Erfreuliche Neuerungen im DBA Deutschland-Schweiz

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STEUERN
                                                      Heiko Kubaile

         Erfreuliche Neuerungen
      im DBA Deutschland–Schweiz
                          Nullregelung, Missbrauchsvorschrift, Amtshilfeklausel

Trotz weiteren Steuerausfällen und EU-Druck stimmt                                      weiterer Informationsbedarf. Anfang
                                                                                        Dezember 2002 konnten die letzten
Deutschland letztendlich der Nullregelung auf Divi-                                     Einwände ausgeräumt werden. Der
dendenausschüttungen zu. Im vorliegenden Artikel                                        Weg für die deutsche Zustimmung war
                                                                                        frei. Aufgrund der späten Zustimmung
werden die Nullregelung sowie die weiteren Ände-                                        durch den deutschen Bundesrat am 20.
rungen dargestellt.                                                                     Dezember 2002 war die Ratifizierung
                                                                                        nicht mehr, wie anfangs geplant, im
                                                                                        Jahr 2002 möglich. In Deutschland
                                                                                        stand vorab noch die formelle Umset-
                                                                                        zung des Gesetzgebungsverfahrens
                                                                                        aus. Dies war am 12. Februar 2003 ab-
1. Einleitung                             2. Inkrafttreten der                          geschlossen, sodass das Revisionspro-
                                                                                        tokoll zum DBA D–CH vom 12. März
Die Zweifel an der deutschen Zustim-
                                          DBA-Änderungen                                2002 durch Austausch der Ratifizie-
mung zu den Neuregelungen im Dop-         Zunächst wurde erwartet, dass die Ra-         rungsurkunden am 24. März 2003 in
pelbesteuerungsabkommen Deutsch-          tifizierung noch im Jahr 2002 erfolgen        Kraft treten konnte.
land–Schweiz (hiernach DBA D–CH)          könnte. Allerdings verschob der deut-
waren nicht zu überhören, letztendlich    sche Bundesrat die abschliessende             Das verspätete Inkrafttreten hat kei-
jedoch unbegründet. Im Dezember           Abstimmung mehrfach. Hintergrund              nen Einfluss auf die Neuregelung bei
2002 schafften Deutschland und die        waren die parallel stattfindenden Ge-         Dividendenausschüttungen an eine
Schweiz rückwirkend auf den 1. Januar     spräche der EU mit der Schweiz zur            wesentlich beteiligte Kapitalgesell-
2002 die Verrechnungssteuer (Quel-        grenzüberschreitenden Zinsbesteue-            schaft. Diese werden rückwirkend zum
lensteuer) auf Dividendenausschüttun-     rung. Die Europäische Union sah               1.1.2002 vollständig von der Quellen-
gen an eine wesentlich, d.h. zumindest    durch die geplante Änderung des DBA           steuer befreit. Die weiteren Änderun-
20% beteiligte Muttergesellschaft im      D–CH eine mögliche Verschlechte-              gen sind jedoch von dem verspäteten
jeweiligen Nachbarstaat vollständig ab.   rung der eigenen Verhandlungsposi-            Inkrafttreten betroffen. Dies verdeut-
Damit wurde eine Angleichung an die       tion. Insofern bestand EU-intern ein          licht die Übersicht auf der nächsten
innerhalb der Europäischen Union                                                        Seite.
(EU) bestehende sog. Mutter-Tochter-
Richtlinie [1] erreicht und ein verbes-
sertes Klima für grenzüberschreitende                                                   3. Geänderte DBA-Normen
Investitionen in beiden Ländern ge-
schaffen. Bei wesentlichen Beteiligun-                                                  3.1 Nullregelung für
gen wird zukünftig auch in der Schweiz                                                  Quellensteuern auf
die in Deutschland bereits seit Jahren                                                  Dividendenausschüttungen
praktizierte Entlastung an der Quelle
                                                                                        3.1.1Anwendungsbereich
eingeführt. Für die deutschen Gesell-
                                                                                        der Nullregelung
schafter wird hierdurch ein wesent-
licher Liquiditätsvorteil erreicht, der                                                 Wie eingangs ausgeführt, fallen nur Di-
Schweizer Investoren bereits seit lan-                                                  videnden an eine wesentlich beteiligte
gem gewährt wird. Ferner werden die                                                     Kapitalgesellschaft unter den Anwen-
oftmals als ungerecht beklagten engen                                                   dungsbereich der Nullregelung. Hierzu
Missbrauchsvorschriften des Art. 23                                                     regelt Art. 10 Abs. 3 DBA D–CH n.F.:
DBA D–CH durch die jeweiligen
nationalen Vorschriften ersetzt und         Heiko Kubaile, Steuerberater                «Ungeachtet des [Art. 10] Abs. 2 [DBA
                                            deutschen Rechts, Leiter German Tax Desk,
eine neue Amtshilfeklausel eingeführt       Ernst & Young, Zürich                       D–CH] dürfen Dividenden in dem Ver-
(Art. 27 DBA D–CH).                                                                     tragsstaat, in dem die die Dividende
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STEUERN
                                 Heiko Kubaile, Erfreuliche Neuerungen im DBA Deutschland–Schweiz

                                                                                         sind, sodass für die Frage, ob die Null-
 Übersicht                                                                               regelung anwendbar ist, auf die jewei-
 Inkrafttreten der Neuerungen                                                            ligen Gesellschafter abgestellt wird.
                                                                                         Somit kann eine Kapitalgesellschaft,
                                                         1. 1. 2002     1. 1. 2004       die über eine Personengesellschaft zu
                                                                                         mindestens 20% an einer Gesellschaft
 Nullregelung für Dividendenausschüttungen                   X
                                                                                         im anderen Staat beteiligt ist, ebenfalls
 (Art. 10 Abs. 2 DBA D–CH)
                                                                                         die Nullregelung beanspruchen [3]. Ist
 Missbrauchsklausel                                                         X            der Anteilseigner dagegen eine natürli-
 (Art. 23 DBA D–CH)                                                                      che Person oder eine nicht wesentlich
 Amtshilfeklausel                                                           X            beteiligte Kapitalgesellschaft (ein Anteil
 (Art. 27 DBA D–CH)                                                                      von unter 20%), beträgt die Schweizer
                                                                                         Verrechnungssteuer bzw. die deutsche
 Neuformulierung des Art. 4 Abs. 6 DBA D–CH                                 X            Kapitalertragsteuer 15%. Bis zur Ab-
 Entlastung von der Schweizer Verrechnungssteuer                                         schaffung des deutschen Anrechnungs-
 an der Quelle                                                          1. 7. 2003       verfahrens betrug die deutsche Quel-
                                                                                         lensteuer dagegen noch 10% (Art. 10
                                                                                         Abs. 3 DBA D–CH a. F.) [4]. In der
zahlende Gesellschaft ansässig ist, nicht    Eine über eine andere Gesellschaft          Schweiz beträgt somit auch die steuer-
besteuert werden, wenn der Empfänger         gehaltene mittelbare Beteiligung an der     liche Bemessungsgrundlage wieder
der Dividende eine im anderen Ver-           Enkelgesellschaft reicht dagegen regel-     100% der Bruttodividende anstelle der
tragsstaat ansässige Gesellschaft ist, die   mässig nicht – selbst dann, wenn die        105% (Art. 24 Abs. 2 Nr. 1 lit. b DBA
unmittelbar über mindestens 20 von           deutsche Muttergesellschaft Alleinge-       D–CH). Durch diese Änderungen ist
Hundert des Kapitals der die Dividen-        sellschafterin der Tochtergesellschaft      die pauschale Steueranrechnung nicht
den zahlenden Gesellschaft verfügt.»         wäre. In Konzernfällen ist diese streng     betroffen. Sie beträgt in beiden Län-
                                             formale Einschränkung aus wirtschaft-       dern 15%.
Nach Art. 3 Abs. 1 lit. e DBA D–CH           lichen Gesichtspunkten nicht immer
bedeutet der Ausdruck «Gesellschaft»         nachvollziehbar. Eine Mindesthalte-         Vereinzelt wurde über die Altreserven-
ausschliesslich juristische Personen         dauer besteht dagegen nicht.                problematik diskutiert [5]. Hinter-
oder Rechtsträger, die für die Besteue-                                                  grund ist die Frage, ob auch Substanz-
rung wie juristische Personen behan-         Mit Blick auf Personengesellschaften        dividenden, d.h. vor 2002 erwirtschaf-
delt werden. Eine weitere wichtige           stellt das Protokoll klar, dass diese Ge-   tete Gewinne, die bisher thesauriert
Voraussetzung ist, dass die 20%ige Be-       sellschaften von beiden Staaten als         wurden und erst nach dem 1.1.2002
teiligung unmittelbar gehalten wird.         steuerlich transparent [2] zu behandeln     ausgeschüttet werden, unter die neue

Der Schweizer Treuhänder 8/03                                                                                                  647
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                                 Heiko Kubaile, Erfreuliche Neuerungen im DBA Deutschland–Schweiz

Nullregelung fallen. Dies ist regelmäs-
sig zu bejahen. Ein Anwendungsfall           Beispiel 1
der Altreservenproblematik liegt nicht
vor. Mit einem negativen Bescheid ist        Eine Personengesellschaft in der Schweiz hält eine wesentliche Beteiligung von
ausnahmsweise dann zu rechnen, wenn          50 % an einer deutschen GmbH. An der Personengesellschaft sind je zur Hälfte
eine missbräuchliche Inanspruchnahme         eine Schweizer Privatperson sowie eine Schweizer Aktiengesellschaft beteiligt.
und damit eine Steuerumgehung vor-
liegt. Dieser Tatbestand kann regelmäs-
sig über den Nachweis von wirtschaftli-
                                                                                                          AG
chen Gründen entkräftet werden.

Massgebend für den Anwendungszeit-
punkt der Nullregelung ist der Zeit-
punkt der Dividendenfälligkeit. Der
Beschlusszeitpunkt oder der tatsäch-                            50%                                  50%
liche Zufluss der Dividende ist dage-
gen unbeachtlich. Soweit somit seit
2002 Dividendenzahlungen an eine zu
                                                                                   KG
mindestens 20% beteiligte juristische
Person fällig wurden, kann die bis-
her einbehaltene Sockelsteuer von 5%
                                                     CH
auf zusätzlichen Antrag erstattet wer-
den [6]. In der Schweiz ist hierfür
das Formular 85 einschlägig und in                    D                                             50%
Deutschland das Formular «R-D 2».
                                                                                 GmbH
3.1.2 Entlastung an der Quelle
Dividenden können im Quellenstaat
besteuert werden [7]. Aufgrund natio-
naler Vorschriften, werden sowohl in        liche Entlastung von der Quellen-           neu keiner Quellensteuer unterliegen –
der Schweiz als auch in Deutschland         steuer [9]. Auch weiterhin steht juristi-   zu differenzieren: Anteilseigner mit ei-
die Steuern auf Dividenden zunächst         schen Personen das Erstattungs- und         ner Beteiligung von mindestens 10%,
im Abzugswege, d.h. an der Quelle er-       das Freistellungsverfahren (Entlastung      aber weniger als 20% erhalten hier-
hoben. Die zuviel bezahlte Quellen-         an der deutschen Quelle) zur Verfü-         nach eine Teilfreistellung auf 15%.
steuer wird wieder über das Erstat-         gung. Bei Dividenden wird zunächst          Liegt dagegen eine wesentliche Betei-
tungsverfahren erstattet. Darüber hin-      die sogenannte Kapitalertragsteuer          ligung von mindestens 20% vor, wird
aus greift in Deutschland bereits seit      von 20% zuzüglich 5,5% Solidaritäts-        eine vollständige Freistellung auf 0%
Jahren das Freistellungsverfahren, durch    zuschlag erhoben. Schweizer Gläubi-         gewährt.
das eine sofortige Entlastung an der        ger sind nach Massgabe des DBA D–
Quelle erreicht wird. Ab 1. 7. 2003         CH sowie § 43b Einkommensteuer-             Bisher musste das Bundesamt für Fi-
steht die Entlastung an der Schweizer       gesetz (hiernach EStG) von dieser           nanzen auf Antrag selbst dann noch
Quelle auch deutschen Muttergesell-         Abzugsteuer ganz oder teilweise zu          eine Freistellungsbescheinigung ausstel-
schaften zur Verfügung [8]. Dieses Ver-     entlasten. Dies geschieht grundsätzlich     len, wenn der deutsche Schuldner der
fahren steht nur wesentlich beteiligten     mittels Erstattungsantrag. Bei sog.         Vergütung die Auszahlungen bereits
Anteilseignern zu. Die technische Um-       Schachtelbeteiligungen ist auch ein         ohne Abzug der Quellensteuer, also
setzung erfolgt über das Meldeverfah-       Freistellungsverfahren möglich, bei         brutto für netto vorgenommen hatte
ren. Die ESTV hat das genaue Verfah-        dem der Schuldner den Steuerabzug           (vgl. BFH-Urteil vom 11. 10. 2000).
ren am 4.6.2003 auf ihrer Homepage          von vorneherein ganz oder teilweise         Hierzu musste ein nachträglicher Frei-
veröffentlicht. Hiernach muss die aus-      unterlassen kann. Dabei gewährt             stellungsantrag gestellt werden. Diese
schüttende Schweizer Tochtergesell-         Deutschland die Entlastung an der           grosszügige Regelung wurde mit Wir-
schaft das Formular 107 zusammen mit        Quelle – anders als die abkommens-          kung ab 1. 1. 2002 eingeschränkt. Da-
dem amtlichen Erhebungsformular bei         rechtliche Nullregelung auf wesentli-       nach beginnt die Geltungsdauer der
der ESTV innerhalb von 30 Tagen nach        che Beteiligungen selbst – bereits ab       Freistellungsbescheinigung frühestens
der Dividendenfälligkeit unaufgefor-        einer (Schachtel)Beteiligung von 10%.       an dem Tag, an dem der Antrag tat-
dert einreichen.                            Insofern ist zwischen Schachtelbeteili-     sächlich beim Bundesamt für Finanzen
                                            gungen i.S.d. §43b EStG – die an dem        eingeht (§ 50d Abs. 2 S. 4 EStG). Eine
Durch die Teilrevision des DBA D–CH         (Teil)Freistellungsverfahren partizipie-    nachträgliche Gewährung ist nicht
ergeben sich in Deutschland keine           ren – und wesentlichen Beteiligungen        mehr möglich. Es ist zu empfehlen, sich
Neuerungen für die abkommensrecht-          i.S.d. Art. 10 Abs. 2 DBA D–CH – die        auf diese neue – verschärfte – Rechts-
648                                                                                                   Der Schweizer Treuhänder 8/03
STEUERN
                                Heiko Kubaile, Erfreuliche Neuerungen im DBA Deutschland–Schweiz

                                                                                           ren (Formulare R-D 5/R-Da) oder das
 Beispiel 2                                                                                Erstattungsverfahren (Formular R-D 2),
                                                                                           bei der Privatperson jedoch ausschliess-
 Gleicher Fall wie im Beispiel 1, allerdings ist die Schweizer Privatperson zu zwei        lich über das Erstattungsverfahren
 Dritteln an der Personengesellschaft beteiligt und die Schweizer Aktiengesell-            (Formular R-D 1). Die Anteilseigner
 schaft dagegen nur zu einem Drittel.                                                      müssen zwei getrennte Anträge stellen.

                                                                                           Zu Beispiel 2: In diesem Fall ist die
                                                                                           Schweizer Aktiengesellschaft nicht in
                                                               AG
                                                                                           wesentlichem Umfang (≥20%) an der
                                                                                           deutschen GmbH beteiligt und kann
                                                                                           daher auch keine vollständige Entla-
                                                                                           stung an der Quelle (Nullsatz) bean-
                                                                                           spruchen. Bei beiden Anteilseignern re-
                    66 2/3%                               331/3%                           duziert sich die Quellensteuer auf 15%.
                                                                                           Als Verfahren steht bei der Schweizer
                                                                                           Privatperson das Erstattungsverfahren
                                                                                           zur Verfügung (R-D 1). Aufgrund
                                      KG
                                                                                           ihrer mindestens 10%igen Beteili-
                                                                                           gung (Schachtelbeteiligung), ist für
                                                                                           die Schweizer-AG das Teilfreistellungs-
         CH
                                                                                           verfahren (Formulare R-D 5/R-Da) so-
                                                                                           wie das Erstattungsverfahren (R-D 2)
          D                                              50%                               möglich.

                                     GmbH                                                  Zu Beispiel 3: Die vier deutschen Privat-
                                                                                           personen erhalten eine Reduktion der
                                                                                           auf den Dividenden aus der Schweiz
                                                                                           einbehaltenen Verrechnungssteuer von

lage einzustellen und entsprechende
Anträge rechtzeitig vor Abfluss der         Beispiel 3
Vergütungen zu stellen. Erhält das Fi-
nanzamt Kenntnis vom unterlassenen          Eine deutsche Personengesellschaft ist Alleinaktionärin einer Schweizer Aktien-
Steuerabzug, ohne dass eine Freistel-       gesellschaft. An der deutschen Personengesellschaft sind vier deutsche Privat-
lungsbescheinigung vorliegt, kann es        personen sowie eine deutsche GmbH zu je einem Fünftel (20 %) beteiligt.
die nicht abgeführte Steuer durch Haf-
tungsbescheid festsetzen. Wer die deut-
sche Finanzverwaltung kennt, weiss,
dass sie diese Möglichkeit zukünftig                                                                         GmbH
auch beanspruchen wird.

3.1.3 Veranschaulichende Beispiele
Die zuvor skizzierten Neuerungen                                                              je 20%
bzgl. den Änderungen im Bereich der
Dividendenausschüttung verdeutlichen
die folgenden drei Beispiele:
                                                                                 GmbH
Zu Beispiel 1: Lediglich die Schweizer                                          & Co. KG
Aktiengesellschaft wird von der deut-
schen Kapitalertragsteuer auf den Divi-
                                                      D
denden vollständig entlastet (Absen-
kung der Quellensteuer auf 0%). Die
Schweizer Privatperson erhält dagegen                CH                                                 100%
nur eine Reduktion der deutschen Ka-
pitalertragsteuer auf 15%. Die Entla-                                                 AG
stung von der Quellensteuer erfolgt bei
der wesentlich beteiligten Kapitalge-
sellschaft über das Freistellungsverfah-
Der Schweizer Treuhänder 8/03                                                                                                   649
STEUERN
                               Heiko Kubaile, Erfreuliche Neuerungen im DBA Deutschland–Schweiz

35% auf 15%. Als Verfahren steht aus-      gene Wirtschaftstätigkeit ausübt. Für      rechtfertigte bzw. missbräuchliche In-
schliesslich das Erstattungsverfahren      eine wirtschaftliche Tätigkeit spricht,    anspruchnahme einer DBA-Regelung
(Formular 85) zur Verfügung. Für           wenn eine aktive Tätigkeit i.S.d. § 8      einseitig durch nur einen Mitglieds-
die deutsche GmbH findet dagegen           Aussensteuergesetz (AStG) vorliegt;        staat festgestellt worden wäre, hätte
der Nullsatz Anwendung (Sockelsteu-        Voraussetzung ist allerdings, dass         das Problem der Doppelbesteuerung
er 0%), den sie über das Meldeverfah-      diese Tätigkeit sich nicht ausschliess-    latent bestanden. Durch diese Neure-
ren (Formulare 107) oder das Erstat-       lich ausserhalb des Sitzstaates entfal-    gelung soll dies grundsätzlich ver-
tungsverfahren (Formular 85) geltend       tet [12]. Entgegen der bisherigen Rege-    mieden werden. Insofern liegt eine
machen kann.                               lung des Art. 23 DBA D–CH enthält          wünschenswerte, sicherlich aber auch
                                           §50d Abs. 3 EStG keine Begrenzung          notwendige Änderung vor. Der ele-
                                           auf einzelne Entlastungsnormen, so-        mentare Nachteil ist und bleibt, dass
3.2 Änderung der                           dass zukünftig grundsätzlich alle ab-      das Verständigungsverfahren des DBA
abkommensrechtlichen
Missbrauchsklausel

Neben dem Wegfall der Quellensteuer
bei wesentlichen Beteiligungen bringt           «Durch die jetzt umgesetzte Nullregelung
die DBA-Änderung auch eine An-              auf Dividendenausschüttungen an den wesentlich
passung der DBA-Klauseln zum Ab-
kommensmissbrauch (Art. 23 DBA D–              beteiligten Anteilseigner, wird im Verhältnis
CH). Danach wird ab 1.1.2004 beiden         Deutschland/Schweiz ein Hindernis beseitigt, das
Staaten neu das Recht eingeräumt, ihre
innerstaatlichen Vorschriften betref-               manch eine Investition vereitelte.»
fend den Massnahmen gegen die miss-
bräuchliche Inanspruchnahme des DBA
anzuwenden (Art. 23 Abs. 1 DBA D–
CH n.F.). Die jeweiligen nationalen        kommensrechtlichen Einkunftsarten be-      D–CH beide Vertragsstaaten nicht da-
Missbrauchsvorschriften gelangen da-       troffen sein dürften [13]. Gleiches gilt   zu verpflichtet, eine Verständigungslö-
bei erst durch ein Tätigwerden der         für den persönlichen Anwendungsbe-         sung herbeizuführen. Vielmehr steht
jeweiligen Finanzverwaltung zur An-        reich. Auch hier ist die nationale deut-   im Vordergrund dieser Regelung aus-
wendung.                                   sche Missbrauchsvorschrift weiter ge-      schliesslich ein sich Bemühen. Inso-
                                           fasst. Entgegen der bisherigen Rege-       fern wäre eine an das EU-Schieds-
Es besteht Einvernehmen, dass in der       lung in Art. 23 Abs. 1 DBA D–CH            verfahren [14] angelehnte gegenseitige
Schweiz die aufgrund des Bundesrats-       kommt es bei § 50d Abs. 3 EStG nicht       Verpflichtung ein wichtiger nächster
beschlusses vom 14.12.1962 ergriffe-       auf eine wesentliche oder beherr-          Schritt, um wirtschaftlich nicht ge-
nen Massnahmen gegen die ungerecht-        schende Beteiligung an. Jede Abkom-        wollte und auch nicht vertretbare Mehr-
fertigte Inanspruchnahme von DBA           mensvergünstigung, die einer Person        fachbesteuerungen zu vermeiden [15].
unter die neue Missbrauchsregel fallen     zuteil wird, kann von der Vorschrift des
(sog. BRB 62). Insofern wird auf den       § 50d Abs. 3 EStG betroffen sein – je-
entsprechenden Bundesratsbeschluss         doch nicht für alle beteiligten Personen   3.3 Amtshilfeklausel
und die einschlägigen Kreisschreiben       («Sippenhaft»), sondern ausschliess-
verwiesen [10]. In Deutschland fallen      lich für diejenige Person, die ein ent-    Bisher galt der Informationsaustausch
unter die nationalen deutschen Vor-        sprechendes steuerlich schädliches         der beiden Vertragsstaaten Deutsch-
schriften die allgemeine Missbrauchs-      Treaty Shopping nach § 50d Abs. 3          land Schweiz ausschliesslich der richti-
norm des § 42 Abgabenordnung sowie         EStG ausübt.                               gen Anwendung des DBA (sog. kleine
das allgemeine Verbot des sog. Einkaufs                                               Auskunftsklausel). Dieser Bereich wird
in Abkommensrecht (Treaty Shop-            Würde durch die Anwendung der na-          auch zukünftig von der Amtshilfeklau-
ping), das in § 50d Abs. 3 EStG geregelt   tionalen Missbrauchsvorschriften eine      sel abgedeckt (Art. 27 Abs. 1 lit. a DBA
ist. Letztere Vorschrift sieht vor, dass   Doppelbesteuerung entstehen, soll          D–CH n.F.). Zusätzlich gilt aber ab
die DBA-Entlastungen einer ausländi-       diese ggf. durch Konsultationen beider     dem 1. Januar 2004 neu eine Bestim-
schen Gesellschaft versagt werden, falls   Vertragsstaaten (Art. 26 Abs. 3 DBA        mung, die den Austausch von Informa-
Personen [11] an ihr beteiligt sind,       D–CH) vermieden werden (Art. 23            tionen auch für die Durchsetzung des
denen die Entlastung nicht zustünde,       Abs. 2 DBA D–CH n.F.). Ohne diese          innerstaatlichen Rechts bei Betrugs-
falls sie unmittelbar die Einkünfte        Regelung hätte sich der grundsätzlich      delikten ermöglicht. Hierzu wurde in
erzielen würden. § 50d Abs. 3 EStG         vorteilhafte Wegfall der «originären»      Art. 27 Abs. 1 lit. b DBA D–CH n.F.
entfaltet dagegen dann nicht seine         abkommensrechtlichen Missbrauchs-          folgendes bestimmt:
nachteilige Wirkung, wenn für die Zwi-     regelungen des Art. 23 DBA D–CH
schenschaltung der ausländischen Per-      auch in einen Nachteil umkehren kön-       «Amtshilfe wird auch zur Durchfüh-
son wirtschaftliche oder sonst beacht-     nen. Immer dann, wenn auf Basis in-        rung des innerstaatlichen Rechts bei Be-
liche Gründe vorliegen und sie eine ei-    nerstaatlicher Vorschriften eine unge-     trugsdelikten gewährt. Die Vertrags-
650                                                                                                 Der Schweizer Treuhänder 8/03
STEUERN
                                Heiko Kubaile, Erfreuliche Neuerungen im DBA Deutschland–Schweiz

staaten werden in ihrem innerstaatli-      Deutschland [16] – nicht mit Freiheits-     steht das Bankgeheimnis der Aus-
chen Recht die zur Durchführung die-       strafe geahndet.                            kunftserteilung nicht entgegen. Hierzu
ser Bestimmungen erforderlichen Mass-                                                  wurde neu in Art. 27 Abs. 1 DBA
nahmen ergreifen.»                         Die Amtshilfeklausel wird durch das         D–CH der Satz 5 eingefügt.
                                           internationale Steuergeheimnis einge-
Dabei wurde im Protokoll klargestellt,     schränkt. In Art. 27 Abs. 1 S. 3 DBA D–     Für das verfahrensrechtliche Vorgehen
dass ein Betrugsdelikt ein betrügeri-      CH wird hierzu festgehalten: «Jede auf      wird für die Schweiz im Verhandlungs-
sches Verhalten darstellt, welches nach    diese Weise ausgetauschte Auskunft          protokoll die Vorgehensweise darge-
dem Recht beider Staaten als Steuer-       soll geheim gehalten und niemanden zu-      legt [17]. Für die deutsche Seite wird
                                                                                       auf das ausführliche Merkblatt zur zwi-
                                                                                       schenstaatlichen Amtshilfe durch Aus-
                                                                                       kunftsaustausch in Steuersachen ver-
    «Die Zweifel an der deutschen Zustimmung                                           wiesen [18].
   zu den Neuregelungen im Doppelbesteuerungs-
  abkommen Deutschland-Schweiz waren nicht zu                                          4. Fazit und Ausblick
    überhören, letztendlich jedoch unbegründet.»                                       Durch die jetzt umgesetzte Nullrege-
                                                                                       lung auf Dividendenausschüttungen an
                                                                                       den wesentlich beteiligten Anteilseig-
                                                                                       ner, wird im Verhältnis Deutschland/
vergehen gilt und mit einer Freiheits-     gänglich gemacht werden, der sich nicht     Schweiz ein seit vielen Jahren als
strafe geahndet wird. Amtshilfe kann       mit der Veranlagung, der Erhebung, der      störend empfundenes Hindernis besei-
somit nur gewährt werden, wenn die         Rechtsprechung oder der Strafverfol-        tigt, das manch eine Investition verei-
Tat (auch) nach schweizerischem            gung hinsichtlich der unter dieses Ab-      telte. Beachtet man die Tatsache, dass
Recht einen Steuerbetrug darstellen        kommen fallenden Steuern befasst.»          es sich hierbei um eine Mehrfachbe-
würde. Hierzu zählt in der Schweiz je-     Bei Geschäftsgeheimnissen wird die          steuerung handelte, kann nur begrüsst
doch ausschliesslich der Steuerbetrug      Auskunftserteilung völlig untersagt:        werden, dass sich beide Staaten auf
im Sinne der Art. 186 Abs. 1 DBG und       «Auskünfte, die irgendein Handels- oder     eine entsprechende Reglung einigen
Art. 59 Abs. 1 StHG, der mit Freiheits-    Geschäfts-, gewerbliches oder Berufs-       konnten. Für die Verbesserung des all-
strafe geahndet werden kann. Als wich-     geheimnis oder ein Geschäftsverfahren       gemein schlechten Investitionsklimas
tigster Unterschied wird dagegen in        offenbaren würden, dürfen nicht aus-        kann dies nur förderlich sein. Gleiches
der Schweiz die Steuerhinterziehung        getauscht werden» (vgl. Art. 27 Abs. 1      gilt für die Änderung der abkommens-
(Art. 175 Abs. 1 DBG) – anders als in      S. 4 DBA D–CH). Bei Betrugsdelikten         rechtlichen Missbrauchsvorschriften.

Der Schweizer Treuhänder 8/03                                                                                             651
STEUERN
                                    Heiko Kubaile, Erfreuliche Neuerungen im DBA Deutschland–Schweiz

Bei der erweiterten Amtshilfeklausel             3 Hat die Kapitalgesellschaft beispielsweise in    10 Die wesentlichen Unterschiede des Schwei-
                                                   den Niederlanden ihren Sitz, greift dagegen         zer Missbrauchsbeschlusses zu Art. 23 Abs. 1
wird sich erst in der Praxis zeigen, ob            das DBA NL–CH.                                      DBA D–CH betreffen Erleichterungen für
die Änderungen ihre gewollte Wirkung                                                                   bestimmte Gesellschaften wie bspw. börsen-
                                                 4 Der bisherige Art. 10 Abs. 3 DBA D–CH               kotierte Gesellschaften und Holdinggesell-
entfalten. Es bleibt zu befürchten, dass           wird gestrichen und regelt zukünftig die Null-      schaften sowie das Fehlen von missbrauchs-
die deutsche Seite bestrebt sein wird,             regelung.                                           spezifischen Finanzierungsvorschriften.
ihren Anwendungsbereich sukzessive               5 Vgl. u.a. IStR 2002, S. 630ff.                   11 Hierzu zählen auch in Deutschland unbe-
zu erweitern. Insofern wird der Hal-             6 Vgl. Homepage (www.estv.admin.ch) der               schränkt Steuerpflichtige (vgl. Blümich,
tung der Vertreter der ESTV zukünf-                ESTV vom 12. 3. 2002. Eine automatische             EStG, § 50d Abs. 3, Rz. 36).
tig eine zentrale Rolle zuteil werden.             Rückerstattung der 5%igen Sockelsteuer ist       12 Vgl. Blümich, EStG, § 50d Abs. 3 EStG, Rz.
                                                   nicht möglich.                                      31, Krabbe, IStR 1995, S. 382.
                                                 7 Nach Art. 28 Abs. 1 DBA D–CH wird das            13 Vgl. Zwosta in Debatin/Wassermeyer, Rz. 57
                                                   Recht zur Vornahme des Steuerabzugs durch           zu Art. 23 DBA D–CH.
                                                   das DBA nicht berührt, gleichwohl begrenzt       14 Nach dem EU-Schiedsverfahren sind die be-
                                                   es aber ihre Höhe.                                  teiligten Vertragsstaaten verpflichtet eine Ei-
             Anmerkungen                         8 Eine Personengesellschaft ist selbst nicht ab-      nigung zu finden.
1 Nach der sog. Mutter-Tochter-Richtlinie (EG      kommensberechtigt (Locher/Meier/von Sie-         15 Die Neuformulierung des Art. 23 DBA D–
  90/435 EWG vom 23. Juli 1990) unterliegen        benthal/Kolb, DBA D–CH, B 3.1.2 Nr. 1).             CH führt systemkonform zur Streichung von
  innerhalb der Europäischen Union Dividen-        Folglich müssen die Gesellschafter individu-        Art. 4 Abs. 6 Lit. b DBA D–CH. Künftig wird
  denausschüttungen einer Tochterkapitalge-        elle Erstattungs- oder Freistellungsanträge         die bisherige Regelung des Art. 4 Abs. 6 Lit.a
  sellschaft an ihre Muttergesellschaft keiner     stellen. Aus Vereinfachungsgründen kann die         DBA D–CH, in der neuen Regelung des
  Quellensteuer. Die Mutter-Tochter-Richtli-       Personengesellschaft selbst einen Antrag stel-      Art. 4 Abs. 6 DBA D–CH n.F. aufgehen.
  nie gibt hierzu Rahmenbedingungen vor, die       len, wenn mindestens 75% ihrer Gesellschaf-
                                                   ter im gleichen Vertragsstaat ansässig sind      16 Vgl. § 370 Abs. 1 Abgabenordnung.
  letztendlich in jedem EU-Quellenstaat inner-
  halb der vorgegebenen Möglichkeiten in na-       (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 18.6.1971).      17 Vgl. Verhandlungsprotokoll vom 7.12.2001,
  tionales Recht umgesetzt wurden.               9 Zu den Einzelheiten des Verfahrens vgl. BMF         Ziffer 2.
2 Vgl. Kolb, IWB, Schweiz, Gruppe 2, S. 516.       vom 1.3.1994, BStBl I 1994, S. 203ff.            18 Vgl. BMF vom 3.2.1999, BStBl I, S. 228ff.

                                                                RESUME

                      Innovation réjouissante en matière
                          de CDI germano–suisse
 Si des doutes subsistaient quant à l’ad-        nées par l’Allemagne, du dégrève-                  les rapports germano-suisses, obstac-
 hésion de l’Allemagne aux nouvelles             ment de l’impôt suisse à la source. Ceci           les ayant parfois empêché la réalisa-
 dispositions de la convention de                représente un avantage précieux pour               tion d’un investissement. Considérant
 double imposition germano-suisse (ci-           la liquidité des sociétés allemandes,              qu’il s’agissait ici d’un cas de double
 après «CDI germano–suisse»), ceux-              avantage dont bénéficiaient depuis                 imposition, on ne peut que saluer le
 ci n’étaient pourtant pas dépourvus             longtemps les investisseurs suisses.               fait que les deux Etats soient parvenus
 de fondement. En décembre 2002,                 Par ailleurs, les dispositions concer-             à un accord quant à cette nouvelle ré-
 l’Allemagne et la Suisse ont convenu            nant l’abus des conventions de double              glementation. Elle ne peut que con-
 d’abroger totalement, avec effet ré-            imposition énoncées à l’article 23 de la           tribuer à l’amélioration des relations
 troactif au 1er janvier 2002, l’impôt an-       CDI germano-suisse et souvent dé-                  dans le domaine de l’investissement.
 ticipé (impôt à la source) sur les divi-        noncées pour leurs aspects injustes se-            La même remarque vaut pour la mo-
 dendes distribués à une société mère            ront remplacées par les dispositions               dification des dispositions sur l’abus
 détenant au moins 20% de la société             du droit interne de chacun des Etats.              des conventions de double imposition.
 distributrice. Cette harmonisation fis-         Enfin, une nouvelle clause concernant              Quant à l’élargissement de la clause
 cale avec la directive communautaire            l’entraide administrative est intro-               d’entraide administrative, seule la pra-
 mère-fille existant au sein de l’Union          duite à l’article 27 de la CDI ger-                tique montrera si ces modifications
 européenne instaure un meilleur cli-            mano–suisse.                                       ont eu l’effet désiré. Il est à craindre
 mat dans le domaine des investisse-                                                                que la partie allemande s’efforce de
 ments transfrontaliers entre les deux           L’instauration de la règle du taux 0%              renforcer peu à peu le domaine d’ap-
 pays. Par ailleurs, dans son système            d’imposition sur les dividendes distri-            plication de cette clause. Aussi, l’at-
 d’imposition des participations impor-          bués à des titulaires de participations            titude des représentants de l’AFC
 tantes la Suisse introduit pour l’avenir        importantes met fin aux obstacles                  jouera-t-elle à l’avenir un rôle central.
 la règle, pratiquée depuis déjà des an-         existant depuis de longues années dans                                                  HK

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