Klinik Markt inside - medhochzwei Verlag
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Klinik Markt [inside] Hintergrund Interview: „Nicht zurück zur alten Normalität, sondern nach vorne zur künftigen Modernität“ D ie Professoren Heinz Loh- vorbereitet auf die Pandemie, ha- Nürnberg: Das Gesundheitswe- mann und Volker Nürnberg ben Bund und Länder, Leistungs- sen in Deutschland hinkt in der plädieren im Interview mit anbieter und Krankenversicherer Digitalisierung hinter den ande- KMi-Chefredakteur Sven ren Branchen her. Dies Preusker für eine grund- gilt für den ambulanten legende Umgestaltung wie den stationären des Gesundheitssystems Bereich und auch für nach der Corona-Krise. die Krankenversiche- rungen. Im internati- Preusker: Es ist die onalen Vergleich ist große Zeit der Thesen- Deutschland im hin- papiere mit Vorschlägen teren Mittelfeld. Es be- zur schrittweisen Rück- darf eines „Masterplans kehr zum Alltag nach Digitalisierung“ um der Corona-Krise. Sie Vernetzung, Teleme- plädieren hingegen für dizin, Datensicherheit, eine grundlegende Neu- Robotik und künstliche Prof. Dr. Volker Nürnberg, BWL-Professor, Partner bei der Prüf- und Bera- gestaltung des Gesund- tungsgesellschaft BDO (links) und Prof. Heinz Lohmann, Gesundheitsunter- Intelligenz voranzu- heitssystems in zentra- nehmer, Ehrenvorsitzender der Initiative Gesundheitswirtschaft (rechts). bringen. Medienbrüche Fotos: Nürnberg/ Lohmann len Positionen. sind Fehlerquellen und „Zeitfresser“. Lohmann: Stimmt. Ein einfaches bei wichtigen Entscheidungen Zurück zur alten Normalität darf meist an einem Strang gezogen. Lohmann: Wie oft ist mir bisher es nicht geben. Dazu gab es und Jetzt gilt es, die richtigen Lehren bei meinem Engagement für gibt es zu viel Veränderungsbe- zu ziehen und nicht wieder in die moderne Technik in der Gesund- darf. Es geht vielmehr jetzt da- alten Mechanismen zu verfallen. heitswirtschaft mit der Parole rum, nach vorne zu denken und Kurz gesagt, es ist genau der rich- „Menschen sind keine Autos“ wi- die künftige Modernität zu ge- tige Moment eine moderne, digi- dersprochen worden. Mitten in stalten. tale und heterarchische Struktur der Krise sind viele Kritiker und zu schaffen. Skeptiker der Nutzung digitaler Nürnberg: Die Corona-Krise hat Lösungen aus der Not heraus gezeigt, dass Deutschland im in- Preusker: In der Krise hat die Di- umgeschwenkt und haben plötz- ternationalen Vergleich über ein gitalisierung einen ungeahnten lich wie selbstverständlich Tele- starkes, handlungsfähiges und Schwung gewonnen. Das wäre medizin, Videokonsultation und belastbares Gesundheitssystem doch sicher ein wichtiges Feld für vieles andere mehr selber einge- verfügt. Und, obschon relativ un- einen Neustart. setzt und auch schätzen gelernt. medhochzwei Verlag GmbH · Alte Eppelheimer Straße 42/1 · D-69115 Heidelberg, Tel. +49 62 21 91 49 60 · Fax +49 62 21 91 49 6 20 · Sitz der Gesellschaft: Heidelberg, AG Mannheim HRB 707763, USt-IdNr.: DE267309671, Geschäftsführerin: Julia Rondot
Hintergrund Klinik Markt [inside] Jetzt geht es darum, diesen Stim- rein ökonomische Faktoren. Viel- voller Fehlanreize und ist, weil mungswandel zur Basis deut- mehr muss der Beruf langfristig institutionenorientiert, in keiner licher Digitalisierungsfortschritte mehr Sozialprestige vermitteln. Weise an den Patienteninteressen zu machen. Deshalb geht es um eine grund- ausgerichtet. Das war ja auch der legende Neubestimmung auch Grund, in einer Mitte der 2000er Preusker: Ein anderes Stief- der immateriellen Aspekte und Jahre neu strukturierten Kranken- kind des Gesundheitssystems in Mehrwerte. hausfinanzierung das Geld durch Deutschland ist seit jeher die Prä- leistungsbezogene Fallpauscha- vention. Hier ist es so, dass jeder Nürnberg: Hierarchische Struk- len an die Patienten zu binden sie will, aber keiner sie macht. turen in Krankenhäusern müssen und mehr Wettbewerb zuzulas- aufgebrochen werden, die Pflege sen. Jetzt müssen die künftigen Nürnberg: Prävention hat in der muss auch weiter akademisiert Finanzierungsgrundsätze erneut deutschen Medizin und in der werden, um in dem Zuge mehr überarbeitet werden und dabei Vergütung ärztlicher Leistun- Kompetenzen zu bekommen. zwei Grundlinien folgen. Zum gen immer noch einen viel zu Aber auch im ärztlichen Bereich einen gilt es, wieder zu einem geringen Stellenwert. Während wird es weiter zu Arbeitsmigra- mehr pauschalierten System zu Deutschland Weltmeister im tion, Privatisierung von Studi- kommen und zum anderen, den Reparieren ist, wird Prävention engängen, demographischem Patientenbezug zu stärken. Letz- kaum vergütet und hat im medi- Wandel mit Fachkräftemangel teres kann geschehen, indem das zinischen Alltag eine untergeord- kommen. Deutschland muss hier Patientenwohl zu einem weite- nete Bedeutung. Gerade bei Pan- Rahmenbedingungen schaffen, ren entscheidenden Maßstab der demien, in der Vorsorge und bei um attraktiver zu sein, dauerhaft Klassifizierung wird. Dabei ist die der Vermeidung von chronischen Menschen anzuziehen und zu Evidenz in der Medizin genauso Krankheiten stecken noch große binden. zu berücksichtigen, wie Patient Potentiale in der Optimierung der Reported Outcomes. Und weil die Behandlung von Patienten. Dabei Preusker: Aber ohne Geld wird Menschen die wachsenden Mög- werden auch KI und das Sammeln es auch nicht gehen und nach lichkeiten, sie ambulant zu versor- von Massendaten sowie der intel- der Krise wird die Finanzierung gen, durchaus schätzen, müssen ligente Einsatz von Algorithmen schnell wieder auf die Tagesord- die Entgeltsysteme des ambu- eine Rolle spielen, um Medizin nung kommen. Die Lobbyisten lanten und stationären Sektors präzise, präventiv und personali- positionieren sich doch schon. harmonisiert werden, um auch siert zu gestalten. Das gilt in besonderer Weise für hier die bestehenden Fehlanreize die Krankenhäuser endlich zu überwinden. Ich trete Preusker: Seit vielen Jahren for- deshalb für die Weiterentwick- dert die Pflege mehr Aufmerk- Lohmann: Ich sehe in der aktu- lung der DRGs zu PRGs, also „Pa- samkeit ein und beklagt sich ellen Diskussion durchaus die tient Related Groups“, ein. über mangelnde Anerkennung Gefahr, dass die Krise von dem ei- ihrer Arbeit. Das scheint jetzt mit nen oder anderen Protagonisten Preusker: Die Krise und ihre Be- einem Schlag anders zu sein. genutzt wird, um das ungeliebte wältigung haben aber auch selbst DRG-System los zu werden und Defizite offenbart, die jetzt auf- Lohmann: Die Pflege und andere auf Dauer zur längst überwunden gearbeitet werden müssen, um medizinische Berufe wurden im geglaubten Selbstkostendeckung künftig besser vorbereitet zu sein. Zuge der Corona-Krise als beson- zurückzukehren, wie sie ja für die ders systemrelevant identifiziert. Kosten der Pflege bereits einge- Lohmann: Für mich war erschre- Symbolische Aktionen, wie Ap- führt worden ist. Das wäre fatal. ckend, zu beobachten, dass die plaudieren und Einmalzahlungen, Wir brauchen zwar eine Reform Risikobewertung lange Zeit auf werden von den Betroffenen eher des Vergütungssystems, aber die einer viel zu schmalen Exper- kritisch wahrgenommen. Es geht Wiedereinführung des Selbstko- tenbasis und vor allem auf einer bei der Aufwertung der Pflege- stendeckungsprinzips ist keine völlig unzureichenden Datenlage berufe nicht ausschließlich um Lösung. Dieses System steckt erfolgen musste. In der öffentli- 2 Klinik Markt [inside] | HINTERGRUND 08/2020 www.klinikmarktinside.de
Klinik Markt [inside] Hintergrund chen Wahrnehmung fokussierte Nürnberg: Auch die ökono- Verdrängung traumatisch er- sich das Bild fast ausschließlich mischen, sozialen und psychi- lebter Situationen jetzt dazu füh- auf die Virologie. Bei der immer schen Folgen der getroffenen ren könnte, auf den alten Pfaden komplexer gewordenen Medizin Maßnahmen während der Krise weiterzumachen. Das wäre aus kann das Problem der erlebten wurden nicht ausreichend einbe- unserer Sicht grundfalsch. Es gibt Herausforderung aber nicht ein- zogen. In Zukunft ist eine umfäng- in der Tat viel zu tun, um das Ge- dimensional erfasst werden. Und liche interdisziplinäre Vorgehens- sundheitssystem im Interesse der erschütternd war für mich, nach weise unabdingbar. Schmerzlich Patienten und der Gesellschaft und nach zu erkennen, dass etwa vermisst wurde ein auf einem voran zu bringen. die Datenübermittlung eher nach breiten gesellschaftlichen Diskurs dem Prinzip von Formularen mit basierender Konsens, ob alles, was sieben Durchschlägen und fünf technisch in der Medizin mach- Meldesammelstationen organi- bar ist, auch genutzt werden soll. Impressum siert ist, als digitale Kommunika- Das gilt auch für die während der Klinik Markt inside tionsmöglichkeiten zu nutzen. Krise diskutierten oder sogar rea- Herausgeber: Dr. Uwe K. Preusker Dass auch grundlegende Ver- lisierten Ansätze, wie die massive Herausgeberbeirat: gleichszahlen zur Einordnung Einschränkung von Grundrechten, Dr. Daisy Hünefeld; des Geschehens, wie etwa die die Infragestellung individuellen Alexander Schmidtke; tägliche Sterblichkeit in euro- Datenschutzes, die Auswertung Prof. Dr. Christian Schmidt; päischen Ländern, nicht immer von Handydaten oder den Einsatz Prof. Dr. Bernd Halbe aktuell zur Verfügung stehen, ist einer Corona-App. V.i.S.d.P.: Julia Rondot angesichts der Tragweite der poli- Chefredakteur: Sven C. Preusker tischen Entscheidungen nicht ak- Preusker: Es gibt also viel zu tun? Redaktion: René Adler zeptabel. Hier besteht dringender kmi-redaktion@medhochzwei-ver- Handlungsbedarf auf nationaler, Lohmann: Unsere Sorge ist, dass lag.de | www.klinikmarktinside.de aber auch europäischer Ebene. die menschliche Fähigkeit zur Tel. + 49 151 15 28 09 75 Verlag: medhochzwei Verlag GmbH, Bücher Alte Eppelheimer Str. 42/1, Prof. Nürnberg und Prof. Lohmann sind auch Herausgeber und 69115 Heidelberg Autoren von im medhochzwei-Verlag erschienenen Werken. www.medhochzwei-verlag.de So hat Nürnberg als Mitherausgeber an dem Band „Gesundheit Bezugsbedingungen: Klinik Markt inside und Arbeit 4.0 – Wenn Digitalisierung auf Mitarbeitergesund- heit trifft“ mitgewirkt, der 2018 erschienen ist. Mehr dazu unter erscheint mit 24 Ausgaben pro Jahr, Abon- https://www.medhochzwei-verlag.de/Shop/ProduktDetail/ nement jährl. 655,00 Euro inkl. Versand- gesundheit-und-arbeit-4-0-buch-978-3-86216-413-4. kosten. Auch als elektronische Ausgabe in Lohmann ist Autor des soeben erschienenen Titels „Zukunft der KMi-App erhältlich. Weitere Informa- braucht Mut – Kolumnen zu Chancen Sozialer Gesundheitswirt- tionen unter www.klinikmarktinside. schaft“, eine Samm- de. Das Abonnement verlängert sich zu lung von 22 Kolum- den jeweils gültigen Bedingungen um ein nen zu den Chancen Sozialer Gesundheits- Jahr, wenn es nicht mit einer Frist von 8 wirtschaft und gegen Wochen zum Ende des Bezugszeitraumes Bürokratie und Regulierungswut aus den letzten 12 Jahren, die gekündigt wird. zum erschrecken des Autors heute nach wie vor aktuell sind – Vertrieb: medhochzwei Verlag GmbH, zeige es doch, dass die Gesundheitswirtschaft in diesen Jahren Alte Eppelheimer Straße 42/1, 69115 noch eine sehr gemächliche Dynamik entwickelt habe. Heidelberg, Tel. +49 6221 91 49 6-15, Fax Zu diesem Titel gibt es unter https://www.medhoch- +49 6221 91 49 6-20, sabine.hornig@ zwei-verlag.de/Shop/ProduktDetail/zukunft-braucht- medhochzwei-verlag.de mut-978-3-86216-624-4 weitere Informationen. Außerdem hat Lohmann als Herausgeber und Autor an vielen weiteren Titeln Vervielfältigung nur nach Absprache mitgewirkt. mit dem Verlag. www.klinikmarktinside.de HINTERGRUND 08/2020 | Klinik Markt [inside] 3
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