Kulturwege Mühlebach und Steinhaus - Landschaftspark Binntal

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Kulturwege Mühlebach und Steinhaus - Landschaftspark Binntal
Kulturwege
Mühlebach und Steinhaus

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Kulturwege Mühlebach und Steinhaus - Landschaftspark Binntal
Die Broschürenreihe «Kulturwege im Land-
schaftspark Binntal» entstand mit Unterstüt-
                                                             GUTEN TAG!
zung des Bundesamts für Umwelt und des Kan-
tons Wallis.

                                                                Wir freuen uns, dass Sie den Landschaftspark Binn-
                                                             tal entdecken möchten. Er besteht aus dem Gebiet der
                                                             Gemeinden Binn, Bister, Ernen und Grengiols, sowie der
                                                             Dörfer Niederwald und Blitzingen der Gemeinde Goms.
                                                             Die Dörfer und Weiler sind Ortsbilder von nationaler
                                                             und regionaler Bedeutung. Sie liegen in einer vielfälti-
                                                             gen Kulturlandschaft. Im Parkgebiet leben rund 1300
                                                             Einwohner*innen.

                                                                In einem Naturpark von nationaler Bedeutung sollen
                                                             Landwirtschaft, Tourismus und Gewerbe gestärkt wer-
Titelbild:                                                   den und von den landschaftlichen Vorzügen profitieren,
Kapelle der Heiligen Familie auf dem Biel
                                                             diese aber gleichzeitig schonend behandeln. Ziel ist ein
in Mühlebach, erbaut 1676
                                                             Gleichgewicht zwischen Erhalt und Entwicklung. Sie
Projektleitung und Redaktion:                                unterstützen die lokale Wertschöpfung, wenn Sie bei
Peter Clausen
                                                             uns einkaufen, einkehren oder übernachten.
Texte:
Dr. Roland Flückiger-Seiler, Peter Clausen                      Die vorliegende Broschüre «Kulturwege Mühlebach
                                                             und Steinhaus» lädt Sie zu Spaziergängen und kurzen
Fotos:
Oliver C. Ritz, Peter Clausen, Dr. Roland Flückiger-Seiler
                                                             Wanderungen ein. Sie erhalten Informationen zu ausge-
                                                             wählten Sehenswürdigkeiten. Kurze Hintergrundtexte
Karten:                                                      vermitteln Einblicke in Themen, die für die Dörfer be-
Julia Agten
                                                             deutsam sind. Die Karten zeigen Ihnen, wo es lang geht.
Kartendaten:
Bundesamt für Landestopographie
Bundesamt für Umwelt                                         Folgende Kulturwege werden beschrieben:

                                                             Kulturweg Mühlebach			                          Seite 11
Gestaltung:
CH.H.GRAFIK Gestaltungswerkstatt                             Kulturweg Wasserkraft 			                       Seite 25
Druck:                                                       Kulturweg Steinhaus 			                         Seite 31
Valmedia AG

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© Landschaftspark Binntal, 2020                                                                                    3
Kulturwege Mühlebach und Steinhaus - Landschaftspark Binntal
±                   KULTURWEG MÜHLEBACH                   SEITE 11        0          20             40 Meter
                                                                                                                                 0              20           40 Meters

                          GEHZEIT                            40 Minuten

                          HÖHENMETER                  100 m Aufstieg

                          LÄNGE                                  1.5 km
                                                                                                                            1

                                                                                                                   2
                                                                                                                                                     3
                                                   Hinnerem Bieu

                                                                  1248

                                                                                  Bieu                                 6
                                                                                                               5                 7
                                                                                                    4                                  8

                                                                                          17                                               10
                                                                                                          14
                                                                                                                                                         9
                                                                                                                                 12
                 Hobacher                                                                                              15             11
                                                 Schlüecht                                     18
                                                                                                                                16
    Weg von Fürgangen / Hängebrücke Nr. 1

                                                                         20
                                                                                                19

                                                                                                               bach
                                                                                                          Mile
                                                     21

                                            22

                                                     Sanji

                                                                    hr
4                                                                Wu                                                                                                      5
Kulturwege Mühlebach und Steinhaus - Landschaftspark Binntal
0                         0.5                            1 Kilometer
       KULTURWEG WASSERKRAFT                                   SEITE 25

       GEHZEIT                                                 2 Stunden                                                                                                             Bim Esch
                                                                                                                                                                           26
       HÖHENMETER 300 m Auf- und 200 m Abstieg
                                                                                                                              MÜHLEBACH                      1197

                                                                                                                Mooshubel                                 24           27
       LÄNGE                                                                   5 km                                              1233
                                                                                                                                                     r                                                     Reschti
                                                                                                                        Chumma                   Wuh                      ra
                                                                                                                                                                     ch e

                                                                                                                                                                                     M il
                                                                                                   Bonacher
                                                                                                                                                                da

                                                                                                                                                                                      eb a
                                                                                                                                                         Wa u
                                                                                                                                        1200

                                                                                                                                                                                          ch
                Wiler                                                          Iischefäud                                                                                   Gadme                 25
                                                                                                                                                                 se   ra
                                                                                                                                                             Tru
                                                       TEN
                                                   ROT                         ERNEN                    1196
                                                                                                                       fera
                                                                    1116                                           Dor
                                                                                                                                                               d
                                                                                                                                                       rwa l
                                                       Ärnerfäld                                                                                Ärne
              Z'Brigg
                                                                                                                                                          1640

          986                                                                                      28
                                                                               e
                                   Niederernen                        g   ad
                                                              rs   ch                                                                                                                   Putzera
                                                          e
                Birchwaud                         Zi   mm                                                       1537

                                           1221
                                                                                                                                                                              Frid
                                                                                                                                                            1889

       Wase                                                                                          Üsglichsbecki        1743
                1248
                                                                                                                                                                              wal d
                       29   1340
                                   Binnegga
                                                                                      Uf en Egga                                        Hoflüe                     Egge r

    Rotation: -17.25° STEINHAUS
       KULTURWEG                                               SEITE 31                 0                          250 0                          500 0.5
                                                                                                                                                      Meter                                 1 Kilometer

                                                                                                                                                                       1215
       GEHZEIT                                            55 Minuten                                 Gäbmer                                                                     34
                                                                                            1237
       HÖHENMETER                     40 m Auf- und Abstieg
                                                                                                                                                                                      Wa lj i
       LÄNGE                                                                   2 km
                                                                                                                              Eija
                                                                                                                                               Jänneerb
                            Aute Stadla
                                                                                                                                                                                               Sita
                                  EN                                                                                                                     Bieu
                             ROTT
                                                                                                               Rufib

                                                                                      Spitzachra                          1266
                                                       Bord
                                                                                                                    ach

                                                                                                                                 Rufibord                                                    Ta
                                                                                                                                                                                     1417
                       31          1234
                                                                                                                    33                                                          Sattu
                                                                                              1273       32
                                          Stöübegga                                   STEINHAUS
                Niderhüs
                                                                     Wichja                                                                         Riti
6                                                                                                                                                                                                           7
    Rotation: -29.4                                                                                                               0                            250                             500 Meter
Kulturwege Mühlebach und Steinhaus - Landschaftspark Binntal
WILLKOMMEN                                                   Kardinal Schiner auf kleinstem Raum insgesamt zwölf
                                                             Gebäude, die mit Hilfe der Dendrochronologie (= Holz-
IN MÜHLEBACH UND                                             jahrringmessung) in die Zeit zwischen 1389 und 1501 da-

STEINHAUS                                                    tiert werden konnten. Weil das Dorf über Jahrhunderte
                                                             vor Bränden und anderen Katastrophen verschont blieb,
                                                             verfügt Mühlebach heute über den ältesten kompakten
                                                             Dorfkern in Holzbauweise der Schweiz. Im Dorfkern
                                                             beim oberen Brunnen steht das älteste mit Jahreszahl
                                                             datierte Gommer Haus (Haus Nr. 14) von 1501. In unmit-
                                                             telbarer Nähe findet sich das Geburtshaus von Kardinal
                                                             Matthäus Schiner (Gedenktafel auf der Rückseite), das

DAS DORF MÜHLEBACH                                           ins Jahr 1435 datiert werden konnte (Haus Nr. 10). Im
                                                             untersten Dorfteil steht das 1563 von Melchior Schiner
    Mühlebach liegt auf 1200 m ü. M. Heute leben hier
                                                             erbaute, prachtvolle Untergommer Renaissancehaus
rund 80 Personen. 2004 fusionierte die ehemals selb-
                                                             mit gemauertem Saal-Geschoss (Haus Nr. 4). In Mühle-
ständige Gemeinde mit dem Nachbarort Ernen. Bekannt
                                                             bach finden sich zudem etliche qualitätsvolle Nutzbau-
ist Mühlebach als Geburtsort des in den Mailänder
                                                             ten. Eine ganze Zeile prägt den nördlichen Dorfeingang.
Feldzügen zu Beginn des 16. Jh. aktiven Kardinals Mat-
thäus Schiner (um 1470–1522). Die nach den müllinen
(Mühlen) benannte Siedlung wird 1215 im Zusammen-
hang mit dem lokalen Adelsgeschlecht erstmals urkund-
lich erwähnt. Im 16. Jh. stellte das kleine Dorf mit Peter
Zlauwinen, Martin Clausen und Matthäus Schiner, dem
Neffen des Kardinals, mehrmals den Landeshauptmann
im Wallis. Mühlebach ist auch bekannt als Heimat der
Bildhauerfamilie Bodmer mit dem bedeutendsten Ver-
treter Moritz Bodmer (1618–1711).

    Im Siedlungsbild von Mühlebach dominiert die auf
einem exponierten Hügel thronende Kapelle (mit Sicht-
verbindung nach Zeneggen im Westen und dem Chaste-
biel bei Blitzingen im Osten). Der Bau von 1676 ist der        Beim Parkplatz auf der Nordostseite steht der mit
Heiligen Familie geweiht. Im 19. Jh. wurde aber auch         zwei Wappen und Inschriften verzierte Bortstadel (Ge-
der heilige Josef verehrt, der im rechten Seitenaltar auf    bäude Nr. 22 von 1535). Das zierliche Speicherchen mit
dem Sterbebett dargestellt ist. Die Siedlung mit traditi-    Heidenkreuz an den beiden vorkragenden Giebeln (Ge-
onellen Häusern in Blockbauweise folgt dem alten Gom-        bäude Nr. 12, unterhalb Haus Nr. 14) ist mit seinem Bau-
merweg, der sich von der Brücke über den Mühlebach           jahr 1381 das älteste vollständig erhaltene Gebäude im
zu einer kleinen Senke neben dem Kapellenhügel hinauf        Goms. Der durch eine Inschrift ins Jahr 1649 datierte
windet. Dort liegt das Zentrum des Dorfes mit dem gröss-     Schinerspeicher (Gebäude Nr. 17) steht unmittelbar ne-
ten Bestand an Heidenhäusern im Goms. An imposanter          ben dem Schinerhaus. Von den ursprünglich im Dorfge-
Aussichtslage gruppieren sich um das Geburtshaus von         biet vorhandenen Mühlen bei der Strassenbrücke und

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Kulturwege Mühlebach und Steinhaus - Landschaftspark Binntal
oberhalb des kleinen Kraftwerks ist heute keine mehr       seite des Rottens führte. Somit war das Landschaftsbild
erhalten.                                                  zwischen Mühlebach und Niederwald in nachmittelal-
                                                           terlicher Zeit von zahlreichen kleinen Weilern entlang
DAS DORF STEINHAUS                                         des alten Gommerweges geprägt. Den Dorfmittelpunkt
     Steinhaus, früher eine eigenständige politische Ge-   an einem kleinen, schön gelegenen Dorfplatz mit Brun-
meinde, gehört seit 2004 als östlichstes Dorf zur Ge-      nen bildet die kleine, 1984 restaurierte Kapelle der Hei-
meinde Ernen. Heute leben hier gut 20 Einwohner*innen.     ligen Familie. Nachdem der Visitationsakt von 1687 nur
Es liegt auf knapp 1‘300 m ü. M. Talauswärts können wir    die heute verschwundenen Kapellen von Richulschmatt
im Westen die beeindruckende, 4‘506 m hohe Pyramide        und Rufibord erwähnt, entstand 1728/29 die Dorfka-
des Weisshorns im Mattertal erkennen. Die Siedlung         pelle von Steinhaus, die 1736 als «noviter erectum», als
entstand bereits in mittelalterlicher Zeit am alten Gom-   «neu erbaut», bezeichnet wird.
merweg, der bei Niederwald ans linke Rottenufer wech-
selte und über Steinhaus, Mühlebach, Ernen und Nieder-       Die heutige, hufeisenförmig an die Geländekante des
ernen nach Lax führte. 1245 wird erstmals ein Domus        Rufibachs grenzende Siedlung weist einen guten Be-
lapidea, ein steinernes Haus, urkundlich erwähnt.          stand an Wohnbauten aus dem 17. Jh. auf. Am unteren
                                                           Dorfrand, oberhalb des Parkplatzes, stehen zwei quali-
                                                           tätsvolle Vorschutz-Häuser. Das östliche, 1621 erbaute
                                                           Haus weist ein hölzernes Saal-Geschoss auf. Dieser Zwi-
                                                           schenraum über dem Keller und unter den bewohnten
                                                           Erdgeschossräumen wurde als typisches Element des
                                                           Untergommer Hausbaus vorwiegend zu handwerkli-
                                                           chen Zwecken genutzt. Darüber liegen zwei vorkragende
                                                           Wohngeschosse, getragen von sogenannten Vorschutz-
                                                           Konsolen mit Wappen-Schmuck (Zlauwinen-Wappen).
                                                           Das westliche, etwas jüngere Gebäude besitzt ebenfalls
                                                           ein vorkragendes Erdgeschoss. Es weist zudem mit Kiel-
                                                           bogen und Fragmenten eines Würfelfrieses zahlreiche
                                                           wertvolle Zierformen auf. An das steinerne Saal-Ge-
                                                           schoss ist ein 1831 datiertes Stallgebäude mit Pultdach
     Nach einer mündlichen Überlieferung soll es sich um   angebaut. Am Eingang zum oberen Dorf, bei der sagen-
eine Burg am nordöstlichen Dorfrand, auf dem höchsten      umwobenen Burg, steht als erstes Wohnhaus rechts
Punkt der Siedlung in der Strassenbiegung, gehandelt       nach der Abzweigung vom Gommerweg, das bescheide-
haben. Von einem «alten thurn, genant Zum Steinhuß»        ne, von der Strasse abgekehrte, einzige Heidenhaus von
schreibt auch der Chronist Johannes Stumpf im 16. Jh.      Steinhaus. Das charakteristische Heidenkreuz an der
Im Gebiet zwischen Mühlebach und Niederwald lagen          Giebelfront des mit Hilfe der Holzjahrringmessung auf
ausserdem die alten Siedlungsplätze Löüwine und Rufi-      1482 datierten Gebäudes ist gut erhalten.
ne (westlich und östlich des Löüwibachs), Rufibord (öst-
lich des Rufibachs) und das um 1830 verlassene Richul-     HEIDENHÄUSER
schmatt (zwischen Rufibach und Bettelbach); hier gab         Heidenhäuser (Heidehischer) gibt es nicht nur im
es einen einfachen Steg, der zu den Äckern auf der Nord-   Wallis, sondern auch in anderen alpinen und voralpi-

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Kulturwege Mühlebach und Steinhaus - Landschaftspark Binntal
nen Gegenden der Schweiz. Üblicherweise handelt es          ter- und oberhalb begrenzen. Sie wurden früher mit
sich dabei um sehr alte, meistens kleine Gebäude. Die       Hobelwerkzeugen in Handarbeit aus einem Holzbalken
Bezeichnung spielt mit dem Gedanken, ein Gebäude sei        gearbeitet. Die ältesten Friese sind an einigen Oberwal-
so alt, dass es in der Zeit vor der Christianisierung der   liser Wohnhäusern aus dem 15. Jh. als glatte Kamm-
Gegend, also von Heiden, erbaut worden sei. Die Heiden-     friese bekannt, nach 1500 folgten einfache Rinnen- und
häuser weisen als charakteristisches Merkmal in der         Rillenfriese. Heidenhäuser weisen deshalb in der Re-
Giebelfassade einen Ständer zur Stütze der First auf, in    gel keine oder nur einfache Linien als Zierformen auf
den die Blockwand des Hauses eingenutet ist. Manch-         (Haus Nr. 7 in Mühlebach). Im 17. Jh. gehörten Friese mit
mal trägt der Firstständer ein reliefartiges Kreuz, wes-    Konsölchen und Würfelchen mit und ohne Wolfszahn
halb dieses Bauelement den Namen Heidenkreuz erhielt        (einfaches Zackenband) zu den am meisten verbreite-
– ein Widerspruch in sich! Zwei Häuser in Mühlebach         ten Zierformen an Gommer Hausfassaden. Sogenannte
(Nr. 7 und 18) weisen als grosse Ausnahme eingekerb-        Pfeilschwanz- und Rautenfriese waren die häufigsten
te Zimmermannswerkzeuge auf ihren Firstständern auf.        Zierelemente nach 1700. Friese mit Ranken- und Wellen-
Die Tradition der Heidenkreuze ging im gesamten Alpen-      formen schmückten schliesslich zahlreiche Fassaden im
raum im frühen 16. Jh., in einer Zeit des allgemeinen       18. und im frühen 19. Jh.
Umbruchs, abrupt zu Ende.
                                                            BALKENKOPFK AMINE
DENDROCHRONOLOGIE                                              Das Balkenkopfkamin ist als besondere Form des
     Dendrochronologie bedeutet Jahrringforschung beim      Rauchfangs eine Spezialität der Hauslandschaft im
Holz. Es handelt sich dabei um ein wissenschaftliches       Goms, die bis nach 1600 Anwendung fand. Bei die-
Verfahren, das erlaubt, das Fälljahr eines Baumes mit-      ser primitiven Kaminanlage im Hausinnern wurde der
tels Ausmessen der Jahrringe aus dem Holzquerschnitt        Rauch der offenen Feuerstelle unter einer satteldachar-
zu bestimmen. Da die Witterung den Jahrringabfolgen         tig über der Küche eingebauten Bretterdecke gesammelt.
ein unverkennbares Muster aufsetzt, charakterisiert         Von dort gelangte er durch verschiedene Öffnungen der
sich jede Holzprobe durch eine eigene zeittypische          Bretter in den Dachraum sowie durch eine kleine, tra-
Abfolge von schmalen und breiten Jahrringen. Durch          pezförmige Öffnung in der Hausrückwand ins Freie. Die
Einordnung der aus einer Holzprobe erarbeiteten gra-        wohl letzte solche Anlage im Goms wurde 2002 im Haus
fischen Darstellung der Jahrringabfolge in bestehende       Nr. 7 in Mühlebach abgebrochen. In einigen Häusern des
Referenzkurven kann für jede Holzprobe das entspre-         Dorfes haben sich im Innern aber Fragmente des ehe-
chende Jahr der Baumfällung bestimmt werden. Nach           maligen Balkenkopfkamins erhalten. Zudem sind noch
mittelalterlicher Bautradition und nach Erfahrungswer-      verschiedene Rauchöffnungen an rückseitigen Haus-
ten aus Gebäudeanalysen hat sich die Erkenntnis durch-      wänden zu finden, so beispielsweise bei den Häusern
gesetzt, dass ein Gebäude in der Regel in dem auf das       Nr. 2, 6, 7, 9 und 18.
Fälldatum des Holzes folgenden Jahr erbaut wurde. Die
mit der Dendrochronologie bestimmten Daten werden           SPEICHER UND STADEL
mit einem der Jahrzahl beigefügten «d» gekennzeichnet.         Der Speicher ist Aufbewahrungsort für alle wertvol-
                                                            len Lebensmittel und Kleidungsstücke, aber auch für
ZIERFRIESE                                                  wichtige Schriften. Er besteht aus einem ein- oder zwei-
     Friese sind zeittypische Zierformen auf Holzbalken,    geschossigen Unterbau (wurde oft als Werkstatt oder
welche die Fenster bei traditionellen Holzfassaden un-      Kleintierstall genutzt), einer niedrigen Zwischenzone

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Kulturwege Mühlebach und Steinhaus - Landschaftspark Binntal
mit Stützen und Steinplatten, sowie den eigentlichen        gemeinsamer Tätigkeit zum erfolgreichen regionalen
Speicherräumen im Oberbau. Oftmals besassen mehre-          Werk aus. Ihre Nachfolger wandelten den Betrieb 1955
re Eigentümern*innen einen Teil des Speichers, was an       in eine Aktiengesellschaft um und erweiterten ihren Tä-
der Anzahl Türen (bis vier pro Gebäude) ersichtlich ist.    tigkeitsbereich sukzessive auf die gesamte Region. Die
Der Stadel sieht ähnlich aus und ist konstruktiv gleich     Zentrale in Mühlebach gehört dem Energieversorger EW
aufgebaut wie der Speicher, erscheint aber meistens         Goms und liefert mit den beiden erneuerten Turbinen
grösser und auffälliger im Siedlungsbild. Er ist zudem      immer noch Strom ins Netz.
erkennbar an der breiteren Stadeltüre im Oberbau, un-
ter der die dicken Bodenbretter des Dreschtenns hervor-     DER ERNER GALEN
treten. Auf diesem Boden wurde in den Wintermonaten           Der Ärnergale (Erner Galen) ist ein lang gezogener
das geschnittene Getreide gedroschen, das schon vorher      Bergrücken auf über 2000 m ü. M am südlichen Rand der
im Stadel gelagert worden war. Der Anteil mehrerer Fa-      ehemaligen Gemeinde Mühlebach, der sich nach Osten
milien an einem Stadel führte oft zu schwierigen Eigen-     bis zum 2‘754 m hohen Chummehorn erstreckt. Er wird
tumsverhältnissen.                                          südlich und westlich durch das Rappetal begrenzt, in
                                                            dem der Mühlebach in Richtung seines gleichnamigen
ELEKTRISCHER STROM                                          Dorfes fliesst. 1981 entstand auf Initiative einheimischer
     Die Gründung des Elektrizitätswerks Ernen-Mühle-       Skisportbegeisterter an diesem Bergrücken ein kleines
bach 1912 war eine echte Pioniertat in ihrer Zeit. Damals   Skigebiet, das vom Dorf Mühlebach über das Maiensäss
kannte man im Oberwallis die elektrische Beleuchtung        Chäserstatt auf die Alp am Erner Galen führte. Mit ei-
nur in den Tourismusorten Leukerbad (seit 1889) und         nem Sessellift, zwei Skiliften und einem später dazu ge-
Zermatt (seit 1894), ausserdem in Brig seit dem Bau des     bauten Übungslift bei der Zwischenstation Chäserstatt
Simplontunnels (1898 bis 1905). Am 5. Mai 1912 gründe-      stand in der Zeit des Skibooms eine Alternative zu den
ten 35 Bürger von Mühlebach und Ernen die Genossen-         grösseren Skigebieten im Aletschgebiet zur Verfügung.
schaft zum Bau eines Kraftwerks. Zwei Wochen später         Das Angebot konnte sich aber nicht etablieren, die Gäs-
begannen die Bauarbeiten und am 28. Dezember des glei-      tezahlen entwickelten sich nach ansprechendem Beginn
chen Jahres konnte bereits der erste elektrische Strom      stets rückläufig. Die chronische Unterfinanzierung und
geliefert werden. Ehrfurchtsvoll schrieb Josef Schmid       der daraus folgende technische Investitionsstau konn-
aus Ernen, genannt Schriberjosi (1844–1923), Posthalter     ten auch mit zweimaliger finanzieller Sanierung nicht
in Ernen und Miterbauer des Hotels Ofenhorn in Binn,        behoben werden. Dazu gesellten sich mehrere schnee-
in seinen Lebenserinnerungen: «Unsere Ahnen würden          arme Winter und die lange Zeit fehlende Kooperation
es nicht geglaubt haben, wenn man ihnen gesagt hät-         mit benachbarten Skigebieten. So musste der Betrieb
te, mit dem Wasser aus dem Mühlebach wird man die           nach 30 Wintersaisons im Frühling 2011 eingestellt
Dörfer Mühlebach, Ernen, Fiesch und Lax beleuchten.»        werden. Mit Ausnahme des Stationsgebäudes auf Chä-
Nach schwierigen Anfangsjahren, häufigen Wechseln in        serstatt wurden alle Anlagen rückgebaut. Der Parkplatz
den leitenden Chargen und Austritten von einigen an der     mit dem Kassenhäuschen in Mühlebach sowie langsam
Notwendigkeit und dem Erfolg des Werkes zweifelnden         verschwindende Waldschneisen der ehemaligen Bahn-
Genossenschaftern kam erst 1921 Ruhe in die Unterneh-       trassen gehören zu den letzten sichtbaren Zeugen die-
mung. Der Fiescher Hotelier Klemens Speckly als Präsi-      ser Schneesportanlage aus der Zeit der grenzenlosen
dent und der Erner Posthalter Eduard Schmid als Ver-        Begeisterung für den Wintersport in den 1970er- und
walter bauten das kleine Elektrizitätswerk in 35 Jahren     1980er-Jahren mit dem Motto «Alles fährt Ski».

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Kulturwege Mühlebach und Steinhaus - Landschaftspark Binntal
KULTURWEG MÜHLEBACH:
     HÄNGEBRÜCKE GOMS BRIDGE
     – DORFKERN – K APELLE

     GEHZEIT                                               40 Minuten

     HÖHENMETER                                        100 m Aufstieg

     LÄNGE                                                       1.5 km

     BESCHAFFENHEIT                         Wanderweg, Dorfgassen

                    breite Hängebrücke (92 m hoch, 280 m lang)

     ÖV                                      Postauto in Mühlebach

                       Matterhorn Gotthard Bahn in Fürgangen

     RESTAURANTS                     in Mühlebach und Fürgangen

     Dieser Kulturweg führt von Fürgangen über die Hängebrücke Goms
     Bridge. Folgen Sie dann dem Weg bis zur Strasse Richtung Ernen. Auf
     dieser Strasse gehen Sie nach rechts Richtung Westen weiter. Vor
     der Brücke über den Mühlebach biegen Sie links ab und steigen die
     steile Dorfstrasse hinauf. Die Objekte befinden sich links und rechts
     der Dorfstrasse. Als Abschluss besichtigen Sie die Kapelle und ge-
     niessen den Weitblick.

     1 | DIE HÄNGEBRÜCKE GOMS BRIDGE
          Die Wegverbindung zwischen dem Weiler Fürgangen
     (gehört zur Gemeinde Bellwald) und Mühlebach war frü-
     her ein viel begangener Kirchweg. Die seit mittelalter-
     licher Zeit bewohnte Gegend von Bellwald trennte sich
     erst 1697 von der Mutterpfarrei Ernen; Fürgangen wur-
     de danach aber immer noch durch den Rektor in Ernen
     betreut. Nachdem die Bewohner*innen dieses Weilers

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Kulturwege Mühlebach und Steinhaus - Landschaftspark Binntal
an der Furkastrasse immer häufiger die Pfarrkirche von      MARTI HUOBER IM JAR 1558
Fiesch besuchten und sich 1884 sogar am Neubau der          IM XV. TAG MERZEN, aber wie-
Fiescher Kirche beteiligten, verlor der Kirchweg durch      derum ohne seine Gattin Johan-
die Schlucht des Rottens (Rhoneschlucht) immer mehr         na Clausen, Tochter des Banner-
an Bedeutung. 1963 kam Fürgangen schliesslich zur           herrn Johann Clausen. An der gut
                        Pfarrei Bellwald. Eine neue Be-     erhaltenen Fassade finden sich
                        deutung erhielt der Weg 1914 mit    auf der Vorderseite zeittypische
                        der Eröffnung der Furkabahn,        Rosskopfkonsolen, traufseitig die
                        die in Fürgangen eine Station für   Reste von Rillenfriesen und rück-
                        Bellwald einrichtete. Allerdings    seitig, über dem Mauersockel der
                        konnten sich die Mühlebacher        ehemaligen Rauchküche, die Öff-
                        damals kaum eine Fahrt mit der      nung eines Balkenkopfkamins.
                        Eisenbahn von Fürgangen aus
                        leisten - mindestens bis nach
                        Lax ging man anfänglich zu Fuss.    3 | HAUS JOHANNES SCHINER
An Beliebtheit gewann der Weg 1956 durch den Bau
der Luftseilbahn von der Bahnstation Fürgangen nach
                                                                VON 1668
Bellwald. Der damals beginnende Tourismus brachte
                                                              Beim 1668 erbauten zweituntersten Haus am his-
zahlreiche Wanderer in die Gegend. Nach einer Felsab-
                                                            torischen Weg hat sich die Bauherrschaft JOHANNES
tragung in den 1980er-Jahren wurde der steile Verbin-
                                                            SCHINER UND MARIA ZLOWI-
dungsweg nach Mühlebach durch ein tektonisch unsta-
                                                            NEN   SEIN    HAUSFROW      UND
biles Gelände immer häufiger unpassierbar. Deshalb
                                                            HANS SCHINER IHR SOHN UND
bildete sich nach der Jahrtausendwende ein Initiativ-
                                                            MATHE mit Schinerwappen auf
komitee zum Bau einer Hängebrücke über die tief ein-
                                                            dem Deckenbalken in der Stube
geschnittene Schlucht. Mit Unterstützung zahlreicher
                                                            verewigt. Auch der Giltsteinofen
Partner*innen und Gönner*innen konnte die 92 Meter
                                                            stammt aus der Bauzeit – er trägt
hohe und 280 Meter lange Goms Bridge im Sommer 2015
                                                            die Jahrzahl 1671, die Buchsta-
eröffnet werden. Sie verbindet seither ganzjährig die
                                                            ben H S und das Schinerwappen.
Wandergebiete der Gemeinden Bellwald und Ernen.
                                                            Die traufseitige Fassade weist
                                                            grosse Würfelfriese auf, die Giebelfassade schöne Ross-
                                                            kopfkonsolen an den Dachpfetten. Am hinteren Giebel
2 | HUBERHAUS VON 1558                                      hat sich eine Malteserkreuz-Öffnung erhalten.

     Das 1558 erbaute, wohlproportionierte Haus mit zeit-
typischer Auskragung der Obergeschosse stand als un-
terstes Haus des historischen Baubestandes ursprüng-
                                                            4 | HAUS MELCHIOR SCHINER
lich weit unter dem Dorf, umgeben von einer grossen             VON 1563 UND 1584
Wiese. Mit seinem Mauersockel erforderte der Zugang
auf der Traufseite eine Steintreppe. Auch dieser Bau          Gemäss Inschrift auf dem Deckenbalken in der Stube
ist auf dem Deckenbalken in der Stube dokumentiert:         wurde das stattliche Haus auf der Nordseite des We-
                                                            ges von MELCKER SCHINER AM XXVII. TAG im 1563

18                                                                                                              19
IAR erbaut. Dieser stammte aus einer angesehenen Un-
                                                           6 | SCHINERHAUS
tergommer Familie und war mit mehreren damaligen
kirchlichen und weltlichen Würdenträgern verwandt.
                                                              1478 (d) UND 1648
                        Seine Gemahlin Barbara Clausen,
                                                             Das mit Bauholz von 1478 erbaute stattliche Haus
                        die ebenfalls aus gutem Haus
                                                           beim unteren Dorfbrunnen erfuhr 1648 einen grossen
                        stammte, wird nicht erwähnt.
                                                           Umbau. Dabei wurde im Deckenbalken in der Stube der
                        Das bereits 1584 erweiterte und
                                                           Schinerspruch SOLI DEO GLO-
                        wohl aufgestockte Haus erhielt
                                                           RIA und die Namen MATTHAE
                        als einziges Wohnhaus in Mühle-
                                                           SCHINER     NICLAVS     CASPAR
                        bach einen Saalstock (ursprüng-
                                                           HANS SINE SOHN IM IAR 1648
                        lich Werkstatt und Lagerraum)
                                                           eingekerbt. Die Auskragung des
                        zwischen Keller und Wohnge-
                                                           Erdgeschosses über dem Kel-
                        schoss. Über dem hohen Mauer-
                                                           lersockel, die Heidenkreuze an
sockel mit Saal-Geschoss kragt das Holzwerk der Gie-
                                                           beiden Giebeln (rückseitig mit
belfassade auf einer Balkenlage vor und verleiht diesem
                                                           wertvoller Rosette und reliefar-
Untergommer Renaissance-Haus ein repräsentatives
                                                           tig hervorgehobenem Wandholz),
Erscheinungsbild. Charakteristische Rosskopfkonsolen
                                                           die kleine Fensteröffnung aus dem Ursprungsbestand
tragen die grosse, weit vorkragende Dachfläche.
                                                           sowie die Öffnung des alten Balkenkopfkamins auf der
                                                           Rückseite gehören zu den typischen Elementen dieses
                                                           gut erhaltenen Gommer Heidenhauses.
5 | RAGOZZIHAUS
    1494 (d) UND 1778
                                                           7 | HAUS DES ADOLF GUNTERN SEL.
     Das erste historische Wohnhaus auf der Südseite der
Strasse von der Brücke über den Mühlebach zum Dorf-
                                                              (CLAUSENHAUS)
                        zentrum wurde gemäss Jahrring-        1409 (d) UND 1654
                        messung mit Bauholz von 1494
                        erbaut. Gemäss Inschrift am De-      Das breit gelagerte Wohnhaus am Fuss des Kapellen-
                        ckenbalken der Stube erfuhr es     hügels weist zwei Bauetappen auf. Das Hauptgebäude
                        1778 einen Umbau, bei dem sich     auf der rechten Seite wurde mit Holz aus dem Jahr 1409
                        die Bauherrschaft Christophoro     erbaut, der linksseitige Anbau
                        Ragozzi und Maria Magdalena        mit einem alten Giltsteinofen
                        Clausen verewigte. Eine weite-     mit Erner Wappen stammt wohl
                        re Renovation erfolgte 1880, wie   aus der ersten Hälfte des 16. Jh.
                        eine Inschrift in der Stube auf    1654 erfolgte eine Renovation
der Südseite belegt. 1950/51 wurde das ganze Haus er-      (Inschrift auf dem Deckenbalken
höht, das Hinterhaus grösstenteils ersetzt und die Fas-    der Stube mit Nennung der SE-
sade mit Eternit verkleidet.                               LIGEN HANS CLAUSEN UND KA-
                                                           THARINA SCHINER. Als einziges
                                                           Gommer Haus weist der ältere

20                                                                                                            21
Gebäudeteil ein Rillenfries auf. An beiden Giebelfassa-   mit reliefartigem Kreuz, auf der Rückseite belegen alte
den sind Heidenkreuze vorhanden, rückseitig mit einem     Öffnungen zwei Balkenkopfkamine. Im südlichen Teil
eingekerbten Kreuz, einer Axt und einem Winkeleisen.      des Hauses erwähnt eine nur noch fragmentarisch er-
Dort findet sich auch die gut erhaltene Öffnung des       haltene Bauinschrift ein Baujahr aus dem 18. Jh. und die
ehemaligen Balkenkopfkamins. Lange Jahre wurde das        damalige Bauherrschaft MARTI HOLZER UND MAGDA-
Haus vom Dorforiginal Adolf Guntern bewohnt. Nach         LENA BIRCHER.
dessen Tod erfolgte 2002 ein tiefgreifender Innenumbau
mit Abbruch des Balkenkopfkamins und anschliessend,
unter neuer Besitzerschaft, eine sorgfältige Restaurie-   10 | GEBURTSHAUS VON K ARDINAL
rung des noch vorhandenen wertvollen Baubestands.
                                                          		 MATTHÄUS SCHINER, 1435 (d)
                                                            Das Geburtshaus des einflussreichen Kardinals Mat-
8 | KLEINES HEIDENHAUS, 1448 (d)                          thäus Schiner (um 1470–1522) wurde mit Bauholz er-
                                                          richtet, das 1435 gefällt wurde.
                         Das Bauholz für das kleine       Im mächtigen Kellersockel wa-
                      Wohnhaus oberhalb des unte-         ren früher Kleintierställe unter-
                      ren Dorfbrunnens wurde 1448         gebracht. Die Rosskopfkonsolen
                      geschlagen. Seither wurde das       auf der Rückseite, eine typolo-
                      Gebäude, dessen Stube die gan-      gische Analyse des Grundrisses
                      ze Giebelfassade in Anspruch        sowie die fehlenden Balkenkopf-
                      nimmt,       mehrmals   umgebaut.   kamine weisen auf einen spä-
                      Ausser       einem   Heidenkreuz-   teren Umbau hin, bei dem die
                      fragment finden sich an diesem      Firstrichtung des Hauses wohl
                      Kleingebäude weder Inschriften      um 90 Grad gedreht wurde. 1958 kam das leer stehende
noch Zierformen. Es repräsentiert den Haustyp eines       Haus in den Besitz des Kantons Wallis, der es 1967 un-
Kleinbauern im ausgehenden Mittelalter am unteren         ter Wahrung des Äusseren tiefgreifend umbauen liess.
Ende der sozialen Hierarchie.                             Dabei kam der 1546 datierte Stubenofen ins Geschichts-
                                                          museum in Sitten. Die Heidenkreuze an beiden Giebeln
                                                          wurden damals erneuert.
9 | HOLZERHAUS, 1446 (d)
                         Neben dem kleinen Heiden-        11 | ZELTENHAUS,
                      haus von 1448 war zwei Jahre        		 1437 (d)
                      früher ein Doppelhaus entstan-
                      den, dessen Holzfassade gegen-        Das südlich an das Schiner-
                      über dem massiven Steinsockel       haus angrenzende, im Dorf frü-
                      zurückspringt. Ursprünglich lag     her als Zeltenhaus bekannte Ge-
                      in beiden Hausteilen nur eine       bäude, konnte auf das Jahr 1437
                      Stube. Auf der Vorderseite findet   datiert werden. 1564 oder 1514
                      sich   ein    Heidenkreuzfragment   erhielt das Haus laut Jahrzahl

22                                                                                                             23
auf dem Deckenbalken in der Stube eine Renovation. Im     und Magdalena Dafornen werden mit der Jahrzahl 1738
18. Jh. (Inschrift und Jahrzahl 1751 in der Kammer im     auf den Deckenbalken erwähnt. Im ersten Stockwerk
Anbau Süd, 1769 am Kaminmantel und an der Decke im        finden sich barocke Stubentäfer, Fenster mit Bleivergla-
Obergeschoss, 1779 am Stubenofen) folgten weitere Um-     sung sowie die Jahrzahl 1742 auf dem Kaminmantel in
bauten. Nach langem Leerstand erhielt das Haus 1958       der Küche.
einen tiefgreifenden Umbau im Innern, dessen Eingriffe
seit 2004 sukzessive wieder verbessert wurden.
                                                          14 | HAUS DES BANNERHERRN
                                                          		 JOHANN CLAUSEN VON 1501
12 | KLEINER SPEICHER, 1381 (d)
                                                            Das Haus wurde gemäss In-
                         Das   kleine   Speichergebäu-    schrift in der Stube 1501 durch
                      de mit traufseitigem Eingang        HANS CL[A]USEN BANDERETUS,
                      unterhalb der steil abfallenden     dem damaligen Gommer Ban-
                      Strassenkurve wurde laut Jahr-      nerherrn erbaut. Es handelt sich
                      ringanalyse nach 1381 erbaut.       um das älteste durch Inschrift
                      Der gut erhaltene Speicher auf      datierte Haus im Goms. 1761 ist
                      einem traditionellen Unterbau       mit einer Jahrzahl auf dem Ka-
                      gilt als ältestes dendrochronolo-   minmantel in der Küche ein Um-
                      gisch datiertes und vollständig     bau dokumentiert. Der mächtige
                      erhaltenes Gebäude im Goms.         Mauersockel aus regelmässig behauenen Steinen und
Unregelmässige Balkenvorstösse an den Wandecken be-       einer nischenartig zugemauerten Türöffnung (?) wird
stätigen das hohe Alter des Gebäudes. Äusserst selten     auch als Überrest eines mittelalterlichen Herrenhauses
bei Speicherbauten sind die hier an beiden Giebeln vor-   gedeutet. Darüber weist die kräftig vorkragende Gie-
handenen Heidenkreuze.                                    belfassade eine Firstpfette mit Bugstrebe (anstatt Hei-
                                                          denkreuz) und reliefartigem Andreaskreuz auf. Auf der
                                                          Traufseite sind Rillenfriese sowie ein altes Fenster mit
13 | CLAUSEN- UND HOLZERHAUS, 		                          Bleiverglasung erhalten.
		 1389 (d) UND 1738
                         Der älteste Hausteil (Keller     15 | BIRCHERHAUS VON 1644
                      und erstes Stockwerk) wurde laut
                      dendrochronologischer Untersu-        Das ostseitig an das Haus des
                      chung 1389 erbaut, eine Inschrift   Bannerherrn Clausen angebaute
                      auf dem Deckenbalken bezeugt        bescheidene Wohnhaus wurde
                      zudem einen Umbau im 16. Jh.        laut Inschrift auf dem Decken-
                      1738 entstand darüber ein neues     balken in der Stube 1644 von Jo-
                      Obergeschoss. Die Bauherrschaft     der Bircher und Barbara Clausen
                      Christen Holzer und Maria Zmi-      erbaut. Ausnahmsweise finden
                      lachern sowie Johannes Clausen      sich die Hauptfenster auf der

24                                                                                                             25
Südseite, das Haus ist also traufseitig und nach Süden       ren, Abteilen steht auf einem mächtigen Unterbau am
hin orientiert. Diese Fassade weist auch zahlreiche, für     steilen Abhang. Bemerkenswert sind die reich verzierten
das 17. Jh. charakteristische Konsölchenfriese auf. An       Türpfosten. Das Gebäude gehört dem Kanton Wallis und
die offene Laube auf der Nordseite schliesst das ehe-        ist mit Lärchernschindeln gedeckt.
mals charakteristische Aborthäuschen an.

                                                             18 | SEILERHAUS, 1497 (d)
16 | GEMEINDEHAUS, 1424 (d)
                                                               Auf einem hohen Bruchsteinsockel erhebt sich das
     Gemäss Kaufurkunde von 1707 im Gemeindearchiv           nach 1497 erbaute Heidenhaus. Der Sage nach wurde
kam dieses Haus ohne Bauinschrift von den mehr als           das Haus zusammen mit dem Schinerhaus von zwei
                       20 Erben eines Thomas Clausen         Brüdern erbaut; bis in neueste Zeit gehörte ein Keller
                       an die Gemeinde Mühlebach. Im         zum Schinerhaus. Gemäss der Jahrzahl 1767 auf dem
                       Jahr zuvor datiert der in der Stu-    Kaminmantel wurde damals eine Trächa (Rauchfang
                       be eingebaute und laut Inschrift      über der offenen Feuerstelle) ein-
                       der Burgergemeinde zugeschrie-        gebaut. Das 1798 datierte, spät-
                       bene Giltsteinofen. Erbaut wurde      barocke Stubenbuffet und der
                       das Haus im Zentrum des oberen        Giltsteinofen von 1868 gehören
                       Dorfteils gemäss Holzjahrring-        zum wertvollen Interieur, ebenso
                       messung aber bereits 1424. Im         die drei Kerbschnitzrosetten am
                       frühen 20. Jh. diente es zeitweise    Deckenbalken in der Stube. Die
als Schulhaus. 1968 wurde es renoviert und um drei Bal-      Fassade weist weder Auskragung
kenlagen erhöht, 1995 erfolgte ein weiterer Umbau im         noch Zierfriese auf. An beiden
Innern. Die schmucklose, über dem Sockelgeschoss kräf-       Giebelseiten findet sich ein Hei-
tig auskragende Giebelfassade weist ein Heidenkreuz          denkreuz, auf der Rückseite mit eingekerbten Zimmer-
zwischen zwei kreuzförmigen Öffnungen auf. Rücksei-          mannswerkzeugen und einer Rosette. Daneben ist die
tig ist das ursprüngliche, reliefartig geschnitzte Heiden-   Öffnung eines ehemaligen Balkenkopfkamins erhalten.
kreuz erhalten.

                                                             19 | STADEL, 1549 (d)
17 | SCHINERSPEICHER VON 1649
                                                               Der mit Holzjahrringmessung
                          Der zum Geburtshaus von            ins Jahr 1549 datierte Stadel ge-
                       Kardinal Matthäus Schiner gehö-       hört zu den grössten Nutzbau-
                       rende Speicher wurde laut Fas-        ten im Dorf. Das markante Ge-
                       sadeninschrift 1649 erbaut (1649      bäude am Beginn des Alpwegs
                       MARIA rechts im Giebelfeld). Das      nach Chäserstatt weist einen
                       zweistöckige     Speichergebäude      gemauerten Keller und ein dar-
                       mit insgesamt vier, ursprünglich      über aufgebautes Stockwerk mit
                       über Aussentreppen erreichba-         Kleintierstall und sogenannter

26                                                                                                               27
Wannstube auf, wo nach dem Dreschen des Getreides          Kamm- und Rillenfriese auf. Beim letzten Umbau wurde
die Hülsen vom Korn getrennt wurden. Über den neun         der seitliche, ursprünglich offene Laubenanbau in den
Stützen erhebt sich ein hohes, zweistöckiges Stadelge-     Hausgrundriss einbezogen.
bäude. Mehrere Türen zeigen auf, dass das Gebäude ver-
schiedenen Miteigentümer*innen gehörte. 1982 wurde
das gesamte Gebäude repariert, teilweise rekonstruiert     22 | BORTSTADEL VON 1535
und mit einem traditionellen Schindeldach aus Lärchen-
holz versehen.                                               Der     imposante     Stadel   mit
                                                           Speicherraum     am       östlichen
                                                           Dorfeingang wurde gemäss In-
20 | SPEICHER ZUM SEILERHAUS, 		                           schrift an der Fassade 1535 (M
		 1573 (d)                                                VC XXXV) erbaut. Er weist die
                                                           älteste   Fassadeninschrift      im
                         Der stattliche Speicher mit ei-   Goms mit Jahrzahl auf. Unter ei-
                      nem traditionellen Schindeldach      nem vorkragenden Obergeschoss
                      gehört als Einzelgebäude zum         findet sich die breite Stadeltüre,
                      benachbarten Wohnhaus Nr. 18.        die zum ehemaligen Dreschplatz
                      Er wurde gemäss dendrochro-          führte, daneben liegt ein kleiner Speicherraum. Die übli-
                      nologischer Analyse nach 1573        chen Stützen über dem hölzernen Unterbau mit ehema-
                      erbaut. Auf einem hölzernen Un-      ligen Ställen wurden in neuerer Zeit entfernt.
                      tergeschoss ist seit Jahrzehnten
                      eine   Holzwerkstatt   eingebaut.
                      Über sechs Stützen erhebt sich       23 | AMBORTHAUS VON 1543
ein zweistöckiges Speichergeschoss, das in zwei Abteile
unterteilt ist. Auf den umlaufenden Lauben wurden in         Das Wohnhaus neben dem Bortstadel wurde laut
früheren Zeiten Früchte und Gemüse aus dem eigenen         Inschrift auf dem Deckenbalken in der Stube 1543 (M
Garten getrocknet.                                         VC XXXX III) von Hans Ambort erbaut, einem in zeit-
                                                           genössischen Schriften oft ge-
                                                           nannten Mühlebacher. Die ne-
21 | BERGMANNHAUS VON 1538                                 ben der Inschrift dargestellten
                                                           Familienwappen        (auch   seiner
                         Bauherr dieses oberhalb des       nicht genannten Gattin) finden
                      grossen Parkplatzes gelegenen        sich ebenfalls am benachbarten
                      zweistöckigen Hauses mit gros-       Bortstadel. An der hinteren Gie-
                      sem Kellersockel war laut In-        belfassade des seit 2016 wieder
                      schrift ein sonst kaum bekann-       mit traditionellen Holzschindeln
                      ter «Pergman». Die Inschrift auf     gedeckten Hauses ist die Öffnung
                      dem Deckenbalken in der Stube        des ehemaligen Balkenkopfkamins erhalten, auf der Vor-
                      nennt das Baujahr 1538 (M VC         derseite zahlreiche Rillenfriese. Der steinerne Fassaden-
                      XXX VIII). Die Fassaden weisen       teil markiert den Standort der ehemaligen Rauchküche.

28                                                                                                               29
Zwischen Stallscheunen und Gärten führt von hier ein Weg auf den
Biel (Hügel, Erhebung) zur Kapelle.
                                                                   KULTURWEG WASSERKRAFT
                                                                   VON MÜHLEBACH BIS POST-
                                                                   AUTOHALTESTELLE ERNEN /
24 | DIE K APELLE                                                  WASEN – ZAUBERWALD
		 DER HEILIGEN FAMILIE
     Die Kapelle von Mühlebach ist der Heiligen Familie
geweiht. Sie wurde 1673–1676 anstelle eines Vorgän-
gerbaus errichtet, dessen qualitätsvolle spätgotische
Skulpturen teilweise in die Pfarrkirche von Ernen ge-
langten. Der schlichte Rechtecksaal unter steilem Sat-             GEHZEIT                                               2 Stunden
teldach richtet sich mit seinem dreiseitigen Chor gegen
                                                                   HÖHENMETER                300 m Aufstieg und 200 m Abstieg
                         Südosten. Im Inneren trennt ein
                         schmuckvolles Gitter das ton-             LÄNGE                                                        5 km
                         nengewölbte Schiff vom geräu-             BESCHAFFENHEIT                                      Wanderweg
                         migen Chorraum. Der Altar aus
                                                                   ÖV Postauto in Mühlebach, Ernen, Wasen / Zauberwald
                         der Bauzeit der Kapelle zeigt, im
                         altertümlichen Stil einer späten                           Matterhorn Gotthard Bahn in Fürgangen
                         Renaissance-Ornamentik, in der            RESTAURANTS           in Mühlebach, Ernen und Ausserbinn
                         Hauptnische die Heilige Fami-
                         lie und die Taube des Heiligen            Der Kulturweg «Wasserkraft» beginnt bei der Brücke über den Mile-
                         Geistes, vereinigt zur Gruppe des         bach am westlichen Dorfeingang von Mühlebach. Dann geht es steil
Heiligen Wandels. Eine bekrönende Gottvaterfigur ver-              die Dorfstrasse hinauf zum oberen Dorfbrunnen. Folgen Sie dort zu-
vollständigt die Dreifaltigkeitsdarstellung in der Mit-            erst dem Weg nach Chäserstatt und dann dem untersten Weg zur
telachse. Die körperhafteren Statuen der Seitenachsen,             Wasserfassung beim Milebach (zusammen rund 500 m). Zurück im
links der Evangelist Johannes und rechts Katharina,                Dorf entdecken Sie das Maschinenhaus des Wasserkraftwerks. Beim
verraten die Hand des einheimischen Künstlers Moritz               alten Backhaus vorbei überqueren Sie den Bach und steigen steil hi-
Bodmer. Die Seitenaltäre in neuromanischen Ädikulen                nauf zur Wasserleite Trusera, der Sie bis auf den Wasen folgen.
aus dem 19. Jh. enthalten grosse Altarbilder des späten
17. Jh.: links ein Rosenkranzbild, rechts eine provinzi-
elle Darstellung des sterbenden heiligen Josefs. An der
rechten Seitenwand hängen drei Skulpturen: der heilige
                                                                   25 | DER MILEBACH
Johannes, Maria mit Kind und Jakobus der Ältere, deren
                                                                      Der Milebach entspringt auf gut 2‘700 m ü. M. am
Figurenstil ebenfalls eine Zuweisung an Moritz Bodmer
                                                                   Rappegletscher zuhinterst im Rappetal. Sein Wasser
erlaubt. Sie stammen aus dem ehemaligen Bildstock St.
                                                                   wurde auf vielfältige Weise genutzt. Es trieb Mühlen,
Jakob östlich des Dorfes. Die weiteren Skulpturen sind
                                                                   Hammerschmieden und Sägen in Mühlebach und Ernen
Werke des 16. bis 18. Jh. in unterschiedlicher Qualität.
                                                                   an. Die Wasserleiten/Suonen mit Wasser aus dem Mile-
Früher spielte am St. Josefstag, 19. März, die Dorfmusik
                                                                   bach waren die eigentlichen Lebensadern der Landwirt-
auf dem Kapellenhügel.
                                                                   schaft. Nur dank der Bewässerung der Felder mit dem

30                                                                                                                                 31
mineralienreichen Wasser war        wallis war Strom nur in Zermatt,
                      eine gesicherte Ernte möglich.      Leukerbad und Brig bekannt. In
                      Die Dorfera brachte das Lösch-      letzterem wurde er wegen des
                      wasser nach Ernen. Noch heute       Baus des Simplontunnels ver-
                      wird der Milebach für die Strom-    fügbar. Am 5. Mai 1912 wurde
                      produktion genutzt und die an-      die Genossenschaft für den Bau
                      fallenden Wasserzinse sind eine     des Kraftwerks in Mühlebach
                      wichtige   Einnahmequelle    der    gegründet, am 20. Mai 1912 war
                      Gemeinde Ernen. Wie bei allen       Baubeginn und bereits am 28.
                      Gletschern ist die Zukunft des      Dezember 1912 wurde Strom pro-
Rappegletschers ungewiss: Weil es sich um einen klei-     duziert. Diese kurze Bauzeit ist mehr als erstaunlich, da
nen Gletscher handelt, gehen Klimamodelle davon aus,      elektrische Anlagen noch mit viel Unwägbarkeiten ver-
das er bis Mitte dieses Jahrhundert wegschmilzt.          bunden waren. Die Anlagen im Maschinenhaus wurden
                                                          laufend modernisiert und liefern nach wie vor sauberen
                                                          Strom aus Wasserkraft.
26 | WASSERFASSUNG BEIM MILEBACH
     An zwei Stellen wird dem Milebach Wasser für die     28 | ALTES BACKHAUS
Stromproduktion entnommen. Beim Niederärner Chäl-
ler wird es in einer Mikrozentrale genutzt und ins Aus-     Im alten, mehrmals umgebauten Backhaus wurde bis
                      gleichsbecken Uf en Egga auf        1963 von verschiedenen Familien des Dorfes regelmäs-
                      1742 m ü. M. gepumpt. Von dort      sig Roggenbrot gebacken. Dieses kam anschliessend in
                      stürzt es in einer unterirdischen   den eigenen Speicher und diente bis zum nächsten Back-
                      Druckleitung 740 Höhenmeter hi-     termin als Grundnahrungsmittel. Das am Mühlebach
                      nunter in die Zentrale Mubisa, wo   gelegene Gebäude diente viele
                      es zwei Turbinen antreibt. Ober-    Jahre auch als Schlacht- und
                      halb von Mühlebach wird bereits     Waschhaus und zwischendurch
                      seit 1912 Wasser gefasst und in     auch zum Schnapsbrennen. Es
                      einer Röhre zum Maschinenhaus       handelt sich somit um ein eigent-
                      in Mühlebach geleitet. Es lässt     liches   Mehrzweckgebäude. Im
sich gut beobachten, wie das Wasser entnommen und         Jahr 1999 fassten interessierte
nach der Stromproduktion wieder dem Milebach zuge-        Bewohner*innen von Mühlebach
führt wird; Restwasser bleibt nach der Fassung je nach    den Entschluss, das verlassene,
Jahreszeit nur wenig übrig.                               für das frühere Dorfleben aber
                                                          wichtige Gebäude in Fronarbeit zu renovieren. Heute
                                                          sind die Backstube mit Giltsteinofen und der grosse
27 | MASCHINENHAUS IN MÜHLEBACH                           Backofen wieder in Betrieb. Nebst diversen Festen ver-
                                                          anstaltet eine initiative Arbeitsgruppe seither regelmäs-
     Die Gründung der Elektrizitätswerk-Ernen-Müh-        sig ein Schaubacken, bei dem die in gemeinsamer Arbeit
lebach-AG im Jahr 1912 war eine Pioniertat: Im Ober-      hergestellten Brote an interessierte Besucher*innen ver-
                                                          kauft werden.
32                                                                                                              33
29 | WASSERLEITE TRUSERA                                    len, 1951–1954 erbaut, wird es durch die Bergflanken ge-
                                                            führt und stürzt in einer gewaltigen, teils oberirdischen
                                                            Röhre über 300 Höhenmeter hinunter zu den zwei Turbi-
     Die längste Wasserleite (im Mittelwallis Suone, im
                                                            nen im darunterliegenden Kraftwerk. Die mittlere Jah-
Unterwallis bisse genannt) im Landschaftspark Binntal
                                                            resproduktion beträgt rund 185 Millionen Kilowattstun-
ist die Trusera (Betonung auf der ersten Silbe), welche
                                                            den. Die Elektrizitätswirtschaft ist wohl die wichtigste
das Gletscherwasser vom Rappetal durch den Erner-
                                                            Arbeitgeberin der Region. Der Bau der Kraftwerke und
wald über den Wasen zum Bewässern der Wiesen und
                                                            die damit verbundenen sicheren Arbeitsplätze brach-
                       zum Tränken des Viehs in die Bin-
                                                            ten bescheidenen Wohlstand und auch den Wandel der
                       nachra brachte. Sie wurde 1499
                                                            Landwirtschaft, die zuvor das karge Auskommen für die
                       erstmals in einem Kaufakt er-
                                                            breite Bevölkerung ermöglichte.
                       wähnt. Lange war sie nicht mehr
                       in Betrieb. Viele Suonen wurden
                       als Folge moderner Bewässe-
                       rungsanlagen     aufgegeben.   In
                       jüngster Zeit erleben sie eine Re-
                       naissance: Ihr Wert als wichtiges
                       Kulturgut und Touristenattrakti-
on wurde erkannt. Seit 2006 läuft auch das Wasser der
Trusera wieder und entlang des munteren Wasserlaufs
führt ein beliebter Wanderweg. In der Blütezeit schmü-
cken einheimische Orchideenarten, darunter das Rote
Waldvögelein, den Wegrand. Oberhalb von Ernen kreu-
zen sich die Trusera und die Leitung der Wasserversor-
gung von Ernen. Das Wasserreservoir liegt wenig unter-
halb der Trusera versteckt im Wald. Kurz danach steht
links eine gewaltige Rottanne mit mehreren Stämmen.

30 | DURCHLAUFBECKEN WASEN
                          Kurz vor dem Wasen führt
                       der Weg über das grosse Durch-
                       laufbecken     des   Wasserkraft-
                       werks Z’Brigg, ein eindrucksvol-
                       les Bauwerk aus Beton, das von
                       den Wassermassen durchströmt
                       wird. Das Wasser kommt aus dem
                       Rotten (wie die Rhone im Ober-
                       wallis heisst) in Gluringen. In
                       einem rund 11.5 km langen Stol-

34                                                                                                                35
KULTURWEG
     STEINHAUS

     GEHZEIT                                           55 Minuten

     HÖHENMETER                135 m Aufstieg und 75 m Abstieg

     LÄNGE                                                   2.5 km

     BESCHAFFENHEIT                         Wanderweg, Flurweg

     ÖV                  Postauto in Mühlebach und Steinhaus

                     Matterhorn Gotthard Bahn in Niederwald

     RESTAURANTS                  in Mühlebach und Niederwald

     Nehmen Sie das Postauto nach Mühlebach oder Steinhaus oder par-
     kieren Sie beim Ausgangspunkt bei der Strassengalerie vor Stein-
     haus. Von dort führt der Kulturweg ins Dorf Steinhaus und weiter
     zum ehemaligen Weiler Richulschmatt. Von dort wandern Sie entwe-
     der zurück nach Steinhaus oder weiter nach Niederwald.

     31 | LÖÜWIBACH (LAWINENBACH)
     		 MIT STRASSENGALERIE
          Der Löüwibach bildet eine der zahlreichen Zäsuren
     im Relief des steilen Erosionshangs zwischen dem Er-
     ner Galen und dem Rhonetal. Wie sein Name unmiss-
     verständlich festhält, handelt es sich hier um einen der
     gefährlichen Gräben, welche den alten Gommerweg zwi-
     schen Ernen und Niederwald im Winter bedrohten und
     zeitweise unterbrachen. Alte Einwohner der benachbar-
     ten Dörfer Mühlebach und Steinhaus berichten, dass sie
     jeweils bei grossem Schneefall im Winter beim Graben

36                                                                37
nachschauten, ob die Löüwena (Lawine) bereits gekom-         Stützen auf ein neueres Stallgebäude von 1904 gestellt,
men sei. Dann war nämlich die Gefahr gebannt und der         schliesst den hübschen Platz hangseitig ab. Die 1728/29
Weg, der früher zu vielen, auch im Winter benützten          erbaute Kapelle ist der Heiligen Familie geweiht. Der
Aussenställen führte, konnte nach der Freilegung vom         schlichte, geostete Bau besteht aus einem Rechteck-
                        Lawinenschnee wieder gefahrlos       schiff mit leicht abgewinkeltem Chor und einer talseiti-
                        begangen werden. Während Jahr-       gen Sakristei. Das Innere überrascht mit einer vielfälti-
                        hunderten war Steinhaus nach         gen Ausstattung. Der sorgsam eingepasste, dreiachsige
                        einem Lawinenniedergang von          Altar wiederholt das Programm aus der Kapelle von
                        der Aussenwelt abgeschnitten.        Mühlebach mit der Heiligen Familie, begleitet von der
                        Diese Einschränkungen konnten        Taube des Heiligen Geistes und bekrönt von einer Gott-
                        erst in neuster Zeit mit dem Bau     vaterfigur. In den Seitennischen erscheinen der heilige
                        der 1987 eröffneten Strassenga-      Antonius von Padua (links) und Anna, die mädchenhafte
                        lerie beseitigt werden. Seither      Mutter Mariens. (rechts). Der Altar stammt wohl aus der
                        ist das Dorf ganzjährig über die     Werkstatt des Mühlebacher Bildhauers Johann Josef
Strasse erreichbar. Beidseits des Löüwibachs lagen zwei      Bodmer (1670–1743). Zur weiteren Ausstattung gehören
alte Siedlungsplätze: Löüwine auf der westlichen Seite       Gemälde aus dem 17. und 18. Jh. sowie eine Skulptur der
(zur ehemaligen Gemeinde Mühlebach gehörend) ist mit         Marienkönigin aus der ersten und ein Chorbogenkruzi-
zwei Ställen im Gelände heute noch erkennbar, und Rufi-      fix aus der zweiten Hälfte des 17. Jh.
ne auf der östlichen Seite, wo ebenfalls noch zwei Ställe
stehen.
                                                             33 | RUFIBACH (RÜFENBACH)
32 | DORFPLATZ MIT K APELLE                                    Der Rufibach, unmittelbar östlich an Steinhaus an-
		 IN STEINHAUS                                              schliessend, gehört zu den tiefsten Wassergräben in der
                                                             ganzen Region. Seinen Namen erhielt er von den nach
     Ein kleiner, wohlproportionierter Platz mit Brunnen     einem ausgedehnten Gewitterre-
wird im südlichen Dorfteil von einem reizvollen Bau-         gen niedergehenden mächtigen
                        ensemble aus charakteristischen      Gesteinslawinen, die sich von
                        Walliser Bauten und der Dorfka-      den höheren Flanken des Gra-
                        pelle eingerahmt. Den südlichen      bens lösen und zu Tal donnern.
                        Abschluss bildet die 1794 erbau-     Seit langer Zeit wird deshalb das
                        te ehemalige Sennerei, die lange     von der Natur in den Talgrund
                        Jahre als Gemeindehaus diente.       beförderte Gestein in einem Kies-
                        Das neben dem Gemeindehaus           werk am Rottenufer ausgebeutet.
                        gelegene Wohnhaus aus dem frü-       Die Brücke über den Rufibach
                        hen 16. Jh. soll aus einer ehemals   war seit Menschengedenken jeweils ein Opfer dieser Na-
                        bewohnten Terrasse über dem          turgewalten. In neuerer Zeit wurde sie als resistente Be-
ehemaligen Weiler Rufibord hierhin versetzt worden           tonkonstruktion erbaut, die wegen ihrer Standhaftigkeit
sein. Daneben finden sich etliche Nutzbauten von hohem       nun oft als Rückhaltesperre für die mächtigen Stein-
Wert für das Ortsbild. Der imposante Stadel, heute ohne      massen wirkt und diese dann seitwärts verteilt. Östlich

38                                                                                                                 39
des Rufibachs lag der alte Siedlungsplatz Rufibord, wo       der Inschrift «Die lobliche Gemeind Steinhaus und Ri-
heute noch ein 1956 vollständig umgebautes Wohnhaus          chelsmat – Im Jar 1794 den 12. Abrilis». Um 1830 sol-
aus dem 17. Jh. steht. Seit 1974 führt die Gasleitung der    len die letzten Bewohner aus der Siedlung abgewandert
Swissgas von Obergesteln in die Region des Genfersees        sein, der Überlieferung nach zogen sie samt ihren Häu-
durch das Goms. Dabei überquert sie auf einer hoch über      sern nach Steinhaus. Heute erinnern nur noch zerfallen-
dem Graben erbauten Gitterbrücke auch den Rufibach.          de Stallscheunen an die ehemals bedeutungsvolle Sied-
Die Gasleitung ist in der Gommer Landschaft gut an den       lung Richulschmatt am Weg zwischen Steinhaus und
orangen, mit Nummern versehenen Tafeln entlang ihres         Niederwald (siehe Abbildung in Stebler 1903, S. 39).
Trassees erkennbar. Ohne Druckreduzierstationen ist es
den angrenzenden Dörfern im Durchleitungskorridor
aber leider nicht möglich, von diesem umweltfreundli-
chen und für die Landesversorgung wichtigen Energie-
transport zu profitieren.

34 | DER EHEMALIGE
		 WEILER RICHULSCHMATT
     Der ehemalige Weiler Richulschmatt gehörte zu einer
Reihe mittelalterlicher Siedlungsplätze im Gebiet zwi-
schen Mühlebach und Niederwald. Talaufwärts bekannt
                        sind die Namen von Löüwine
                        und Rufine (westlich und östlich
                        des Löüwibachs), Rufibord (öst-
                        lich des Rufibachs) und Richul-
                        schmatt (zwischen Rufibach und
                        Bettelbach).   Im   Visitationsakt
                        von 1687 werden in Rufibord und
                        Richulschmatt sogar eigene Ka-
                        pellen erwähnt, die zu unbekann-
                        ten Zeiten aber verschwunden
sind. Richulschmatt war wohl die bedeutendste dieser
kleinen, selbständigen Siedlungen – sogar mit eigener
Gerichtsbarkeit. 1530 schloss sie eine Bauernzunft mit
der Gemeinde zwischen den Bächen (Steinhaus). Nach-
dem die Pest von 1629 ihren Niedergang eingeleitet ha-
ben soll, vereinigte sich die Kleinsiedlung mit der nun
erstarkten Nachbargemeinde. Im ehemaligen Gemeinde-
haus von Steinhaus bezeugt die Inschrift am Dielbaum
(Deckenbalken) in der Stube den Zusammenschluss mit

40                                                                                                                  41
WEITERFÜHRENDE LITERATUR

Carlen, Anton: Zwischen zwei Brücken. Die Pfarrgemeinde Ernen,
   ihre alten Häuser und ihre einstigen Bewohner. In: Blätter aus
   der Walliser Geschichte. Bd. 12, S. 269–433. Brig 1963.

Egloff, Wilhelm; Egloff-Bodmer, Annemarie: Die Bauernhäuser des
                                                                     MUSEEN UND AUSSTELLUNGEN
   Kantons Wallis. Band I: Das Land, der Holzbau, das Wohnhaus.      IM LANDSCHAFTSPARK BINNTAL
   Basel 1987.

Flückiger-Seiler, Roland & Mutter, Benno: Ernen und Umgebung.
                                                                     Hanschbielhütte, Binntal
   Schweizerische Kunstführer. GSK, Serie 59, Nr. 581/582. Bern      Jost-Sigristen-Museum, Ernen
   1995.                                                             Kirchenmuseum, Ernen
                                                                     Mineralienmuseum, Fäld
Flückiger-Seiler, Roland: Die Bauernhäuser des Kantons Wallis.
   Band 2: Das Wohnhaus in Steinbauweise und die Vielzweckbau-       Rathaus des Zenden Goms, Ernen
   ten (Val d’Illiez). Basel 2000.                                   Regionalmuseum, Binn
                                                                     Tiermuseum, Blitzingen
Lambrigger, Josef: 800 Jahre Pfarrei Ernen 1214-2014. Fiesch 2014.

Ruppen, Walter: Die Kunstdenkmäler des Kantons Wallis. Band 2:       Entdecken Sie Ihre eigenen Kulturwege.
  Das Untergoms. Die ehemalige Grosspfarrei Ernen. Basel 1979.       Der Landschaftspark Binntal bietet ein weitver-
Schmid, Wilhelm: Aufzeichnungen von Joseph Anton Valentin
                                                                     zweigtes Wanderwegnetz.
   Schmid (1844–1923). Sonderdruck aus: Blätter aus der Walliser     Wanderkarten und -literatur begleiten Sie.
   Geschichte XLVIII. 2016.

                                                                     Lernen Sie die Gegend auf Dorfführungen,
Stebler, F.G.: Das Goms und die Gomser. 1991 neu erschienen als
   Faksimile-Nachdruck. Visp 1903.                                   botanischen Führungen und Mineralienführun-
                                                                     gen kennen.

                                                                     Informationen:
                                                                       Tourismusbüro Ernen
                                                                       Dorfplatz, 3995 Ernen
                                                                       Tel. +41 (0)27 971 50 55
                                                                       ernen@landschaftspark-binntal.ch
                                                                       www.landschaftspark-binntal.ch

                                                                     Weitere Tourismusbüros in
42                                                                   Binn und Grengiols                                43
KULTURWEGE IM
L ANDSCHAF TSPARK BINNTAL
Die vorliegende Broschüre «Kulturwege Mühlebach und
Steinhaus» begleitet Sie auf Spaziergängen und kurzen
Wanderungen. Sie finden Angaben zu den Wegen, Hin-
tergrundtexte zu ausgewählten natur- und kulturland-
schaftlichen Themen und kurze Beschreibungen zu Se-
henswürdigkeiten. Wir möchten das genaue Beobachten
anregen, Einblicke in die besuchte Lebenswelt ermögli-
chen und so die Verbundenheit mit der Umgebung stär-
ken.

Folgende 5 Kulturwege-Broschüren sind erhältlich:

• Binntal
• Blitzingen und Niederwald
• Ernen und Niederernen
• Grengiols und Bister
• Mühlebach und Steinhaus

Wir wünschen Ihnen spannende Entdeckungen, be-
reichernde Begegnungen und frohe Stunden im Land-
schaftspark Binntal.

L ANDSCHAF TSPARK BINNTAL
Postfach 20, 3996 Binn
info@landschaftspark-binntal.ch
44
www. landschaftspark-binntal.ch
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