2011). Besonders für diese Sportler, aber auch für erfolgreiche
Athleten ist es unabdingbar, sich neben den sportspezifischen Anforderungen
auch mit allgemeinen Entwicklungsaufgaben auseinanderzusetzen. Dies ist
jedoch durch das Sportsystem deutlich erschwert (z.B. Beckmann et al., 2006;
Schweer, 2008). Eine sportpsychologische Betreuung sollte an dieser Stelle
einhaken und junge Athleten durch die Vermittlung von „Lebensstrategien“
darin unterstützen, sich auch als Persönlichkeit weiter zu entwickeln.
3.) Strategien zur optimalen Leistungsentwicklung im Sport
Nicht zuletzt geht es bei der sportpsychologischen Betreuung auch um die
Leistungsentwicklung eines Athleten. Die Sportpsychologie kann hier dem
Sportler bewusst machen, inwiefern seine Gedanken seine Leistung
beeinflussen. In einem zweiten Schritt können anschließend Strategien
entwickelt werden, damit der Sportler lernt, seine Gedanken gezielt zu
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beeinflussen. Auf diese Weise wird ihm dabei geholfen, genau dann seine beste
Leistung zu zeigen, wenn er sie im Wettkampf benötigt.
       Konzept der sportpsychologischen Lehrgangsbetreuung im
                                Mädchenfußball
In einem Pilotprojekt finanziert die Sportstiftung NRW seit 2009 ein
sportpsychologisches Betreuungskonzept für die Nachwuchsfußballerinnen der
U15 und U17 Verbandskader in Nordrhein-Westfalen (Fußballverbände
Mittelrhein, Niederrhein und Westfalen). Bestreben dieses Projekts war und ist
die Integration sportpsychologischer Betreuung für Nachwuchsfußballerinnen
in die bestehenden Lehrgangskonzepte der Verbände. Die Lehrgangsbetreuung
besteht aus mehreren Bausteinen, welche so konzipiert wurden, dass sie flexibel
und bei Bedarf unabhängig voneinander eingesetzt werden können:
1.) Sportpsychologischer Basisworkshop
Der sportpsychologische Basisworkshop bildet die Grundlage der
Lehrgangsbetreuung, da hier mentale Grundkompetenzen vermittelt werden,
die je nach Thematik sowohl der Salutogenese, der Persönlichkeitsentwicklung
als auch der Leistungssteigerung dienen (oder auch mehreren Aspekten
gleichzeitig). Das Thema des Workshops wird vom Sportpsychologen in
Absprache mit den Trainern festgelegt. Die Besonderheit der Basisworkshops
liegt neben dem Gruppensetting darin, dass die Spielerinnen in den Workshops
als Expertinnen für ihre eigene Situation zu Wort kommen und darin bestärkt
werden, sich auch untereinander über das behandelte Thema auszutauschen
und gegenseitig zu helfen. Auf diese Weise können die Spielerinnen feststellen,
dass sie mit gewissen „Problemen“ nicht alleine sind, sondern dass sich andere
mit ähnlichen Dingen auseinander setzen.
2.) Freiwilliges Entspannungsangebot
Eine zentrale Ressource besonders zum Umgang mit Druck und
Stresssituationen stellt das Entspannungstraining dar. Das freiwillige
Entspannungsangebot hat daher zum Ziel, die jungen Athletinnen an
verschiedene Entspannungsmöglichkeiten heranzuführen. Idealerweise in der
Mittagspause der Lehrgangstage kann jeweils eine 30-minütige
Entspannungseinheit angeboten werden, andere Zeiten sind jedoch auch
denkbar. Eine sportbezogene Entspannungsmethode (z.B. Progressive
Muskelentspannung, Ruhebild) wird kurz erläutert, aber vor allem praktisch
durchgeführt.
3.) Einzelgespräche
Einzelgespräche wurden in die Maßnahme integriert, um gezielt besonders
ambitionierten Spielerinnen die Möglichkeit zu geben, individuell über
psychologische Unterstützungsmöglichkeiten für Leistungsentfaltung und
Persönlichkeitsentwicklung zu sprechen. Die Einzelgespräche finden im
allerersten Kontakt mit dem Sportpsychologen als Pflichtgespräch für alle
Spielerinnen statt. Ziel des Erstgespräches ist es, auf Basis eines
halbstandardisierten Gesprächsleitfadens herauszufinden, inwiefern die
Spielerinnen sich bereits selbst reflektieren und ob sie bereits naive oder
systematische sportpsychologische Strategien bei der Selbstregulation
einsetzen. Zusätzlich besteht so die Möglichkeit, den Spielerinnen bei spontan
berichteten Schwierigkeiten bereits erste Tipps und Ideen mit auf den Weg zu
geben.
4.) Freie Sprechzeit
Die freie Sprechzeit hat zum Ziel, dass sich Spielerinnen bei Beratungsbedarf an
den Sportpsychologen wenden können, ohne dass dies andere Personen
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mitbekommen müssen. Durch Festlegung eines gewissen Zeitraums sowie eines
Ortes, an welchem sich der Sportpsychologe aufhält, werden die Barrieren für
die Spielerinnen zu einem Gespräch mit dem Sportpsychologen möglichst
niedrig gehalten.
5.) Trainings- und Gruppenbeobachtung
In der Regel ist ein Sportpsychologe während eines kompletten Lehrgangs
anwesend. Dies verfolgt mehrere Ziele: Zum einen sollen die Spielerinnen den
Sportpsychologen als regulären Teil des Betreuerstabs annehmen und auf diese
Weise Kontakthemmungen abbauen. Zum anderen kostet es Zeit, das für eine
Betreuung wichtige Vertrauen zu einer Person aufzubauen (Kleinert & Wippich,
2012), daher ist eine länger andauernde Anwesenheit sinnvoll. Im Vordergrund
steht jedoch, dass der Sportpsychologe auf diese Weise auch Trainingseinheiten,
eventuelle Wettkämpfe sowie die Interaktion der Spielerinnen untereinander
beobachten kann. Unter Umständen erkennt er so auch problematische
Verhaltensweisen bei Spielerinnen und kann in den Einzelgesprächen von sich
aus dieses Verhalten ansprechen.
6.) Praktische Vertiefungseinheit für die Basiskompetenzen
Ergänzend zu den Basisworkshops, die vor allem die Funktion erfüllen,
grundlegende Strategien zu vermitteln, ist es für verschiedene
Workshopthemen sinnvoll, diese durch eine weitere Einheit in der Praxis zu
ergänzen. Die Vertiefungseinheit hat daher das Ziel, die im Basisworkshop
zunächst theoretisch erarbeiteten Strategien in realitätsnahen Settings
umzusetzen. Die Vertiefungseinheit in den regulären Trainingsbetrieb
eingebunden und von den Trainern gemeinsam mit dem Sportpsychologen
geleitet. Es werden je nach Thema auch fußballspezifische Übungen zum
jeweiligen Thema durchgeführt, damit eine hohe Praxisnähe für die
Spielerinnen gegeben ist.
7.) Sportpsychologische Hotline
Sportpsychologischer Beratungsbedarf besteht selbstverständlich auch
außerhalb der Kaderlehrgänge. Aus diesem Grund bekommen die Spielerinnen
während der Workshops Visitenkarten mit der Telefonnummer des
betreuenden Sportpsychologen und können diesen bei Bedarf anrufen. Die
Erfahrung zeigt, dass diese Option zwar selten genutzt, aber im konkreten Fall
von den Spielerinnen als sehr hilfreich empfunden wird.
                   Durchgeführte Lehrgangsbetreuungen
Die Lehrgangsbetreuung in NRW findet seit November 2009 statt. Bis April
2012 wurden auf neun verschiedenen Lehrgängen (meistens gemeinsame
Lehrgänge der drei Fußballverbände) über 200 junge Fußballerinnen erreicht
(viele davon mehrfach). Es fanden 21 Workshops zu sechs verschiedenen
Themen, sieben Entspannungseinheiten (freiwillig), 89 Pflichtgespräche sowie
13 freiwillige Gespräche (z.T. über die Hotline, z.T. vor Ort) statt.
                    Evaluation der Lehrgangsbetreuung
Zur Evaluation bzw. Qualitätssicherung der Lehrgangsbetreuung wurde im
Frühjahr / Sommer 2012 eine Online-Befragung der an den letzten Workshops
beteiligten Spielerinnen durchgeführt. Die Evaluation erfolgte nach dem
„Zwiebelschalen-Modell“ zur Erfassung der Qualität einer sportpsychologischen
Beratung von Kleinert und Brand (2011).
Teilnehmerinnen
Insgesamt 55 U15- und U17-Auswahlspielerinnen der Fußballverbände
Mittelrhein, Niederrhein und Westfalen wurden nach verschiedenen
Verbandslehrgängen um die Teilnahme an der Evaluation gebeten; von diesen
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nahmen 39 Mädchen (71%) teil. Das Durchschnittsalter lag bei 14.9 Jahren (SD
= 1.1); die Spielerinnen waren im Schnitt seit 8.8 Jahren (SD = 2.5)
fußballerisch aktiv.
Fragebogen
Als Instrument diente der QS17 (Kleinert et al., 2011), welcher auf dem
„Zwiebelschalen-Modell“ zur Erfassung der Qualität einer sportpsychologischen
Beratung von Kleinert und Brand (2011) beruht.
Durchführung und Analysen
Der Fragebogen wurde über die Software unipark.de als Online-Befragung
umgesetzt und im Anschluss an die im Frühjahr sowie Sommer 2012
stattfindenden Lehrgänge durhgeführt. Um einschätzen zu können, inwiefern
die Betreuungsqualität mit der individuellen Ansprache der Spielerinnen in
Einzelsettings vs. Gruppensettings zusammenhängt, wurden die
Teilnehmerinnen in diejenigen Spielerinnen aufgeteilt, die bereits mindestens
ein Einzelgespräch (Pflicht oder freiwillig) durchgeführt hatten (n = 13) und
solchen Spielerinnen, die bisher lediglich an Gruppenmaßnahmen
teilgenommen hatten (n = 26). Anschließend wurden T-Tests für unabhängige
Stichproben sowohl für die drei Faktoren als auch für die Einzelitems berechnet,
um Unterschiede in der Qualitätswahrnehmung zwischen den beiden Gruppen
herauszuarbeiten. Aufgrund der multiplen Tests wurde das Alpha-Niveau zur
Signifikanzberechnung per Bonferroni-Korrektur von .05 auf .002 verändert.
                                   Ergebnisse
Auswertung des QS17. Bei der Berechnung der Mittelwerte über alle
Spielerinnen auf der Ebene der Einzelitems ergab sich insgesamt eine sehr
positive Evaluation. Auf einer Skala von 1 bis 4 lagen die Mittelwerte ohne
Ausnahme bei 2.5 und höher, was insgesamt einer mäßigen bis hohen
Zustimmung zu den einzelnen Aussagen entspricht.
Auf der Ebene der Faktoren wurde insbesondere die Betreuung mit einem
Mittelwert von 3.5 Punkten positiv bewertet; die Teilnehmerinnen fühlten sich
offensichtlich insgesamt durch die Sportpsychologin gut betreut. Insbesondere
die Aussagen zur Verständlichkeit der Inhalte sowie der Kompetenz der
Sportpsychologin erreichten sehr hohe Werte (3.7 bzw. 3.9 Punkte). Der Faktor
der Skills wurde mit 3.1 Punkten ebenfalls positiv beurteilt, wobei die
Mittelwerte insgesamt niedriger lagen als für den Betreuungsfaktor. Die
höchsten Werte erhielten dabei vor allem das neu erlangte Bewusstsein, wie
wichtig der Kopf für die eigene Leistung ist, sowie neu erlernte
sportpsychologische Techniken (jeweils 3.5 Punkte). Der letzte Faktor des
Modells, die Leistung, erreichte einen Mittelwert von 2.9 Punkten und liegt
somit in der Bewertung auch über einem gedachten Skalenmittel von 2.5
Punkten. Die positivsten Einschätzungen erhielt hier die Übertragbarkeit der
erlernten Strategien auf den Alltag (3.3 Punkte).
Die Ergebnisse zur Kosten / Nutzen-Analyse aus Sicht der Spielerinnen sowie
die Wahrscheinlichkeit der Weiterempfehlung lagen im hohen Bereich: Im
Mittel beurteilten die Teilnehmerinnen die Effektivität der Maßnahme mit 77%
(SD = 14.5%) und die Wahrscheinlichkeit der Weiterempfehlung mit 90% (SD =
11.9%).
Im Vergleich der Ergebnisse für Spielerinnen mit vs. ohne Einzelbetreuungs-
Erfahrung ergaben sich weder für die Faktoren noch für die einzelnen Items
signifikante Unterschiede zwischen beiden Teilnehmerinnen-Gruppen.
Lediglich die Aussage „Die Sportpsychologin ist eine Person, der ich vertrauen
kann“ wurde von Spielerinnen mit Einzelbetreuungs-Erfahrung signifikant
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positiver bewertet als von den anderen Teilnehmerinnen (M(mit) = 3.9; M(ohne) =
3.2; T(31.7) = 3.63; p = .001).
                                   Diskussion
Bei der sportpsychologischen Lehrgangsbetreuung handelt es sich um ein
besonders im Jugendsport noch vergleichsweise neues Instrument in
Deutschland. Ziel der vorliegenden Studie war daher die Darstellung und
Evaluation des Konzepts im Rahmen eines Mädchenfußball-Pilotprojekts der
Sportstiftung NRW. Dabei ergaben sich insgesamt sehr positive Resultate: Die
beteiligten Spielerinnen zeigten sich sehr zufrieden mit der Betreuungssituation
und hatten auch überwiegend den Eindruck, neue psychologische Skills erlernt
zu haben. Der Effekt auf die persönliche Leistung im Sport ließ sich zunächst
noch nicht in gleichem Umfang nachweisen. Auf inhaltlicher Seite ist an den
Ergebnissen besonders hervorzuheben, dass offensichtlich nur sehr wenige
Mädchen der Sportpsychologie gegenüber unaufgeschlossen sind. Dies
dokumentiert die sehr hohe Weiterempfehlungswahrscheinlichkeit von 90%.
Ein weiteres positives Resultat der Evaluation ist die Tatsache, dass zwischen
den Teilnehmerinnen der Einzelgespräche sowie den Teilnehmerinnen der
Gruppenmaßnahmen bis auf eine einzige Variable keine Unterschiede in der
Evaluation zu finden waren. Dies bedeutet, dass es auch in der
Gruppensituation sehr gut gelingt, eine vertrauensvolle Beziehung zu den
Spielerinnen herzustellen und Strategien weiterzugeben. Es ist demnach erst
einmal nicht notwendig, Skills in Einzelgesprächen zu vermitteln und auf jeden
Athleten individuell einzugehen. Lediglich die Vertrauensbasis wird in der Eins-
zu-Eins-Situation besser aufgebaut, eine Tatsache, die für die Beibehaltung der
Pflichtgespräche als Einstieg für die Mädchen spricht. Langfristig sollte
überprüft werden, ob sich diese Ergebnisse auch für eine gewisse Zeitspanne
nach der Betreuung aufrechterhalten lassen, oder ob dann nicht aus der
Einzelbetreuung nachhaltigere Effekte zu erwarten wären.
Zudem sollte in zukünftigen Evaluationen erfasst werden, wie häufig die
Mädchen bereits an der Maßnahme teilgenommen haben, um auch die
langfristigen Effekte der Betreuung besser beurteilen zu können. Es wäre zu
erwarten, dass sich im Laufe der Zeit auch deutlichere Auswirkungen auf die
Skills sowie die Leistung zeigen lassen. In diesem Zusammenhang erscheinen
auch spezifischere Fragen zu konkreten Inhalten als sinnvoll. Weiterhin wäre es
ebenfalls interessant, Prä-Post-Evaluationen zu konkreten Workshops zu
unternehmen, also beispielsweise zu überprüfen, ob sich
Wettkampfängstlichkeit nach einem Workshop zu diesem Thema tatsächlich
reduziert hat. Auch eine Evaluation der Maßnahme aus Sicht der beteiligten
Trainer ist für die Zukunft anzustreben.
                   Zusammenfassender Erkenntnisgewinn
Die Ergebnisse der Evaluation in Kombination mit den gesammelten
Erfahrungen bei diesem Pilotprojekt zeigen, dass die Maßnahme insgesamt als
sehr nützlich wahrgenommen wird. Durch das gewählte Betreuungssetting
erreicht man vergleichsweise viele Sportlerinnen mit relativ geringem
Zeitaufwand, was letztendlich auch dazu führt, dass sich die Kosten für die
Maßnahme in Grenzen halten. Die Hauptziele des Projekts, nämlich eine
Vermittlung von Basiskompetenzen zur Ressourcenstärkung,
Persönlichkeitsentwicklung und Leistungssteigerung sowie eine grundsätzliche
Sensibilisierung der Spielerinnen für die Möglichkeiten der Sportpsychologie
wurden erreicht. Offensichtlich führt die Gruppenarbeit auch nicht dazu, dass
die Spielerinnen weniger angesprochen werden als in Einzelbetreuungen; es
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gibt also zumindest kurzfristig nur wenig Qualitätsverlust. Aus diesen Gründen
bleibt im Sinne aller jungen Sportler zu hoffen, dass immer mehr Verbände
bereit sind, zumindest diese grundlegende sportpsychologische Ausbildung
ihrer jugendlichen Athleten zu finanzieren. Auf diese Weise würden sie dazu
beitragen, einerseits aus ihren Athleten mental stärkere Sportler zu machen,
ihnen andererseits aber auch Fähigkeiten zu vermitteln, die ihnen den Umgang
mit den Anforderungen im Leistungssport erleichtern und sie insgesamt zu
gefestigteren Persönlichkeiten werden lassen.

                                  Literatur

Antonovsky, A. (2009). Die salutogenetische Perspektive: Zu einer neuen Sicht
    von Gesundheit und Krankheit. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht.
Antonovsky, A. & Franke, A. (1997). Salutogenese: Zur Entmystifizierung der
    Gesundheit. Tübingen: DGVT.
Beckmann, J., Elbe, A.-M., Szymanski, B. & Ehrlenspiel, F. (2006). Chancen
    und Risiken. Vom Leben im Verbundsystem von Schule und
    Leistungssport. Köln: Sportverlag Strauß.
Breuer, S. & Kleinert, J. (2008). mental.talent.2008 - eine systematische
    sportpsychologische Ausbildung und Betreuung jugendlicher
    Kaderathleten. In G. Sudeck, A. Conzelmann, K. Lehnert & E. Gerlach
    (Hrsg.), Differentielle Sportpsychologie. Sportwissenschaftliche
    Persönlichkeitsforschung. 40. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für
    Sportpsychologie (asp) (Schriften der Deutschen Vereinigung für
    Sportwissenschaft, 176, S. 32). Hamburg: Cwalina.
Kleinert, J. (2010). Leistungssport im Talentbereich. Stress oder
    Herausforderung? In T. Wörz & J. Lecheler (Hrsg.), Die Psyche des
    Leistungssportlers. Die komplexe Herausforderung, ein Talent zu
    begleiten ; Schulen für Leistungssport im internationalen Vergleich (S. 15–
    22). Lengerich: Pabst.
Kleinert, J., Anderten, M., Boss, M., Kleinknecht, C., Ohlert, J., Raven, H.,
    Sulprizio, M., Wippich, S. & Zepp, C. (2011). Sportpsychologische
    Betreuungsqualität aus Sicht jugendlicher Kaderathleten. In J. Ohlert & J.
    Kleinert (Hrsg.), Sport vereinT. Psychologie und Bewegung in Gesellschaft.
    43. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp) vom
    2. - 4. Juni 2011 in Köln (Schriften der Deutschen Vereinigung für
    Sportwissenschaft, 210, S. 72). Hamburg: Feldhaus.
Kleinert, J. & Brand, R. (2011). Qualitätsmanagement in der
    sportpsychologischen Betreuung im Leistungssport. Zeitschrift für
    Sportpsychologie, 18 (2), 60–72.
Kleinert, J. & Raven, H. (2011). "Ich will nicht mehr". Stress, Motivation und
    Drop-out im Jugendleistungssport. In Innenministerium des Landes
    Nordrhein-Westfalen & Landessportbund Nordrhein-Westfalen e.V.
    (Hrsg.), Sport ist Spitze. Landessportprogramm Talentsuche und
    Talentförderung in Nordrhein-Westfalen (Sport ist Spitze, 25, S. 59–70).
    Aachen: Meyer & Meyer.
Kleinert, J. & Wippich, S. (2012). Vertrauen als Merkmal von
    Beziehungsqualität. Modellentwicklung und explorative Interviews im
    Kontext sportpsychologischer Betreuung. Organisationsberatung,
    Supervision, Coaching, 19, 425–441.
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Schweer, M.K.W. (2008). Leistungssport in der Jugendphase als
    Herausforderung sportpsychologischer Forschung. In M.K.W. Schweer
    (Hrsg.), Sport in Deutschland - Bestandsaufnahmen und Perspektiven
    (S. 165–182). Frankfurt am Main: Peter Lang.
Sulprizio, M. (2011). MentalGestärkt. Psychische Gesundheit im Leistungssport.
    MedicalSportsNetwork (6), 14–17.
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