Kulturnetzwerke Jemen - Ein Projekt des Goethe-Instituts

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Kulturnetzwerke Jemen - Ein Projekt des Goethe-Instituts
Kulturaustausch

                       Kulturnetzwerke Jemen
                                      Ein Projekt des Goethe-Instituts

                                                    Björn Technau

U
        nter dem Titel „Transformation & Partnerschaft“         Vertrauen aufgebaut und Alternativen zur Einbindung in
        setzt das Goethe-Institut seit 2011 eine Vielzahl von   den Konflikt aufgezeigt.
        Projekten im Nahen Osten und in Nordafrika um,            Die Schwierigkeiten im jemenitischen Kultursektor ha-
        die vom Auswärtigen Amt gefördert werden. Die           ben junge Kreativschaffende in den letzten Jahren dazu
Projekte zielen auf verbesserte Zukunftsperspektiven und        bewegt, gemeinsame Initiativen zu gründen, Räume der
gesellschaftliche Teilhabe von jungen Menschen, die in der      Begegnung für Kunstinteressierte zu schaffen und es ihnen
Kultur- und Bildungsszene aktiv sind. Es werden Räume           zu ermöglichen, ihre Fertigkeiten zu trainieren und ihre
für Diskussionen, Meinungsaustausch und Qualifizierung          Ideen umzusetzen. So hat z.B. die bildende Künstlerin ‘Abir
geschaffen, die an die jeweiligen Rahmenbedingungen und         Hadhrami im Dezember 2020 das Kunststudio „Art Zone“
Lebensrealitäten der Länder und Regionen angepasst sind.        in al-Mukalla eröffnet und damit eine Möglichkeit für loka-
Einschlägige Beispiele sind die Projekte zur gewaltfreien       le Künstler:innen geschaffen, ihre Talente zu schulen und
Schule in Ägypten, zur verbesserten Entrepreneurship-           ihre Kunst auszustellen; die von Ibi Ibrahim gegründete
Bildung in Jordanien oder auch zum Umwelt-
schutz im Irak.
  Neu dabei seit September 2020 ist nun auch
ein Projekt im Jemen: „Kulturnetzwerke Jemen“
wurde in Anlehnung an das Projekt „Kulturaka-
demie Libyen“ konzipiert. Beide Projekte haben
sich der Förderung der Kunst- und Kulturszene
verschrieben und werden jeweils von außerhalb
gesteuert: die Kulturakademie Libyen vom Goethe-
Institut Tunesien aus, das Kulturnetzwerk Jemen
vom Goethe-Institut Jordanien aus. Sowohl in
Libyen als auch im Jemen ist die Kulturszene
durch anhaltende politische Instabilität bedroht.
Mit den Projekten zielt das Goethe-Institut auf
eine Unterstützung dieser Szene und vernetzt die
Kulturschaffenden in den Ländern untereinander
sowie international.
  Im Jemen gibt es für kreative Talente durch
den anhaltenden Krieg wenige Möglichkeiten, sich im             „Romooz Foundation“ bietet landesweite Wettbewerbe
künstlerischen Bereich weiterbilden zu lassen, Kunst- und       in den Bereichen Literatur und Fotografie an, die es den
Kulturprojekte umzusetzen und sie einem breiten Publi-          Teilnehmenden ermöglichen, ihre Werke sowohl im Jemen
kum zu präsentieren. Internationale Förderprogramme             als auch international zu präsentieren; mit ihrer Comra
konzentrieren sich zudem in der Regel auf die humanitäre        Academy bieten Sara und Yusra Ishaq Trainingsprogramme
Hilfe und lassen den Kultursektor außen vor, und das,           für junge Filmemacher:innen im Jemen an und helfen so,
obwohl dieser ein nicht zu unterschätzendes Potential für       die in den letzten Jahren zaghaft angelaufene Filmindu-
friedensstiftende Maßnahmen darstellt. Als Beispiel sei         strie im Land mit aufzubauen; die Kulturaktivist:innen
hier der jemenitische Low-Budget-Film „10 Days Before           Muhammad BaWazir und Shayma bin Othman haben
the Wedding“ erwähnt, der international rezipiert wurde         mit der 2017 gegründeten Meemz-Initiative die Kunst-
und durch seinen Erfolg Menschen aus allen Regionen             szene im ­Hadhramaut spürbar belebt (siehe Jemen-Report
des Jemen erreichte und diese mit Stolz zusammenführte.         51/2020) und dabei kreativwirtschaftliche Potentiale auf-
Kunst und Kultur werden im Jemen vielerorts dafür ge-           gezeigt; und die Basement Cultural Foundation in Sana‘a
nutzt, soziale und politische Probleme anzusprechen und         bietet unter der Leitung von Shayma Gamal und anderen
für Frieden zu werben; es werden dadurch Brücken und            Mitstreiter:innen einen sicheren Ort für offenen Austausch

16    Jemen-Report Jg. 52/2021, Heft 1/2
Kulturnetzwerke Jemen - Ein Projekt des Goethe-Instituts
Kulturaustausch       •   Goethe-Institut

und Debatten zu relevanten Themen wie Frauenrechte,               die zu fördernden Projekte. Die einzelnen Teams fokussier-
Kinderarbeit, Migration oder die Auswirkungen von qat.            ten auf verschiedene Themenschwerpunkte und gingen
  Das Projekt „Kulturnetzwerke Jemen“ setzt an dieser             methodisch unterschiedlich vor. Die Non-profit Organi-
aktiven Szene an und hilft jungen Jemenit:innen dabei,            sation Your ECHO, unter der Leitung von ‘Abd al-Jabbar
ihre Initiativen zu schärfen und neue Projektideen um-            al-Suhayli, Fatma al-Bayti und Manal Ghanem, arbeitete
zusetzen. Dafür werden bestehende Netzwerke ausgebaut             mit einem Online-Fragebogen, der an einschlägige Kul-
und gesellschaftlich engagierte Kreativschaffende in ihren        turschaffende im Jemen gerichtet wurde; Najla al-Shami,
Ideen unterstützt. Herzstück der Förderung ist ein Qualifi-       eine in Beirut lebende jemenitische Künstlerin, führte im
zierungs- und Mentoringprogramm, das über das Jahr 2021           Rahmen der zweiten Studie eine Reihe offener Interviews
die Umsetzung von Projekten ermöglicht, die einen nach-           durch; und Majid al-Kholidi, Leiter der Youth Without
                                                                           Borders Organization for Development, basierte
                                                                           seine Analyse auf vorangegangene Forschungen
                                                                           und stellte dabei vor allem regionale Unterschiede
                                                                           innerhalb des Jemens heraus, die bei der Umset-
                                                                           zung der Kulturprojekte beachtet werden müssen
                                                                           (Inhalte, Risiken, Herausforderungen).
                                                                             Kunst ist im Jemen ein zweischneidiges Schwert.
                                                                           Sie wird mitunter von den Konfliktparteien miss-
                                                                           braucht, um politisch-ideologisch Einfluss zu neh-
                                                                           men, Gewalt zu verherrlichen und Separierung zu
                                                                           propagieren. Sie wird allerdings auch effektiv von
                                                                           Künstler:innen und zivilgesellschaftlichen Organi-
                                                                           sationen dafür eingesetzt, Botschaften des Friedens
                                                                           und Zusammenlebens zu verbreiten. Im Kontext
                                                                           des Krieges werden ihnen dabei allerdings allerlei
                                                                           Hürden gesetzt. So ist es den Künstler:innen in den

haltigen Beitrag zur Kulturszene im Jemen leisten. Statt
einzelner Kunstprojekte nimmt „Kulturnetzwerke Jemen“
damit Vorhaben ins Visier, die darauf abzielen, sichere
Orte der Begegnung zu schaffen, wo Kunst kreiert, prä-
sentiert und rezipiert werden kann. Das Förderprogramm
richtet sich dabei explizit an Projekte aus verschiedenen
Kunstdisziplinen und verschiedenen Regionen im Jemen,
und es sollen insbesondere junge Menschen und Frauen
erreicht werden.
  Um das Projekt von Anfang an bedarfsorientiert auszu-
richten, wurden im Herbst 2020 zunächst drei Expert:innen­
teams damit beauftragt, die Kulturszene im Jemen einer
Bedarfsanalyse zu unterziehen. Ihre Studien eruierten
dabei regionale Risiken und identifizierten geeignete Trai-
ningsinhalte sowie Mentor:innen und Auswahlkriterien für

                                                                          linke Seite:
                                                                          2020 Romooz Artist Mentorship Program, Romooz
                                                                          Foundation (Foto: Bashayer Muhsin)
                                                                          rechte Seite von oben nach unten:
                                                                          Phone Art Yemen Präsentation, Februar 2020,
                                                                          Romooz Foundation (Foto: ‘Abir ‘Arif)
                                                                          Basement Cultural Foundation, Event Immortal in
                                                                          the Advantages of Coffee, Januar 2019, Pianist
                                                                          Adham al-Thabibi (Foto: Basement Media)
                                                                          Turning on the Light, Gruppenausstellung, Novem-
                                                                          ber 2019, Arsheef Gallery (Foto: Arsheef Yemen)

                                                                                      Jemen-Report Jg. 52/2021, Heft 1/2   17
Kulturnetzwerke Jemen - Ein Projekt des Goethe-Instituts
Ausschreibung Qualifizierungspro-
                                           Kulturaustausch    •   Goethe-Institut               gramm Kulturnetzwerke Jemen
                                                                                                (Design: Christopher Rizkallah)

Huthi-besetzten Regionen beispielsweise nicht erlaubt, das
Wort ‚Frieden‘ in ihren Arbeiten zu verwenden, da dies als        ging. Das Goethe-Institut und die UNESCO haben damit
Hochverrat angesehen wird. Nichtsdestotrotz finden auch           begonnen, ihr Engagement im Jemen miteinander zu ver-
diese Künstler:innen häufig Wege, ihre friedensstiftenden         zahnen und gemeinsame Projekte in der Zukunft anzuvi-
Botschaften zu vermitteln; sie tun dies allerdings verdeckt       sieren. Die Zusammenarbeit ist bereits jetzt im Bereich
und insbesondere unter Einsatz sozialer Medien. Die Um-           der Netzwerkarbeit und Bedarfsanalysen angelaufen und
setzung von Kulturprojekten erfordert außerdem vielerorts         soll weiter ausgebaut werden. Das Goethe-Institut und
komplizierte Genehmigungen durch mehrere Autoritäten,             die UNESCO unterstützen sich auch bei der Auswahl ihrer
vor allem wenn sie von internationalen und nationalen             Stipendiat:innen und Projektteilnehmenden. Zu den Jury-
Nicht-Regierungsorganisationen finanziert werden.                 Mitgliedern des Goethe-Projekts „Kulturnetzwerke Jemen“
  Basierend auf den Ergebnissen der drei Bedarfsanaly-            zählt beispielsweise auch der jemenitische UNESCO-Mit-
sen wurden dann auch die Inhalte des Vorbereitungs-               arbeiter Muhammad al-Jabari, der am Regional Office
trainings für die jemenitischen Mentor:innen geplant. In          in Doha tätig ist und von dort die Jemen-Aktivitäten der
zwei Online-Trainings wurden sie im Dezember 2020 auf             UNESCO koordiniert.
ihre Mentor:innentätigkeit vorbereitet. Schwerpunkte der             Die Auswahl der zu fördernden Projektideen findet
Trainings waren die Didaktik von Online-Veranstaltungen           zum Zeitpunkt dieser Niederschrift statt und soll in ei-
sowie Mentoring & Facilitation. Bei den teilnehmenden             nem Folgebeitrag präsentiert werden. Die insgesamt 170
Mentor:innen handelte es sich um Expert:innen unter-              eingegangenen Bewerbungen spiegeln das große Interes-
schiedlicher Disziplinen, die im späteren Verlauf des Pro-        se und den Bedarf an Kulturarbeit im Jemen wider. Sie
jekts den ausgewählten Nachwuchskünstler:innen und                umfassen äußerst spannende und innovative Projektideen
Kulturmanager:innen bei der Umsetzung ihrer Projektide-           aus verschiedenen Regionen, darunter Ta‘iz, Hadramaut,
en beratend zur Seite gestellt werden. Unter den an den           ­al-Hudayda, Aden, Sana‘a und sogar von der Insel Soqot-
Trainings teilnehmenden Mentor:innen waren Fu’ad ‘Ali              ra. Dabei werden ganz unterschiedliche Kunstdisziplinen
al-Sharjabi, Leiter des Yemeni House for Music and Art             berücksichtigt, von Musik über Animation bis hin zu tra-
in Sana‘a, Akhtar Qasim, Leiter des Jamil Ghanem Insti-            ditioneller Kleidung, Essen, Fotografie und Theaterpro-
tute of Fine Arts in Aden, Shuruq al-Ramadi, Gründerin             jekten. Das Goethe-Institut und alle Teilnehmenden und
der Takween Cultural Initiative in al-Mukalla, sowie ver-          Freund:innen von „Kulturnetzwerke Jemen“ freuen sich
schiedene Expert:innen aus den Bereichen Film (Maryam              auf die bevorstehenden Monate und die Wirkungen, die
al-Dhubhani), Fotografie (Hanan Ishaq, Thana Faruq) und            die teilnehmenden Projekte auf den Kultursektor im Land
Theater (Katherine Hennessey).                                     haben werden.
  Im Dezember kam es dann auch zur Ausschreibung des
Qualifizierungsprogramms. Der Open Call wurde durch
das seit September bereits weitläufig angewachsene Kul-
turnetzwerk verbreitet, vielfach auf Social Media geteilt                                          Dr. Björn Technau koor-
und auf den Webseiten des Goethe-Instituts angekündigt.                                            diniert am Goethe-Institut
Innerhalb kürzester Zeit meldete sich eine Vielzahl inte-                                          Jordanien die Kultur- und
ressierter Kulturschaffender im Jemen und wendete sich                                             Bildungsprojekte im Jemen.
mit ihren Fragen an das Goethe-Institut Jordanien. Zu                                              Im Bereich der internatio-
diesem Zweck wurden dann auch eine eigene Facebook-                                                nalen Zusammenarbeit war
Seite sowie eine Live-Fragestunde für die Bewerber:innen                                           er bereits in verschiedenen
angeboten. Zusätzliche Verbreitung fand die Ausschrei-                                             Funktionen und Regionen
bung über die Teilnahme des Goethe-Instituts am Second                                             tätig, u.a. in den USA, Chi-
Yemeni Youth Culture Forum der UNESCO, bei dem es u.a.                                             na und Indien.
um die Rolle von Kunst und Kultur in der Friedensbildung                                           Bjoern.Technau@goethe.de

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