Kartäuseroder Karthäuser-Nelke? Zur Rechtschreibung eines deutschen Pflanzennamens - GEFD

Die Seite wird erstellt Janina Adler
 
WEITER LESEN
Kartäuseroder Karthäuser-Nelke? Zur Rechtschreibung eines deutschen Pflanzennamens - GEFD
Kochia 4: 147–154 (2009)                                                                     147

                 Kartäuser- oder Karthäuser-Nelke?
        Zur Rechtschreibung eines deutschen Pflanzennamens

                                        HANS REICHERT

Zusammenfassung: Die Nelke Dianthus car-          Fall ist – würde sie ebensowenig gegen die
thusianorum wurde nach dem Kartäuseror-           botanischen Nomenklaturregeln verstoßen
den benannt. Nach den derzeit geltenden           wie die Schreibweise mit h. Es liegt ein ganz
deutschen Rechtschreibregeln ist nur die          ähnlicher Sachverhalt vor wie bei den Varian-
Schreibweise „Kartäusernelke“ ohne h kor-         ten Fagus sylvatica und F. silvatica (vgl.
rekt. Der tatsächliche Gebrauch (Literatur, In-   MCNEILL & al. 2006: Art. 60.1, Ex. 1), wo le-
ternet) ist jedoch nicht einheitlich. Für die     diglich empfohlen wird, bei Neubenennungen
Form ohne h sprechen die etymologische            der Form „silvatica“ den Vorzug zu geben, da
Herkunft und die Übereinstimmung mit ande-        sie dem klassischen Latein entspricht. Die
ren europäischen Sprachen, für die Form mit       mittellateinische Variante „sylvatica“ ist aber
h eine mehr als 500jährige Tradition im deut-     nicht als Rechtschreibfehler zu werten. Im
schen Sprachraum.                                 eingangs genannten Fall steht „cartusiana“
                                                  dem klassischen Latein näher (siehe weiter
Abstract: Kartäuser- or Karthäuser-Nelke?         unten).
About orthography of a German plant                  Uneinheitlich ist auch die Schreibweise in
name. According to the current orthographic       deutschen Vernakularnamen. Nach den der-
rules the German species name of Dianthus         zeit geltenden Rechtschreibregeln (DUDEN
carthusianorum has to be spelled “Kartäuser-      1986) ist zwar allein die Schreibweise „Kar-
Nelke“ (without h). This coincides with the       täuser“ korrekt. Dem entspricht jedoch nicht
medieval etymological origin and with other       der tatsächliche Schreibgebrauch. Dieser
European languages. But the version “Kart-        lässt sich grob überschlägig testen, wenn
häuser-“ is also in current use and cannot be     man Wörter in eine Internet-Suchmaschine
simply declared as incorrect, since it has a      eingibt. Zu „Kartäuser“ wurden am 1. Sep-
long tradition. From the 16th to the 19th cen-    tember 2009 in Google („Seiten auf Deutsch“)
tury it was the dominant form in German           196 000 Eintragungen gefunden, zum regel-
speaking countries and has obviously influen-     widrigen „Karthäuser“ immerhin 38 000, wobei
ced Linné when coining the scientific species     in beiden Fällen die gleichnamige Katzen-
epithet.                                          rasse den Mönchsorden weit hinter sich ließ.
                                                  Viele Eintragungen der Form „Karthäuser“
                                                  betrafen Orts-, Familien- und Firmennamen
Hans Reichert
                                                  sowie Produktbezeichnungen, bei denen
Hommerstraße 17, 54290 Trier;
                                                  sprachliche Regelabweichungen nicht unge-
reichert-trier@t-online.de
                                                  wöhnlich sind. Beim Fokussieren der Abfrage
                                                  auf den Mönchsorden war zu erfahren, dass
Der Name des Kartäuser-Ordens ist Bestand-        auch hier neben der Duden-konformen
teil mehrerer Pflanzen- und Tiernamen. Als        Schreibweise „Kartäuser“ mit 3 110 Eintragun-
Art-Epitheton finden wir ihn zum Beispiel in      gen (darunter auch Internetseiten des Ordens
den wissenschaftlichen Bezeichnungen des          selbst) immerhin 2 220 Eintragungen zu
Farns Dryopteris carthusiana und der Gehäu-       „Karthäuser“ angeboten werden.
seschnecke Monacha cartusiana. Es fällt auf,         Eine Nicht-Befolgung der Duden-Regel in
dass das Epitheton einmal mit und einmal          weit größerem Ausmaß zeigt sich bei der Ein-
ohne h geschrieben wird, jeweils in Überein-      gabe des Namens der Kartäuser-Nelke
stimmung mit dem Protolog (LINNÉ 1753:            (Abb. 1) in den beiden Schreibweisen. Bei
409–410, MÜLLER 1774: 15). Käme die Form          der Abfrage wurde nicht zusätzlich zwischen
„cartusiana“ auch in einem botanischen Na-        der von Botanikern mit guten Gründen gefor-
men vor – was nach dem International Plant        derten Bindestrich-Schreibweise („Kartäuser-
Names Index (http://www.ipni.org/) nicht der      Nelke“) und der Schreibweise in einem Wort
148                                         H. Reichert

differenziert. Die Eintragungen wurden je-         nes Polynom, als dessen Quelle er sein fünf
weils addiert. 9 340 Eintragungen in Duden-        Jahre zuvor erschienenes Werk „Hortus up-
konformer Schreibweise standen ungefähr            saliensis“ angibt. Anschließend führt er vier
sechs Mal so viele, nämlich 56 200 Eintragun-      Polynome der Autoren BAUHIN (1623), GUET-
gen in regelwidriger Schreibweise gegenüber.       TARD (1747), LOESELIUS (1703) und SEGUIER
    Halten wir fest: Es besteht eine sehr starke   (1745) an. Keines der fünf Polynome enthält
Tendenz, den Namen der Kartäuser-Nelke ent-        einen auf die Kartäuser verweisenden Be-
gegen der Rechtschreibregel, aber in Überein-      standteil. Auch beim Studium der vier vorlin-
stimmung mit dem wissenschaftlichen Art-Epi-       néischen Quellen wurde in den Beschreibun-
theton mit th zu schreiben. Da drängt sich die     gen der Nelke nichts dergleichen gefunden.
Frage nach der Herkunft dieser Schreibweise            Aufschlussreich ist jedoch, dass Bauhin,
auf.                                               der ja Wegbereiter der binären Nomenklatur
    Zuvor sei jedoch der Frage nachgegan-          war (MÄGDEFRAU 1973), bei seiner Beschrei-
gen, weshalb Pflanzen und Tiere nach dem           bung von D. barbatus das Synonym Caryo-
Kartäuserorden benannt wurden. Nach CARL           phyllus Carthusianorum aufführt. Demnach
(1957) sind es bei Tieren meist Form- oder         war bereits vor Linné aus den weiter oben ge-
Farbmerkmale, die zu Vergleichen mit Mön-          nannten, auf die Kartäuser bezogenen Verna-
chen, Nonnen oder Geistlichen ganz allge-          kularnamen ein wissenschaftliches Art-Epi-
mein anregten. Auch unter den Pflanzen gibt        theton abgeleitet worden.
es dafür Beispiele (z. B. Pfaffenhütchen). Der         Zurück zu Linnés Protolog. Folgt man sei-
Name der Kartäusernelke rührt nach MARZELL         nem Verweis auf den „Hortus upsaliensis“, so
(1972: Spalten 90, 94–98) jedoch daher, dass       wird man dort fündig. Neben vier aus der Litera-
Nelken beliebte Pflanzen in Klostergärten wa-      tur zitierten Namen, in denen kein auf die Kar-
ren. Er führt eine Reihe von Werken aus dem        täuser verweisendes Wort vorkommt, findet
16., 17. und 18. Jahrhundert an, in denen Na-      man die Angabe „Hortulanis Caryophyllus car-
men wie Karthüserblümle, Cartheuserblume,          thusianorum“, zu deutsch: „Caryophyllus carthu-
Cartheusernäglein und Kartusernägeli der           sianorum der Gärtner“. Es dürfte sicher sein,
Benennung der Bart-Nelke (Dianthus barba-          dass Linné das Epitheton als solches nicht al-
tus) dienten. Jedoch wurde der Name bereits        lein von Gärtnern kannte, da er mit den Werken
im späten 16. Jahrhundert auch auf Dianthus        Bauhins vertraut war. Es ist wohl eher die Ver-
carthusianorum übertragen und ab dem frü-          knüpfung des Epithetons mit D. carthusianorum
hen 18. Jahrhundert zwecks Benennung die-          der heutigen Nomenklatur (und nicht mehr mit
ser Pflanze auch in andere europäische Spra-       D. barbatus), bei der er sich an Gärtnern orien-
chen übersetzt (dänisch: karthäusernellike,        tierte.
französisch: ouillet des Chartreux, polnisch:          Linné verwarf den zu weit gefassten Gat-
goźdik kartuski, ungarisch karthauzi szegfü        tungsnamen Caryophyllus und konzipierte die
usw.).                                             enger gefasste Gattung Dianthus (siehe hierzu
    MARZELL (1972: Spalte 98) korrigierte auch     LINNAEUS 1737: 165, GENAUST 1996). Für die
die von LEUNIS (1864: 588) in die Welt ge-         Bart-Nelke griff er auf das von BAUHIN (1623:
setzte und von anderen Autoren (z. B. HEGI         208) ins Spiel gebrachte Binom Caryophyllus
1910, GENAUST 1976) übernommene Angabe,            barbatus zurück und übernahm das Epitheton.
die Nelke sei nicht nach dem Orden benannt,        Somit stand carthusianorum zur Benennung ei-
sondern nach den Naturwissenschaftlern Jo-         ner anderen Nelkenart zur Verfügung. Dass
hann Friedrich Cartheuser (1704–1777) und          Linné es auf die Kartäuser-Nelke übertrug (für
Friedrich August Cartheuser (1734–1796),           die in Polynomen bis dahin hauptsächlich Epi-
dem Sohn des vorigen. Als diese lebten (zu         theta wie sylvestris und arvensis in Gebrauch
ihrer Biographie siehe LILIENCRON 1976), war       waren) wird wohl damit zu tun haben, dass so-
der Name schon mehr als 100 Jahre im Ge-           wohl in Vernakularnamen als auch in latinisier-
brauch.                                            ten Namen zur Zeit Linnés der Name der Kar-
    Als nächstes ist zu klären, auf welche         täuser für diese Nelkenart bereits in Gebrauch
Weise das von Linné verliehene wissen-             war, u. a. auch bei Gärtnern. Dass er sich auf
schaftliche Epitheton carthusianorum zustan-       diese beruft, mag damit zusammenhängen,
dekam. Den Namen D. carthusianorum publi-          dass es keine schwedischen Volksnamen für
zierte er in „Species plantarum“ (LINNAEUS         die Nelke gibt, da sie in Schweden nicht vor-
1753: 409–410). Er zitiert zunächst ein eige-      kommt.
Kart(h)äuser-Nelke   149

Abb. 1:   Dianthus carthusianorum in KRAUSE (1905).
150                                        H. Reichert

Bei der Schreibweise des Epithetons (mit h)           Mehr noch als im Neulatein griff die th-
orientierte sich Linné nicht an seiner schwedi-   Schreibweise in der frühen Neuzeit im deut-
schen Muttersprache, wo der Orden „Kartusi-       schen Schrifttum um sich. Schon im 16. Jahr-
anorden“ heißt, sondern folgte Bauhin. Mit        hundert herrschte sie weitaus vor (KÖSTER
der Erörterung der Schreibweise verlassen         2003). Als Zeuge dafür sei die berühmte Kos-
wir die Botanik und betreten rein geisteswis-     mographie von Sebastian MÜNSTER (1588)
senschaftliches Terrain. Es geht dabei um         aufgeführt. Der Kartäuserorden wird in dem
Geschichte und Sprachwissenschaft.                Werk zwar nur an wenigen Stellen erwähnt
   Der Kartäuserorden wurde 1084 vom heili-       (z. B. auf den Seiten CXLII, DXCII, DXCIII),
gen Bruno von Köln in der Nähe von Gre-           jedoch stets in der Schreibweise mit th.
noble in einem Felsental des Voralpen-Ge-             Dieser Schreibgebrauch fand seinen Nie-
birgszuges La Chartreuse gegründet. In gal-       derschlag in zahlreichen Ortsnamen (Kob-
lorömischer Zeit lautete der Gebirgsname          lenz-Karthause, Karthaus in Westfalen, Kart-
„Catursiani montes“. Dieser soll vom Sied-        häuserhof bei Trier usw.) und Familiennamen.
lungsnamen Caturissium hergeleitet sein. Im       Es mag sein, dass dabei eine Assoziation mit
Laufe der Zeit kam es zu einer Verschiebung       „Haus“ im Spiel war, da im Kartäuserorden je-
des Konsonanten r. Dieser rückte vor das t,       der Mönch nach Art eines Einsiedlers in ei-
so dass die Berge dann „Cartusiani montes“        nem eigenen kleinen Haus wohnt. Im Engli-
genannt wurden. Daraus entwickelte sich un-       schen, wo übrigens bis heute die Schreib-
ter Einfügung eines weiteren r das französi-      weise mit th gilt und in sämtlichen Lexika als
sche Wort „Chartreuse“ (KÖSTER 2003). Die         einzige angegeben wird, gibt es einen schö-
Mönche griffen in ihren Schriften auf das         nen Beleg für die Assoziation mit „Haus“,
klassische Latein zurück und nannten das          nämlich die Verballhornung des französi-
Kloster „Cartusia“, woraus im Zuge der neu-       schen „chartreuse“ zu „charterhouse“ (GAN-
hochdeutschen Diphtongierung (die im Ale-         NON 1997).
mannischen und Niederdeutschen nicht statt-           In der deutschen Sprache gab es für die
fand) das u in au umgewandelt wurde und die       Einfügung des h hinter dem t auch eine pho-
Form „Kartause“ entstand                          netische Begründung. Es war eine von meh-
   Wie man sieht, gab es in der Ursprungs-        reren Möglichkeiten, einen lang ausgespro-
zeit kein h hinter dem t. Obwohl die lateini-     chenen Vokal schriftlich darzustellen. Auf
sche Sprache auf dem Umweg über die               welch verwirrend vielfältige Weise dies zur
Etrusker auf griechische Wurzeln zurückgeht       Zeit Goethes geschah, mag die folgende
(MÜLLER-LANCÉ 2006), verschwand aus ihr           Wortreihe verdeutlichen: Wagen (keine Kenn-
sehr früh der griechische Buchstabe Theta         zeichnung), Aal (Vokal verdoppelt), wahr (h
(θ). Im klassischen Latein wurden nur knapp       hinter dem Vokal), Thal (h vor dem Vokal). In
100 griechische Lehnwörter mit th geschrie-       Verbindung mit t und r gab es zusätzliche
ben. Ansonsten gab es nur das einfache t.         Möglichkeiten, das dehnende h unterzubrin-
   Im Neulatein, wie es in Klöstern gepflegt      gen: Thron, Werth. Im Falle des i kommt noch
wurde, tauchte jedoch das h hinter dem t wie-     die Möglichkeit des Verlängerns durch ein da-
der in originär lateinischen Wörtern auf. Man     hinter gestelltes e hinzu (Dieb, Liebe), was
kann das als Rechtschreibfehler werten,           früher vor allem im niederdeutschen Raum
muss aber bedenken, dass es damals keine          auch bei weiteren Vokalen gebräuchlich war
Normierung der Schriftsprache gab. Auch die       (Kevelaer, Soest, Kues).
Kartäusermönche selbst schrieben ihren Or-            Nun steht in „Kartause“ und „Kartäuser“
densnamen nicht mehr einheitlich. Wie die         das t ja nicht vor gedehnten Vokalen, sondern
Zusammenstellung alter Kartäuser-Handschrif-      vor Diphtongen. Diese erschienen dem
ten von HOGG (2002) zeigt, behielten manche –     Sprachempfinden anscheinend teils als kurz,
vielleicht philologisch mehr bewanderte – Mön-    teils als gedehnt, weshalb man sowohl die
che die klassische Schreibweise bei, während      Schreibweisen „Teutschland“ als auch „theu-
andere Formen wie „Carthusiani“ benutzten.        er“ findet. Im Falle von „Karthäuser“ und „Kart-
Auch in den Namen bedeutender Persönlich-         hause“ scheint man die Diphtonge als gedehnt
keiten des Ordens wie Jacobus Carthusiensis       empfunden zu haben.
(1381–1465) und Dionysius Carthusianus                Mit verschiedenen Begründungen beklag-
(1402?–1471) schlug sich der neue Schreib-        ten die Reformer der deutschen Rechtschrei-
gebrauch nieder.                                  bung im 19. Jahrhundert die geschilderte Un-
Kart(h)äuser-Nelke                                     151

einheitlichkeit. Schon die Gebrüder Grimm           sche Pflanzennamen nicht für erwähnenswert
forderten eine radikale Vereinheitlichung, wel-     hielten.
che u. a. die völlige Abschaffung des Deh-              Dudens Verdikt von 1880 wirkte sich also
nungs-h beinhaltete (SCHEURINGER 1996).             in der botanischen Literatur mit großer Ver-
Einzig bei griechischen Lehnwörtern wie             spätung aus. Nur vereinzelt folgten ihm Ver-
„Theater“ sollte weiterhin ein h hinter t erlaubt   fasser von Florenwerken. Die Bearbeiter von
sein. Sie konnten sich jedoch gegenüber dem         Rothmalers „Exkursionsflora von Deutsch-
Verleger nicht durchsetzen, weshalb sie mit         land“ übernahmen eine Vorreiterrolle, als sie
ihrem Deutschen Wörterbuch (GRIMM 1854)             nach 1960 zur Duden-Schreibweise über-
das gesteckte Ziel nicht erreichten.                wechselten und in allen folgenden Auflagen
    Erst Konrad Duden, der sich vor allem aus       konsequent dabei blieben. Einen deutlichen
phonetischen Gründen für eine Vereinheitli-         Schub in Richtung „Kartäuser“ bewirkte die
chung und Vereinfachung der deutschen               1998 erschienene Standardliste der Farn- und
Sprache einsetzte (DUDEN 1872), gelang es,          Blütenpflanzen Deutschlands. Derzeit richtet
breite Anerkennung zu finden. Er verstand es,       sich die Mehrzahl der Florenverfasser nach
die Kultusverwaltungen und die Drucker-In-          Duden.
nungen auf seine Seite zu bringen. Er er-               Ob dadurch zum Sieg der Version ohne h
reichte, dass – abgesehen von griechischen          beigetragen wird, ist fraglich, da Fachliteratur
Lehnwörtern – das th aus den Regelwerken            den sprachlichen Trend wohl offenbar nur ge-
für die deutsche Rechtschreibung und aus            ringfügig beeinflusst. Am wahrscheinlichsten
Lexika verbannt wurde.                              ist, dass die beiden Schreibweisen weiterhin
    Was die Schreibweise „Kartäuser“ betrifft,      koexistieren. Aus philologischer Sicht fällt es
bewirkte er damit – ohne dass dies sein Motiv       schwer, sich für eine zu entscheiden. Für
war – zugleich eine Rückkehr zu den etymo-          „Kartäuser“ sprechen die Etymologie und die
logischen Wurzeln im klassischen Latein und         stärkere Übereinstimmung mit anderen euro-
eine Angleichung an viele europäische Spra-         päischen Sprachen. Für „Karthäuser“ lässt
chen, wo es nie zur Einfügung des h gekom-          sich ins Feld führen, dass im deutschen
men war. Als Beispiele seien genannt: Certo-        Sprachraum der Trend zu dieser Schreib-
sino (italienisch), Cartoixa (katalanisch), Kar-    weise schon vor etwa einem halben Jahrtau-
tuizer (niederländisch), Kartuz (polnisch).         send einsetzte, einige Jahrhunderte lang be-
    Dudens Reform setzte sich unterschiedlich       herrschend war und auch aktuell alles andere
durch. In geisteswissenschaftlicher Literatur       als schwach ist. Zugunsten dieser Schreib-
wird „Kartäuser“ heute weitgehend ohne h            weise spricht auch die Übereinstimmung mit
geschrieben. In theologischen Abhandlungen          dem Stamm des wissenschaftlichen Epithe-
über den Kartäuserorden geht dies zuweilen          tons und mit dem zur wissenschaftlichen
so weit, dass beim Zitieren älterer Werke die       Weltsprache gewordenen Englisch.
originale th-Schreibweise korrigiert wird.
    In naturwissenschaftlicher Literatur und erst
recht im nichtwissenschaftlichen Schrifttum         Literatur
(siehe die Angaben zum Internet weiter oben)
ist der Schreibgebrauch nach wie vor unein-         BAUHIN, C. 1623: Pinax Theatri Botanici. –
heitlich. Einige neuere Rechtschreibwerke z. B.        Basel: Regis (Königs).
von Bertelsmann (HERMANN & GÖTZE 1996)              CARL, H. 1957: Die deutschen Pflanzen- und
lassen deshalb neben der Hauptform ohne h              Tiernamen. – Wiesbaden: Quelle & Meyer.
die Nebenform mit h gelten.                         DUDEN, K. 1872: Die deutsche Rechtschrei-
    Der uneinheitliche Gebrauch spiegelt sich          bung. – Leipzig: Teubner.
wie zu erwarten auch in der botanischen Lite-       DUDEN-REDAKTION (ed.) 1986: Rechtschrei-
ratur wider. Die Tabelle im Anhang, die eine           bung der deutschen Sprache und der
Auswahl florenkundlicher Fachbücher enthält,           Fremdwörter, ed. 19. – Mannheim: Duden.
lässt folgendes erkennen: Vom 16. bis in die        GANNON, M. V. 1997: Carthusians. – p. 726. In:
Mitte des 20. Jahrhunderts dominierte die              CUMMINGS, M. (ed.), Encyclopedia Ameri-
Schreibweise mit h. Viele Florenwerke dieser           cana, ed. 5. – Oxford: University.
Epoche liefern zum Thema allerdings keinen          GENAUST, H. 1976: Etymologisches Wörter-
Beitrag, da sich die Verfasser allein der Ge-          buch der botanischen Pflanzennamen. –
lehrtensprache Latein bedienten und deut-              Basel: Birkhäuser.
152                                        H. Reichert

— 1996: Etymologisches Wörterbuch der bo-            Leipzig: Duncker & Humblot.
    tanischen Pflanzennamen, ed. 3. – Basel:      LINNAEUS, C. 1738: Hortus Cliffortianus –
    Birkhäuser.                                      Amstelaedami: [kein Verlag].
GESNER, C. 1561: De hortis germaniae liber. –     — 1748: Hortus upsaliensis – Stockholmiae:
    Straßburg [ohne Verlagsangaben und zu-           Laurentii Salvii.
    sammengebunden mit posthum publizier-         — 1753: Species plantarum 1. – Holmiae:
    ten Werken von Valerius Cordus.                  Laurentii Salvii.
    http://www.biodiversitylibrary.org/subject/   LOESELIUS, J. 1703: Flora prussica. – Königs-
    Botany].                                         berg: Georgi.
GRIMM, J. & GRIMM, W. 1854: Deutsches Wör-        MCNEILL, J., BARRIE, F. R., BURDET, H. M., DE-
    terbuch. – Leipzig: Hirzel.                      MOULIN, V., HAWKSWORTH, D. L., MARHOLD,
GUETTARD, J. E. 1747: Observations sur les           K., NICOLSON, D. H., PRADO, J., SILVA,
    plantes. – Paris: Durand.                        P. C., SKOG, J. E., WIERSEMA, J. H. &
HEGI, G. 1910: Illustrierte Flora von Mitteleu-      TURLAND, N. J. 2006: International Code
    ropa 3. – München: Lehmann.                      of Botanical Nomenclature (Vienna Code)
HERMANN, U. & GÖTZE, L. 1996: Die neue               adopted by the Seventeenth International
    deutsche Rechtschreibung. – München:             Botanical Congress Vienna, Austria, July
    Lexikographischen Institut, Lizenzaus-           2005. – Regnum Veg. 146.
    gabe des Bertelsmann-Verlages.                MÄGDEFRAU, K. 1973: Geschichte der Bota-
HOGG, J. 2002: Kartäuserhandschriften in öf-         nik. – Stuttgart: Fischer.
    fentlichen Bibliotheken Frankreichs. – p.     MARZELL, H. 1972: Wörterbuch der deutschen
    423–474. In: LORENZ, S. (ed.), Bücher,           Pflanzennamen 2. – Leipzig: Hirzel.
    Bibliotheken und Schriftkultur der Kartäu-    MÜLLER, O. F. 1774: Vermium terrestrium et
    ser. – Stuttgart: Steiner.                       fluviatulum, seu animalium infusorium,
KÖSTER, R. 2003: Eigennamen im deutschen             helminthicorum et testaceorum, non mari-
    Wortschatz. – Berlin & al.: de Gruyter.          num, succincta historia 2. – Havniae (Ko-
KRAUSE, E. H. L. 1905: J. Sturm's Flora von          penhagen): Heinek & Faber.
    Deutschland in Abbildungen nach der Na-       MÜLLER-LANCÉ, J. 2006: Latein für Romanis-
    tur, ed. 2. Band 5: Mittelsamige und Hau-        ten. – Tübingen: Narr.
    fenfrüchtige, Centrospermae und Polycar-      MÜNSTER, S. 1588: Cosmographey. – Basel:
    picae. – Stuttgart: K. G. Lutz.                  Henricpetri.
LEUNIS, J. 1864: Synposis der drei Naturrei-      SCHEURINGER, H. 1996: Geschichte der deut-
    che. Zweiter Theil. Botanik, ed. 2. – Han-       schen Rechtschreibung. – Wien: Edition
    nover: Hahn'sche Hofbuchhandlung.                Praesens.
LILIENCRON, R. VON (ed.) (1876): Allgemeine       SEGUIER, J. F. 1745: Plantae veronenses. –
    deutsche Biographie. 4. Carmer – Deck. –         Verona: Seminarium.
Kart(h)äuser-Nelke                                         153

Anhang: Eine chronologisch angeordnete Auswahl botanischer Literatur gesondert nach den
 beiden Schreib-Varianten des deutschen Namens von Dianthus carthusianorum. Etwas ab-
 weichende ältere Schreibweisen sind in Klammern beigefügt.

               Kartäuser-Nelke                                      Karthäuser-Nelke

                                                1561 Gesner, C.: De hortis germani liber. – Straßburg
                                                     (Karthuserblümle)
                                                1588 Camerarius, J.: Hortus medicus et philosophicus,
                                                     Frankfurt/Main (Cartheuserblümlin)
1594 Harder, H.: Herbarium. – Ulm
     (Kartusiernägelin)
                                                1613 Besler, B.: Hortus Eystettensis. Band 2. –
                                                     Regensburg (Kartheusernegelein)
                                                1789 Schrank, F. v. Paula: Baierische Flora. 1. Band –
                                                     München (Kartheusernelke)
                                                1793 Sprengel, C. C.: Das entdeckte Geheimnis der Natur
                                                     im Bau und in der Befruchtung der Blumen. – Berlin
                                                1826 Schäfer, M.: Trierische Flora. Teil 1. – Trier
                                                1844 Löhr, M. J.: Taschenbuch der Flora von Trier. – Trier
                                                1888 Dosch, L. & Scriba, J.: Exkursionsflora des Groß-
                                                     herzogtums Hessen, ed. 3. – Darmstadt
                                                1903 Geisenheyner, L.: Flora von Kreuznach. – Kreuznach
1905 Klein, L.: Exkursionsflora für das Groß-
     herzogtum Baden. – Stuttgart
                                                1905 Krause, E. H. L.: Sturm’s Flora von Deutschland in
                                                     Abbildungen, ed. 2. – Stuttgart
                                                1920 Andres, H.: Flora des mittelrheinischen Berglandes.
                                                     – Wittlich
                                                1922 Garcke, A.: Illustrierte Flora von Deutschland,
                                                     ed. 22. – Berlin
                                                1926 Hoeppner, H. & Preuß, H.: Flora des Westfälisch-
                                                     Rheinischen Industriegebietes. – Dortmund
                                                1939 Schmeil, O. & Fitschen, J.: Flora von Deutschland,
                                                     ed. 51. – Leipzig
                                                1949 Oberdorfer, E.: Pflanzensoziologische Exkursions-
                                                     flora, ed. 1. – Stuttgart
                                                1952 Rothmaler, W.: Exkursionsflora, ed. 1. – Berlin
                                                1957 Carl. H.: Die deutschen Pflanzen- und Tiernamen.
                                                     – Heidelberg

1962 Rothmaler, W.: Exkursionsflora von
     Deutschland, ed. 3. – Berlin
                                                1964 De Witt, H. C. D.: Knaurs Pflanzenreich in Farben,
                                                     Band 1. – Zürich
                                                1972 Garcke, A.: Illustrierte Flora von Deutschland,
                                                     ed. 23. – Berlin
                                                1973 Aichele, D. Was blüht denn da?, ed. 36 – Stuttgart
1979 Hegi, G.: Illustrierte Flora von Mittel-
     europa, Band III/1, Teil 2 – Berlin
1982 Landolt, E.: Geschützte Pflanzen der
     Schweiz. – Basel
154                                             H. Reichert

               Kartäuser-Nelke                                     Karthäuser-Nelke

1987 Rothmaler, W.: Exkursionsflora. 3:
     Atlas der Gefäßpflanzen. – Berlin
                                                1989 Schauer, T. & Caspari C.: Der große BLV-Pflanzen-
                                                     führer, ed. 5. – München
1991 Schlosser, S. & al.: Wildpflanzen
     Mitteleuropas. – Berlin
                                                1993 Sebald, O. & al.: Die Farn- und Blütenpflanzen
                                                     Baden-Württembergs. Band 1, ed. 2. – Stuttgart
                                                1994 Adler, W. & al.: Exkursionsflora von Österreich,
                                                     ed. 1. – Stuttgart
                                                1994 Düll, R. & Kutzelnigg: Botanisch-ökologisches
                                                     Exkursionstaschenbuch, ed. 5. – Wiesbaden
                                                1995 Weber, H. E.: Flora von Südwest-Niedersachsen
                                                     und dem benachbarten Westfalen. – Osnabrück
1996 Lauber, K. & Wagner, G.: Flora Hel-
     vetica. – Bern
1998 Wisskirchen, R. & Haeupler, H.: Stan-
     dardliste der Farn- und Blütenpflanzen
     Deutschlands. – Stuttgart
1999 Barthel, K. J. & Pusch, J.: Flora des
     Kyffhäusergebirges und der näheren
     Umgebung. – Jena
2001 Oberdorfer, E.: Pflanzensoziologi-
     sche Exkursionsflora, ed. 8. – Stuttgart
                                                2004 Lüder, L.: Grundkurs Pflanzenbestimmung, ed. 3. –
                                                     Wiebelsheim
2004 Lambinon, J. & al.: Nouvelle Flore de
     la Belgique, du Grand-Duché de Lu-
     xembourg, du Nord de la France et
     des régions voisines, ed. 5. – Meise
2005 Rothmaler, W.: Exkursionsflora von
     Deutschland. Band 4 Gefäßpflanzen:
     Kritischer Band. – München:
2005 Düll, R. & Kutzelnigg: Botanisch-ökologisches Exkursionstaschenbuch, ed. 6. – Wiesbaden
     (Die Autoren schreiben „Kart(h)äuser-Nelke“ und stellen somit beide Möglichkeiten anheim.)
2005 Fischer, M. A. & al.: Exkursionsflora von Österreich, Liechtenstein und Südtirol, ed. 2. – Linz
     („auch Schreibung Karthäuser … ist üblich“)
2006 Zündorf, H.-J. & al.: Flora von Thürin-
     gen. – Jena
2008 Meierott, L.: Flora der Hassberge und
     des Grabfeldes. – Eching
                                              2008     Seybold, S. & al.: Der große Zander – Enzyklo-
                                                       pädie der Pflanzennamen. Band 2: Arten und
                                                       Gattungen. – Stuttgart
Sie können auch lesen