Körperliche Aktivität und psychische Gesundheit - RKI

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Leitthema: Körperliche Aktivität und Gesundheit

Bundesgesundheitsbl 2012 · 55:55–65            K.-H. Schulz · A. Meyer · N. Langguth
DOI 10.1007/s00103-011-1387-x                  Ambulanzzentrum, Fachbereich Sport- und Bewegungsmedizin, Institut für
Online publiziert: 24. Dezember 2011
                                               Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
© Springer-Verlag 2011

                                               Körperliche Aktivität und
                                               psychische Gesundheit

Um den gegenwärtigen Stand des Wissens            Inwieweit physiologische Reaktionen        eingeräumt wird. Es wird immer deutli-
zum Zusammenhang zwischen körperli-            auf psychische Belastungen (Stressreakti-     cher, dass dieses Potenzial hinsichtlich
cher Aktivität und psychischer Gesund-         vität) durch körperliche Aktivität beein-     Therapieerfolg, Lebensqualität und Kos-
heit darzustellen, fokussiert die vorliegen-   flusst werden, stellen wir im abschließen-    teneffektivität bei Weitem noch nicht aus-
de narrative Übersicht primär auf aktuelle     den Teil der vorliegenden Arbeit dar.         geschöpft ist.
Metaanalysen im Sinne eines „Review of                                                           Bei Menschen mit depressiven Ver-
Reviews“. Die Forschung betrachtet hier        Emotionale Effekte                            stimmungen verbessert körperliche Ak-
einerseits den Einfluss körperlicher Akti-     körperlicher Aktivität                        tivität die Stimmung [2]. Diese stim-
vität auf emotionale Prozesse und ande-                                                      mungsaufhellenden Effekte körperlicher
rerseits auf kognitive Funk­tionen.            Sport und Depression                          Aktivität sind bei Patienten mit depressi-
    Im ersten Teil der Arbeit wird der Zu-                                                   ven Erkrankungen stärker ausgeprägt als
sammenhang zwischen körperlicher Ak-           Depressive Erkrankungen bedeuten              bei psychisch gesunden Menschen [3, 4].
tivität und dem emotionalen Befinden er-       neben dem Leid für Betroffene und ihre        Conn [2] führt diesen Unterschied auf
örtert. Zunächst werden Studien zur Aus-       Angehörigen auch eine erhebliche sozio-       einen Bodeneffekt zurück, das heißt, bei
wirkung körperlicher Aktivität auf ängst-      ökonomische Last. Die Behandlungskos-         Gesunden ist das Verbesserungspoten-
liche und depressive Stimmungen bezie-         ten für depressive Erkrankungen liegen in     zial geringer als bei psychisch Kranken.
hungsweise auf Angststörungen und af-          Deutschland jährlich bei fast sechs Mil-      Eine Cochrane-Metaanalyse aus dem Jahr
fektive Störungen vorgestellt. Das dann        liarden Euro [1]. Klassische Behandlungs-     2009 kommt zu dem Ergebnis, dass kör-
folgende Kapitel fasst die Ergebnisse von      methoden für Menschen mit depressiven         perliche Aktivität bei depressiven Störun-
Studien zusammen, die den Zusammen-            Erkrankungen umfassen den Einsatz von         gen als therapeutische Maßnahme grund-
hang zwischen Selbstwirksamkeit bezie-         Antidepressiva einerseits und Psychothe-      sätzlich empfehlenswert ist. Aufgrund
hungsweise Selbstwertgefühl und kör-           rapie andererseits. Aber auch körperli-       methodischer Mängel der vorliegenden
perlicher Aktivität untersuchen. Die Fra-      ches Training kann als Antidepressivum        Studien sei eine spezifischere Aussage zur
ge, ob sich übermäßiges Training (Over-        wirken, Symptome lindern und das Wohl-        Stärke des depressionslindernden Effekts
training) negativ auf die psychische Ge-       befinden steigern. In der klinischen Pra-     allerdings nicht möglich [5].
sundheit auswirken kann, thematisieren         xis hat körperliches Training allerdings
wir in einem abschließenden Kapitel des        bis heute nur den Stellenwert einer zu-       Körperliches Training kann bei
ersten Teils.                                  sätzlichen Hilfsmaßnahme. Sport wird          Depressionen in einem ähnlichen
    Der zweite Abschnitt fasst die Befun-      als „Good Clinical Practice“ ergänzend zu     Maße wirksam sein wie eine
de zum Zusammenhang zwischen kör-              den etablierten Behandlungsmethoden           medikamentöse Therapie
perlicher Aktivität und kognitiven Funk-       empfohlen.                                    Zu diesem Ergebnis kommt eine ameri-
tionen zusammen. Dabei werden insbe-               Die Kritik an den methodischen Män-       kanische Studie, an der über 200 depres-
sondere auch die Studien zur Demenz be-        geln älterer Studien führte in den letz-      sive Patienten teilnahmen [6, 7]. Die Pro-
rücksichtigt.                                  ten Jahren zu einer deutlichen Verbesse-      banden wurden nach dem Zufallsprin-
    Die Zusammenhänge zwischen kör-            rung der Verfahren zur Analyse der Ef-        zip in vier Gruppen aufgeteilt. Die ers-
perlicher Aktivität und emotionalen so-        fekte sportlicher Aktivität auf depressive    te Gruppe absolvierte ein beaufsich-
wie kognitiven Funktionen sind auch bei        Symp­tome. Die Ergebnisse dieser neuen,       tigtes Ausdauertraining auf dem Lauf-
Kindern und Jugendlichen untersucht            methodisch robusteren Studien weisen          band. Dabei liefen die Teilnehmer drei-
worden. Diese Studien werden im drit-          darauf hin, dass dem depressionslindern-      mal pro Woche mit 70 bis 85% der ma-
ten Teil des Beitrages separat zusammen-       den Potenzial sportlicher Aktivität im kli-   ximalen Herzfrequenz. Die zweite Grup-
gefasst.                                       nischen Alltag ein zu geringer Stellenwert    pe trainierte genau wie die erste Grup-

                                                            Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 1 · 2012   | 55
Leitthema: Körperliche Aktivität und Gesundheit

   pe, jedoch zu Hause und ohne Aufsicht.           gen in der Regel ganz erhebliche Antriebs-      Antidepressiva tritt allerdings erst nach
   Die Probanden der dritten Gruppe erhiel-         störungen vor. Sport zu treiben ist in die-     etwa drei Wochen ein.
   ten ein Antidepressivum, die der vierten         ser Zeit für den Patienten meist nicht
   Gruppe ein Placebo.                              möglich. Es gilt dann, für den einzelnen        Neuroplastizitätstheorie. Mit der Mo­
       Nach 16 Wochen zeigte sich, dass die         Patienten in der jeweiligen Phase der Er-       noamin-Mangel-Hypothese allein ist die­
   depressive Symptomatik in der ersten             krankung das richtige Maß an körperli-          se Latenzzeit aber nicht zu erklären. Die
   Gruppe etwas stärker rückläufig war als in       cher Aktivierung zu finden, ohne ihn zu         Tatsache, dass der Organismus einen Zeit-
   der Medikamentengruppe. Auch bei den             überfordern.                                    raum von ebenfalls etwa drei Wochen be-
   Teilnehmern der zweiten Gruppe besser-               Um depressiven Menschen bestmög-            nötigt, um aus Vorläuferzellen neue funk-
   te sich die depressive Symptomatik, wenn         lich zu helfen, körperlich aktiver zu wer-      tionsfähige Neurone heranreifen zu las-
   auch nicht ganz so ausgeprägt wie in der         den, wurde in Großbritannien im Rah-            sen, führte zur Annahme, dass beide bio-
   Sportgruppe mit Anleitung. In der Pla-           men einer Studie das Konzept des Phy-           logischen Vorgänge in einem kausalen
   cebogruppe reduzierte sich die depressi-         sical Activity Facilitator (PAF) entwickelt     Zusammenhang stehen könnten, was die
   ve Symptomatik in einem geringeren Ma-           [9]. Die Unterstützung durch den PAF be-        Basis für die Neuroplastizitätstheorie bil-
   ße. Insgesamt befanden sich zum Studien-         steht in einer Beratung und Motivations-        dete. Ein wichtiger Meilenstein für die
   ende 46% aller Probanden in Remission.           förderung zur Aufnahme und Beibehal-            Entwicklung der Neuroplastizitätstheo-
   Eine katamnestische Untersuchung ein             tung einer für den Patienten geeigneten         rie war Ende der 1990er-Jahre die Entde-
   Jahr später zeigte einen weiteren Anstieg        Sportart. Theoretische Grundlagen für           ckung, dass sich Nervenzellen im mensch-
   der Remissionsrate auf insgesamt 66%.            die Intervention durch den PAF bilden           lichen Gehirn ein Leben lang neu bilden
   Dieser Anstieg um 20% war unabhän-               psychologische Konzepte, die sich schon         können (Neuroneogenese) [11]. Bis zu die-
   gig von der Gruppenzuordnung zu Be-              in anderen Bereichen der Gesundheitsför-        sem Zeitpunkt hatten führende Naturwis-
   ginn der Studie, das heißt, dass der An-         derung bewährt haben. Diese zielen vor          senschaftler die allgemeine Lehrmeinung
   teil der Patienten, die noch nach Studien-       allem darauf ab, die intrinsische Motiva-       vertreten, dass die Neurogenese nach der
   ende in Remission gingen, in allen Grup-         tion für ein bestimmtes Gesundheitsver-         Embryonalentwicklung und frühen Kind-
   pen gleich war. Allerdings war zu beob-          halten zu stärken [10]. Denn je höher das       heit nicht mehr möglich ist. Die Entde-
   achten, dass Patienten, die nach Studien-        Maß an intrinsischer Motivation für eine        ckung, dass sich neue Nervenzellen auch
   ende weiter Sport trieben, weniger depres-       sportliche Tätigkeit ist, desto höher ist die   im adulten Gehirn bilden können, wur-
   sive Symp­tome zeigten als die Patienten,        Wahrscheinlichkeit, dass die Person diese       de zunächst mit erheblicher Skepsis be-
   die keinen sportlichen Aktivitäten mehr          sportliche Tätigkeit auch aufnimmt und          trachtet [12]. Mittlerweile ist jedoch allge-
   nachgingen.                                      längerfristig fortführt.                        mein anerkannt und vielfach nachgewie-
       Die Studie gibt einen ersten Hinweis                                                         sen, dass eine Neurogenese auch in Ge-
   darauf, dass körperliches Training oh-           Welche neurobiologischen                        hirnen erwachsener Säugetiere stattfindet.
   ne gleichzeitige Gabe von Medikamen-             Mechanismen führen zur                              Man geht heute davon aus, dass bei De-
   ten nach vier Monaten depressive Symp-           Stimmungsverbesserung? Von der                  pressionen eine gestörte neuronale Plasti-
   tome in einem vergleichbaren Ausmaß re-          Monoamin-Mangel-Hypothese                       zität vorliegt. Die neuronale Plastizität be-
   duziert wie eine psychopharmakologische          zur Neuroplastizitätstheorie                    schreibt die Veränderungsfähigkeit von
   Behandlung. Darüber hinaus hält die Bes-                                                         Synapsen, Nervenzellen oder auch ganzer
   serung der depressiven Symptomatik län-          Monoamin-Mangel-Hypothese. Die                  Hirnareale. Voraussetzung hierfür ist wie-
   ger an, wenn Erkrankte nach Beendigung           antidepressiven Mechanismen auf zellu-          derum die Fähigkeit des adulten Gehirns
   einer Behandlung sportlich aktiv sind.           lärer und molekularer Ebene zu verste-          zur Neuroneogenese.
   Dies bestätigen auch frühere Studien, die        hen ist seit Jahren Gegenstand der moder-
   ebenfalls nachweisen konnten, dass kör-          nen neurowissenschaftlichen Forschung.          Der Brain-derived neurotrophic
   perliches Training die Rezidivrate bei De-       Bis Mitte der 1990er-Jahre war die Mono-        factor (BDNF) im Fokus
   pressionen senkt [8]. Da depressive Stö-         amin-Mangel-Hypothese das vorherr-              aktueller Forschung
   rungen sehr häufig rezidivieren, erhält          schende Modell zur Erklärung der De-            Sowohl für neuronale Neubildungs- als
   die­se Erkenntnis ein besonderes Gewicht.        pressionsentstehung. Nach dieser Theorie        auch Umbildungsprozesse sind Nerven-
                                                    besteht bei Depressionen ein Mangel an          wachstumsfaktoren, sogenannte Neu-
   Trotz depressiver Antriebslosigkeit              Neurotransmittern im synaptischen Spalt.        rotrophine, von wesentlicher Bedeutung
   sportlich aktiv? Das Konzept des                 Klassische pharmakologische Behand-             [13]. Ein Vertreter der Neurotrophine ist
   Physical Activity Facilitator                    lungsmethoden mit Serotoninwiederauf-           der Brain-derived neurotrophic factor
   Menschen mit Depression leiden oft an            nahme-Hemmern (SSRI), trizyklischen             (BDNF). Er scheint für die adulte Neuro-
   schweren Antriebsstörungen. Dies ist eine        Antidepressiva oder MAO-Hemmern er-             genese und Neuroplastizität von zentraler
   besondere Herausforderung, wenn kör-             höhen die Konzentration bestimmter Bo-          Bedeutung zu sein. BDNF spielt nicht nur
   perliche Bewegung als Therapieelement            tenstoffe im synaptischen Spalt und kön-        eine wichtige Rolle beim Heranreifen, bei
   in die Behandlung integriert werden soll.        nen die depressive Symptomatik bessern.         der Differenzierung und beim Überleben
   Während einer schweren Depression lie-           Die stimmungsverbessernde Wirkung der           von Nervenzellen, sondern auch bei der

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Zusammenfassung · Abstract

aktivitätsabhängigen synaptischen Plasti-      Bundesgesundheitsbl 2012 · 55:55–65  DOI 10.1007/s00103-011-1387-x
zität [14].                                    © Springer-Verlag 2011
    BDNF ist im Organismus ubiquitär
                                               K.-H. Schulz · A. Meyer · N. Langguth
vorhanden und sowohl im zentralen Ner-
                                               Körperliche Aktivität und psychische Gesundheit
vensystem als auch in zahlreichen peri-
pheren Organen (zum Beispiel Muskel-           Zusammenfassung
gewebe, Nieren, Prostata) und im Blut          Die Forschung zum Zusammenhang zwi-               bessert. Körperliche Aktivität kann dem ko-
nachweisbar. Dort scheint BDNF für Pro-        schen körperlicher Aktivität und psychischer      gnitiven Abbau im Alter vorbeugen und die
zesse im Energiestoffwechsel wichtig zu        Gesundheit betrachtet die Auswirkungen            Entwicklung einer Demenz hi­nauszögern.
                                               körperlicher Aktivität sowohl auf der emo-        Auch bei Kindern und Jugendlichen hat kör-
sein [15].
                                               tionalen als auch auf der kognitiven Ebene.       perliche Aktivität einen positiven Effekt auf
    In Gehirnen verstorbener depressiver       Körperliches Training kann bei Depressionen       die psychische Gesundheit und auf kognitive
Patienten fanden sich – im Vergleich zu        ähnlich wirksam sein wie eine medikamentö-        Funktionen, insbesondere auf die sich in die-
Hirnen von Gesunden – im Hippocampus           se Therapie. Im vorliegenden Beitrag werden       sem Alter entwickelnden exekutiven Funk-
und Kortex verminderte Konzentrationen         in diesem Zusammenhang diskutierte neuro-         tionen. Schließlich übt körperliche Aktivität
an BDNF [16]. Die bei Depression ernied-       biologische Mechanismen, die der Stim-            auch einen positiven Einfluss auf die hormo-
                                               mungsverbesserung zugrunde liegen, sowie          nellen Stressregulationssysteme aus: Bei Trai-
rigten BDNF-Spiegel lassen sich durch die
                                               psychologische Selbstkonzept- und Selbst-         nierten zeigen diese eine stärkere Reaktivität
Einnahme antidepressiver Medikamente           wirksamkeitsmodelle dargestellt. Bei der gut      und eine schnellere Regenerationsfähigkeit.
ausgleichen [17]. Sportliche Aktivität zeigt   belegten positiven Wirkung körperlicher Akti-
einen ähnlichen Effekt: Körperliches Trai-     vität auf Angstzustände und Angststörungen        Schlüsselwörter
ning führt zu einem transienten Anstieg        können Desensitivierungsprozesse eine Rol-        Körperliche Aktivität · Depression · Angst ·
der BDNF-Konzentration im peripheren           le spielen. Das Phänomen des vor allem bei        Selbstwirksamkeit · Kognitive Funktionen ·
                                               Leistungssportlern bekannten Übertrainings        Demenz · Kinder
Blut [18]. Das dort messbare BDNF ent-         zeigt, dass körperliches Training nicht in je-
stammt sowohl zentralen als auch peri-         dem Fall das psychische Wohlbefinden ver-
pheren Quellen; der überwiegende Teil
wird aber höchstwahrscheinlich im zen-
tralen Nervensystem gebildet und gelangt       Exercise and psychological well-being
über die Blut-Hirn-Schranke ins periphe-
                                               Abstract
re Blut [19]. Der Ursprung des übrigen aus     Research on the association between physi-        in over-trained athletes. Research on the rela-
der Peripherie stammenden BDNFs ist bis        cal activity and mental health addresses the      tionship between physical activity and cogni-
heute nicht eindeutig geklärt.                 beneficial effects of physical activity on emo-   tive functioning reveals that physical activity
    Neben den Neurotrophinen gibt es           tional and cognitive functioning. With regard     can prevent the age-related cognitive decline
weitere Moleküle, die depressive Symp-         to emotional functioning, most studies fo-        and can delay the onset of dementia. Physi-
                                               cus on the influence of physical activity on      cal activity has beneficial effects not only on
tome über eine gesteigerte Neurogenese
                                               depressive symptoms or affective disorders.       adults but also on children’s and adolescents’
positiv beeinflussen können und deren          These studies show that the beneficial ef-        mental health and cognitive performance,
Synthese durch sportliche Aktivität indu-      fects of aerobic exercise and pharmacothera-      particularly on their executive functions that
ziert werden kann. Ernst et al. [12] nen-      py on depressive symptoms seem to be com-         are still developing throughout adolescence.
nen in einer Übersichtsarbeit vier Schlüs-     parable and discuss a variety of neurobiologi-    Finally, physical activity also affects the endo-
selmoleküle, die bei Nervenzellneubil-         cal mechanisms that improve symptoms. The         crine stress-regulation system: trained people
                                               positive effects of physical activity on anx-     reveal stronger reactivity and quicker regen-
dungen im Hippocampus eine besonde-            ious mood and anxiety disorders are also well     eration when faced with stressful events.
re Rolle spielen. Dazu zählen BDNF, β-         documented. Desensitization to physiological
Endorphin, Vascular endothelial growth         changes, improved self-esteem, and self-ef-       Keywords
factor (VEGF) und Serotonin (5-HT). Es         ficacy seem to play an important part. How-       Exercise · Depression · Anxiety · Self-efficacy ·
gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass die­     ever, aerobic exercise does not improve men-      Cognitive function · Dementia · Children
                                               tal health in every case, as seen for instance
se Moleküle neben vielfältigen weiteren
bekannten Funktionen auch die Neuro-
neogenese beeinflussen (. Abb. 1).
    Pharmakotherapien der Depression
führen also – entsprechend der Neuro-
plastizitätstheorie – zu neuroplastischen
Veränderungen im menschlichen Gehirn.
Diese Veränderungen werden über viel-
fältige molekulare Mechanismen gesteu-
ert, die im hohen Maße auch durch kör-
perliche Aktivität und die dadurch her-
beigeführte Stimulation neuroplastischer
Vorgänge beeinflusst werden.

                                                            Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 1 · 2012               | 57
Leitthema: Körperliche Aktivität und Gesundheit

                                  Neuronale                                                             tensität) sowie den Wirkmechanismen
                                  Plastizität                                                           nachgehen.
                                                                                                            Herring et al. [24] fassen in ihrer Meta-
                                                                                                        analyse 40 Studien zusammen, in denen
                                                                                                        bei klinischen Stichproben (Patienten
                                                                                                        mit Tumorerkrankungen, kardiovaskulä-
                             Neuroneogenese                                                             ren Erkrankungen, mit COPD, Multipler
                                                                             Abb. 1 9 Körperliche
                                                                                                        Sklerose und mit psychiatrischen oder or-
                                                                             Aktivität induziert über
                                                                             die Bildung von BDNF,      thopädischen Erkrankungen) bewegungs-
                                                                             VEGF, β-Endorphin und      therapeutische Interventionen zur Linde-
                                                                             Serotonin die Neuro-       rung von Angstzuständen durchgeführt
           BDNF            VEGF          ß-Endorphin        Serotonin        neogenese im Hippo-        wurden. Die mittlere Effektstärke beträgt
                                                                             campus (nach [12]).
                                                                                                        d = 0,29 (95%-KI 0,23–0,36). Dabei erziel-
                                                                             BDNF Brain-derived
                                                                             neurotrophic factor,       ten Trainingsprogramme mit einer Dau-
                           Körperliche Aktivität                             VEGF Vascular endo-        er von bis zu 12 Wochen bessere Effekte
                                                                             thelial growth factor      als längere Programme. Die Autoren füh-
                                                                                                        ren dies auf die bessere Adhärenz bei den
   Entzündungshypothese                                le sind aber bei Depressiven hyperaktiv          kürzeren Interventionen zurück. Weiter-
   der Depression                                      (Grübeln, Selbstgespräche, negative Emo-         hin wurden stärkere Effekte erzielt, wenn
   Die Entzündungs-Serotonin-Hypothese                 tionen). Durch sportliche Aktivität sinkt        die Dauer der einzelnen Trainingseinhei-
   ist ein weiterer Ansatzpunkt, um die posi-          die Aktivität in diesen Arealen nicht nur        ten mindestens 30 min (am häufigsten
   tiven Effekte körperlicher Aktivität bei            akut, sondern auch langfristig.                  dreimal pro Woche) umfasste und in den
   Depressionen zu erklären. Diese Theo-                                                                eingesetzten Verfahren zur Messung der
   rie stützt sich unter anderem auf die Be-           Angst                                            Ängstlichkeit ein Zeitfenster von mehr
   obachtung, dass bei depressiven Störun-                                                              als einer Woche abgefragt wurde. Auf
   gen eine Dysbalance zwischen verschie-              In einer Metaanalyse zur Überprüfung             Grundlage dieser Studienergebnisse kön-
   denen Immunparametern im Sinne eines                der Effektstärke bewegungstherapeu­              nen bewegungstherapeutische Interven-
   Überwiegens der Typ-1-Immunreaktion                 tischer Interventionen auf die Reduk­tion        tionen mit minimalem Risiko für widri-
   vorliegt. Eine veränderte Immunreak-                des Ausmaßes von Ängstlichkeit fassen            ge Ereignisse zur Reduktion von Angstzu-
   tion wirkt sich wiederum auf die mono­              Wipfli et al. 49 randomisierte kontrol-          ständen empfohlen werden, insbesonde-
   aminen Neurotransmitter-Systeme aus.                lierte Studien zusammen, die bis Januar          re für Patienten, die nicht-pharmakologi-
   Über verschiedene Mechanismen kommt                 2006 publiziert wurden [23]. In 46 dieser        sche Therapien präferieren. Bei intensive-
   es dann zu einer neuronalen Schädigung.             Studien wurde ein aerobes Ausdauertrai-          rer körperlicher Aktivität machen die Be-
   Moderate körperliche Aktivität wirkt ent-           ning verwendet. Die Effektstärke über            troffenen wiederholt die Erfahrung, dass
   sprechend der Entzündungshypothese                  alle Studien mit insgesamt 3566 Teil-            körperliche Symptome wie Schwitzen,
   der Depression antiinflammatorisch, in-             nehmern im Vergleich zu unbehandel-              Hyperventilation und Herzrasen ohne be-
   dem sie die mit Depressionen assoziier-             ten Kontrollgruppen liegt bei d = −0,48          gleitende emotionale Störungen auftreten.
   ten Dysbalancen der Immunantwort re-                (95%-KI − 0,63 bis − 0,33), im Vergleich         Dadurch könnte ein Desensitivierungs-
   guliert [20].                                       zu Gruppen mit anderen anxiolytischen            prozess bei den körperlichen Begleitsym-
                                                       Therapieformen (Entspannungsverfah-              ptomen von Angstzuständen einsetzen.
   Transiente Hypofrontalitätstheorie                  ren, Stressmanagementedukation, Yo-                  Bisher in diesem Forschungsbereich
   Die sogenannte „Transiente Hypofronta-              ga, Gruppentherapie und andere) noch             vernachlässigte Interventionsformen wie
   litätstheorie“ ist eine neuere Theorie zur          bei −0,19 (28 Studien, 1924 Teilnehmer),         Krafttraining sollten in zukünftige Stu-
   Erklärung der positiven psychischen Ef-             das heißt, dass die Angstreduktion durch         dien einbezogen und die Trainingsinten-
   fekte von körperlicher Aktivität [21, 22].          körperliche Aktivität zwar gering ausfällt,      sität und Dauer verändert werden, um der
   Sportliche Aktivität erhöht die neurona-            jedoch signifikant stärker ist als bei ande-     Frage der optimalen Art und Dosierung
   le Aktivität des motorischen und sensori-           ren Behandlungsmethoden. Wipfli et al.           körperlicher Aktivität nachzugehen.
   schen Kortex sowie der Hirnregionen für             [23] schließen aus diesen Ergebnissen,               Zu weiteren psychischen Störungen
   die autonome Regulation. In den neuro-              dass bewegungstherapeutische Inter-              wie Abhängigkeitserkrankungen [25]
   nalen Strukturen, die für höhere kogni-             ventionen zur Linderung von Angstzu-             oder somatoformen Störungen [26] gibt
   tive Aufgaben (Planung, Problemlösen,               ständen empfohlen werden können, da              es einzelne empirische Untersuchungen,
   Arbeitsgedächtnis, sogenannte exekutive             ein hoher Grad an empirischer Evidenz            die noch keinen Schluss über die Effekte
   Funktionen) und für die emotionale In-              vorhanden ist. Zukünftige Studien soll-          von körperlicher Aktivität zulassen. Zum
   formationsverarbeitung zuständig sind               ten an klinischen Populationen durchge-          Einsatz körperlicher Aktivität bei der
   (präfrontaler Kortex) vermindert sich die           führt werden und Fragen nach der opti-           Raucherentwöhnung wurde ein Coch-
   Aktivität hingegen. Gerade diese Area-              malen Dosierung (Frequenz, Dauer, In-            rane-Review [27] vorgelegt, das aber nur

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wenige Studien (n = 13) zusammenfasst.           Die Richtung der Einflussnahme und          persönlich wahrgenommene Kontrolle
In drei dieser Studien konnte ein positi-     Effekte von körperlicher Bewegung auf          und Zuversicht, zum Beispiel an einem
ver Effekt körperlichen Trainings bei der     die Eigenwahrnehmung und das Selbst-           bestimmten Bewegungsprogramm teil-
Raucherentwöhnung festgestellt werden,        wertgefühl zu untersuchen ist Ziel sport-      nehmen zu können. Selbstwirksamkeits-
in einer Studie auch nach einem 12-mo-        psychologischer Forschung [30]. Wichtige       erwartungen dürfen dabei allerdings
natigen Follow-up. Die Autoren führen         psychologische Konstrukte in diesem Zu-        nicht mit Ergebniserwartungen – eine ge-
dies­ auf die geringe methodische Quali-      sammenhang sind das Konzept des glo-           wünschte Gewichtsabnahme beispielswei-
tät, insbesondere auf geringe Stichproben-    balen Selbstwertgefühls, das Konzept der       se – verwechselt werden.
größen und Interventionen von zu gerin-       Selbstwirksamkeit und das Modell des               Dass die Selbstwirksamkeitserwartung
ger Intensität und Dauer zurück.              physischen Selbstkonzepts. Auf diese soll      ein wesentlicher bestimmender Faktor im
    Auch zum Einsatz körperlicher Akti-       im Folgenden näher eingegangen werden.         Zusammenhang zwischen körperlicher
vität zur Behandlung schizophrener Psy-                                                      Aktivität und allgemeinem psychischem
chosen gibt es ein Cochrane-Review [28],      Sport und globales                             Wohlbefinden ist, konnten Netz et al.
das aber ebenfalls nur wenige randomi-        Selbstwertgefühl                               [33] in einer Metaanalyse (36 kontrollier-
sierte kontrollierte Studien (n = 3) zu-      Das globale Selbstwertgefühl lässt sich de-    te Studien) mit gesunden älteren Erwach-
sammenfasst. Die Ergebnisse zeigen, dass      finieren als der allgemeine subjektiv emp-     senen nachweisen. Hier zeigte sich, dass
Interventionsstudien mit körperlichem         fundene Wert, den wir uns selbst als Per-      eine Steigerung des allgemeinen psychi-
Training auch bei dieser Patientenpopu-       son beimessen. Spence et al. [31] stellten     schen Wohlbefindens durch körperliche
lation durchführbar sind und sich posi-       sich in einer Metaanalyse (113 kontrollier-    Aktivität vor allem über eine Stärkung der
tiv sowohl auf das psychische als auch auf    te Studien) die Frage, wie stark sich sport-   Selbstwirksamkeitserwartung (d = 0,38;
das körperliche Wohlbefinden auswirken.       liche Aktivität auf das globale Selbstwert-    95%-KI 0,24–0,52) zustande kommt.
Darüber hinaus demonstriert eine neue-        gefühl bei Erwachsenen auswirkt. Die
re deutsche Studie [29] eindrucksvoll, dass   Analyse ergab, dass Sport bei Erwachse-        Sport und physisches
ein dreimonatiges aerobes Ausdauertrai-       nen insgesamt zu einer „leichten aber si-      Selbstkonzept
ning sowohl in einer Gruppe von Patien-       gnifikanten“ Verbesserung des globalen         Ein zentraler Begriff im Kontext von Sport
ten mit chronischer Schizophrenie (n = 8)     Selbstwertgefühls führt (mittlere Effekt-      und positiver Eigenwahrnehmung ist der
als auch in einer gesunden Kontrollgrup-      stärke d = 0,23; 95%-KI 0,18–0,28). Als        des physischen Selbstkonzepts. Dieser
pe (n = 8) zu einem Anstieg des Hippo-        wichtige Moderatorvariablen für die­se         Teilbereich des globalen Selbstkonzepts
campusvolumens und zu verbesserten ko-        Verbesserung konnten die Veränderung           fasst alle selbstbezogenen Informationen
gnitiven Leistungen führt.                    des körperlichen Fitnesszustands sowie         über den eigenen Körper zusammen. Es
                                              die Art der Sportaktivität identifiziert       enthält Informationen über körperliche
Körperliche Aktivität und                     werden. So zeigten vor allem diejenigen        Fähigkeiten (Kraft, Ausdauer, Schnellig-
positive Eigenwahrnehmung                     Probanden ein verbessertes Selbstwertge-       keit, Beweglichkeit, Koordination) so-
                                              fühl, die durch das Sportprogramm auch         wie Aspekte der körperlichen Attraktivi-
Dass ein Zusammenhang zwischen sport-         körperlich fitter wurden. „Life-Style-Pro-     tät [34]. Mehrere Studien konnten nach-
licher Aktivität und positiver Eigenwahr-     gramme“ (bei denen das Sportprogramm           weisen, dass Sport zu einer Verbesserung
nehmung besteht, ist eine weit verbreite-     mit Entspannungsverfahren oder Er-             des physischen Selbstkonzepts führt [35].
te Annahme. Kausale Aussagen zu for-          nährungsprogrammen kombiniert wur-
mulieren, die den Zusammenhang zwi-           de) waren dabei einem Training überle-         Übertrainingssyndrom und
schen Sport und Wahrnehmung und Be-           gen, bei dem es allein um die Verbesse-        sportliches Burnout
wertung der eigenen Person betreffen, ist     rung technischer Fertigkeiten in einzel-
jedoch weitaus schwieriger. Es geht dabei     nen Sportdisziplinen ging.                     Körperliches Training verbessert nicht in
um die Beantwortung folgender Kernfra-                                                       jedem Fall das psychische Wohlbefinden.
gen: „Führt körperliche Aktivität zu einer    Sport und Selbstwirksamkeit                    Das Phänomen des Übertrainings (over-
positiveren Eigenwahrnehmung und er-          Der Begriff der Selbstwirksamkeit (self-       training) und des sportlichen Burnouts ist
klärt dies den Zusammenhang zwischen          efficacy) geht auf den amerikanischen          vor allem bei Leistungssportlern bekannt.
Sport und einem verbesserten Selbstwert-      Psychologen Albert Bandura zurück.             Aber auch Freizeitsportler können betrof-
gefühl oder führt umgekehrt ein positi-       Bandura versteht unter Selbstwirksam-          fen sein.
ves Selbstwertgefühl zu vermehrter kör-       keitserwartungen (self efficacy beliefs)
perlicher Aktivität? Gibt es nur eine Wir-    den Glauben und die Zuversicht, mit den        Übertrainingssyndrom. Das Übertrai-
kungsrichtung oder treffen eventuell bei-     eigenen zur Verfügung stehenden Fähig-         ningssyndrom (ÜTS) ist ein komplexes
de Hypothesen im Sinne einer wechselsei-      keiten einen Handlungsverlauf so zu or-        multifaktorielles Geschehen und um-
tigen Selbstverstärkung zu? Welche wei-       ganisieren und durchzuführen, dass ein         fasst sowohl körperliche als auch psy-
teren Faktoren beeinflussen den Zusam-        gegebenes Ziel verfolgt werden kann [32].      chische Aspekte. Es kommt zunächst zu
menhang zwischen Sport und Selbstwert-        Im Kontext sportlicher Aktivität bedeu-        einer Leistungsstagnation und schließlich
gefühl?“                                      ten Selbstwirksamkeitserwartungen die          zu einem Abfall der sportartspezifischen

                                                            Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 1 · 2012   | 59
Leitthema: Körperliche Aktivität und Gesundheit

   Leistungsfähigkeit trotz weitergeführtem             Eine in der internationalen Literatur­    le Veränderungen im Trainings- und Re-
   oder sogar intensiviertem Training. Auch         allgemeingültige und abgrenzende              generationsplan eingeleitet werden.
   nach einer verlängerten Regenerations-           Defini­tion der Begriffe „Overreaching“,
   phase von zwei bis drei Wochen ist der           „Übertraining“ und „Burnout“ gibt es          Kognitive Effekte
   Abfall der Leistungsfähigkeit noch nach-         nicht. Winsley und Matos [39] stellen         körperlicher Aktivität
   weisbar. Bei einer kürzeren Dauer spricht        Overreaching, Übertraining und sportli-
   man eher von einem Überlastungszustand           ches Burnout auf einer Achse als Kontinu-     Die Forschung zum Zusammenhang zwi-
   (overreaching oder overloading) [36].            um dar. Ein Ende dieses Kontinuums zeigt      schen körperlicher Aktivität und der Ver-
       Neben dem Leistungsabfall findet             den Zustand des regenerierten Sport-          besserung kognitiver Funktionen ist vor
   sich bei Sportlern mit ÜTS typischerwei-         lers an, das entgegengesetzte Ende mar-       dem Hintergrund der Altersstrukturent-
   se eine allgemeine physische und psychi-         kiert den Zustand des sportlichen Burn-       wicklung der Bevölkerung besonders be-
   sche Erschöpfung. Oftmals sind depres-           outs. Overreaching und Overtraining sind      deutsam. Die Frage, ob körperliche Akti-
   sive Symp­tome wie Niedergeschlagen-             Zwischenstadien, die fließend ineinander      vität dem kognitiven Abbau im Alter vor-
   heit, Stimmungslabilität, Gleichgültigkeit,      übergehen.                                    beugen oder diesen verzögern und da­
   Reizbarkeit, verringertes Selbstvertrauen,           Im Gegensatz dazu argumentieren Ri-       rüber hinaus sogar die Entwicklung einer
   Ruhelosigkeit, Schlafstörungen, Appe-            chardson et al. [38] dafür, das sportliche    Demenz beeinflussen kann, ist deshalb
   titlosigkeit, Gewichtsverlust, Konzentra-        Burnout nicht als Endstadium des Über-        gesellschaftspolitisch von hoher Relevanz.
   tionsstörungen und Ängstlichkeit vorhan-         trainings zu sehen. Sie betonen, dass das         Während einige Reviewarbeiten [43,
   den. Weitere Kennzeichen sind Infektan-          ÜTS in erster Linie ein Zustand physi-        44] den Zusammenhang zwischen kör-
   fälligkeit, ein erhöhter Ruhepuls, Schwere       scher Überanstrengung ist, der auf einer      perlicher Aktivität und der Verbesserung
   der Arbeitsmuskulatur, Myalgien, gastro-         zu hohen Trainingsbelastung bei unzu-         kognitiver Funktionen als nicht erwie-
   intestinale Störungen und erhöhte Verlet-        reichender Regeneration beruht. Sport-        sen darstellen, kommen andere, insbe-
   zungsanfälligkeit.                               liches Burnout ist dagegen ein Erschöp-       sondere neuere Metaanalysen [45, 46, 47]
                                                    fungszustand, der primär auf emotiona-        zu gegenteiligen Schlüssen. Unterschie-
   Sportliches Burnout. Das sportliche              le Stressoren zurückzuführen ist und des-     de können in den Kriterien für die Aus-
   Burnout zeichnet sich im Vergleich zum           halb nicht als Folge eines ÜTS angesehen      wahl der Studien (Querschnitt-, Längs-
   ÜTS durch einen zusätzlichen Antriebs-           werden kann.                                  schnitt-, experimentelle Studien) begrün-
   und Motivationsverlust aus. Während                  Kellmann [40] betont die Wichtigkeit      det sein, in der Wahl und Kategorisierung
   Sportler mit ÜTS oftmals noch ein ausrei-        einer optimalen Regeneration zur Prä-         der Outcome-Parameter und in den je-
   chendes Maß an Motivation zeigen, wei-           vention eines ÜTS. Ein Leistungssport-        weils untersuchten Stichproben (Gesun-
   tere Trainingseinheiten zu absolvieren,          ler kann nur dann Steigerungen im Trai-       de versus Kranke, Ältere versus Jüngere).
   kann ein Sportler mit Burnout das Trai-          ningsumfang verkraften, wenn entspre-             In einem Cochrane-Review [45] von
   ning in der Regel nicht mehr fortführen.         chende Regenerationsressourcen zur Ver-       randomisierten kontrollierten Studien
   Es kommt zu einer starken Trainingsab-           fügung stehen. Da die körperlichen, psy-      mit über 55-jährigen Probanden ohne
   neigung und einer negativen Bewertung            chologischen und sozialen Aspekte der         neurokognitive Beeinträchtigung wur-
   der ausgeübten Sportart.                         Regeneration bei jedem Sportler unter-        den elf Studien zusammengefasst. Der
      Die am häufigsten diskutierten Ursa-          schiedlich gewichtet sind, sollten Regene-    Anstieg der kardiorespiratorischen Fit-
   chen für ein ÜTS und sportliches Burnout         rationsmaßnahmen genau auf die jewei-         ness ging mit Verbesserungen in einigen
   sind eine für den Trainingszustand zu ho-        ligen Bedürfnisse des einzelnen Athleten      kognitiven Funktionen (motorisches Ler-
   he Trainingsintensität, ein zu hoher Trai-       abgestimmt sein.                              nen, Aufmerksamkeit, Verarbeitungsge-
   ningsumfang und/oder zu häufige Wett-                Auch die körperlichen und psychi-         schwindigkeit) einher, in anderen (zum
   kämpfe ohne ausreichende Erholungs-              schen Belastbarkeitsgrenzen, die bei einer    Beispiel Gedächtnis, exekutive Funktio-
   phasen. Allerdings müssen noch weitere           Überschreitung zum Übertraining und           nen) zeigten sich allerdings keine Verbes-
   Faktoren vorliegen, die dazu führen, dass        zum sportlichen Burnout führen können,        serungen. Die Autoren werfen die Frage
   ein Athlet ein ÜTS oder sportliches Burn-        sind bei Leistungssportlern inter- und in-    auf, weshalb sich einige kognitive Funk-
   out entwickelt. Dafür spricht allein schon,      traindividuell höchst unterschiedlich.        tionen durch körperliches Training ver-
   dass viele Sportler, obwohl sie hart trai-       Sportler und deren Betreuer sollten die-      bessern lassen, andere jedoch nicht. Smith
   nieren, kein ÜTS entwickeln. Neben einer         se möglichst frühzeitig erkennen. Dabei       et al. [47] kommen in einer neueren Meta-
   Dysbalance zwischen Trainingsbelastung           können psychometrische Verfahren wie          analyse von 29 Studien mit über 18-jähri-
   und Erholung spielen daher vermutlich            das Profile of Mood States (POMS, [41])       gen Teilnehmern (N = 2049; 234 Effekt-
   weitere Bedingungen, wie etwa psycho-            oder der Recovery Stress Questionaire for     maße) zu dem Ergebnis, dass körperli-
   soziale Stressfaktoren (Beziehungsprob-          Athletes (RESTQ-Sport, [42]) hilfreich        ches Training die Aufmerksamkeit, die
   leme, Einschränkungen der Autonomie,             sein. Mithilfe dieser Fragebögen können       Verarbeitungsgeschwindigkeit und die
   hoher Erwartungsdruck) oder die Ent-             Stimmungsumschwünge und mögliche              exekutiven sowie Gedächtnisfunktionen –
   wicklung eines depressiven Syndroms              Dysbalancen zwischen Stress und Erho-         allerdings nicht des Arbeitsgedächtnisses
   eine Rolle [37, 38].                             lung frühzeitig identifiziert und eventuel-   – verbessert. Sie finden also auch Verän-

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derungen in kognitiven Funktionen, die        fekt körperlichen Trainings (Walking, ae-     sich körperliche Aktivität ebenfalls prä-
im ­Cochrane-Review als durch körperli-       robic exercise, Krafttraining) auf kogniti-   ventiv auf die Entwicklung einer vaskulä-
che Aktivität nicht veränderbar eingestuft    ve Funktionen. Die mittlere Effektstärke      ren Demenz auswirkt, untersuchten Aars-
wurden. Erickson und Kramer [46] be-          lag hier bei d =0,57 (95%-KI 0,38–0,75).      land et al. [57] in einer Metaanalyse pros-
tonen, dass gerade exekutive Funktionen       Hinsichtlich der Intensität oder Dauer des    pektiver epidemiologischer Studien (Fol-
(Planung, Koordination, Arbeitsgedächt-       Trainings war kein Unterschied festzustel-    low-up vier bis sieben Jahre, 10.108 Teil-
nis, Flexibilität) einer Verbesserung durch   len. Die am schwersten beeinträchtigten       nehmer, 374 Fälle). Sie stellten ein um
körperliche Aktivität zugänglich sind, und    Patienten profitierten am meisten. Ande-      38% geringeres Risiko für körperlich ak-
führen querschnittliche MRI-Studien an,       re therapeutische Interventionen bei De-      tive Personen fest.
die belegen, dass dementsprechend prä-        menzpatienten weisen vergleichbare Ef-
frontale, parietale und temporale Hirnre-     fektstärken auf: Nicht-pharmakologische       Körperliche Aktivität,
gionen bei fitteren Personen stärker aus-     Therapien wie kognitives Training zeigen      psychische Gesundheit und
geprägt sind.                                 je nach Art, Dauer und Setting Effektstär-    kognitive Funktionen bei
   Sofi et al. [48] führten eine Metaana-     ken von 0,31 bis 0,59 [50]. Dieser Effekt     Kindern und Jugendlichen
lyse prospektiver Studien durch, die den      ist wiederum vergleichbar mit dem von
Zusammenhang zwischen körperlicher            pharmakologischen Therapien zum Bei-          Die meisten Jugendlichen in Deutsch-
Aktivität und dem Risiko für eine abfal-      spiel mit Cholinesteraseinhibitoren [51],     land bewegen sich zu wenig: Zu diesem
lende kognitive Leistungsfähigkeit (cog-      Memantin (NMDA-Rezeptor-Antago-               Schluss kommt der Kinder- und Jugend-
nitive decline) bei nicht dementen Per-       nist: KI 0,32–0,49) [52] oder Ginkgo bilo-    gesundheitssurvey des Robert Koch-Ins-
sonen im Alter untersuchten. Sie konn-        ba (d = 0,58) [53]. Die Effektstärken vari-   tituts [58]. Denn nur 8% der Jungen und
ten 15 prospektive Studien über 12 Kohor-     ieren je nach Krankheitsstadium und den       5% der Mädchen im Alter zwischen 14
ten mit insgesamt 33.186 Teilnehmern in       eingesetzten Messverfahren [54].              und 17 Jahren bewegen sich mindestens
die Analyse einschließen. Der Beobach-            In einem neueren Cochrane-Review          60 Minuten pro Tag mit moderater bis
tungszeitraum umfasste zwischen einem         [55] zur Frage der Wirksamkeit von kör-       sehr hoher Intensität. Damit erfüllt we-
und 12 Jahren. Bei 3210 Teilnehmern ging      perlichen Aktivierungsprogrammen bei          niger als ein Zehntel der Jugendlichen in
die kognitive Leistungsfähigkeit zurück.      Patienten mit Demenz (alle Formen und         Deutschland die Bewegungsrichtlinien
Körperlich aktive Teilnehmer wiesen ins-      Schweregrade) konnten aufgrund res-           der WHO für diesen Altersbereich. Ein
gesamt ein um bis zu 38% geringeres Ri-       triktiver methodischer Einschlusskrite-       Mangel an körperlicher Aktivität beein-
siko auf, kognitive Beeinträchtigungen zu     rien nur vier Studien berücksichtigt wer-     trächtigt jedoch nicht nur die körperliche,
entwickeln als körperlich Inaktive.           den, von denen schließlich nur zwei in die    sondern auch die psychische Gesundheit
                                              Metaanalyse einbezogen wurden. Die Au-        und schränkt die kognitive Leistungsfä-
Demenz                                        toren kommen zu dem Schluss, dass die         higkeit der betroffenen Kinder und Ju-
                                              vorliegende empirische Evidenz bisher         gendlichen ein.
Heyn et al. [49] führten eine Metaanalyse     nicht ausreicht, um die Effizienz körper-
von 30 randomisierten kontrollierten Stu-     licher Aktivierungsprogramme bei De-          Körperliche Aktivität und
dien mit an Demenz erkrankten Pa­tienten      menzpatienten zu beurteilen. Sie füh-         psychische Gesundheit bei
zu Effekten körperlichen Trainings (mitt-     ren dies Ergebnis auf die zum Teil klei-      Kindern und Jugendlichen
lere Dauer 23 Wochen, 3,6 Trainings pro       nen Stichproben (n = 11), die Art, Inten-
Woche à 45 min) durch. Die Teilneh-           sität und Dauer der Intervention und die      In einer Metaanalyse von Larun et al.
mer setzten sich aus Patienten mit unter-     schlechte Adhärenz der Patienten in den       [59], in die ausschließlich randomisier-
schiedlichen Formen einer Demenz zu-          Studien zurück.                               te kontrollierte Studien einbezogen wur-
sammen („Alzheimer’s disease, demen-              Hamer und Chida [56] untersuchten         den, wurde die Wirkung von Interven-
tia, mixed dementia, cognitive disor-         in einer Metaanalyse prospektiver Stu-        tionen zur körperlichen Aktivitätssteige-
ders, organic brain disease, mentally im-     dien, inwieweit körperliche Aktivität die     rung (Ausdauertraining) auf Angst- und
paired older adults, cognitively impai-       Entwicklung neurodegenerativer Stö-           depressive Symptome bei Kindern und Ju-
red nursing home residents, or geriatric      rungen beeinflusst. Sie fassen 16 Studien     gendlichen untersucht. Die Autoren fass-
mental pa­tients“; [49]. In 22 Studien wur-   mit 163.797 Teilnehmern zusammen, von         ten 16 Studien mit 1191 Teilnehmern im
de die kognitive Beeinträchtigung mit-        denen im Beobachtungszeitraum (4,7 bis        Alter von elf bis 19 Jahren zusammen.
tels der Mini Mental State Examination        30 Jahre) 3219 erkrankten. Das Risiko, an     Fünf (Depressivität) beziehungsweise
(MMSE) quantifiziert: In neun Studien         einer Demenz zu erkranken, war für kör-       sechs Studien (Angst) zeigten, dass kör-
wiesen die Teilnehmer geringe, in neun        perlich Aktive um 28% geringer, an Mor-       perliche Aktivität bei gesunden Kindern
mittlere und in vier schwere kognitive Be-    bus Alzheimer zu erkranken sogar um           und Jugendlichen negative Stimmungen
einträchtigungen auf. Von den 30 einge-       45%. Aussagen über die optimale Dosie-        reduziert (d = − 0,48; 95%-KI –0,97 − 0,01).
schlossenen Studien (N = 2020; mittleres      rung (Dauer, Intensität) der körperlichen        In einer Metaanalyse zum Zusammen-
Alter 80 ± 6,1 Jahre; Range 66 bis 91 Jah-    Aktivität konnten die Autoren anhand der      hang zwischen körperlicher Aktivität und
re) untersuchten 12 (N = 820) auch den Ef-    vorliegenden Studien nicht treffen. Ob        psychischer Gesundheit bei klinisch un-

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Leitthema: Körperliche Aktivität und Gesundheit

   auffälligen Kindern und Jugendlichen             durchgeführten Bewegungsinterventio-           keit, räumliches und logisches Denken,
   (Alter: drei bis 18 Jahre) fassten Ahn und       nen, die Durchführungsbedingungen              Arbeitsgedächtnis) und auf die schuli-
   Feweda [60] 73 Studien (30 randomisier-          (zum Beispiel individuelle oder Grup-          schen Leistungen (Lese- und Rechenauf-
   te kontrollierte Studien, 24 nicht randomi-      penintervention) sowie die Stichproben         gaben) bei 171 übergewichtigen Kindern
   sierte kontrollierte Studien, 19 korrelative     voneinander unterscheiden (zum Beispiel        (Alter: sieben bis elf Jahre), die entwe-
   Studien) zusammen. Die Ergebnisse der            im Alter, kognitiven Entwicklungsstand,        der einer von zwei Interventionsgruppen
   RCT-Studien zeigten, dass Bewegungs-             Körpergewicht).                                (Dauer der Intervention entweder 20 Mi-
   interventionen Depressivität, Angst und              Ein aktueller Review-Artikel [63]          nuten/Tag oder 40 Minuten/Tag über elf
   psychologischen Distress beziehungswei-          kommt trotz der oben beschriebenen me-         bis 15 Wochen) oder der Kontrollgruppe
   se posttraumatische Belastungsstörungen          thodischen Defizite zu dem Schluss, dass       (kein Training) zugeordnet wurden. Zu-
   am wirksamsten reduzieren (quantifiziert         sich bei Kindern und Jugendlichen so-          sätzlich wurden mittels funktioneller Ma-
   als durchschnittliche Effektstärken). Da-        wohl einmalige als auch kontinuierliche        gnetresonanztomographie (fMRT) die
   rüber hinaus wurde durch Bewegungs-              Einheiten körperlicher Aktivität positiv       Hirnaktivitäten bei elf Kindern aus der
   interventionen auch das Selbstwertgefühl         auf exekutive Funktionen auswirken. Als        Interventionsgruppe und bei neun Kin-
   der Kinder und Jugendlichen verbessert.          exekutive Funktionen werden kognitive          dern aus der Kontrollgruppe während der
       Motl et al. [61] untersuchten in einer       Prozesse bezeichnet, die für die Planung,      Aufgabenbearbeitung untersucht. Vergli-
   groß angelegten prospektiven Längs-              Ausführung und Kontrolle zielgerichte-         chen mit Kindern aus der Kontrollgrup-
   schnittstudie mit 4594 Jugendlichen den          ten Verhaltens verantwortlich sind. Sie        pe zeigten Kinder aus beiden Interven-
   Zusammenhang zwischen natürlichen                werden von Strukturen im präfrontalen          tionsgruppen bessere exekutive Funktio-
   Veränderungen der körperlichen Aktivi-           Kortex gesteuert. Dieser Teil des Gehirns      nen und mathematische Leistungen. Bei
   tät und der Häufigkeit depressiver Symp-         befindet sich bei Kindern und Jugendli-        Kindern aus beiden Interventionsgrup-
   tome über einen Zeitraum von zwei Jah-           chen noch in der Entwicklung und ist da-       pen fand sich zudem – anders als bei Kin-
   ren (vom Beginn der 7. bis zum Ende der          her in diesem Lebensabschnitt besonders        dern aus der Kontrollgruppe – eine ge-
   8. Klasse). Die Autoren konnten für die-         vulnerabel beziehungsweise empfäng-            steigerte Aktivität im präfrontalen Kortex
   sen Zeitraum zeigen, dass häufigere kör-         lich für positive Einflüsse [64, 65]. Kogni-   und eine geringere Aktivität im posterio-
   perliche Aktivität mit einer Verminde-           tiv anspruchsvollere körperliche Aktivitä-     ren parietalen Kortex. Diese Unterschie-
   rung depressiver Symptome einherging.            ten scheinen dabei eine stärkere positive      de deuten auf eine Verbesserung exekuti-
   Jerstad et al. [62] führten über die Dauer       Wirkung auf exekutive Funktionen auszu-        ver Funktionen als Folge des aeroben Aus-
   von sechs Jahren eine prospektive Längs-         üben als kognitiv weniger fordernde Ak-        dauertrainings hin.
   schnittstudie zum Zusammenhang zwi-              tivitäten.                                         In einer Metaanalyse überprüften Si-
   schen körperlicher Aktivität und De-                 In einem Review-Artikel, der sich auf      bley und Etnier [68] die Effekte von kör-
   pressivität bei 496 weiblichen Jugendli-         die Wirkung kontinuierlicher körperli-         perlicher Aktivität (zum Beispiel Training
   chen (Alter zu t1: elf bis 15 Jahre) durch       cher Aktivität auf globale intellektuelle      motorischer Fertigkeiten, aerobes Aus-
   (ein Messzeitpunkt pro Jahr). Eine gerin-        Fähigkeiten, kognitive Funktionen (zum         dauertraining) auf die kognitiven Funk-
   gere Anzahl von Aktivitäten während der          Beispiel Wahrnehmungs-, Aufmerksam-            tionen (beispielsweise intellektuelle Fä-
   letzten 12 Monate sagte ein erhöhtes Risi-       keits-, Gedächtnisprozesse) und auf schu-      higkeiten, Leistungen bei Lese- und Re-
   ko für depressive Symptome sowie für den         lische Leistungen bei Kindern bezieht,         chenaufgaben, Gedächtnisleistung) und
   Beginn einer Depression vorher. Umge-            fassten Tomporowski et al. [66] 16 korrela-    fassten 44 Studien mit Kindern und Ju-
   kehrt reduzierte aber das Vorhandensein          tive, prospektive und randomisierte kont-      gendlichen (Alter: vier bis 18 Jahre) zu-
   depressiver Symp­tome auch die körperli-         rollierte Studien zusammen. Die Autoren        sammen. Die einbezogenen Studien, die
   che Aktivität der Jugendlichen.                  kommen zu dem Schluss, dass körperliche        sich in ihrer methodischen Qualität stark
                                                    Aktivität die Entwicklung insbesondere         voneinander unterschieden, deuten mit
   Körperliche Aktivität und                        von exekutiven Funktionen bei Kindern          einer durchschnittlichen Effektstärke von
   kognitive Funktionen bei                         und Jugendlichen begünstigt. Sie betonen,      0,32 auf einen positiven Zusammenhang
   Kindern und Jugendlichen                         dass bisher aber noch nicht hinreichend        zwischen körperlicher Aktivität und ko-
                                                    geklärt werden konnte, ob diese positiven      gnitiven Funktionen hin. Jedoch unter-
   Die Datenlage zum Zusammenhang zwi-              Effekte vorwiegend von der Art der kör-        schieden sich die einzelnen Effektstärken
   schen körperlicher Aktivität und kogni-          perlichen Aktivität, von ihrer Dauer oder      je nach untersuchter kognitiver Funktion,
   tiver Leistungsfähigkeit bei Kindern und         von ihrer Intensität beeinflusst werden.       nicht aber nach der Art der körperlichen
   Jugendlichen ist bisher noch wenig zu-               Davis et al. [67] überprüften die Do-      Aktivität.
   friedenstellend. Häufig sind die Ergebnis-       sis-Wirkungs-Beziehung zwischen kör-
   se uneinheitlich, was unter anderem dar-         perlicher Aktivität und exekutiven Funk­       Stressreaktivität
   auf zurückzuführen ist, dass in den Stu-         tionen. Sie untersuchten die Wirkung
   dien unterschiedliche Aspekte kogniti-           eines aeroben Ausdauertrainings auf die        Phylogenetisch betrachtet dient die Stress-
   ver Funktionen untersucht wurden und             kognitiven Funktionen (exekutive Funk-         reaktion zur Mobilisierung von Energie in
   sich die verwendeten Testverfahren, die          tionen, Aufmerksamkeit/Unablenkbar-            Antizipation körperlicher Aktivität für die

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Fight-or-Flight-Reaktion [69]. Auf die Li-    könnte – zusätzlich zu den bereits oben       der Behandlung psychischer Störungen
pid- und Glukosemobilisierung durch die       dargestellten Mechanismen – die positi-       zu etablieren.
neuroendokrine Stressreaktion folgt im        ve Wirkung körperlicher Aktivität auf de-     Herauszufinden, wie eine sportthera-
Falle psychischer Stressoren in aller Re-     pressive Störungen erklären.                  peutische Intervention gestaltet sein
gel keine motorische Nutzung der bereit-         Jackson und Dishman [75] fassten           muss, um für psychisch erkrankte Er-
gestellten Energieressourcen. Statt verfüg-   in einem Review 73 Studien zur Reakti-        wachsene sowie Kinder und Jugendli-
bare Energien zu metabolisieren, werden       vität physiologischer Stressindikatoren       che auch umsetzbar zu sein, ist eine der
diese in Fettdepots gespeichert. Insulin-     bei Trainierten und Untrainierten nach        wesentlichen Aufgaben in diesem For-
resistenz, viszerale Fettspeicherung, Blut-   akuter psychischer Laborbelastung zu-         schungsfeld. Zum Beispiel sind auf Ba-
hochdruck und Hypertriglyceridämie, das       sammen. Sie kommen zu dem Schluss,            sis der bisherigen Literatur bislang kei-
sogenannte metabolische Syndrom, kön-         dass Trainierte schneller und stärker mit     ne fundierten Aussagen zur Dosis-Wir-
nen als Folge der Persistenz von Stress-      einer Stresshormonausschüttung reagie-        kungs-Beziehung zwischen körperlicher
reaktionen mit konsekutivem Cortisol-         ren, aber auch schneller zur entsprechen-     Aktivität und emotionalen beziehungs-
und Katecholaminexzess und einer Hem-         den Baseline zurückkehren, das heißt          weise kognitiven Effekten möglich. Es
mung der Ausschüttung von Geschlechts-        sich schneller erholen. Hamer et al. [76]     sind pragmatische Ansätze gefordert, die
hormonen, des Wachstumshormons und            kommen in ihrer Übersicht von Studien,        speziell auf die Bedürfnisse psychisch Er-
der Schilddrüsenachse angesehen wer-          die nach einer akuten körperlichen Trai-      krankter eingehen und insbesondere
den. Die in der heutigen westlichen Zivi-     ningseinheit die Reaktivität auf psychi-      auch die möglichen Hinderungsgründe
lisation ubiquitären Stressreaktionen und     sche Stressoren untersuchen, zu dem Er-       für körperliche Aktivität aufgreifen. Für
die körperliche Inaktivität potenzieren die   gebnis, dass die Reaktion des Blutdrucks      die entsprechende Adhärenz bestimm-
Akkumulation von Energiebereitstellung        auf psychische Stressoren nach sportli-       ter Patientengruppen könnten beispiels-
und -speicherung. Dies führt zu einer en-     cher Tätigkeit geringer ausfällt. Insge-      weise die sozialen Rahmenbedingungen
demischen Ausbreitung von Diabetes,           samt kann zwar nicht von einer höhe-          von Bedeutung sein. Diese müssten im
Adipositas und Herzerkrankungen. Kör-         ren Stressresistenz bei Trainierten ge-       Rahmen klinischer Studien für einzelne
perliche Aktivität verstoffwechselt die-      sprochen werden, doch zeigen sie eine         Patienten- und Altersgruppen ermittelt
se Energie durch konsekutive mitochon-        verbesserte Stressregeneration, was prä-      und dann als fester Bestandteil in sport-
driale Proliferation, die damit verbunde-     ventivmedizinisch von Bedeutung sein          therapeutische Interventionen integriert
ne Verstärkung der oxidativen Kapazität       könnte, das heißt, sportliche Aktivität       werden.
der Muskulatur und Erhöhung der Insu-         könnte der Hyperaktivität der Hypotha-
linsensitivität [70].                         lamus-Hypophysen-Nebennierenrin-              Korrespondenzadresse
    Abgesehen von diesen direkten Wir-        den-Achse bei depressiven Störungen           Prof. Dr. Dr. K.-H. Schulz
kungen körperlicher Aktivität auf lang-       entgegenwirken.                               Ambulanzzentrum,
fristige Konsequenzen hyperaktiver                                                          Fachbereich Sport- und Bewegungsmedizin,
                                                                                            Institut für Medizinische Psychologie,
Stresshormonachsen wird auch die hor-         Fazit                                         Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
monelle und physiologische Stressant-                                                       Martinistr. 52, W26, 20241 Hamburg
wort selbst durch körperliche Aktivität       Körperliche Aktivität wirkt sich sowohl       khschulz@uke.de
beeinflusst. Die sogenannte „Cross-Stres-     bei psychisch Erkrankten als auch bei Ge-
sor-Adaptationshypothese“ [71] geht der       sunden günstig auf die emotionale und         Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor
                                                                                            gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Frage nach: „…, ob sich sportbeding-          geistige Gesundheit aus. Menschen aller
te Stressadaptationsvorgänge auch auf         Altersklassen profitieren von den posi-
sportfremde, insbesondere psychosoziale       tiven Effekten. Die vorliegenden Ergeb-       Literatur
Stressreize verallgemeinern lassen“ ([72],    nisse weisen darauf hin, dass körperliche
S. 170). Das Stresshormonsystem Trai-         Aktivität ein enormes Potenzial sowohl         1. König HH, Luppa M, Riedel-Heller S (2010) Die Kos-
                                                                                                ten der Depression und die Wirtschaftlichkeit ihrer
nierter zeichnet sich dadurch aus, dass       als präventive als auch als therapeuti-           Behandlung. Psychiatr Prax 37:213–215
bei submaximaler Belastung die Schwel-        sche Maßnahme bei psychischen Störun-          2. Conn VS (2010) Depressive symptom outcomes of
le für den Anstieg der Katecholamine Ad-      gen besitzt.                                      physical activity interventions: meta-analysis fin-
                                                                                                dings. Ann Behav Med 39:128–138
renalin und Noradrenalin im Plasma hö-        In den Neurowissenschaften und in der          3. Stathopoulou G, Powers MB, Berry AC et al (2006)
her und die ACTH- und Cortisolsekre-          Psychologie konnten in den vergange-              Exercise interventions for mental health: a quanti-
tion geringer ist. In diesem Zusammen-        nen Jahren beachtliche Fortschritte bei           tative and qualitative review. Clin Psychol Sci Pract
                                                                                                13:179–193
hang ist von Bedeutung, dass eine Hyper-      der Entschlüsselung der Mechanismen            4. Rethorst CD, Wipfli BM, Landers DM (2009) The
aktivität der Hypothalamus-Hypophy-           erzielt werden, die der Wirkung körperli-         antidepressive effects of exercise. A meta-analysis
sen-Nebennierenrinden-Achse (HHNA)            cher Aktivität auf die psychische Gesund-         of randomized trials. Sports Med 39:491–511
                                                                                             5. Mead GE, Morley W, Campbell P et al (2009) Exer-
mit psychischen Erkrankungen, insbe-          heit zugrunde liegen. Das bessere Ver-            cise for depression. Cochrane Database Syst Rev
sondere mit der Depression in einem en-       ständnis dieser neurobiologischen Zu-             8:CD004366
gen Zusammenhang steht [73, 74]. Die ge-      sammenhänge ist ein erster Schritt, um
ringere Cortisolsekretion bei Trainierten     körperliche Aktivität als Komponente in

                                                           Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 1 · 2012               | 63
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