Kein Raum für Missbrauch: Personalverantwortung bei Prävention und Intervention nutzen!
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1 DIJuF DEUTSCHES INSTITUT FÜR JUGENDHILFE UND FAMILIENRECHT e.V. FORUM FÜR FACHFRAGEN BROSCHÜRE Kein Raum für Missbrauch: Personalverantwortung bei Prävention und Intervention nutzen! Wie Institutionen im Rahmen von Schutz- konzepten vorbeugend oder bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch durch eine*n Mitarbeiter*in arbeitsrechtlich vorgehen können. Katharina Lohse, Dr. Janna Beckmann, Sarah Ehlers
2 Kein Raum für Missbrauch: Personalverantwortung bei Prävention und Intervention nutzen!1 Wie Institutionen im Rahmen von Schutzkonzepten vorbeugend oder Eine Institution ist zum Schutz der von ihr be- bei Verdacht auf sexuellen Miss- treuten Kinder und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch durch eine*n ihrer Mitarbeiter*innen brauch durch eine*n Mitarbeiter*in verpflichtet, und zwar im Sinne der Prävention arbeitsrechtlich vorgehen können.1 – also der generellen Vorbeugung zB bei der Personalauswahl – als auch bei der Intervention 1. Vorbeugen: Personalauswahl, im Falle eines konkreten Verdachts. Die Schutz- pflicht gilt im Interventionsfall sowohl gegen- Verhaltenskodex, über dem konkret betroffenen Kind/dem*der fortlaufende Begleitung konkret betroffenen Jugendlichen, als auch gegenüber allen anderen in der Einrichtung betreuten Minderjährigen. Die Institution ist als Institutionen tragen die Verantwortung, die Beschäfti- Arbeitgeberin gleichzeitig zum Schutz des gung potenziell übergriffiger Mitarbeiter*innen zu Persönlichkeitsrechts aller Mitarbeiter*innen vermeiden bzw. zu beenden. Die kinderschutzsensib- verpflichtet. Bei ihrem Vorgehen hat Leitung le Personalauswahl erfolgt durch eine Reihe von diese verschiedenen Schutzpflichten im Blick Maßnahmen, die über die Einsichtnahme in das erwei- zu behalten und ggf. gegeneinander abzuwä- terte Führungszeugnis hinausgehen. Sie haben daher gen, wobei grundsätzlich dem Schutz von alle datenschutzrechtlich zulässigen Möglichkeiten Kindern vor sexualisierter Gewalt besonders zu nutzen, um im Kontext von Missbrauchsgefahren hohes Gewicht zukommt. relevante Informationen über Bewerber*innen bzw. Mitarbeiter*innen zu erheben. →→ Bereits im Bewerbungs- oder Vorstellungsge- spräch sollte deutlich werden, welch große →→ Zu den erlaubten Fragen gehört auch die nach Bedeutung Kinderschutz für diese Einrichtung erfolgten Verurteilungen und laufenden hat. Fragen nach Erfahrungen mit Präventionsan- Ermittlungsverfahren wegen Sexualstraftaten, weil sätzen an früheren Arbeitsplätzen sind hier sie Aufschluss über die Eignung des*der möglich, aber auch Fragen danach, wie die neue Bewerber*in geben und insofern für den*die pädagogische Fachkraft mit sensiblen Situatio- Arbeitgeber*in von berechtigtem Interesse sind. nen umgehen würde. Ein berechtigtes Interesse besteht darüber hinaus an Vorfällen in früheren Beschäftigungsverhältnis- sen, die zu einer Gefährdungseinschätzung und vielleicht sogar zu einer Beendigung der 1 Die in diesem Überblick dargestellten rechtlichen Voraus- Beschäftigung geführt haben, bei denen die setzungen sind ausführlich auf S. 153 in der Expertise „Präven- tion und Intervention bei innerinstitutionellem sexuellem Strafverfolgungsbehörden jedoch nicht involviert Missbrauch“ des DIJuF und des Unabhängigen Beauftragten wurden. Auch nach solchen Vorfällen sollte erläutert, abzurufen unter www.beauftragter-missbrauch.de gefragt werden.
3 →→ Die Einsicht in Arbeitszeugnisse kann wichtige zu begleiten, wenn ihnen ein Umgang mit Kindern und Hinweise geben. Zwar sind bloße Anzeichen für Jugendlichen, der ihre Grenzen achtet, oder die Ein- strafbares Verhalten, die nicht durch gerichtliche haltung des Verhaltenskodex nicht gelingt. Grund Entscheidung oder eindeutige Fakten nachweis- sätzlich sollte das Thema Prävention sexueller Gewalt bar sind, im Arbeitszeugnis im Grundsatz im Einrichtungsalltag, zB in Teamsitzungen und Mitar- unzulässig. Das gilt aber nicht, wenn die beiter*innen-Gesprächen regelmäßig Gegenstand mutmaßliche Tat in konkretem Zusammenhang bleiben. zum Arbeitsverhältnis steht und – wie bei Sexualstraftaten zulasten von Kindern oder Jugendlichen – im Fall des Verschweigens am 2. Erste Schritte bei Verdacht: neuen Arbeitsplatz ein erheblicher Schaden Gespräche, Freistellung, droht. Fachberatungsstelle, →→ Mit Einwilligung der Bewerber*innen dürfen (standardmäßig und insbesondere bei berechtig- Rechtsbeistand ten Zweifeln an den Angaben) Informationen bei Sofern der Verdacht des sexuellen Missbrauchs durch ehemaligen Arbeitgeber*innen eingeholt werden. den*die Mitarbeiter*in nicht offensichtlich unbegrün- Diese dürfen nur solche Angaben machen, an det ist und eine Kindeswohlgefährdung nicht auszu- denen der*die neue Arbeitgeber*in ein schließen ist, muss die Leitung – aufgrund ihrer Ver- berechtigtes Interesse hat – wozu Vorfälle pflichtung, den Schutz der von ihr betreuten Kinder (vermuteten) sexuellen Missbrauchs durch und Jugendlichen sicherzustellen – sofortige Schutz- den*die Bewerber*in zu zählen sind. Das maßnahmen ergreifen. Das gewählte Vorgehen zielt Fragerecht bedeutet daher nicht, dass frühere nicht auf die strafrechtliche Überführung eines Arbeitgeber*innen im Zuge einer solchen Beschuldigten, was Aufgabe der Strafverfolgungs Nachfrage beliebig Auskunft geben dürften, da behörden ist, sondern dient dem Kinderschutz. dies die Grundsätze zur Erteilung qualifizierter Arbeitszeugnisse unterlaufen könnte. Zur Schutzpflicht gehört ein Gespräch mit dem betrof- fenen Kind/dem*der betroffenen Jugendlichen und →→ Für einen effektiven Schutz sollte die Beschäfti- seinen Eltern. Dieses Gespräch dient zum einen der gung und daher auch der tatsächliche Beschäfti- weiteren Sachverhaltsaufklärung. Aus dem Betreu- gungsantritt von der vorherigen Vorlage des ungsvertrag und ihrer Schutzpflicht ist die Leitung erweiterten Führungszeugnisses abhängig verpflichtet, die Eltern über wesentliche (gefährdende!) gemacht und vertraglich die regelmäßige Vorlage Vorkommnisse während der Betreuung zu informieren. verpflichtend vorgesehen werden. Nur so können die Eltern ihrer sorgerechtlichen Verant- wortung nachkommen (zB entscheiden, dass Kind Alle Mitarbeiter*innen sollten einen Verhaltens- bzw. nicht mehr in die Einrichtung zu geben, therapeutische Ehrenkodex unterzeichnen, der regelt, wie mit Situa Unterstützung in Anspruch zu nehmen usw). Der Be- tionen umgegangen wird, die von Täter*innen aus schäftigtendatenschutz hat insoweit zurückzutreten. genutzt werden könnten, und der damit zugleich Mit- Als Ausgleich für diese frühzeitige Informationsweiter- arbeiter*innen vor falschem Verdacht schützt. gabe ist die Institution verpflichtet, effektive Maßnah- Empfehlenswert ist auch eine Selbstverpflichtungser- men zur Rehabilitierung zu treffen, falls sich der Ver- klärung, mit der sich Mitarbeiter*innen verpflichten, dacht als unbegründet erweist. den*die Arbeitgeber*in zu informieren, wenn gegen sie ein Ermittlungsverfahren wegen einer Straftat gegen Zur Schutzpflicht gehört weiter zu prüfen, ob die die sexuelle Selbstbestimmungsfähigkeit von Minder- Strafverfolgungsbehörden einzuschalten sind.2 Eben- jährigen eröffnet wird. falls ist Bestandteil sowohl der Schutzpflicht (da es der Personalverantwortung schließt aber auch ein, Mit arbeiter*innen anzusprechen und kritisch-konstruktiv 2 Ausführlich hierzu s. Expertise, S. 56 ff.
4 Aufklärung dient) als auch der Fürsorgepflicht gegen- über dem*der verdächtigen Mitarbeiter*in, ein Ge- 3. Weitere arbeitsrechtliche spräch mit ihm*ihr zu führen. Die Schutzpflicht gegen- Schritte: Trennung von über dem betroffenen Kind kann dieses aber auch gerade zunächst einmal hindern, wenn und solange Mitarbeiter*in der wirksame Schutz des Kindes durch das Gespräch Erwiesener Missbrauch = außerordentliche fristlose infrage gestellt wäre.3 Daher muss im jeweiligen Einzel- Kündigung fall abgewogen werden, wann das Gespräch stattfinden kann. Ist der Verdacht erwiesen, ist eine außerordentliche fristlose Kündigung auszusprechen. Diese ist gem. Ist der Verdacht nicht offensichtlich unbegründet, § 626 BGB zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, auf- sollte der*die Mitarbeiter*in bis auf weiteres bei Lohn- grund derer dem*der Arbeitgeber*in die Fortsetzung fortzahlung freigestellt werden – auch wenn der des Arbeitsvertrags nicht zugemutet werden kann. Sachverhalt noch weiter aufzuklären ist und die Kündi- Im Fall eines erwiesenen sexuellen Missbrauchs ei- gungsvoraussetzungen noch geprüft werden (hierzu nes*einer Minderjährigen liegt ein wichtiger Grund für unten). eine außerordentliche fristlose Kündigung vor. In Be- Zu prüfen ist, ob weitere eigene Maßnahmen zur tracht kommt eine personenbezogene Kündigung Sachverhaltsaufklärung möglich und sinnvoll sind. wegen einer Nichteignung der Person (zB bei einem Tätigkeitsausschluss nach § 72a SGB VIII und einer Tätigkeitsuntersagung durch die betriebserlaubnis erteilende Behörde) oder eine verhaltensbedingte Da das Vorgehen und Kommunikation bei einem Kündigung aufgrund eines vorgeworfenen Verhaltens. Verdacht auf innerinstitutionellen sexuellen Missbrauch fachlich und rechtlich höchst Verdacht = Verdachtskündigung anspruchsvoll sind, empfiehlt sich dringend, Ist der Verdacht zwar nicht erwiesen, aber nach Über- von Beginn an eine Fachberatungsstelle4 sowie zeugung von Leitung hinreichend wahrscheinlich, ist arbeitsrechtlichen Rechtsbeistand hinzuzu eine Verdachtskündigung auszusprechen: Eine Kündi- ziehen. gung trotz nicht bewiesener Vorwürfe gegenüber ei- nem*einer Arbeitnehmer*in sieht die arbeitsgerichtli- che Rechtsprechung als zulässig an, wenn „starke, auf objektiven Umständen gründende Verdachts momente gegeben sind, die geeignet sind, dass Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber*in und Arbeitnehmer*in zu zerstören“. Es muss eine hohe Wahrscheinlichkeit geben, dass die Tat begangen wurde, etwa wenn ein*e Zeug*in oder mehrere Zeug*innen glaubhaft von Übergriffen berichten. →→ Alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts müssen unternommen worden sein. →→ Zudem müssen die Arbeitnehmer*innen vor der Verdachtskündigung angehört werden. 3 Ausführlich hierzu s. Expertise, S. 91 ff. →→ Vor dem Arbeitsgericht müssen die Umstände 4 Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sind auf Grundlage der eines dringenden Verdachts konkret mit ihnen gem. § 8a Abs. 4 SGB VIII zu treffenden Vereinbarungen zu dargelegt werden. der Hinzuziehung einer insoweit erfahrenen Fachkraft sogar verpflichtet.
5 Beachtung der Zweiwochenfrist! Aufhebungsvertrag? Bei fristlosen Kündigungen ist zu beachten, dass diese Um der Möglichkeit vorzubeugen, dass die Kündigung nach § 626 Abs. 2 BGB nur innerhalb von zwei Wochen vom Arbeitsgericht aufgehoben wird, kann der Versuch ab dem Zeitpunkt, in dem der*die Kündigungs vorrangig sein, mit dem*der verdächtigen Mitarbei- berechtigte von den für die Kündigung maßgebenden ter*in (wenigstens) einen Aufhebungsvertrag zu Tatsachen Kenntnis erlangt, ausgesprochen werden schließen. Problematisch an diesem Vorgehen ist zwar, können. Die Anhörung eines etwaigen Betriebsrats dass spätere Arbeitgeber*innen den Trennungsgrund oder einer Schwerbehindertenvertretung muss daher nicht nachvollziehen können. In diesem Falle sind aber entsprechend rechtszeitig erfolgen. Die Frist beginnt andere Informationswege zu prüfen, insbesondere jedoch erst dann zu laufen, wenn ein*e Kündigungs eine Weitergabe an die Aufsichtsbehörde. berechtigte*r zuverlässige Kenntnis von den zur Kündigung führenden Tatsachen hat. Es wird daher im Besonderheiten bei ehrenamtlich Beschäftigten, Einzelfall abzuwägen sein, ob die Umstände, die der Honorarkräften und Beamten Institution bereits bekannt sind, schon ausreichen, um Bei Honorarkräften und Ehrenamtlichen gelten weni- einen dringenden Verdacht zu begründen, und sofort ger enge Kündigungsvoraussetzungen als bei Be- eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden amt*innen und Arbeitnehmer*innen. Bei Honorarkräf- sollte oder, ob bspw. die Ermittlungsergebnisse der ten ist eine Kündigung des Dienstverhältnisses zum Staatsanwaltschaft abgewartet werden, um von ausrei- Ende des vereinbarten Vergütungszeitraums (§ 621 chend starken Verdachtsmomenten ausgehen zu BGB) möglich bzw. fristlos bei wichtigem Grund (§ 626 können. BGB). Bei Ehrenamtlichen ist – falls es keine abwei- chenden Vereinbarungen gibt – eine Kündigung jeder- Abmahnung? zeit ohne Beachtung des Kündigungsschutzes mög- Eine verhaltensbedingte Kündigung ist, wenn es um lich. sexuellen Missbrauch geht, ohne vorherige Abmah- Für Beamt*innen (zB Lehrer*innen) kommen die je- nung zulässig, weil eine solche nicht ausreichend zur weiligen Landesbeamtengesetze und die Disziplinar- Sicherstellung des Schutzes ist. Zudem war für den*die gesetze der Länder zur Anwendung, die je nach Mitarbeiter*in der Institution die Tatsache, dass das Schwere unterschiedliche Maßnahmen beinhalten (zB Verhalten von dem*der Arbeitgeber*in nicht geduldet Warnung, Verweis, Geldbußen oder Kürzungen der werden kann, eindeutig erkennbar. Dienstbezüge, Disziplinarklage mit dem Ziel der Zu- rückstufung oder der Entfernung aus dem Dienst). Ein Versetzung? Beamt*innenverhältnis wird durch ein disziplinarrecht- Grundsätzlich sind zwar vor einer Kündigung immer liches Urteil eines Verwaltungsgerichts beendet. Dies mildere arbeitsrechtliche Maßnahmen wie bspw. eine kann durch den*die Dienstvorgesetzte*n beantragt Versetzung, die den Kontakt zum betroffenen Kind/ werden und ist angezeigt, wenn eine Zurückstufung zum*zur betroffenen Jugendlichen ausschließt, zu oder Versetzung nicht hinreichend erfolgsverspre- prüfen. Eine solche würde aber im Fall des sexuellen chend ist. Missbrauchs dem Fehlverhalten insbesondere deshalb nicht gerecht werden, weil neben bereits betroffenen auch weitere Kinder/Jugendliche in der Einrichtung zukünftig gefährdet sein könnten. Allenfalls kann eine Beschäftigung in einem Bereich in Betracht gezogen werden, in der ein Kontakt mit jeglichen Kindern und Jugendlichen gänzlich ausgeschlossen ist.
6 4. Verhältnis von Familien Grundsätzlich hat jedes Gericht den Sachverhalt selbstständig zu ermitteln und rechtlich zu würdigen. gerichts-, Arbeitsgerichts- und Die Erstattung einer Strafanzeige oder einer Verurtei- Strafverfahren lung im Strafverfahren ist nicht Voraussetzung für arbeits- oder familiengerichtliche Schritte. Wurde ein Familiengerichtliches, arbeitsgerichtliches und Straf- Ermittlungsverfahren eingestellt oder ein*e Arbeit- verfahren haben unterschiedliche Funktionen, Ziele nehmer*in freigesprochen, bedeutet das nicht auto- und Maßstäbe: matisch, dass der Kinderschutz gewährleistet ist und Im familiengerichtlichen Kinderschutzverfahren wird arbeitsrechtliche Schritte nicht erforderlich wären. geprüft, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, die Es werden allerdings an die Darlegung des Kündi- die Eltern nicht abwenden, und daher Eingriffe in das gungsgrunds besonders hohe Anforderungen zu elterliche Sorgerecht erforderlich sind. Im arbeitsge- stellen sein. richtlichen Kündigungsschutzverfahren wird geprüft, Erfährt ein*e Arbeitgeber*in von einer Straftat, die be- ob ein tatsächlicher Missbrauch bzw. starke, auf objek- reits aus dem Bundeszentralregister gelöscht wurde, tiven Tatsachen gründende Verdachtsmomente für den so ist eine Kündigung allein deshalb nicht ausge- Missbrauch gegeben sind, die geeignet sind das Ver- schlossen. Die zugrunde liegende Straftat stellt gleich- trauensverhältnis zwischen Arbeitgeber*in und Arbeit- wohl einen entscheidenden Eignungsmangel dar und nehmer*in zu zerstören und daher die Kündigung der*die Arbeitgeber*in muss die Möglichkeit haben, rechtfertigen. Im Strafverfahren muss das Gericht von eine angenommene Gefahr für die Kinder abzuwen- der Tatbegehung durch den*die Angeklagte*n über- den, für deren Wohl er*sie die Verantwortung trägt. zeugt sein. Im Zweifel hat das Gericht ihn*sie freizu- sprechen. Der Zweifelssatz des Strafverfahrens lässt sich nicht auf die Personalverantwortung der Institution in Fällen des Verdachts des sexuel- len Missbrauchs übertragen. Hier gilt vielmehr, die Perspektive des Kinderschutzes an erste Stelle zu setzen. Aus der Schutz- und Fürsor- gepflicht der Institution gegenüber den von ihr betreuten Kindern und Jugendlichen folgt, dass auch in Verdachtsfällen und nicht erst in erwie- senen Fällen arbeitsrechtliche Schritte geprüft werden müssen. Dabei sind die Erfolgsaussich- ten, insbesondere aber auch die Belastung des Kindes/des*der Jugendlichen durch das Ver- fahren zu prüfen. Die Schutzpflicht ist aktiviert, wenn eine Gefährdung des Wohls von einem Weitere Informationen sowie Beratungs-, Hilfe- und Unterstützungs angebote des UBSKM: Kind/einem*einer Jugendlichen oder mehreren www.beauftragter-missbrauch.de Kindern/Jugendlichen wahrscheinlich ist. www.hilfeportal-missbrauch.de Kommt eine Kündigung nicht in Frage, muss die Hilfetelefon Sexueller Missbrauch: 0800 – 22 55 530 (anonym und kostenfrei) | www.hifeltelefon-missbrauch.de I www.anrufen-hilft.de Institution andere Maßnahmen ergreifen, etwa www.schule-gegen-sexuelle-gewalt.de I www.kein-raum-fuer- einen Aufhebungsvertrag anbieten oder eine missbrauch.de I www.wissen-hilft-schützen.de Versetzung anordnen. www.kein-kind-alleine-lassen.de Twitter: @ubskm_de Instagram: @missbrauchsbeauftragter
Arbeitsrechtliche Möglichkeiten zu Prävention und Intervention bei innerinstitutionellem sexuellem Missbrauch VOR DER WÄHREND DER VORFALL AUFKLÄRUNG BEENDIGUNG DER BESCHÄFTIGUNG BESCHÄFTIGUNG BESCHÄFTIGUNG Kenntnis von externem Eignungsprüfung Eignungsprüfung Inanspruchnahme von Fachberatung Angestellte Verdacht/Missbrauch → Einholung eines erweiterten →V orlage eines erweiterten → Laufendes Ermittlungs Gespräch mit dem*der verdächtigten → Ordentliche Kündigung Führungszeugnisses Führungszeugnisses in verfahren Mitarbeiter*in? Voraussetzung: Vorliegen eines Kündigungsgrundes → Befragung im Bewerbungs- regelmäßigen Abständen → Eingestelltes Ermittlungs → Personenbedingte Kündigung gespräch verfahren Voraussetzung: dadurch keine Gefährdung des Kindes/des*der Jugendlichen → bei behördlicher Tätigkeitsuntersagung → Internetrecherche Sensibilisierung → Verdacht früherer → bei Nichteignung (in der Person liegender Grund: Gefährlichkeit für Kinder/Jugendliche) → Einsicht in Arbeitszeugnisse Arbeitgeber*innen → Vorstrafe Gespräch mit dem Kind/Personen/ → Vorstrafe → Nachfrage bei Arbeit → Fort-/Weiterbildung Sorgeberechtigten → Getilgte Vorstrafe geber*innen → Thematisierung im → Getilgte Vorstrafe → Tat außerhalb der Einrichtung beruflichen Alltag Verdacht in der Einschaltung Strafverfolgungs → Verhaltensbedingte Kündigung Einrichtung behörden? → bei feststehendem Missbrauch in der Einrichtung → ggf. bei Verstoß gegen eine Selbstverpflichtungserklärung Sensibilisierung → Beobachtung durch andere → mit Einwilligung des Kindes/des*der → Verdachtskündigung: bei dringendem Verdacht = hohe Wahrscheinlichkeit für den Mitarbeiter*innen Jugendlichen bzw. des*der Personen Missbrauch → Thematisierung im → Anvertrauen durch betrof- sorgeberechtigten Bewerbungsgespräch fenes Kind/betroffene*n → ohne Einwilligung des Kindes/des*der Jugendliche*n oder Jugendlichen bzw. des*der Personen- → Außerordentliche fristlose Kündigung (§ 626 BGB) Mitteilung durch Personen- sorgeberechtigten nur nach Abwägung, Voraussetzung: Es liegen Tatsachen vor, aufgrund derer dem*der Arbeitgeber*in eine sorgeberechtigten insbesondere: Fortsetzung des Arbeitsvertrags nicht einmal bis zum Ablauf der Kündigungsfirst zuge → Beobachtungen durch → wenn zur Abwendung der Gefahr für mutet werden kann (idR anzunehmen beim Vorliegen der oben genannten Kündigungs- andere Kinder/Jugendliche das konkret betroffene Kind/den*die gründe) Beschäftigungsvertrag → Anvertrauen durch miss betroffene*n Jugendliche*n zwingend Außerdem beachten: Kündigungsfrist, bei außerordentlicher Kündigung Zweiwochenfrist brauchenden Mitarbeiter*in erforderlich nach Kenntnis des Kündigungsgrundes, Sonderkündigungsschutz, Verhältnismäßigkeit, → Verhaltenskodex/Ehren Formalien, Anhörung Arbeitnehmer*in bei Verdachtskündigung → wenn der Schutz weiterer Kinder/ kodex/Schutzvereinbarung Jugendlicher das Interesse des*der → Selbstverpflichtung zur Betroffene*n überwiegt Beamt*innen Information über Ermittlungs- verfahren Eigene Einschätzung → Disziplinarmaßnahmen →E ntfernung aus dem Beamt*innenverhältnis nach gerichtlichem Disziplinarverfahren = Achtung: Arbeitsrechtliche Maßnahmen Voraussetzung: schwerwiegendes Dienstvergehen sind unabhängig von der Einleitung eines →B eendigung des Beamt*innenverhältnisses infolge eines Strafgerichtsurteils = Voraus- Strafverfahrens und auch VOR dem Vorlie- setzung: Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen vorsätzlicher Tat gen des Ermittlungsergebnisses zu prüfen! Ein Ermittlungsergebnis der Strafverfol- gungsbehörden (zB Einstellung) ist nicht Honorarkräfte (= Dienstverhältnis) bindend für die Prüfung arbeitsrechtlicher Maßnahmen. → Kündigung zum Ende des vereinbarten Vergütungszeitraums (§ 621 BGB) → Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund Einschätzung von Maßnahmen Ehrenamtlich Beschäftigte → Inanspruchnahme von Rechtsberatung → Prüfung der Auswirkung eines Gerichts- → jederzeitige Kündigung ohne Beachtung des Kündigungsschutzes möglich, es sei denn verfahrens auf das Kind abweichende vertragliche Vereinbarungen 7 ggf. vorrangig: Zuweisung einer anderen Tätigkeit? Freistellung? Abmahnung? Aufhebungsvertrag?
8 Autorinnen Katharina Lohse Fachliche Leiterin des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht e. V. (DIJuF) Dr. Janna Beckmann Leiterin der Abteilung Rechtsberatung/Rechtspolitik/ Forschung im Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e. V. (DIJuF) Sarah Ehlers Referentin für Kinder- und Jugendhilferecht im Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e. V. (DIJuF) Impressum Herausgeber: Arbeitsstab des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs Glinkastraße 24 10117 Berlin www.beauftragter-missbrauch.de Gestaltung: MediaCompany – Agentur für Kommunikation GmbH, Berlin Veröffentlichung: September 2021 (letzter Bearbeitungsstand: Dezember 2020)
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