Erfreuliche Neuerungen im DBA Deutschland-Schweiz
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STEUERN Heiko Kubaile Erfreuliche Neuerungen im DBA Deutschland–Schweiz Nullregelung, Missbrauchsvorschrift, Amtshilfeklausel Trotz weiteren Steuerausfällen und EU-Druck stimmt weiterer Informationsbedarf. Anfang Dezember 2002 konnten die letzten Deutschland letztendlich der Nullregelung auf Divi- Einwände ausgeräumt werden. Der dendenausschüttungen zu. Im vorliegenden Artikel Weg für die deutsche Zustimmung war frei. Aufgrund der späten Zustimmung werden die Nullregelung sowie die weiteren Ände- durch den deutschen Bundesrat am 20. rungen dargestellt. Dezember 2002 war die Ratifizierung nicht mehr, wie anfangs geplant, im Jahr 2002 möglich. In Deutschland stand vorab noch die formelle Umset- zung des Gesetzgebungsverfahrens aus. Dies war am 12. Februar 2003 ab- 1. Einleitung 2. Inkrafttreten der geschlossen, sodass das Revisionspro- tokoll zum DBA D–CH vom 12. März Die Zweifel an der deutschen Zustim- DBA-Änderungen 2002 durch Austausch der Ratifizie- mung zu den Neuregelungen im Dop- Zunächst wurde erwartet, dass die Ra- rungsurkunden am 24. März 2003 in pelbesteuerungsabkommen Deutsch- tifizierung noch im Jahr 2002 erfolgen Kraft treten konnte. land–Schweiz (hiernach DBA D–CH) könnte. Allerdings verschob der deut- waren nicht zu überhören, letztendlich sche Bundesrat die abschliessende Das verspätete Inkrafttreten hat kei- jedoch unbegründet. Im Dezember Abstimmung mehrfach. Hintergrund nen Einfluss auf die Neuregelung bei 2002 schafften Deutschland und die waren die parallel stattfindenden Ge- Dividendenausschüttungen an eine Schweiz rückwirkend auf den 1. Januar spräche der EU mit der Schweiz zur wesentlich beteiligte Kapitalgesell- 2002 die Verrechnungssteuer (Quel- grenzüberschreitenden Zinsbesteue- schaft. Diese werden rückwirkend zum lensteuer) auf Dividendenausschüttun- rung. Die Europäische Union sah 1.1.2002 vollständig von der Quellen- gen an eine wesentlich, d.h. zumindest durch die geplante Änderung des DBA steuer befreit. Die weiteren Änderun- 20% beteiligte Muttergesellschaft im D–CH eine mögliche Verschlechte- gen sind jedoch von dem verspäteten jeweiligen Nachbarstaat vollständig ab. rung der eigenen Verhandlungsposi- Inkrafttreten betroffen. Dies verdeut- Damit wurde eine Angleichung an die tion. Insofern bestand EU-intern ein licht die Übersicht auf der nächsten innerhalb der Europäischen Union Seite. (EU) bestehende sog. Mutter-Tochter- Richtlinie [1] erreicht und ein verbes- sertes Klima für grenzüberschreitende 3. Geänderte DBA-Normen Investitionen in beiden Ländern ge- schaffen. Bei wesentlichen Beteiligun- 3.1 Nullregelung für gen wird zukünftig auch in der Schweiz Quellensteuern auf die in Deutschland bereits seit Jahren Dividendenausschüttungen praktizierte Entlastung an der Quelle 3.1.1Anwendungsbereich eingeführt. Für die deutschen Gesell- der Nullregelung schafter wird hierdurch ein wesent- licher Liquiditätsvorteil erreicht, der Wie eingangs ausgeführt, fallen nur Di- Schweizer Investoren bereits seit lan- videnden an eine wesentlich beteiligte gem gewährt wird. Ferner werden die Kapitalgesellschaft unter den Anwen- oftmals als ungerecht beklagten engen dungsbereich der Nullregelung. Hierzu Missbrauchsvorschriften des Art. 23 regelt Art. 10 Abs. 3 DBA D–CH n.F.: DBA D–CH durch die jeweiligen nationalen Vorschriften ersetzt und Heiko Kubaile, Steuerberater «Ungeachtet des [Art. 10] Abs. 2 [DBA deutschen Rechts, Leiter German Tax Desk, eine neue Amtshilfeklausel eingeführt Ernst & Young, Zürich D–CH] dürfen Dividenden in dem Ver- (Art. 27 DBA D–CH). tragsstaat, in dem die die Dividende 646 Der Schweizer Treuhänder 8/03
STEUERN Heiko Kubaile, Erfreuliche Neuerungen im DBA Deutschland–Schweiz sind, sodass für die Frage, ob die Null- Übersicht regelung anwendbar ist, auf die jewei- Inkrafttreten der Neuerungen ligen Gesellschafter abgestellt wird. Somit kann eine Kapitalgesellschaft, 1. 1. 2002 1. 1. 2004 die über eine Personengesellschaft zu mindestens 20% an einer Gesellschaft Nullregelung für Dividendenausschüttungen X im anderen Staat beteiligt ist, ebenfalls (Art. 10 Abs. 2 DBA D–CH) die Nullregelung beanspruchen [3]. Ist Missbrauchsklausel X der Anteilseigner dagegen eine natürli- (Art. 23 DBA D–CH) che Person oder eine nicht wesentlich Amtshilfeklausel X beteiligte Kapitalgesellschaft (ein Anteil (Art. 27 DBA D–CH) von unter 20%), beträgt die Schweizer Verrechnungssteuer bzw. die deutsche Neuformulierung des Art. 4 Abs. 6 DBA D–CH X Kapitalertragsteuer 15%. Bis zur Ab- Entlastung von der Schweizer Verrechnungssteuer schaffung des deutschen Anrechnungs- an der Quelle 1. 7. 2003 verfahrens betrug die deutsche Quel- lensteuer dagegen noch 10% (Art. 10 Abs. 3 DBA D–CH a. F.) [4]. In der zahlende Gesellschaft ansässig ist, nicht Eine über eine andere Gesellschaft Schweiz beträgt somit auch die steuer- besteuert werden, wenn der Empfänger gehaltene mittelbare Beteiligung an der liche Bemessungsgrundlage wieder der Dividende eine im anderen Ver- Enkelgesellschaft reicht dagegen regel- 100% der Bruttodividende anstelle der tragsstaat ansässige Gesellschaft ist, die mässig nicht – selbst dann, wenn die 105% (Art. 24 Abs. 2 Nr. 1 lit. b DBA unmittelbar über mindestens 20 von deutsche Muttergesellschaft Alleinge- D–CH). Durch diese Änderungen ist Hundert des Kapitals der die Dividen- sellschafterin der Tochtergesellschaft die pauschale Steueranrechnung nicht den zahlenden Gesellschaft verfügt.» wäre. In Konzernfällen ist diese streng betroffen. Sie beträgt in beiden Län- formale Einschränkung aus wirtschaft- dern 15%. Nach Art. 3 Abs. 1 lit. e DBA D–CH lichen Gesichtspunkten nicht immer bedeutet der Ausdruck «Gesellschaft» nachvollziehbar. Eine Mindesthalte- Vereinzelt wurde über die Altreserven- ausschliesslich juristische Personen dauer besteht dagegen nicht. problematik diskutiert [5]. Hinter- oder Rechtsträger, die für die Besteue- grund ist die Frage, ob auch Substanz- rung wie juristische Personen behan- Mit Blick auf Personengesellschaften dividenden, d.h. vor 2002 erwirtschaf- delt werden. Eine weitere wichtige stellt das Protokoll klar, dass diese Ge- tete Gewinne, die bisher thesauriert Voraussetzung ist, dass die 20%ige Be- sellschaften von beiden Staaten als wurden und erst nach dem 1.1.2002 teiligung unmittelbar gehalten wird. steuerlich transparent [2] zu behandeln ausgeschüttet werden, unter die neue Der Schweizer Treuhänder 8/03 647
STEUERN Heiko Kubaile, Erfreuliche Neuerungen im DBA Deutschland–Schweiz Nullregelung fallen. Dies ist regelmäs- sig zu bejahen. Ein Anwendungsfall Beispiel 1 der Altreservenproblematik liegt nicht vor. Mit einem negativen Bescheid ist Eine Personengesellschaft in der Schweiz hält eine wesentliche Beteiligung von ausnahmsweise dann zu rechnen, wenn 50 % an einer deutschen GmbH. An der Personengesellschaft sind je zur Hälfte eine missbräuchliche Inanspruchnahme eine Schweizer Privatperson sowie eine Schweizer Aktiengesellschaft beteiligt. und damit eine Steuerumgehung vor- liegt. Dieser Tatbestand kann regelmäs- sig über den Nachweis von wirtschaftli- AG chen Gründen entkräftet werden. Massgebend für den Anwendungszeit- punkt der Nullregelung ist der Zeit- punkt der Dividendenfälligkeit. Der Beschlusszeitpunkt oder der tatsäch- 50% 50% liche Zufluss der Dividende ist dage- gen unbeachtlich. Soweit somit seit 2002 Dividendenzahlungen an eine zu KG mindestens 20% beteiligte juristische Person fällig wurden, kann die bis- her einbehaltene Sockelsteuer von 5% CH auf zusätzlichen Antrag erstattet wer- den [6]. In der Schweiz ist hierfür das Formular 85 einschlägig und in D 50% Deutschland das Formular «R-D 2». GmbH 3.1.2 Entlastung an der Quelle Dividenden können im Quellenstaat besteuert werden [7]. Aufgrund natio- naler Vorschriften, werden sowohl in liche Entlastung von der Quellen- neu keiner Quellensteuer unterliegen – der Schweiz als auch in Deutschland steuer [9]. Auch weiterhin steht juristi- zu differenzieren: Anteilseigner mit ei- die Steuern auf Dividenden zunächst schen Personen das Erstattungs- und ner Beteiligung von mindestens 10%, im Abzugswege, d.h. an der Quelle er- das Freistellungsverfahren (Entlastung aber weniger als 20% erhalten hier- hoben. Die zuviel bezahlte Quellen- an der deutschen Quelle) zur Verfü- nach eine Teilfreistellung auf 15%. steuer wird wieder über das Erstat- gung. Bei Dividenden wird zunächst Liegt dagegen eine wesentliche Betei- tungsverfahren erstattet. Darüber hin- die sogenannte Kapitalertragsteuer ligung von mindestens 20% vor, wird aus greift in Deutschland bereits seit von 20% zuzüglich 5,5% Solidaritäts- eine vollständige Freistellung auf 0% Jahren das Freistellungsverfahren, durch zuschlag erhoben. Schweizer Gläubi- gewährt. das eine sofortige Entlastung an der ger sind nach Massgabe des DBA D– Quelle erreicht wird. Ab 1. 7. 2003 CH sowie § 43b Einkommensteuer- Bisher musste das Bundesamt für Fi- steht die Entlastung an der Schweizer gesetz (hiernach EStG) von dieser nanzen auf Antrag selbst dann noch Quelle auch deutschen Muttergesell- Abzugsteuer ganz oder teilweise zu eine Freistellungsbescheinigung ausstel- schaften zur Verfügung [8]. Dieses Ver- entlasten. Dies geschieht grundsätzlich len, wenn der deutsche Schuldner der fahren steht nur wesentlich beteiligten mittels Erstattungsantrag. Bei sog. Vergütung die Auszahlungen bereits Anteilseignern zu. Die technische Um- Schachtelbeteiligungen ist auch ein ohne Abzug der Quellensteuer, also setzung erfolgt über das Meldeverfah- Freistellungsverfahren möglich, bei brutto für netto vorgenommen hatte ren. Die ESTV hat das genaue Verfah- dem der Schuldner den Steuerabzug (vgl. BFH-Urteil vom 11. 10. 2000). ren am 4.6.2003 auf ihrer Homepage von vorneherein ganz oder teilweise Hierzu musste ein nachträglicher Frei- veröffentlicht. Hiernach muss die aus- unterlassen kann. Dabei gewährt stellungsantrag gestellt werden. Diese schüttende Schweizer Tochtergesell- Deutschland die Entlastung an der grosszügige Regelung wurde mit Wir- schaft das Formular 107 zusammen mit Quelle – anders als die abkommens- kung ab 1. 1. 2002 eingeschränkt. Da- dem amtlichen Erhebungsformular bei rechtliche Nullregelung auf wesentli- nach beginnt die Geltungsdauer der der ESTV innerhalb von 30 Tagen nach che Beteiligungen selbst – bereits ab Freistellungsbescheinigung frühestens der Dividendenfälligkeit unaufgefor- einer (Schachtel)Beteiligung von 10%. an dem Tag, an dem der Antrag tat- dert einreichen. Insofern ist zwischen Schachtelbeteili- sächlich beim Bundesamt für Finanzen gungen i.S.d. §43b EStG – die an dem eingeht (§ 50d Abs. 2 S. 4 EStG). Eine Durch die Teilrevision des DBA D–CH (Teil)Freistellungsverfahren partizipie- nachträgliche Gewährung ist nicht ergeben sich in Deutschland keine ren – und wesentlichen Beteiligungen mehr möglich. Es ist zu empfehlen, sich Neuerungen für die abkommensrecht- i.S.d. Art. 10 Abs. 2 DBA D–CH – die auf diese neue – verschärfte – Rechts- 648 Der Schweizer Treuhänder 8/03
STEUERN Heiko Kubaile, Erfreuliche Neuerungen im DBA Deutschland–Schweiz ren (Formulare R-D 5/R-Da) oder das Beispiel 2 Erstattungsverfahren (Formular R-D 2), bei der Privatperson jedoch ausschliess- Gleicher Fall wie im Beispiel 1, allerdings ist die Schweizer Privatperson zu zwei lich über das Erstattungsverfahren Dritteln an der Personengesellschaft beteiligt und die Schweizer Aktiengesell- (Formular R-D 1). Die Anteilseigner schaft dagegen nur zu einem Drittel. müssen zwei getrennte Anträge stellen. Zu Beispiel 2: In diesem Fall ist die Schweizer Aktiengesellschaft nicht in AG wesentlichem Umfang (≥20%) an der deutschen GmbH beteiligt und kann daher auch keine vollständige Entla- stung an der Quelle (Nullsatz) bean- spruchen. Bei beiden Anteilseignern re- 66 2/3% 331/3% duziert sich die Quellensteuer auf 15%. Als Verfahren steht bei der Schweizer Privatperson das Erstattungsverfahren zur Verfügung (R-D 1). Aufgrund KG ihrer mindestens 10%igen Beteili- gung (Schachtelbeteiligung), ist für die Schweizer-AG das Teilfreistellungs- CH verfahren (Formulare R-D 5/R-Da) so- wie das Erstattungsverfahren (R-D 2) D 50% möglich. GmbH Zu Beispiel 3: Die vier deutschen Privat- personen erhalten eine Reduktion der auf den Dividenden aus der Schweiz einbehaltenen Verrechnungssteuer von lage einzustellen und entsprechende Anträge rechtzeitig vor Abfluss der Beispiel 3 Vergütungen zu stellen. Erhält das Fi- nanzamt Kenntnis vom unterlassenen Eine deutsche Personengesellschaft ist Alleinaktionärin einer Schweizer Aktien- Steuerabzug, ohne dass eine Freistel- gesellschaft. An der deutschen Personengesellschaft sind vier deutsche Privat- lungsbescheinigung vorliegt, kann es personen sowie eine deutsche GmbH zu je einem Fünftel (20 %) beteiligt. die nicht abgeführte Steuer durch Haf- tungsbescheid festsetzen. Wer die deut- sche Finanzverwaltung kennt, weiss, dass sie diese Möglichkeit zukünftig GmbH auch beanspruchen wird. 3.1.3 Veranschaulichende Beispiele Die zuvor skizzierten Neuerungen je 20% bzgl. den Änderungen im Bereich der Dividendenausschüttung verdeutlichen die folgenden drei Beispiele: GmbH Zu Beispiel 1: Lediglich die Schweizer & Co. KG Aktiengesellschaft wird von der deut- schen Kapitalertragsteuer auf den Divi- D denden vollständig entlastet (Absen- kung der Quellensteuer auf 0%). Die Schweizer Privatperson erhält dagegen CH 100% nur eine Reduktion der deutschen Ka- pitalertragsteuer auf 15%. Die Entla- AG stung von der Quellensteuer erfolgt bei der wesentlich beteiligten Kapitalge- sellschaft über das Freistellungsverfah- Der Schweizer Treuhänder 8/03 649
STEUERN Heiko Kubaile, Erfreuliche Neuerungen im DBA Deutschland–Schweiz 35% auf 15%. Als Verfahren steht aus- gene Wirtschaftstätigkeit ausübt. Für rechtfertigte bzw. missbräuchliche In- schliesslich das Erstattungsverfahren eine wirtschaftliche Tätigkeit spricht, anspruchnahme einer DBA-Regelung (Formular 85) zur Verfügung. Für wenn eine aktive Tätigkeit i.S.d. § 8 einseitig durch nur einen Mitglieds- die deutsche GmbH findet dagegen Aussensteuergesetz (AStG) vorliegt; staat festgestellt worden wäre, hätte der Nullsatz Anwendung (Sockelsteu- Voraussetzung ist allerdings, dass das Problem der Doppelbesteuerung er 0%), den sie über das Meldeverfah- diese Tätigkeit sich nicht ausschliess- latent bestanden. Durch diese Neure- ren (Formulare 107) oder das Erstat- lich ausserhalb des Sitzstaates entfal- gelung soll dies grundsätzlich ver- tungsverfahren (Formular 85) geltend tet [12]. Entgegen der bisherigen Rege- mieden werden. Insofern liegt eine machen kann. lung des Art. 23 DBA D–CH enthält wünschenswerte, sicherlich aber auch §50d Abs. 3 EStG keine Begrenzung notwendige Änderung vor. Der ele- auf einzelne Entlastungsnormen, so- mentare Nachteil ist und bleibt, dass 3.2 Änderung der dass zukünftig grundsätzlich alle ab- das Verständigungsverfahren des DBA abkommensrechtlichen Missbrauchsklausel Neben dem Wegfall der Quellensteuer bei wesentlichen Beteiligungen bringt «Durch die jetzt umgesetzte Nullregelung die DBA-Änderung auch eine An- auf Dividendenausschüttungen an den wesentlich passung der DBA-Klauseln zum Ab- kommensmissbrauch (Art. 23 DBA D– beteiligten Anteilseigner, wird im Verhältnis CH). Danach wird ab 1.1.2004 beiden Deutschland/Schweiz ein Hindernis beseitigt, das Staaten neu das Recht eingeräumt, ihre innerstaatlichen Vorschriften betref- manch eine Investition vereitelte.» fend den Massnahmen gegen die miss- bräuchliche Inanspruchnahme des DBA anzuwenden (Art. 23 Abs. 1 DBA D– CH n.F.). Die jeweiligen nationalen kommensrechtlichen Einkunftsarten be- D–CH beide Vertragsstaaten nicht da- Missbrauchsvorschriften gelangen da- troffen sein dürften [13]. Gleiches gilt zu verpflichtet, eine Verständigungslö- bei erst durch ein Tätigwerden der für den persönlichen Anwendungsbe- sung herbeizuführen. Vielmehr steht jeweiligen Finanzverwaltung zur An- reich. Auch hier ist die nationale deut- im Vordergrund dieser Regelung aus- wendung. sche Missbrauchsvorschrift weiter ge- schliesslich ein sich Bemühen. Inso- fasst. Entgegen der bisherigen Rege- fern wäre eine an das EU-Schieds- Es besteht Einvernehmen, dass in der lung in Art. 23 Abs. 1 DBA D–CH verfahren [14] angelehnte gegenseitige Schweiz die aufgrund des Bundesrats- kommt es bei § 50d Abs. 3 EStG nicht Verpflichtung ein wichtiger nächster beschlusses vom 14.12.1962 ergriffe- auf eine wesentliche oder beherr- Schritt, um wirtschaftlich nicht ge- nen Massnahmen gegen die ungerecht- schende Beteiligung an. Jede Abkom- wollte und auch nicht vertretbare Mehr- fertigte Inanspruchnahme von DBA mensvergünstigung, die einer Person fachbesteuerungen zu vermeiden [15]. unter die neue Missbrauchsregel fallen zuteil wird, kann von der Vorschrift des (sog. BRB 62). Insofern wird auf den § 50d Abs. 3 EStG betroffen sein – je- entsprechenden Bundesratsbeschluss doch nicht für alle beteiligten Personen 3.3 Amtshilfeklausel und die einschlägigen Kreisschreiben («Sippenhaft»), sondern ausschliess- verwiesen [10]. In Deutschland fallen lich für diejenige Person, die ein ent- Bisher galt der Informationsaustausch unter die nationalen deutschen Vor- sprechendes steuerlich schädliches der beiden Vertragsstaaten Deutsch- schriften die allgemeine Missbrauchs- Treaty Shopping nach § 50d Abs. 3 land Schweiz ausschliesslich der richti- norm des § 42 Abgabenordnung sowie EStG ausübt. gen Anwendung des DBA (sog. kleine das allgemeine Verbot des sog. Einkaufs Auskunftsklausel). Dieser Bereich wird in Abkommensrecht (Treaty Shop- Würde durch die Anwendung der na- auch zukünftig von der Amtshilfeklau- ping), das in § 50d Abs. 3 EStG geregelt tionalen Missbrauchsvorschriften eine sel abgedeckt (Art. 27 Abs. 1 lit. a DBA ist. Letztere Vorschrift sieht vor, dass Doppelbesteuerung entstehen, soll D–CH n.F.). Zusätzlich gilt aber ab die DBA-Entlastungen einer ausländi- diese ggf. durch Konsultationen beider dem 1. Januar 2004 neu eine Bestim- schen Gesellschaft versagt werden, falls Vertragsstaaten (Art. 26 Abs. 3 DBA mung, die den Austausch von Informa- Personen [11] an ihr beteiligt sind, D–CH) vermieden werden (Art. 23 tionen auch für die Durchsetzung des denen die Entlastung nicht zustünde, Abs. 2 DBA D–CH n.F.). Ohne diese innerstaatlichen Rechts bei Betrugs- falls sie unmittelbar die Einkünfte Regelung hätte sich der grundsätzlich delikten ermöglicht. Hierzu wurde in erzielen würden. § 50d Abs. 3 EStG vorteilhafte Wegfall der «originären» Art. 27 Abs. 1 lit. b DBA D–CH n.F. entfaltet dagegen dann nicht seine abkommensrechtlichen Missbrauchs- folgendes bestimmt: nachteilige Wirkung, wenn für die Zwi- regelungen des Art. 23 DBA D–CH schenschaltung der ausländischen Per- auch in einen Nachteil umkehren kön- «Amtshilfe wird auch zur Durchfüh- son wirtschaftliche oder sonst beacht- nen. Immer dann, wenn auf Basis in- rung des innerstaatlichen Rechts bei Be- liche Gründe vorliegen und sie eine ei- nerstaatlicher Vorschriften eine unge- trugsdelikten gewährt. Die Vertrags- 650 Der Schweizer Treuhänder 8/03
STEUERN Heiko Kubaile, Erfreuliche Neuerungen im DBA Deutschland–Schweiz staaten werden in ihrem innerstaatli- Deutschland [16] – nicht mit Freiheits- steht das Bankgeheimnis der Aus- chen Recht die zur Durchführung die- strafe geahndet. kunftserteilung nicht entgegen. Hierzu ser Bestimmungen erforderlichen Mass- wurde neu in Art. 27 Abs. 1 DBA nahmen ergreifen.» Die Amtshilfeklausel wird durch das D–CH der Satz 5 eingefügt. internationale Steuergeheimnis einge- Dabei wurde im Protokoll klargestellt, schränkt. In Art. 27 Abs. 1 S. 3 DBA D– Für das verfahrensrechtliche Vorgehen dass ein Betrugsdelikt ein betrügeri- CH wird hierzu festgehalten: «Jede auf wird für die Schweiz im Verhandlungs- sches Verhalten darstellt, welches nach diese Weise ausgetauschte Auskunft protokoll die Vorgehensweise darge- dem Recht beider Staaten als Steuer- soll geheim gehalten und niemanden zu- legt [17]. Für die deutsche Seite wird auf das ausführliche Merkblatt zur zwi- schenstaatlichen Amtshilfe durch Aus- kunftsaustausch in Steuersachen ver- «Die Zweifel an der deutschen Zustimmung wiesen [18]. zu den Neuregelungen im Doppelbesteuerungs- abkommen Deutschland-Schweiz waren nicht zu 4. Fazit und Ausblick überhören, letztendlich jedoch unbegründet.» Durch die jetzt umgesetzte Nullrege- lung auf Dividendenausschüttungen an den wesentlich beteiligten Anteilseig- ner, wird im Verhältnis Deutschland/ vergehen gilt und mit einer Freiheits- gänglich gemacht werden, der sich nicht Schweiz ein seit vielen Jahren als strafe geahndet wird. Amtshilfe kann mit der Veranlagung, der Erhebung, der störend empfundenes Hindernis besei- somit nur gewährt werden, wenn die Rechtsprechung oder der Strafverfol- tigt, das manch eine Investition verei- Tat (auch) nach schweizerischem gung hinsichtlich der unter dieses Ab- telte. Beachtet man die Tatsache, dass Recht einen Steuerbetrug darstellen kommen fallenden Steuern befasst.» es sich hierbei um eine Mehrfachbe- würde. Hierzu zählt in der Schweiz je- Bei Geschäftsgeheimnissen wird die steuerung handelte, kann nur begrüsst doch ausschliesslich der Steuerbetrug Auskunftserteilung völlig untersagt: werden, dass sich beide Staaten auf im Sinne der Art. 186 Abs. 1 DBG und «Auskünfte, die irgendein Handels- oder eine entsprechende Reglung einigen Art. 59 Abs. 1 StHG, der mit Freiheits- Geschäfts-, gewerbliches oder Berufs- konnten. Für die Verbesserung des all- strafe geahndet werden kann. Als wich- geheimnis oder ein Geschäftsverfahren gemein schlechten Investitionsklimas tigster Unterschied wird dagegen in offenbaren würden, dürfen nicht aus- kann dies nur förderlich sein. Gleiches der Schweiz die Steuerhinterziehung getauscht werden» (vgl. Art. 27 Abs. 1 gilt für die Änderung der abkommens- (Art. 175 Abs. 1 DBG) – anders als in S. 4 DBA D–CH). Bei Betrugsdelikten rechtlichen Missbrauchsvorschriften. Der Schweizer Treuhänder 8/03 651
STEUERN Heiko Kubaile, Erfreuliche Neuerungen im DBA Deutschland–Schweiz Bei der erweiterten Amtshilfeklausel 3 Hat die Kapitalgesellschaft beispielsweise in 10 Die wesentlichen Unterschiede des Schwei- den Niederlanden ihren Sitz, greift dagegen zer Missbrauchsbeschlusses zu Art. 23 Abs. 1 wird sich erst in der Praxis zeigen, ob das DBA NL–CH. DBA D–CH betreffen Erleichterungen für die Änderungen ihre gewollte Wirkung bestimmte Gesellschaften wie bspw. börsen- 4 Der bisherige Art. 10 Abs. 3 DBA D–CH kotierte Gesellschaften und Holdinggesell- entfalten. Es bleibt zu befürchten, dass wird gestrichen und regelt zukünftig die Null- schaften sowie das Fehlen von missbrauchs- die deutsche Seite bestrebt sein wird, regelung. spezifischen Finanzierungsvorschriften. ihren Anwendungsbereich sukzessive 5 Vgl. u.a. IStR 2002, S. 630ff. 11 Hierzu zählen auch in Deutschland unbe- zu erweitern. Insofern wird der Hal- 6 Vgl. Homepage (www.estv.admin.ch) der schränkt Steuerpflichtige (vgl. Blümich, tung der Vertreter der ESTV zukünf- ESTV vom 12. 3. 2002. Eine automatische EStG, § 50d Abs. 3, Rz. 36). tig eine zentrale Rolle zuteil werden. Rückerstattung der 5%igen Sockelsteuer ist 12 Vgl. Blümich, EStG, § 50d Abs. 3 EStG, Rz. nicht möglich. 31, Krabbe, IStR 1995, S. 382. 7 Nach Art. 28 Abs. 1 DBA D–CH wird das 13 Vgl. Zwosta in Debatin/Wassermeyer, Rz. 57 Recht zur Vornahme des Steuerabzugs durch zu Art. 23 DBA D–CH. das DBA nicht berührt, gleichwohl begrenzt 14 Nach dem EU-Schiedsverfahren sind die be- es aber ihre Höhe. teiligten Vertragsstaaten verpflichtet eine Ei- Anmerkungen 8 Eine Personengesellschaft ist selbst nicht ab- nigung zu finden. 1 Nach der sog. Mutter-Tochter-Richtlinie (EG kommensberechtigt (Locher/Meier/von Sie- 15 Die Neuformulierung des Art. 23 DBA D– 90/435 EWG vom 23. Juli 1990) unterliegen benthal/Kolb, DBA D–CH, B 3.1.2 Nr. 1). CH führt systemkonform zur Streichung von innerhalb der Europäischen Union Dividen- Folglich müssen die Gesellschafter individu- Art. 4 Abs. 6 Lit. b DBA D–CH. Künftig wird denausschüttungen einer Tochterkapitalge- elle Erstattungs- oder Freistellungsanträge die bisherige Regelung des Art. 4 Abs. 6 Lit.a sellschaft an ihre Muttergesellschaft keiner stellen. Aus Vereinfachungsgründen kann die DBA D–CH, in der neuen Regelung des Quellensteuer. Die Mutter-Tochter-Richtli- Personengesellschaft selbst einen Antrag stel- Art. 4 Abs. 6 DBA D–CH n.F. aufgehen. nie gibt hierzu Rahmenbedingungen vor, die len, wenn mindestens 75% ihrer Gesellschaf- ter im gleichen Vertragsstaat ansässig sind 16 Vgl. § 370 Abs. 1 Abgabenordnung. letztendlich in jedem EU-Quellenstaat inner- halb der vorgegebenen Möglichkeiten in na- (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 18.6.1971). 17 Vgl. Verhandlungsprotokoll vom 7.12.2001, tionales Recht umgesetzt wurden. 9 Zu den Einzelheiten des Verfahrens vgl. BMF Ziffer 2. 2 Vgl. Kolb, IWB, Schweiz, Gruppe 2, S. 516. vom 1.3.1994, BStBl I 1994, S. 203ff. 18 Vgl. BMF vom 3.2.1999, BStBl I, S. 228ff. RESUME Innovation réjouissante en matière de CDI germano–suisse Si des doutes subsistaient quant à l’ad- nées par l’Allemagne, du dégrève- les rapports germano-suisses, obstac- hésion de l’Allemagne aux nouvelles ment de l’impôt suisse à la source. Ceci les ayant parfois empêché la réalisa- dispositions de la convention de représente un avantage précieux pour tion d’un investissement. Considérant double imposition germano-suisse (ci- la liquidité des sociétés allemandes, qu’il s’agissait ici d’un cas de double après «CDI germano–suisse»), ceux- avantage dont bénéficiaient depuis imposition, on ne peut que saluer le ci n’étaient pourtant pas dépourvus longtemps les investisseurs suisses. fait que les deux Etats soient parvenus de fondement. En décembre 2002, Par ailleurs, les dispositions concer- à un accord quant à cette nouvelle ré- l’Allemagne et la Suisse ont convenu nant l’abus des conventions de double glementation. Elle ne peut que con- d’abroger totalement, avec effet ré- imposition énoncées à l’article 23 de la tribuer à l’amélioration des relations troactif au 1er janvier 2002, l’impôt an- CDI germano-suisse et souvent dé- dans le domaine de l’investissement. ticipé (impôt à la source) sur les divi- noncées pour leurs aspects injustes se- La même remarque vaut pour la mo- dendes distribués à une société mère ront remplacées par les dispositions dification des dispositions sur l’abus détenant au moins 20% de la société du droit interne de chacun des Etats. des conventions de double imposition. distributrice. Cette harmonisation fis- Enfin, une nouvelle clause concernant Quant à l’élargissement de la clause cale avec la directive communautaire l’entraide administrative est intro- d’entraide administrative, seule la pra- mère-fille existant au sein de l’Union duite à l’article 27 de la CDI ger- tique montrera si ces modifications européenne instaure un meilleur cli- mano–suisse. ont eu l’effet désiré. Il est à craindre mat dans le domaine des investisse- que la partie allemande s’efforce de ments transfrontaliers entre les deux L’instauration de la règle du taux 0% renforcer peu à peu le domaine d’ap- pays. Par ailleurs, dans son système d’imposition sur les dividendes distri- plication de cette clause. Aussi, l’at- d’imposition des participations impor- bués à des titulaires de participations titude des représentants de l’AFC tantes la Suisse introduit pour l’avenir importantes met fin aux obstacles jouera-t-elle à l’avenir un rôle central. la règle, pratiquée depuis déjà des an- existant depuis de longues années dans HK 652 L’Expert-comptable suisse 8/03
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