Das achtjährige Gymnasium in Nordrhein-Westfalen. Schulzeitverkürzung gelingt - MACHT SCHULE.
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Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen Das achtjährige Gymnasium in Nordrhein-Westfalen. Schulzeitverkürzung gelingt. NorDrHeiN-WestFaleN MACHT SCHULE.
Vo r w o r t Weniger Sitzenbleiber Die Anzahl nicht versetzter Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe I des Gymnasiums ist gesunken. Die Quote beträgt aktuell nur noch 1,5 Prozent. Vor sieben Jahren lag sie noch bei 3,9 Prozent. Das Schulministerium und Lehrerverbän- de haben im vergangenen Jahr gemein- sam die Initiative „Komm mit! Fördern statt Sitzenbleiben“ gestartet. Landesweit beteiligen sich freiwillig bereits 412 wei- terführende Schulen daran, weitere 400 sollen nun folgen. Liebe Eltern, liebe Schülerinnen und Schüler, Die vorliegende Broschüre informiert über das neue acht- jährige Gymnasium, über die Ziele modernen Unterrichts, im breiten Konsens der Parteien sowie der Eltern- und über die neuen Lernzeiten und über die Möglichkeiten der Lehrerverbände entschloss sich Nordrhein-Westfalen Schulen, ihre Schülerinnen und Schüler zu fördern sowie 2004 für die Verkürzung des gymnasialen Bildungs- Überforderung und Stress zu vermeiden. gangs. Die Umstellung eines seit Generationen vertrauten Lern- rhythmus auf einen auf acht Lernjahre angelegten Bil- Barbara Sommer dungsgang ist mehr als die bloße Streichung eines Lern- Ministerin für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen jahres. Sie erfordert eine Überprüfung der Lehrpläne, neue Strukturen des Schultages und ein Umdenken bei der Gestaltung des Unterrichts. Inzwischen hat unser „renoviertes“ Gymnasium schon Inhalt Gestalt angenommen. Die Stundentafel sieht neben den Vorwort Stunden für die einzelnen Fächer zusätzliche Stunden (Ergänzungsstunden) vor, die den Schulen Freiräume für Das achtjährige Gymnasium Seite 3 die Gestaltung des Unterrichtsangebots und zur gezielten individuellen Förderung eröffnen. Neue schlankere Lehr- Moderner Unterricht – pläne wurden eingeführt, zusätzliche Lehrkräfte für den Konzentration auf das Wesentliche Seite 4 personellen Mehrbedarf wurden eingestellt sowie Mittel für räumliche Investitionen bereitgestellt („1.000-Schu- Lernen in neuen Strukturen Seite 6 len-Programm“). Vielfältige Beispiele aus den anderen Ländern wurden auf ihre Tauglichkeit für Nordrhein-West- Mehr Zeit für Übung und Vertiefung Seite 9 falen geprüft und gegebenenfalls einbezogen, um diesen Umstellungsprozess zu bewältigen und Anfangsschwie- Individuelle Förderung für alle Seite 10 rigkeiten zu überwinden. Anstrengung und Erholung Dass das Gymnasium seit 2005 trotz (oder wegen?) aller im richtigen Rhythmus Seite 12 Veränderungen an Beliebtheit noch einmal zugelegt hat, beweisen die Übergangsquoten von der Grundschule: Hausaufgaben als Lernzeit Seite 13 Wechselten in 2004 36,5 Prozent der Grundschülerinnen und -schüler zum Gymnasium, so waren es in 2008 statt- Ein Jahr im Ausland Seite 14 liche 38,6 Prozent. Abschlüsse auf dem Weg zum Abitur Seite 15 Titelfoto: Konrad-Duden-Gymnasium, Wesel — Foto: Christof Wolff
3 Das achtjährige Gymnasium Das Gymnasium hat nach wie vor Ende der „alten“ Klasse 10 haben Im verkürzten Bildungsgang wird die gezeigt: Schülerinnen und Schüler systematische Vorbereitung auf wis- " eine zweijährige Erprobungsstufe des Gymnasiums sind den Schülerin- senschaftspropädeutisches Arbeiten (5. - 6. Klasse) nen und Schülern der übrigen Schul- insgesamt auf die Einführungsphase " eine Mittelstufe (7. - 9. Klasse) formen am Ende der Klasse 10 deut- (Klasse 10) der Oberstufe konzentriert. " eine dreijährige Oberstufe lich voraus. Im achtjährigen Gymna- Entsprechend wurden die neuen Kern- (10. - 12. Klasse). sium erreichen die Schülerinnen und lehrpläne der Sekundarstufe I von Schüler am Ende der Sekundarstufe I einigen fachlichen Inhalten und As- Neu ist, dass die Mittelstufe (7. - 9. (Klasse 9) denselben Lernstand wie pekten der fachlichen Vertiefung ent- Klasse) drei Jahre umfasst. Sie ist die Schülerinnen und Schüler der lastet. also ein Jahr kürzer als früher. Die Haupt-, Real- und Gesamtschulen, Sekundarstufe I endet bereits nach die am Ende der Klasse 10 in die Um sicherzustellen, dass alle Schüle- der neunten und nicht erst nach der gymnasiale Oberstufe wechseln. rinnen und Schüler die erforderlichen zehnten Klasse. Die zehnte Klasse Kompetenzen am Ende der Ein- bildet jetzt die Einführungsphase der Im neunjährigen Gymnasium wurden führungsphase erreichen, bieten die gymnasialen Oberstufe. Grundlagen für die Anforderungen in Schulen in der neuen Einführungs- der Qualifikationsphase der Ober- phase zusätzlichen Vertiefungsunter- Um ein Lernjahr voraus stufe – das sind die beiden letzten richt an. Jahre vor dem Abitur – schon bis Die Ergebnisse der Lernstandserhe- zum Ende der Sekundarstufe I (Klas- bungen im neunjährigen Gymnasium se 10) vermittelt. sowie die zentralen Prüfungen am „Wie kommt es, dass die leistungsfähigsten Nationen in der Welt Foto: Christof Wolff Foto: ddp es schaffen, ihre Kin- der die Schulen mit siebzehn und die Hoch- schulen mit vierundzwanzig abschlie- ßen zu lassen? Es sind - wohlgemerkt - gerade diese Länder, die auf dem Weltmarkt der Bildung am attraktiv- sten sind. Warum soll nicht auch in Deutschland ein Abitur in zwölf Jahren zu machen sein? Für mich persönlich sind die Jahre, die unseren jungen Leuten bis- her verlorengehen, gestohlene Le- benszeit.“ Der damalige Bundespräsident Roman Herzog in seiner berühmten Rede "Aufbruch ins 21. Jahrhundert" aus dem Jahr 1997 Ältere Schülerinnen und Schüler helfen jüngeren: Tutoren-Programm am Essener Leibniz-Gymnasium.
4 Moderner Unterricht - Konzentration auf das Wesentliche Foto: Christof Wolff Für die Umsetzung des achtjährigen Berlin (IQB) um eine Stellungnahme Gymnasiums reichte es nicht, den zu den neuen Kernlehrplänen gebe- Unterricht des entfallenden Schul- ten. Im Gutachten heißt es, dass „die jahres auf die anderen Jahrgänge zu neuen nordrhein-westfälischen Sek. verteilen. Es stellte sich vielmehr die I-Gymnasiallehrpläne der untersuch- Frage, welche Kompetenzen und Fer- ten Fächer Deutsch, Mathematik, tigkeiten eine Schülerin oder ein Schü- Erste Fremdsprache (Englisch/Franzö- ler innerhalb eines gewissen Lern- sisch), Chemie, Biologie und Physik zeitraumes erwerben muss. Dazu dem hohen Anspruch der Standard- wurden bundesweit geltende Bildungs- Kompatibilität insgesamt in beispiel- standards durch die Kultusminister- hafter Weise gerecht werden; teilwei- konferenz formuliert. se als deren gelungene Verbesserun- gen und Weiterentwicklungen einzu- Die neuen Kernlehrpläne in Nord- stufen sind.“ rhein-Westfalen tragen dieser Ent- wicklung Rechnung. Auf umfangrei- Das Schulministerium unterstützt che inhaltliche Vorgaben und didak- die Schulen bei der Umsetzung der tische Empfehlungen wurde verzich- neuen Kernlehrpläne. So haben bei- Praxis tet. Die Vorgaben der Lerninhalte be- spielsweise landesweit Beratungs- schränken sich jetzt auf ein unver- veranstaltungen zur Gestaltung des zichtbares Maß. Die Stofffülle wird Unterrichts stattgefunden. Modelle ersetzt durch exemplarisches Ler- für einen neuen, kompetenzorientier- Vorreiter in Sachen „G8“ nen. Moderne Kernlehrpläne geben ten Unterricht werden in Netzwerken vor, welche wesentlichen Fähigkeiten von Schulen, Studienseminaren und Bereits ein Jahr früher hat das und Kompetenzen, die Schülerinnen Wissenschaft erprobt. Musterlehr- Gymnasium Schloss Neuhaus mit und Schüler erwerben sollen. pläne sind als Beispiele für die Um- der Schulzeitverkürzung begonnen. setzung der Lehrpläne im konkreten Die nordrhein-westfälische Landes- Unterricht entwickelt und den Schu- Einen ersten Beleg dafür, dass das soge- regierung hat das Institut für Quali- len zur Verfügung gestellt worden. nannte „G8“ keine Leistungseinbußen mit tätssicherung im Bildungswesen in sich bringt, kann das Gymnasium Schloss Die neuen Schulbücher sind auf die Neuhaus in Paderborn schon vorlegen: Kernlehrpläne abgestimmt. Nord- Seine neunten Klassen beteiligten sich im Schuljahr 2008/2009 an den zentralen rhein-Westfalen hat hier, bundesweit Foto: Privat „Die neuen kompetenz- Prüfungen, die für die Klassen 10 gedacht orientierten Lehrpläne als Vorreiter, mit den Schulbuchver- sind, mit gutem Erfolg. „Unsere Neunt- fokussieren auf die lagen einen neuen Weg eingeschla- klässler haben den Stoff gekonnt“, berich- Fähigkeiten, die ein gen. In den Schulbüchern wird der tet Schulleiter Bernhard Gödde. Das Gym- Schüler erwerben muss, Pflichtstoff - entsprechend den Lehr- nasium Schloss Neuhaus gehört zu den um in seinem späteren plänen - als unverzichtbarer Inhalt Vorreitern in Sachen Schulzeitverkürzung. Leben bestehen zu können. Er muss ausgewiesen und von den freiwilligen Bereits ein Jahr, bevor die Schulzeitver- die großen Linien erkennen können, er Angeboten optisch abgegrenzt. Zu- kürzung an allen Gymnasien in Nordrhein- muss bewerten und schlussfolgern sammen erleichtert dies den Lehr- Westfalen eingeführt wurde, startete sie können. Dazu ist natürlich ein Grund- kräften die Unterrichtsplanung, hilft, am „GSN“. Die Schulkonferenz hatte sich stock an Wissen notwendig. Auf eine Überfrachtung mit Lernstoff zu ver- seinerzeit mit überwältigender Mehrheit Anhäufung von lexikalischem Spezial- meiden, und schafft Transparenz für für die vorzeitige Einführung von „G8“ ausgesprochen. wissen kann aber verzichtet werden.“ Schülerinnen, Schüler und Eltern. Professor Wilfried Bos, Leiter des Instituts für Zum Gelingen des Projektes tragen laut Hier geht es zu den Unterstützungsangeboten: Schulentwicklungsforschung der Universität Gödde zwei Faktoren entscheidend bei: Dortmund www.standardsicherung.schulministerium.nrw. Guter Unterricht, in dem den Schülerin- de/cms/ nen und Schülern die Kompetenz vermit- telt wird, das Gelernte auch in anderen Zusammenhängen zu nutzen. Und indivi- duelle Förderung, die einzelne Schüler
5 Mehr Zeit für individuelle Förderung: Unterricht am Julius-Stursberg-Gymnasium in Neukirchen-Vluyn. Im Gespräch Was kann die einzelne Schule darüber hinaus tun? Großmann: Sie sollte zunächst die Eltern vernünftig informieren. Druck hat es immer schon gegeben. Auch früher schon Foto: Privat wurden 30 oder 31 Wochenstunden unter- Schulleiter richtet. Wenn es jetzt 31 bis 34 sind, dann Konrad Großmann ist das verantwortbar. Es gibt allerdings eine Konsequenz: Jedes Gymnasium wird in den Nachmittag gehen müssen. Aber „Mehr Zeit für Förderung“ auch dies ist für die einzelne Schülerin, den einzelnen Schüler überschaubar, Schulleiter Konrad Großmann, Vor- wenn man bedenkt, dass in den Jahrgangs- sitzender der Rheinischen Direkto- stufen 5 und 6 höchstens an einem Nach- renvereinigung, zur Schulzeitver- mittag, und in den Jahrgangsstufen 7 und kürzung an Gymnasien. 8 höchstens an zwei Nachmittagen pro Woche unterrichtet werden darf. Wie läuft der Unterricht im „G8“– wie früher, nur schneller? Gleichwohl ist die Belastung für die Großmann: Die Vorstellung, man könnte Schülerinnen und Schüler an solchen die gleiche Stoffmenge wie früher durch- Tagen größer. nehmen, halte ich für abwegig. Das geht Großmann: Die Gymnasien müssen die nicht. Ich habe aber den Eindruck, dass zusätzliche Zeit nutzen, um die Kinder in- sich die Kolleginnen und Kollegen umstel- tensiver individuell zu fördern. Das ist len und die Anregungen aus den neuen eine große Chance, unseren Schülerinnen Kernlehrplänen aufnehmen. und Schülern – unabhängig von ihrer so- stärkt. Das Gymnasium Schloss Neuhaus zialen Herkunft – eine hochwertige gym- nutzt dafür die Ergänzungsstunden, die An veralteten Lehrplänen kann es also nasiale Bildung und eine überzeugende allen Gymnasien zur Verfügung stehen. Es nicht liegen, wenn mitunter der Eindruck Ausbildungs- und Studierfähigkeit auch hat darüber hinaus ein umfangreiches entsteht, dass doch noch zu viel Stoff in acht Jahren zu vermitteln. Und noch Fördersystem außerhalb des Regelunter- behandelt wird? eines sollten sich Gymnasien überlegen: richts aufgebaut, das auch Oberstufen- Großmann: Nein, daran liegt es nicht. Die ob sie nicht den 45-Minuten-Takt aufge- schülerinnen und -schüler einbezieht – Umstellung ist nicht nur für Schülerinnen, ben und auf längere Unterrichtseinheiten sie unterstützen Jüngere beispielsweise Schüler und Eltern ein Lernprozess, son- setzen. Acht Fächer am Tag, das ist in der im Silentium, der täglichen Hausaufga- dern auch für Lehrkräfte. Manchen fällt Tat kaum zumutbar. Wenn ich pro Fach benbetreuung. Neben „Aufzugkursen“ in es vielleicht schwerer, sich von liebge- 60 oder 90 Minuten am Stück unterrich- den Sprachen, Rechtschreibkursen in wordenen Themen zu verabschieden. Ich te, dann muss sich der Schüler nicht so Deutsch sowie einer Mathe-Werkstatt, in erlebe aber, dass die Fachkonferenzen oft umstellen, der Lehrer kann mehr prak- denen mit Lehrerhilfe Wissenslücken ge- sich verantwortungsbewusst der Aufgabe tische Anteile einbauen, und es gibt weni- schlossen werden, gibt es auch ein „BISS- annehmen. ger Hausaufgaben. So etwas kann jede Projekt“ für „besonders interessierte Schule eigenverantwortlich für sich regeln. Schülerinnen und Schüler“, in dem zum Beispiel das Überspringen einer Jahr- gangsstufe vorbereitet wird. Aufgrund sei- Das achtjährige Gymnasium ner guten Förderung wurde das Gymna- Qualifikationsphase 2 (Jahrgangsstufe 12) sium Schloss Neuhaus – als einziges Gym- nasium in Deutschland – vom Bundes- Gymnasiale Qualifikationsphase 1 (Jahrgangsstufe 11) präsidenten mit dem Deutschen Schul- Oberstufe preis 2008 ausgezeichnet. Bleibt bei all Einführungsphase (Jahrgangsstufe 10) dem noch Zeit für Projekte, die über den Regelunterricht hinausgehen? Ob Klassen- Klasse 9 fahrten oder Sporttage – in jeder Jahr- gangsstufe sei noch Raum für Besonde- Mittelstufe Klasse 8: Wahlpflichtbereich (z.B. 3. Fremdsprache) res, antwortet Gödde. So hätten alle 140 Schülerinnen und Schüler des ersten Klasse 7 „G8“-Jahrgangs am Austauschprogramm mit den elf europäischen Partnerschulen Klasse 6: Beginn der 2. Fremdsprache des Gymnasiums Schloss Neuhaus teil- Erprobungsstufe Klasse 5 nehmen können.
6 Lernen in neuen Strukturen Um die jüngeren Schülerinnen und und in den Klassen 7 und 8 an höch- ebenso notwendig wie die Möglich- Schüler nicht zu überlasten, hat sich stens zwei Nachmittagen. Für Schu- keit, eine gesunde und gut schme- Nordrhein-Westfalen dazu entschlos- len mit einem anderen Stundentakt ckende Mahlzeit einzunehmen. sen, einen Großteil der zusätzlich zu (z. B. 60-Minuten-Rhythmus) gelten verteilenden Stunden in die gymna- diese Regelungen entsprechend. Die Einführung einer pädagogischen siale Oberstufe (Klasse 10 - 12) zu ver- Übermittagbetreuung mit Schulver- lagern. Die Erhöhung der Unterrichts- Die pädagogische Über- pflegung ist eine große Umstellung stunden in der Unter- und Mittelstufe mittagbetreuung für die nordrhein-westfälischen Gym- fällt dadurch gering aus. nasien. Viele Schulen haben sich Für alle Schulen gilt: Tage mit mehr gemeinsam mit ihren Schulträgern Unterricht am Nachmittag als sechs Stunden Unterricht erfor- sehr schnell auf den Weg gemacht, dern einen Wechsel von Phasen der um für ihre Schülerinnen und Schü- An einzelnen Tagen muss im achtjäh- Anstrengung und Entspannung im ler beispielsweise eine Cafeteria ein- rigen Gymnasium Nachmittagsunter- Unterricht. Dies gilt für Halbtags- zurichten und Übermittagsangebote richt stattfinden, da mehr als sechs schulen mit Nachmittagsunterricht zur Verfügung zu stellen. An anderen Stunden am Vormittag pädagogisch an einzelnen Tagen genauso wie für Schulen fehlt es noch an Räumen nicht sinnvoll sind. Die Erhöhung der Ganztagsschulen, in denen die Schü- und Ausstattung, um die gewünschte Stunden erfolgt schrittweise. In den lerinnen und Schüler an mehreren pädagogische Übermittagbetreuung Klassen 5 und 6 findet höchstens an Nachmittagen in der Schule verwei- anbieten zu können. Für diese Schu- einem Nachmittag Unterricht statt len. Längere Erholungsphasen sind len gibt es eine Übergangsfrist. Bis Januar 2011 dürfen sie die Mittags- pause verkürzen und die vorgesehe- nen 60 Minuten unterschreiten. Eine solche Entscheidung bedarf jedoch stets der Zustimmung der Schul- pflegschaft. Zu Beginn des Schuljahres 2010/2011 soll der Stand des Ausbaus der päda- gogischen Übermittagbetreuung ausgewertet werden. Auf der Grund- lage der Ergebnisse wird dann neu und abschließend über den Zeitrah- men sowie ggf. auch über eine Ver- längerung der Übergangsphase ent- schieden. Die erforderlichen finanziellen Res- sourcen für das Personal in der päda- gogischen Übermittagbetreuung so- wie – je nach Bedarf – weitere Ganz- tagsangebote stellt die Landesre- gierung über das Programm „Geld oder Stelle“ zur Verfügung. Über das „1.000-Schulen-Programm“ gibt es Neue Lernzeiten (45-Minuten-Rhythmus) Landeszuschüsse für Baumaßnah- men und Ausstattung. Höchstens 6 Unterrichtsstunden am Vormittag. Foto: Christof Wolff Höchstens 8 Unterrichtsstunden am Schultag. Im Gymnasium Voerde können Schülerinnen und Schüler Höchstens 1 Nachmittag in den Klassen 5 und 6 gemeinsam Hausaufgaben erledigen. Höchstens 2 Nachmittage in den Klassen 7 und 8
7 Programm „Geld oder Die Mittelverwaltung übernimmt der schüsse von jeweils bis zu 100.000 Stelle“ Schulträger oder ein von diesem im Euro pro Schule. Die meisten Gym- Einvernehmen mit der Schule beauf- nasien haben sich an diesem Pro- Seit dem 01.02.2009 können die tragter Dritter (z. B. Jugendhilfeträ- gramm beteiligt. Schulen eigenverantwortlich entschei- ger, Sportverein, Förderverein). den, ob sie zusätzliche Lehrkräfte für Darüber hinaus hat das Land in zwei die Gestaltung der Mittagspausen 1.000-Schulen-Programm Schritten die den Schulträgern zur anfordern oder entsprechende Geld- Verfügung stehende Bildungspau- mittel nutzen möchten, um außer- Auch baulich sollen die Schulen für schale/Schulpauschale von 460 schulische Partner z. B. für die Auf- den Unterricht am Nachmittag aus- Mio. Euro im Jahr 2007 auf 600 Mio. sicht, Sport-, Musik- oder Förderan- gestattet sein: Für den Ausbau von Euro im Jahr 2009 erhöht. Auch die- gebote zu gewinnen. Die Landesför- Mensen und Aufenthaltsräumen se Mittel können für die Verbesse- derung liegt – je nach Schulgröße – stellt die Landesregierung den Schu- rung der Infrastruktur der pädago- zwischen 0,3 und 0,6 zusätzlichen len der Sekundarstufe I bis 2010 zu- gischen Übermittagbetreuung oder Lehrerstellenanteilen oder alternativ sätzliche 100 Millionen Euro zur Ver- Investitionen in den Ganztag genutzt zwischen 15.000 und 30.000 Euro. fügung. Die Schulträger erhalten Zu- werden. Das „1.000-Schulen-Programm“ läuft an: Bezuschusste Anbauten in Arnsberg (Franz-Stock-Gymnasium), Bergkamen (Städtisches Gymnasium) und Ennepetal (Reichenbach-Gymnasium) P r a x i s Mehr Zeit fürs Mitein- Schule ist eine besondere“, sagt sie. Die ball, Schwimmen und Kanu-Fahren bis hin ander Einbeziehung des Nachmittags biete zu Kursen in Kochen, Tanzen, Musizieren mehr Zeit für Förderung. Der Tagesablauf oder Theaterspielen – gehen für die Schü- Gute Erfahrungen mit dem Ganz- verlaufe entspannter, es gebe mehr Gele- lerinnen und Schüler Lern- und Freizeit tag hat das Gymnasium Voerde ge- genheiten für Gespräche, auch der Lehr- nahtlos ineinander über. Schülerinnen, macht. kräfte untereinander, was die Zusammen- Schüler und Lehrkräfte begegnen sich arbeit im Kollegium begünstige. auch außerhalb des Regelunterrichts; Vom „Exoten“ zum Vorreiter: Das Gym- selbst das Mittagessen in der Mensa wird nasium Voerde gehört zu den knapp 30 Durch die längere gemeinsame Zeit und zum Gemeinschaftserlebnis. Probleme Gymnasien in Nordrhein-Westfalen, die einen 20-prozentigen Lehrerstellenzu- lassen sich so schon mal in Ruhe beim schon seit langem im Ganztag arbeiten. In schlag kann die Schule ihren schwäche- Eis-Essen klären, berichtet Jung-Wanders. nächster Zeit kommen zahlreiche dazu. ren Schülerinnen und Schülern Hausauf- Folge des guten Miteinanders: „Schüle- Anne Jung-Wanders, Leiterin des Gymna- gabenbetreuung und Förderunterricht rinnen und Schüler bleiben auch mal nach siums Voerde, sieht das Engagement des anbieten, besonders begabte bekommen Schulschluss noch freiwillig in der Schule, Landes beim Ausbau des Ganztags mit zusätzliche Anregungen. In rund 40, zu- um sich mit ihren Freunden hier zu tref- Wohlwollen. Kein Wunder, sind ihre Er- meist von Lehrkräften geleiteten Arbeits- fen.“ fahrungen damit doch uneingeschränkt gemeinschaften – von Sprachkursen wie positiv. „Die Atmosphäre an unserer Chinesisch über Sportangebote wie Fuß-
8 Foto: Christof Wolff Auch das Gymnasium kann Ganztagsschule wer- den Lange Zeit gab es in Nordrhein-West- falen verlässliche Ganztagsangebote nur in Gesamtschulen. Am 15.04.2008 hat die Landesregierung entschieden, bis zum 01.08.2010, jeweils begin- nend in der fünften Klasse, zunächst 216 Gymnasien und Realschulen die Möglichkeit zu geben, sich zu gebun- denen Ganztagsschulen weiterzuent- wickeln. Mehr Bildungsförderung und Chancengerechtigkeit, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf – das sind die wesentlichen Ziele der Ganztagsschule. Bis zum ersten An- tragstermin haben sich bereits 87 Gymnasien und 74 Realschulen für den gebundenen Ganztag entschie- den und kontinuierlich melden sich Schach mit Lehrer: Der Ganztag – hier am Gymnasium Voerde – bietet mehr Gelegenheiten fürs Miteinander. weitere Interessenten. Mit Erlass vom 24.04.2009 hat das " Da Hausaufgaben weitgehend Zu den rechtlichen und finanziellen Schulministerium den inhaltlichen in den Ganztag verlagert werden, Rahmenbedingungen: www.schulmi- und finanziellen Rahmen des gebun- bleibt genügend Zeit für eigene nisterium.nrw.de (dort unter Ganztag denen Ganztags in der Sekundar- Freizeitaktivitäten außerhalb der und Ganztagsoffensive) stufe I definiert: Schule. Zu Qualitätsentwicklung, Fortbildung " Die verpflichtende Anwesenheit " Die Schulen erhalten für den und zum Ganztag in regionalen Bil- für alle Schülerinnen und Schüler Ganztag einen 20-prozentigen dungsnetzwerken, auch mit Hinwei- umfasst nach den Vorgaben der Lehrerstellenzuschlag, der bis zu sen zu Veranstaltungen, Publikatio- Kultusministerkonferenz an drei einem Drittel für die Mitwirkung nen und guter Praxis: Tagen einen Mindestzeitrahmen außerschulischer Partner, bei- www.ganztag.nrw.de von sieben Zeitstunden, also in spielsweise aus Jugendhilfe, Kul- der Regel von 8 bis 15 Uhr. tur und Sport, aber auch für ehren- Zur Schulverpflegung: amtliche Helferinnen und Helfer www.schulverpflegung.vz-nrw.de " Darüber hinaus bietet die Schule oder Schülertutorinnen und Schü- für die Schülerinnen und Schüler, lertutoren verwendet werden die nicht an selbst organisierten kann. privaten Freizeitaktivitäten teil- nehmen können, in freiwilligen Insgesamt hat die Landesregierung Angeboten ausreichend neue An- für die Maßnahmen im Rahmen der regungen (von der Theatergruppe Ganztagsoffensive für die Jahre bis zur Schülerfirma). 2009 und 2010 zusätzlich 175 Mio. Euro bereitgestellt.
9 Mehr Zeit für Übung und Vertiefung Die Stundentafel der Sekundarstufe I zu verstärken. Wird der Mathematik- Förderung bei des achtjährigen Gymnasiums sieht unterricht in einem Jahrgang durch Lernschwierigkeiten neben den Stunden für die einzelnen eine Ergänzungsstunde erweitert, so Mindestens fünf Ergänzungsstunden Fächer 10 - 12 zusätzliche Stunden als kann diese Stunde für Übungs- und sollen angeboten werden, wenn Schü- Ergänzungsstunden vor, über deren Förderphasen genutzt werden. Dies lerinnen und Schüler fachliche Unter- Verwendung aber jede Schule eigen- verringert wiederum die Arbeit zu stützung brauchen, vor allem in den verantwortlich entscheiden kann. Bis Hause. Kernfächern. Dieser Förderunterricht zu fünf dieser Stunden können auch kann in Teilgruppen angeboten werden. für Förderung in kleineren Lerngrup- Fachliche Angebote pen genutzt werden, an denen nicht Ergänzungsstunden können auch ge- Die Einrichtung von sogenannten alle Schülerinnen und Schüler teil- nutzt werden, um – in Anbindung an „Förderbändern“ innerhalb eines nehmen müssen. Auf der Grundlage einzelne Fächer – zusätzliche Ange- Jahrgangs ermöglicht die Bildung des Vorschlags der Schulleiterin oder bote zu machen. Dies kann beispiels- von klassenübergreifenden Gruppen, des Schulleiters beschließt die Schul- weise ein Experimentierkurs in Phy- in denen die Schülerinnen und Schü- konferenz, wofür die Ergänzungs- sik sein oder ein bilinguales Angebot. ler mit ähnlichen Förderbedarfen, sei stunden verwendet werden sollen. Es gibt Beispiele von Schulen, die mit es im Hinblick auf spezielle Lern- Hilfe der Ergänzungsstunden eine schwierigkeiten oder besondere Be- Den Kernunterricht Sportklasse oder Orchesterklasse gabungen, zusammengefasst werden. stärken einrichten. Die Förderstunden werden im Stun- Ergänzungsstunden können z. B. ge- denplan entsprechend ausgewiesen. nutzt werden, um den Kernunterricht P r a x i s „Kein zusätzlicher Stoff“ Ergänzungsstunden dienen am Ergänzungsstunden, die jedem Gymna- Das Carl-Fuhlrott-Gymnasium hat darü- Carl-Fuhlrott-Gymnasium in sium aufgrund der Schulzeitverkürzung ber hinaus ein umfassendes Fördersys- Wuppertal der Förderung. zur Verfügung stehen. Aus diesen Mit- tem außerhalb des Pflichtunterrichts ent- teln schöpft das „CFG“ eine weitere Be- wickelt, um sowohl besonders Begabte Das Carl-Fuhlrott-Gymnasium in Wupper- sonderheit: Die Siebtklässler lernen Ge- stetig anzuregen als auch schwächere tal bietet seinen Fünftklässlern einen be- schichte oder Erdkunde eine Wochen- Schülerinnen und Schüler mitzunehmen. sonders anschaulichen Einstieg in die Na- stunde lang bilingual, also zum Teil auf Auf einen Leistungseinbruch wird hier turwissenschaften: Im Laborunterricht, Englisch. Darüber hinaus werden in der schnell reagiert. Eine betroffene Schülerin der jede zweite Woche eine Doppelstunde Sekundarstufe I Ergänzungsstunden in oder ein betroffener Schüler kann sowohl lang erteilt wird, präsentieren sich die den Hauptfächern Mathematik, Deutsch Hilfe von Lehrkräften wie auch von älteren Fächer Physik, Chemie und Biologie je- und Englisch flexibel eingesetzt. Der Schülern in Anspruch nehmen. Das Enga- weils ein Drittel Schuljahr lang mit span- Schulleiter betont: „In allen diesen gement der Schule, die vom Land das nenden Experimenten, die von den jeweili- Stunden wird kein zusätzlicher Stoff „Gütesiegel Individuelle Förderung“ ver- gen Fachlehrerinnen und -lehrern angelei- durchgenommen. Sie dienen der Ver- liehen bekommen hat, macht sich be- tet werden. „Die Schülerinnen und Schü- tiefung.“ Ein Teil der Unterrichtszeit im zahlt: Von 1250 Schülerinnen und Schülern ler werden so besser herangeführt, die verkürzten Bildungsgang zum Abitur in den Jahrgangsstufen 5 bis 11 blieben im Naturwissenschaften profitieren enorm“, steht also allein für Förderung zur Ver- vergangenen Schuljahr lediglich 15 sitzen. sagt Schulleiter Karl W. Schröder. Das fügung. Carl-Fuhlrott-Gymnasium nutzt dafür
10 Individuelle Förderung für alle In einer Klasse lernen Schülerinnen zent auf 1,5 Prozent im Schuljahr Sie hat ebenso zum Ziel, Schülerin- und Schüler mit unterschiedlichen 2007/2008 mehr als halbiert. Dies nen und Schülern mit besonderen Interessen, aber auch mit unterschied- ist sicherlich auch ein Verdienst der Begabungen Herausforderungen und lichen Stärken und Schwächen. Eines Initiative „Komm mit! – Fördern statt Möglichkeiten anzubieten, um diese verbindet sie jedoch: das gemeinsa- Sitzenbleiben“, an der sich auch viele Begabungen zu stärken. me Ziel, die Schulzeit – nach indivi- Gymnasien beteiligen, um die Zahl duellen Maßstäben – erfolgreich zu der Sitzenbleiber über spezielle För- www.schulministerium.nrw.de/Chan durchlaufen. Die Aufgabe der Lehr- derprogramme zu reduzieren. cen/index.html kraft ist es, dieses Ziel bei allen Un- Foto: Christof Wolff terschieden nicht aus den Augen zu Die individuelle Förderung hat jedoch verlieren und jedem einzelnen Kind nicht nur die leistungsschwachen die Begleitung und Unterstützung Schülerinnen und Schüler im Blick. zukommen zu lassen, die es braucht. Dies ist das Recht auf individuelle Förderung, das im neuen Schulge- setz verankert ist. Aus diesem Grund erarbeitet jedes Gymnasium ein Programm, in dem es festlegt, welche Möglichkeiten der Förderung es für seine Schülerinnen und Schüler bietet. Lern- und Förderempfeh- lungen Von hoher Bedeutung im Rahmen der individuellen Förderung sind die Lern- und Förderempfehlungen. Sie werden erteilt, wenn die Versetzung gefährdet ist. In Verbindung mit die- sen Empfehlungen informiert die Schule die Eltern über schulische Fördermöglichkeiten. Gerade an die- ser Stelle ist es unerlässlich, dass Elternhaus und Schule „Hand in Hand“ arbeiten, um aufgetretene Leistungsdefizite schnellstmöglich zu beheben. Der Erfolg der Schulen bei der För- derung ihrer leistungsschwächeren Schülerinnen und Schüler lässt sich an der Zahl der Wiederholungen ab- messen: Im Vergleich zum Schuljahr 2000/2001 wurde die Wiederholungs- quote am Gymnasium von 3,9 Pro- Auch noch Zeit fürs gemeinsame Musizieren: Schüler-Orchester im Essener Leibniz-Gymnasium.
11 P r a x i s Weniger Sitzenbleiber Das Essener Leibniz-Gymnasium Beziehung“ entscheidend. „Wir als hat die Wiederholer-Quote deutlich Lehrer müssen viel Zeit haben für die senken können – mit Förderung. Anliegen der Schüler und Eltern. Also nicht ein offenes Ohr haben, sondern Im Laufe der letzten Jahre hat das Leib- zwei offene Ohren.“ Die Anerkennung niz-Gymnasium in Essen die Sitzenblei- außerschulischer Leistungen, die Ein- berquote enorm reduziert. Dazu habe bindung der Eltern, klare Regeln und unter anderem der Verzicht auf Einzel- ein durch Schülerinnen und Schüler ge- stunden beigetragen, erzählt Schulleiter staltetes Schulgebäude seien weitere Manfred Reimer. „Sehr zentral für uns ist zentrale Elemente. Die Hausaufgaben- gewesen, dass wir unsere Unterrichts- betreuung durch Schülertutoren und organisation umgestellt haben. Wir sind das gemeinsame Arbeiten in Kleingrup- „Jeder junge Mensch hat ohne grundsätzlich auf Doppelstunden umge- pen habe sich am Leibniz-Gymnasium Rücksicht auf seine wirtschaftliche stiegen“, so Reimer. Der Unterricht verlie- ausgezahlt. Schließlich sei es auch eine Lage und Herkunft und sein Ge- fe nun mit weniger Zeitdruck, enthielte Frage der kontinuierlichen Leistungs- schlecht ein Recht auf schulische mehr praktische Übungen und sei nicht kontrolle, frühzeitiger Fördermaßnah- Bildung, Erziehung und individuelle lehrer-, sondern schülerzentriert. „Die men, und der eigenen Einstellung, dass Förderung.“ § 1 des Schulgesetzes Qualität des Unterrichts ist eine andere“ kaum Kinder sitzenbleiben: „Im Bewusst- Nordrhein-Westfalen betont der Direktor, „Schüler verstehen in sein aller muss verankert sein, dass das diesen Doppelstunden mehr als in Einzel- Sitzenbleiben eigentlich keine beson- stunden, insoweit sage ich immer: Doppel- ders geeignete pädagogische Maßnah- stunden sind per se Förderstunden.“ Für me ist.“ Wie wirksam dieses Konzept die Sitzenbleiberquote sei aber auch die ist, belegen die aktuellen Zahlen: Von Gestaltung des Lernumfeldes, zum Bei- 842 Schülern in der Sekundarstufe I spiel ein breites, kulturelles Angebot, das musste am Ende des Schuljahres einer ganzheitlichen Entwicklung zugute 2008/2009 lediglich einer wiederholen, kommt, und eine „offene, freundliche, damit liegt die Quote bei 0,12 Prozent. zuwendungsorientierte Schüler-Lehrer- Den einzelnen Schüler im Blick: Individuelle Förderung am Carl-Fuhlrott-Gymnasium in Wuppertal. Fotos: Alex Büttner
12 Anstrengung und Erholung im richtigen Rhythmus Durch den Nachmittagsunterricht an ten sich abwechseln. Auf anstrengen- Viele Schulen haben sich dazu ent- einzelnen Tagen ist es noch wichtiger de Arbeitsphasen muss die notwen- schieden, den 45-Minuten-Rhythmus geworden, den Schultag für die Schü- dige Erholung folgen. Denn nur durch zugunsten längerer Zeiteinheiten lerinnen und Schüler sinnvoll zu ge- eine kindgerechte Rhythmisierung aufzugeben. Sie organisieren den stalten. Gelenkte Lernphasen und sind Schülerinnen und Schüler auf- Schultag z. B. in Doppelstunden. Durch praktische, selbsttätige Arbeiten soll- merksam und motiviert bei der Sache. die Verringerung der Anzahl der Fä- cher je Schultag wird auch die Haus- aufgabenbelastung verringert. Es kehrt mehr Ruhe in den Schultag ein und es bleibt mehr Zeit " für Übungsphasen " für Förderung " für soziales Lernen, kooperative Lernformen Fotos: Christof Wolff " für Methodenvielfalt und projekt- orientierten Unterricht. Mehr Ruhe im Schulalltag: Fünftklässler bei Entspannungsübungen am Julius-Stursberg-Gymnasium. P r a x i s Mehr Ruhe zum Lernen Die Atmosphäre an seiner Schule sei eine andere geworden, berichtet Direktor Das Julius-Stursberg-Gymnasium Siegfried Reimers. Es herrsche viel mehr in Neukirchen-Vluyn hat sich vom Ruhe. Reimers leitet das Julius-Stursberg- 45-Minuten-Takt verabschiedet. Gymnasium in Neukirchen-Vluyn, und dort scheinen die Uhren anders zu gehen als andernorts. Schülerinnen, Schüler und „Doppelstundenmodell“ Lehrkräfte hasten nicht mehr so oft wie Klasse 6 (32 Wochenstunden) früher durch das Gebäude, um den Raum Std Zeit Mo Di Mi Do Fr zu wechseln. Der Schulgong schlägt selte- ner. Vor allem aber, sagt Reimers, werde 1. im Unterricht nun intensiver gearbeitet. 07.55 - 09.25 M Rel D F/L Bi 2. Die Ursache für den Wandel ist bemer- kenswert einfach: Die Schule hat die Schul- 20 Minuten Pause zeitverkürzung zum Anlass genommen, 3. sich vom traditionellen 45-Minuten-Takt 09.45 - 11.15 D Ge Mu M E 4. zu verabschieden. Eine Unterrichtsstunde 20 Minuten Pause am „JSG“ dauert nun 70 Minuten. 5. 11.35 - 12.20 E F/L E F/L Bereits seit zwei Jahren praktiziert das Sp Politik/ Politik/ Gymnasium den neuen Rhythmus. Aus- 6. 12.25 - 13.10 Indiv.Fö Sp W W gangspunkt der Reform war die Überle- Mittagspause (60 Minuten) gung, dass im „G8“ Nachmittagsunter- richt nicht ganz zu vermeiden ist. Im 7. 14.10 - 15.40 Ku Extremfall hätte dies für Schülerinnen 8.
13 Hausaufgaben als Lernzeit wertvolle Möglichkeiten zu selbst- ständiger Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsstoff. Jede Schule soll ein sogenanntes Hausaufgabenkonzept erstellen, das in allen Gremien der Schule beraten wird, in der Schulkonferenz, aber z. B. auch auf den Sitzungen der Klassen- pflegschaften. Hier wird auch über das Ausmaß und die Verteilung der Hausaufgaben gesprochen. Das Hausaufgabenkonzept soll Aussagen enthalten zu " den Grundsätzen, Maßstäben und der Verteilung der Hausaufgaben " der Art und dem Umfang, den Möglichkeiten der regelmäßigen Überprüfung und Rückmeldung (Anerkennung, in der Regel keine Benotung) Schülerinnen und Schüler experimentieren im " der Reduzierung von Hausaufga- Chemie-Unterricht am Essener-Leibniz-Gymnasium. Fragt man Kinder, was sie an der ben durch Übungsphasen im Schule am wenigsten schätzen, lau- Unterricht und Ergänzungsstun- tet die Antwort häufig: „Hausaufga- den. und Schüler an einzelnen Tage acht Un- ben“. Dennoch: Sinnvolle Hausaufga- terrichtsstunden à 45 Minuten bedeu- ben fördern den Lernprozess und Es ist Aufgabe der Klassenlehrerin- tet, damit möglicherweise verbunden: sind eine wertvolle Lernzeit. nen und Klassenlehrer, auf die Um- acht Lehrerwechsel, acht verschiedene setzung dieser Vereinbarungen zu Fächer, acht Anlässe, Hausaufgaben Das zulässige tägliche Hausaufgaben- achten. Die Fachlehrerinnen und aufzubekommen und ein übervoller Tor- pensum ist gestaffelt: Fachlehrer sollen sie in dieser Aufga- nister. „Das ist nicht zumutbar“, befand be unterstützen. Entsprechend eines die Schulkonferenz. Heute hat eine " höchstens 90 Minuten für die Vorschlags der Landeselternschaft Schülerin oder ein Schüler am Gymna- Klassen 5 und 6 der Gymnasien sollte die veranschlag- sium in Neukirchen-Vluyn maximal fünf " höchstens 120 Minuten für die te Arbeitszeit ins Klassenbuch einge- Fächer am Tag, unterbrochen durch Klassen 7 bis 9 tragen werden. Außerdem kann eine zwei zehnminütige Pausen, eine 20-mi- Hausaufgabenübersicht im Klassen- nütige Pause und die einstündige Mit- An Tagen mit Nachmittagsunterricht raum (etwa an der Wandtafel) erstellt tagspause. Auf die gesamte Sekundar- (auch bei „nur“ sieben Stunden) dür- werden. stufe I hochgerechnet, geht keine Un- fen keine Hausaufgaben für den terrichtszeit verloren. Lehrer hätten Folgetag erteilt werden. www.schulministerium.nrw.de/BP/S nun aber mehr Ruhe, auf Schülerfragen chulsystem/Ganztagsbetreuung/hau einzugehen, sagt der Schulleiter. Die Hausaufgaben müssen aus dem Un- saufgaben_erlass.pdf Schülerinnen und Schüler könnten terricht erwachsen und zu ihm zu- http://www.le-gymnasien-nrw.de/ auch mal gemeinsam arbeiten oder – in rückführen. Sie helfen, Erlerntes zu den Naturwissenschaften – experimen- vertiefen oder zu festigen und bieten tieren. Reimers: „Es gibt bei uns nieman- den, der das zurückdrehen möchte.“
14 Ein Jahr im Ausland Viele Schülerinnen und Schüler der gang – nach Rückkehr der Über- zu erfüllende Fremdsprachenbedin- Gymnasien verbringen während ihrer gang in die Qualifikationsphase gungen (z. B. Erwerb des Latinums). Schulzeit ein Jahr an einer Schule im möglich. Ausland. Die meist positiven Erfah- Bei einem Auslandsaufenthalt in der rungen der Rückkehrerinnen und Rück- " Auslandsaufenthalt nach der Ein- Einführungsphase mit direktem Über- kehrer haben in den letzten Jahren führungsphase. In diesem Fall gang in die Qualifikationsphase nach immer mehr Jugendliche dazu veran- wird das Auslandsjahr eingescho- Rückkehr wird der mittlere Schulab- lasst, diesen Schritt zu gehen und er- ben. Nach Rückkehr erfolgt der schuss erst nach erfolgreichem Durch- ste Auslandserfahrungen zu sammeln. Eintritt in das erste Jahr der Qua- gang durch das erste Jahr der Quali- lifikationsphase. Diese Alternative fikationsphase zuerkannt. Natürlich ist dies im achtjährigen Gym- bedeutet, dass die Schulzeit ins- nasium genauso möglich wie früher. gesamt um ein Jahr (im verkürz- Die Beurlaubung für ein Auslandsjahr Es bieten sich folgende Alternativen an: ten Bildungsgang also von 12 auf muss von der Schulleitung genehmigt 13 Jahre) verlängert wird. werden. Hierzu sollte unbedingt früh- " Auslandsaufenthalt im Anschluss zeitig deren Beratung gesucht wer- an die Sekundarstufe I während Welcher Zeitpunkt der sinnvollere ist, den. Es reicht ein formloser Antrag. der Einführungsphase der gym- sollte im Gespräch mit der Schule ge- nasialen Oberstufe (am Gymna- klärt werden. Eine wichtige Rolle bei www.schulministerium.nrw.de/BP/S sium also nach Abschluss der der Entscheidung spielen unter ande- chueler/Internationales/index.html Klasse 9). In diesem Fall ist – ab- rem der Leistungsstand, das Alter der hängig vom Leistungsbild vor Weg- Schülerin oder des Schülers oder noch P r a x i s Im Förderband schon den Fünftklässlern, das nötige nicht. „Sowieso jagt hier nicht eine Klas- Rüstzeug für eine erfolgreiche Schullauf- senarbeit die andere“, meint Schulleiterin Das Cusanus-Gymnasium in Erke- bahn mitzugeben. Dabei hat auch das Hündgen. „Die Fünft- bis Neuntklässler lenz bietet seinen Schülerinnen „Lernen lernen“ einen wichtigen Stellen- schreiben maximal zwei Arbeiten pro und Schülern Hilfe an. wert. Schülerinnen und Schüler bekom- Woche.“ Für Hausaufgaben gilt die Regel: men erklärt, wie man Vokabeln lernt, höchstens 90 Minuten in Klasse 5 und 6, „Sicher müssen die Schüler nun etwas selbstständig Hausaufgabenzeit einteilt danach höchstens 120 Minuten. „Wenn mehr leisten“, urteilt Rita Hündgen, Lei- oder sich systematisch auf eine Klassen- ein Kind diese Zeit gesessen hat, unter- terin des Cusanus-Gymnasiums in Erke- arbeit vorbereitet. „In den G8-Klassen schreiben die Eltern ins Heft, dann sieht lenz, „aber bisher stecken sie das gut haben einzelne Schülerinnen und Schüler der Lehrer das“, erklärt Hündgen. „Da weg“. Was auch in der zusätzlichen För- Schwierigkeiten, aber das ist in G9-Klas- gab’s noch nie Probleme.“ derung begründet liegt: Ab Klasse 7 läuft sen ja nicht anders“, zieht Elternvertre- an der Schule ein wöchentliches „Förder- terin Sonja Kling Bilanz. Foto: Privat band“, eine zusätzliche Förderstunde in einem der Kernfächer Deutsch, Mathe, Um die Mehrbelastung für die Schüler ge- „Es ist mehr Arbeit. Englisch, Französisch oder Latein. „In der ring zu halten, wendet das Cusanus-Gym- Trotzdem funktio- Stunde arbeiten die Schülerinnen und nasium außerdem alle Regeln an, die das niert das mit G8 an Schüler gezielt an ihren Schwächen oder Schulministerium erlassen hat: Klasse 5 unserer Schule gut. – in die andere Richtung – an ihren Stär- und 6 haben höchstens einmal in der Ich denke, dass sich ken“, erklärt der stellvertretende Schul- Woche Nachmittagsunterricht, Klassen 7 noch keiner be- leiter Willi Gronenthal. Nach einem halben und 8 höchstens zweimal. Wenn nachmit- schwert hat, liegt daran, dass Jahr entscheiden Schüler und Lehrer neu, tags Unterricht ist, gibt’s vorher eine die Schule die Schüler sehr gut welches Förderband am besten passt. Mittagspause. Klassenarbeiten nach Ta- unterstützt – wie etwa mit den Das Cusanus-Gymnasium versucht auch gen mit Nachmittagsunterricht gibt es Förderbändern.“ Schülersprecherin Louisa Fricke
15 Abschlüsse auf dem Weg zum Abitur Werden Schülerinnen und Schüler Schülerinnen und Schüler, die das Schüler des Gymnasiums die Ver- des Gymnasiums am Ende der Klas- Gymnasium bereits vor dem Errei- setzung am Ende der Einführungs- se 9 versetzt, haben sie die Berechti- chen des Abiturs verlassen wollen, phase knapp nicht erreicht, so kann gung zum Besuch der gymnasialen können am Ende der Sekundarstufe I, auf der Basis reduzierter Anforde- Oberstufe erworben. Zentrale Prüfun- d. h. schon nach Klasse 9, in die Bil- rungen dennoch der mittlere Schulab- gen sind nicht mehr vorgesehen. Die dungsgänge des Berufskollegs wech- schluss oder ein dem Hauptschulab- dreijährige Oberstufe schließt sich seln, um sich stärker berufspraktisch schluss nach Klasse 10 gleichwerti- wie bisher mit der einjährigen Einfüh- zu engagieren. ger Abschluss zuerkannt werden. rungsphase und der zweijährigen Qualifikationsphase an. Der mittlere Schulabschluss wird Der schulische Teil der Fachhoch- allerdings gemäß der Praxis der Län- schulreife wird weiterhin nach dem Foto: Alex Büttner Die Einführungsphase, die Jahrgangs- der in allen Schulformen weiterhin erstem Jahr der Qualifikationsphase stufe 10, übernimmt eine Mittlerfunk- erst nach zehn Schuljahren zuer- (Jahrgangsstufe 11) erreicht. tion. Sie sichert die am Ende der Se- kannt. Hat eine Schülerin oder ein kundarstufe I erworbenen Kompe- tenzen und führt in die Methodik des Ergänzungsstunden dienen am Carl-Fuhlrott-Gymnasium in Wuppertal der Förderung. wissenschaftlichen Lernens ein. Damit die Schülerinnen und Schüler in der Einführungsphase gleiche Vor- aussetzungen für einen stärker wis- senschaftsorientierten Unterricht in der Qualifikationsphase erwerben, stehen vier Halbjahreskurse in der Einführungsphase für Vertiefungs- unterricht zur Verfügung. Sie helfen, die unterschiedlichen Lernstände auszugleichen und sichern den erfolg- reichen Übergang in die Qualifika- tionsphase. Die Schulzeitverkürzung in Nordrhein-Westfalen Im Gespräch Foto: Privat Grundsatzentschluss der damaligen Landesregierung Landeselternschaft: Zwar seien die Belastun- 2004 Kein Zurück gen für die Schülerinnen zur Einführung der Schulzeitverkürzung und Schüler nach wie vor Der nordrhein-westfälische Auf der jüngsten Versammlung ernst zu nehmen. Landtag verabschiedet im der Landeselternschaft der Gym- Gleichwohl appellierte die Januar 2005 nasien stimmten drei Viertel der Schulgesetz die Vorsitzende Gabriela Schulzeitverkürzung. anwesenden Mitglieder für die Custodis an die Eltern: „Wir sollten mit Der achtjährige Beibehaltung der Schulzeitver- allen Kräften gemeinsam Lösungen fin- Schuljahres- Bildungsgang wird zur kürzung. den und sie auch mittragen, um unseren beginn Regel an den nordrhein- Kindern ihre Schulzeit zu einem lohnen- 2005/2006 westfälischen Gymnasien. den und erfolgreichen Abschnitt ihres Lebens zu machen.“ Erste Abiturprüfungen 2013 nach 12 Jahren
Impressum Herausgeber: Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen Völklinger Straße 49 40221 Düsseldorf Telefon 0211 5867-40 Telefax 0211 5867-3220 poststelle@msw.nrw.de www.schulministerium.nrw.de © MSW 08/2009 Redaktion: Andrej Priboschek, Frauke König, Petra Kolberg-Bürk, Juliane Krüger Gestaltung: Elke Steinrötter, Visuelle Kommunikation, Düsseldorf Druck: Druckhaus Kaufmann, Lahr Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein- Westfalen herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlbewerberinnen und -bewerbern oder Wahlhelferinnen und -helfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags- und Kommunalwahlen sowie für die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Infor- mationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Eine Verwendung dieser Druckschrift durch Parteien oder sie unterstützende Organisationen ausschließlich zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder bleibt hiervon unberührt. Unabhängig davon, auf welchem Weg und in welcher Anzahl diese Schrift verteilt worden ist, darf sie auch ohne zeit- lichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zu Gunsten einzelner Gruppen verstanden werden könnte.
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