KUNST IM PARK 2015 2019 - Stadt Traunstein
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KUNST 2015 — 2019 IM PARK Die Kunst steigt vom Sockel Seit zehn Jahren läuft in Traunstein die Reihe „Kunst im Park“. Bildhauerinnen und Bildhauer werden dazu eingeladen, ein exemplarisches Werk aus ihrer künstlerischen Arbeit vorzustellen. Und zwar nicht im Rahmen einer Ausstellung, sondern als Präsentation im öffentlichen Raum der Stadt Traunstein, – überwiegend im Park am Wochinger Spitz, aber auch im zentralen Stadtpark und im 2019 neu geschaf- fenen Salinenpark. Kunst im öffentlichen Raum unterscheidet sich grundlegend von Kunst in etablierten, geschlossenen Ausstellungsräumen. Sie muss sich behaupten gegen Werbung und Straßenschilder wie auch ihren Platz finden zwischen städtischer Bebauung und naturnahen Zonen. Kunst im öffentlichen Raum trifft auf ein teils unfreiwilliges Publikum, erreicht aber damit auch die Aufmerksamkeit von Men- schen, die der Kunst eher gleichgültig oder sogar ablehnend begegnen. Die Tendenz in der zeitgenössischen Bildhauerei geht dahin, die Umgebung als wirkmächtige Größe miteinzubeziehen, ja sogar dahin, Spaziergänger und Passanten als wesentlichen aktiven Part des vorge- stellten künstlerischen Projektes vorauszusetzen. Statt Sockelplastiken und dekorativer Stadtmöblierung sind deshalb auch in dieser nun vorliegenden Dokumentation, die die Künstlerinnen und Künstler mit ihren realisierten Kunstwerken aus den Jahren 2015 bis 2019 auflistet, temporäre Aktionen zu finden, die eine Brücke bauen zwischen Kunst, Stadtgesellschaft und die Menschen direkt ansprechenden und betreffenden Themen. Die Kunst steigt vom Sockel, gibt ihren elitären Herrschaftsanspruch auf, begeg- net den Menschen auf Augenhöhe und fordert zur aktiven Beteiligung auf. Die Welt ist im Wandel und mit ihr die Kunst.
Die Akteure Franz Xaver Angerer Heiko Börner Stefan Forler Jahrgang 1951; Lehre zum Jahrgang 1973; Studium an der Jahrgang 1940; Lehre als Bau- Maschinenbauer, Sommerakademie Hochschule für Architektur und und Kunstschlosser, künstlerische Salzburg, seit 1988 freischaffender Bauwesen Weimar, Berufsfach- Weiterbildung bei Prof. Heinrich Bildhauer; lebt und arbeitet in schule für Holzbildhauerei Empferts- Kirchner; Lehrtätigkeit an der Inzell und Hammer / Siegsdorf. hausen, Meisterschule für Holzbild- Münchener Meisterschule für hauerei München, Studium Akade- Metallbauer; lebt und arbeitet Department für öffentliche mie der Bildenden Künste Wien; in Landau / Pfalz und München. Erscheinungen Lehrauftrag TU Dortmund; www.stefanforler.de (Gabriele Obermaier, Carola Vogt, lebt und arbeitet in München Peter Boerboom) und Tittmoning. Helmut Mühlbacher www.department-online.de www.heikoboerner.com Jahrgang 1968; Studium der Landschaftsarchitektur, Studium Peter Boerboom (geb. 1965) und Karl-Heinz Einberger an der Akademie der Bildenden Carola Vogt (geb. 1962) Jahrgang 1964; Studium des Künste München bei Prof. Fried- Studium Kommunikationsdesign Bauingenieurwesens, Studium der helm Klein und Klaus v. Bruch; an der FH München, Studium freie Bildhauerei an der Akademie der seit 2000 freiberufliche Tätigkeit Kunst an den Akademien in Mün- Bildenden Künste München bei als Konzeptkünstler; chen und Hamburg; seit 1994 Prof. James Reineking; lebt und arbeitet in Traunstein. arbeiten sie als Künstlerpaar zu- Lehrtätigkeit an der Hochschule www.muehlbacher-kunst.de sammen, 1995 gründeten sie ge- Weihenstephan-Triesdorf, Fakultät meinsam mit Gabriele Obermaier für Landschaftsarchitektur; lebt und Cosima Strähhuber und Silke Witzsch † die Künstler- arbeitet in Freising und München. Jahrgang 1972; Schreinerlehre, gruppe Department für öffentliche www.netzhalde.de Ausbildung zur Holzblasistrumen- Erscheinungen; leben und arbeiten tenbauerin, Studium der Bildhauerei in Münsing, Oberbayern. Maria Finsterwalder (geb. 1964) an der Akademie der Bildenden info@boerboom-vogt.de und Rudolf Finsterwalder Künste München bei Prof. Cristina (geb. 1966) Iglesias; lebt und arbeitet in Gabriele Obermaier Studium der Innenarchitektur an Traunstein. Jahrgang 1957; Studium der Bild- der FH Rosenheim, Studium der hauerei, Lehraufträge, Gründungs- Architektur an der TU Berlin; Silvia Wienefoet mitglied der Künstlergruppe seit 2000 Zusammenarbeit als Jahrgang 1975; Studium Kunst- Department für öffentliche Erschei- FINSTERWALDERARCHITEKTEN; und Germanistikstudium Universität nungen, Mitglied in Gremien der Rudolf Finsterwalder, Lehrtätigkeit Dortmund, Studium der Freien Bundesverbände bildender Künst- an der Akademie der BIldenden Kunst bei Prof. Timm Ulrichs lerinnen und Künstler München und Künste München; leben und an der Kunstakademie Münster; Oberbayern e. V.; lebt und arbeitet arbeiten in Stephanskirchen lebt und arbeitet in München. in München. bei Rosenheim. www.wienefoet.de www.gabriele-obermaier.de www.finsterwalderarchitekten.com
Maria und Rudolf Finsterwalder Pavillon — 2015 Mit einfachen Mitteln einen Pavillon zu punkten miteinander verbunden, wo- ein ganz besonderer, gerne aufgesuch- bauen, der Platz für rund 60 Personen durch die Konstruktion ihre Stabilität ter Treffpunkt oder geschützter Rück- bietet, war das Ziel des Architekten- erhält. Das sich so ergebende Skelett zugsort für Menschen. Passenderweise paares Maria und Rudolf Finsterwalder. wird mit einer dehnbaren Kunststofffo- war der Pavillon Veranstaltungsort für Entstanden ist der Bau ursprünglich als lie, wie sie zur Verpackung in der Indus- eine Gesprächsrunde zu „Kunst im begehbare Skulptur anlässlich einer trie verwendet wird, umwickelt. Diese öffentlichen Raum“, an der neben dem Abschlusspräsentation an der Villa Hülle ist Witterungsschutz und zugleich Architektenpaar Finsterwalder auch Massimo in Rom. Der Pavillon, kom- eine weitere Versteifung der Konstruk- die Philosophin und Anthropologin plett aus preiswerten Materialien ge- tion. Die vielen Schichten der Folie er- Elisabeth von Samsonow (Akademie baut, kann innerhalb weniger Stunden geben ein lebendiges Bild der Hülle, der Bildenden Künste Wien), der auf- und abgebaut werden. An einer die je nach Witterung, Licht und Blick- Künstler Karl-Heinz Einberger (Profes- Plattform aus Holzbalken werden winkel sehr verschieden wirkt. sor am Lehrstuhl für Gestaltungsgrund- Flacheisen befestigt. Jeweils zwei ge- Für den Wochinger Spitz und die Reihe lagen und künstl. Praxis / Hochschule genüberliegende Stangen werden „Kunst im Park“ kam der Pavillon aus Weihenstephan Troisdorf) und Ober- nach innen gebogen und mit Schellen Polyethylenfolie erneut zum Einsatz bürgermeister Christian Kegel teilge- verbunden. Durch die flexible Verbin- und war für mehrere Veranstaltungen, nommen haben. Im Gespräch mit dem dung kann die Form des Pavillons be- aber auch für spontan sich einfindende Publikum wurden Fragen und Positio- stimmt werden. Die überkreuzenden Gruppen und Einzelpersonen über nen zu Theorie und Praxis von Kunst im fünf Bögen werden an den Kreuzungs- einen Zeitraum von mehreren Wochen öffentlichen Raum ausgetauscht.
Karl-Heinz Einberger White Walls — 2015 Mit Hilfe und zusammen mit Schülern mit den zarten Faltungen im Kontext sich gewaltsam durch Gucklöcher Ein- der Reiffenstuel-Realschule in Traun- einer naturnahen Umgebung einen blick verschaffen. Der Eingriff in das stein hat der Künstler Karl-Heinz ganz besonderen ästhetische Reiz ent- gewohnte Bild des Parks ging bei Ein- Einberger sein den ganzen Park einbe- wickelte, konnten also imaginierte bergers Interventionen weit über das ziehendes Projekt “White Walls“ reali- Räume konkrete Wirklichkeit werden. Maß der Wirkung hinaus wie es Skulp- sieren können. Nach einer gründ- Bestehende Grenzen, z.B. zwischen turenpräsentationen hervorrufen. lichen Analyse der örtlichen Begeben- Wiese und Weg oder zwischen Baum- Ohne konkret zum Mitmachen aufge- heiten des Parks am Wochinger Spitz, gruppe und offener Fläche, wurden da- fordert zu sein, riefen die White Walls der sich mit seinen Baumgruppen, Wie- durch bewusst gemacht und teils bei einigen Menschen starke Reaktio- sen, Blumenrabatten und Sandwegen überwunden, neue Grenzen und Sicht- nen der Aneignung hervor: durch Inbe- an den Typus der naturnahen Parkan- achsen geschaffen, Gruppenformatio- sitznahme oder auch durch Zerstörung. lage anlehnt, plante Einberger seine nen gebildet — kurz das Erscheinungs- Karl-Heinz Einberger: „Raumkörper, die Folienwände. Die Versuchsanordnung bild des ganzen Parks veränderte sich sich aus um Bäume gespannte Folien- sah vor, dass als Fixpunkte und Befes- für eine kurze Dauer von zwei Wochen bahnen entwickeln, beginnen mit den tigungsorte ausschließlich die vorhan- grundlegend. Die Schaffung von z.T. Besuchern des Parks ein neues Spiel denen Bäume dienen sollten. Zusätz- hermetischen Raumkörpern im öffent- mit gerahmten Blicken, gefassten Räu- liche Haltevorrichtungen waren von lichen Raum provozierte Neugier und men und veränderlichen Ansichten.“ vornherein ausgeschlossen. Dies setzte ein starkes Bedürfnis nach Klärung des Der Park am Wochinger Spitz verwan- voraus, dass es dem Künstler gelingt, scheinbar Verborgenen. (Nächtliche) delte sich in ein „Hybrid aus Architektur die in der Struktur des Parks angelegten Besucher verlagerten ihre privaten und Landschaftsraum.“ Räume vor seinem inneren Auge ent- Gruppentreffen unter Zuhilfenahme www.netzhalde.de stehen zu lassen. Erst durch das Span- der Parkbänke ins „Innere“ der entstan- nen der Folien, deren opake Oberfläche denen Raumkörper, andere mussten
Angerer wählt seine Standorte sehr genau aus, denn seine er- klärte Absicht ist es, auch dem Die Skulpturen des Inzeller Bild- Ausstellungsort selbst durch die hauers Franz Xaver Angerer sind Platzierung von Kunst zu Auf- für eine Präsentation in einer merksamkeit und Präsenz zu ver- naturbelassenen Kulturlandschaft helfen. Ein Mittel dabei ist die besonders geeignet. Sein Schaf- Betonung der Senkrechten bei fen ist unlösbar in unserer Region den hoch zum Himmel aufstre- verankert und mit unserer Kultur benden „Feldzeichen“ und die verwurzelt. Nicht nur sucht und mittige Platzierung der beiden findet F.X. Angerer sein Material sich optisch miteinander ver- bei ausgedehnten Streifzügen schränkenden Baumstämme auf durch den heimischen Wald, son- einem von Blumenrabatten ein- dern auch seine künstlerische He- gerahmten, elliptischen Rasen- rangehensweise wächst in der stück. Es gelingt ihm dadurch direkten Auseinandersetzung mit beim Betrachter die Wahrneh- seiner natürlichen Umgebung. mung zu schärfen für die existen- Gleichzeitig stammen seine mar- tielle Intensität, die ein bewusstes kanten und dennoch respektvol- Erleben der Natur mit sich brin- len gestalterischen Eingriffe in gen kann und Angerers „Feldzei- das Material Holz aus einem chen“ wirken dadurch wie monu- Strukturen- und Formenvokabu- mentale Mahnmale gegen zerstö- lar, das u.a. auch auf altes Hand- rerische Eingriffe in die Natur werkszeug (z.B. zur Flachsver- durch den Menschen. arbeitung) zurückgeht. Mit der Motorsäge gestaltet er die für sein Schaffen so charakteristischen Quer- und Längsschnitte, die ab- schließende Karbonisierung durch Verbrennen dient der Konservie- rung und verfremdet die Oberflä- Franz Xaver Angerer chen mit einem relativ glatten, Feldzeichen — 2016 einheitlichen Schwarzton. Franz X.
Der in Landau in der Pfalz beheimatete Bildhauer Stefan Forler absolvierte eine Lehre als Kunstschmied und trat damit beruflich zunächst in die Fußstapfen seines Vaters. Von 1972 bis 2003 vermittelte er als Lehrer sein Wissen und seine handwerklichen Kenntnisse an der Meister- schule für Metallbauer in München. Dort kam er in Kon- takt zu der in den 1960er und 1970er Jahren aus- gesprochen lebendigen und umtriebigen Künstlerszene und entwickelte Ideen für bildhauerische Konzepte und deren Umsetzung in seinem bevorzugten Material Stahl. In diese Zeit fällt auch seine berufliche Weiterbildung bei Prof. Heinrich Kirchner, der an der Akademie in München und bei der Sommerakademie in Salzburg viele Schüler mit einer künstlerischen Herangehensweise vertraut machte und dessen Bronzeplastiken die Kultur des Chiemgaus in Stadt und Land prägen. Auch Stefan Forler verdankt diesem Künstler viel, wenn auch sein künstleri- scher Weg in eine andere Richtung gehen sollte. Die in der Ellipse am Wochinger Spitz platzierten „Schachhoch- stühle“ sind auf 1988 datiert und zeigen die Auseinan- dersetzung des Künstlers Stefan Forler mit wichtigen Neuerungen und Fragestellungen in der Kunst der Mo- derne. Drei davon seien genannt: 1. die Grenze zwischen Kunst und Alltag wird aufgehoben, 2. der Betrachter wird als aktiv Handelnder einbezogen, 3. die figürliche Sockel- plastik mit einer Hauptansicht wird abgelöst durch drei- dimensionale, abstrakte Formen, die mit ihrer natürlichen oder architektonischen Umgebung in ein spannungsrei- ches Wechselspiel treten. Mit den „Schachhochstühlen“ liefert Stefan Forler dazu eine exemplarische und ausge- sprochen spielerische Variante. Der Spaziergänger wird nicht nur aufgefordert, seine Stühle zu erklimmen und zu nutzen, sondern auch sich in abgehobener Höhe viel- leicht dem Spiel der Könige zu widmen. Die Position des Tisches kann auf einer Gleitschiene variiert werde, für die „Benutzer“ des Kunstwerks stehen sogar Kleiderhaken zum Ablegen von Mänteln bereit. Gleichzeitig kann diese Arbeit von Stefan Forler auch als eine abstrakte Skulptur gesehen werden, die mit eckigen, geometrischen Grund- formen arbeitet und bei variablen Betrachter-Standpunk- Stefan Forler ten verschiedene, wie von einem Rahmen gegliederte Schachhochstühle — 2016 Details auf die umliegende Parklandschaft freigibt.
Cosima Strähhuber ist der künst- lerische Ansatz, kein von vorn- herein, abgeschlossenes Kunst- werk zu präsentieren, sondern Im Rahmen der Offenen Jahres- eine Ausgangssituation zu schaf- ausstellung des Kunstvereins fen, die einen Prozess und Aus- Traunstein war im Stadtpark die tausch zwischen Kunst und Natur Installation „Win-Win-Sitatuation“ und Kunst und Publikum in Gang der Traunsteiner Bildhauerin setzt. Dies birgt ein hohes Maß an Cosima Strähhuber zu sehen. Unwägbarkeit. Denn es ist weder Zwischen zwei Bäumen waren zu planen, wie sich die Bepflan- verschiedene, mit floralen Moti- zung im Laufe der Zeit entwickelt ven durchwirkte Stoffbahnen ge- und welchen Einfluss die Witte- spannt, die an ein Zelt oder auch rung auf das letztlich fragile tex- an eine gerahmte Bühnensitua- tile Konstrukt ausübt, noch ist es tion denken ließen. An den Ver- vorhersehbar, ob die Menschen spannungen rankten sich Klet- das Angebot der Künstlerin zur terpflanzen (Hopfen,Schwarzäu- Teilnahme annehmen. Letztlich Cosima Strähhuber gige Susanne, Waldrebe), die aus steht – wie so oft im Œuvre der Win-Win-Situation — 2017 der städtischen Gärtnerei zur Ver- Künstlerin – auch hinter dieser Ar- fügung gestellt waren. Neben beit die Auffassung, dass nur im dem ästhetischen Reiz der licht- Grundsatz der Solidarität und durchfluteten, luftigen Installation des Zusammenwirkens aller der steht im Zentrum die Idee des Schlüssel für ein gelingendes Ge- positiven Zusammenwirkens ver- meinschaftsleben zu finden ist. schiedenster Kräfte: bereits bei Das Motto der Jahresausstellung der Entstehung arbeitete die 2017 des Kunstvereins war „Statt- Künstlerin mit der Stadtgärtnerei besetzung“ mit allen seinen for- zusammen und seine eigentliche dernden Implikationen. Cosima Vollendung erfährt das Kunstwerk Strähhuber entwickelte mit ihrer erst dann, wenn es von der städti- „Win-Win- Situation“ eine positive schen Bevölkerung als ein Ort der Utopie des Zusammenhalts und Begegnung, des Austausches und der gegenseitigen Unterstützung, der Kommunikation angenommen die letztlich allen zu Gute kommt. wird. Typisch für das Werk von
Helmut Mühlbacher „and you…?” — 2017 Bereits der Titel des als performative wie „Hauptsache Spaß“ oder „Geiz ist chen Austausch mit den wechselnden Skulptur bezeichneten partizipativen geil“ zu lesen und mit der Aufforderung MitläuferInnen. Erörterte man beim Projekts „and you …?“ des Traunsteiner „and you …?“ eine Antwort gefordert. gemeinsamen Gehen theoretisch, wem Konzeptkünstlers Helmut Mühlbacher Der Künstler selbst war nach seiner er- der öffentliche Raum „gehöre“, so sah spricht das Publikum direkt an. Der folgreichen Performance um substan- sich der Künstler konkret dieser Frage Künstler lud Passanten zu einem 12- tielle Erkenntnisse reicher. Zwei davon ausgesetzt, als er den Stadtpark zu stündigen Dauerrundgang im Stadtpark seien herausgegriffen, weil sie bezeich- nächtlicher Stunde nur noch mit einer ein und forderte dazu auf, mit ihm oder nend sind für die Wirkung und Erfah- wohnungslosen Frau teilte, die ihr untereinander in ein Gespräch zu Kunst rung, die mit einer Performance im Nachtquartier auf einer der Bänke ein- und Kultur in unserer Stadt zu treten. öffentlichen Raum einhergehen: Kör- richtete. Sich mutmaßlich als männlicher Seine zahllosen MitläuferInnen trugen perwahrnehmung und Konfrontation Aggressor und Störenfried (miss-)ver- allesamt dazu bei, dass sich die allmäh- mit und Partizipation an der Umgebung. standen zu sehen und dies – wollte er lich entstande Spur ihrer Schritte immer Brütende Hitze gefolgt von einem hefti- die Konsequenz seiner Performance mehr als signifikante Kreisform in die gen Unwetter und nicht zuletzt die nicht nicht gefährden – nicht richtigstellen zu Wiese einschrieb. Jedem dieser aktiven zu unterschätzende Anstrengung zwölf können, war für Mühlbacher eine unan- Kunstteilnehmer wurde dabei eine Stunden ununterbrochen zu gehen (26 genehme Erfahrung der Ohnmacht. kleine, signalgelbe Plastiktüte mitgege- Kilometer werden es am Ende um 24 Helmut Mühlbacher erhielt für seine ben, die neben einem als Logo konzi- Uhr gewesen sein) brachten den Künst- performative Skulptur die von Stadt, pierten Originaldruck des Künstlers ler an die Grenze seiner körperlichen Landkreis und Kunstverein verliehene eine konkrete Frage enthielt. Belastbarkeit, abgefedert freilich durch Auszeichnung „Roter-Reiter-Preis 2017“. Auf kleinen Zetteln waren die hinläng- die sich über viele Stunden ziehenden lich bekannten aggressive Werbesätze lebhaften Gespräche und den persönli-
Silvia Wienefoet „Coming of age“— 2017 Die in München lebende Künstlerin Sil- schen Prozesses steht das einfühlsame gebung am Wochinger Spitz. Jeweils via Wienefoet absolvierte zunächst an Gespräch zwischen der Künstlerin Silvia zwei Bänke sind einer Person, deren der Universität Dortmund ein Studium Wienefoet und einzelnen Menschen. Vorname und Alter genannt wird, zuge- der Kunst- und Literaturwissenschaften Die Zielgruppen sind u.a. Schülergrup- ordnet. Parkbänke laden dazu ein, inne- bevor sie an der Kunstakademie Müns- pen mit und ohne Migrationshinter- zuhalten und den Blick in die Ferne ter in Prof. Timm Ulrichsˇ Klasse für freie grund, Stadtteilbewohner, Senioren, schweifen zu lassen; angeregt von den Kunst studierte und sich hier mit den Menschen mit und ohne Behinderung. gelesenen Texten wandern die Gedan- Grundlagen der künstlerischen Arbeit, Thematisch umkreisen die Gespräche ken nun in die eigene Vergangenheit die sich mit gesellschaftlichen Frage- existentielle Wahrnehmungen der ge- zurück, — was konnten wir von unseren stellungen auseinandersetzt, vertraut lebten und empfundenen Wirklichkeit, Träumen und Lebenszielen umsetzen — machen konnte. Seither sind ihre Arbei- wie zum Beispiel Armut und Reichtum, und in die Zukunft, — welche Träume ten bevorzugt im öffentlichen Raum an- Träume und Wünsche, Kraft und Ener- warten noch darauf, umgesetzt zu wer- gesiedelt. Ihre künstlerische Vorgehens- gie, Hören und Riechen. Silvia Wiene- den? Silvia Wienefoet hat für Traunstein weise setzt sich aus zwei Grundelemen- foets Werkzeug und ihr Material ist die eine sehr zurückhaltende, zarte und ten zusammen: eine bestimmte Gruppe Sprache, ihre Methode die Begegnung auch poetische Arbeit geschaffen, die von Menschen wird zu einer bestimm- und Kommunikation, ihr Resonanzfeld mit den herabfallenden Blättern und ten Fragestellung interviewt und ein- der öffentliche Raum. In der Reihe den kürzer werdenden Tagen gerade zelne Zitate aus diesen Gesprächen als „Kunst im Park“ zeigte Silvia Wienefoet im Herbst seine Wirkung entfaltete und Texte verschriftlicht in den öffentlichen einen Teil ihrer Textinstallation „coming die verweilenden Menschen zu nach- Raum eingebracht. Die Künstlerin wählt of age“. Die Bewohner eines Münchner denklicher Betrachtung und Erinnerung für die Übermittlung ihrer Texte ganz Seniorenheims wurden dafür nach einludt. unterschiedliche Ausdrucksträger: Dia- ihren Lebensträumen von früher und show, Beamerprojektion, Plakate, Fo- heute befragt. Einzelne Zitate aus die- lienschrift, bedruckte Textilien und sen Gesprächen fanden sich dann auf andere mehr. Am Anfang des künstleri- sechs Parkbänken in herbstlicher Um-
Department für öffentliche Erscheinungen: „PUBLIC [DIS]APPEARANCE“ — 2018 Carola Vogt, Gabriele Obermeier und ein. Ihre ca. 200 Antworten waren auf ihrer Meinung nach wünschenswert Peter Boerboom bilden die Künstler- kleinen Schildertäfelchen zu lesen, die wäre. Streng genommen war nicht nach gruppe Department für öffentliche Er- locker in den Blumenrabatten verteilt Wünschen gefragt worden, ein Spiegel scheinungen. Die Münchener Künstler- Auskunft darüber gaben, was als Verlust gesellschaftlicher Wirklichkeit und Ge- gruppe beschäftigt sich schon seit vie- wahrgenommen und gewertet wird genwart sind Antworten wie „echte In- len Jahren mit Phänomenen der ge- oder über welches Verschwinden man dividualität und mehr Freidenker“, „ein sellschaftlichen urbanen Öffentlichkeit erleichtert ist. Gegenstände, Regeln, Grundeinkommen für Alle“, der „baye- und den verschiedenen Formen heuti- Verhaltensweisen, Geräusche und Me- rische Dialekt“ und „Natur“ gleich- ger Kommunikation. Zentraler Bestand- dien gehen dem öffentlichen Raum fort- wohl. Die Schildertäfelchen blieben im teil ihrer Aktionen ist dabei die Be- während verloren. Das ist ein normaler Park am Wochinger Spitz eine Zeitlang teiligung der Bevölkerung, deren Ver- Vorgang, den Veränderungen der Zeit aufgestellt und lieferten damit nicht nur lautbarungen, Reaktionen und Meinun- geschuldet, und weist auf gesamtgesell- ein momentanes Stimmungsbild, son- gen in eine gestalterisch-künstlerische schaftliche Entwicklungen hin, die ja dern regten alle nachfolgenden Passan- Form überführt werden. Für das Traun- meist unbemerkt und schleichend von- ten dazu an, sich weitergehende Ge- steiner Projekt, das im Rahmen der stattengehen. Jede entstehende Leer- danken zu gesellschaftsrelevanten The- Chiemgauer Kulturtage stattgefunden stelle lässt Rückschlüsse auf die Ver- men zu machen. Denn neben der Er- hat, lautete die Frage: „Was ist Ihrer gangenheit zu: Wozu war es da? Wer mittlung von Abstimmungsergebnissen Meinung nach aus dem öffentlichen hat es benutzt? Es zeigt aber auch die und Meinungsbildern versuchen die Raum verschwunden“? Spaziergänger, Veränderung in der Gegenwart: Warum Projekte der Künstlergruppe Kommuni- Passanten, Traunsteiner Bürgerinnen ist es heute nicht mehr nötig? Was ist an kationsprozesse auszulösen und Diskus- und Bürger fanden sich zur Beantwor- seine Stelle getreten? sionen zwischen den Menschen anzu- tung der Frage an einem sonnigen Wo- Manche der Befragten nutzten die Mög- stoßen. Dieses Ziel wurde ohne Zweifel chenende im Park am Wochinger Spitz lichkeit, sich darüber zu äußern, was erreicht.
Die Metallskulptur, ein 3,60 m hoher abstrakter Formenkörper, Mit der Eröffnung des Salinen- ist durch seine Gitterstruktur trotz parks im Juli 2019 gibt es in der beachtlichen Höhe und Sig- Zukunft auch an diesem neu ge- nalfarbe von großer Durchlässig- schaffenen, öffentlichen Ort der keit und Eleganz. Die durch- Stadt Traunstein temporäre Prä- brochenen geometrisch geglie- sentationen von Werken verschie- derten Flächen sind in sich leicht dener Künstler zu sehen. Den gedreht und gekippt. Erst dadurch Auftakt bildete der in München ergibt sich die plastische Dreidi- und Tittmoning lebende Bildhauer mensionalität, die den umschlos- Heiko Börner. Sein künstlerisches senen Luftraum als raumbildende Werk umfasst sowohl Holz- als Größe integriert. Jeder neue auch Metallskulpturen. Charakte- Standpunkt des Betrachters bietet ristisch für seine Arbeit ist ein neue Sichtachsen und Wirkungen abstrakter Ansatz, der Formen und und beim Umrunden der Skulptur Strukturen aus Natur, Technik und bekommt der Betrachter einen Architektur aufeinandertreffen Eindruck davon, wie sehr der Bild- lässt. Für den Salinenpark wählte hauer mit den elementaren Grö- der Bildhauer drei Arbeiten aus: ßen Spannung und Bewegung im geschützten Ambiente des mit arbeitet. Im Wechselspiel von Beeten und Wegen angelegten Natur, Technik und Architektur, Apothekergartens zwei schmale, von Vergangenheit und Gegen- Heiko Börner senkrecht aufragende Eichenholz- wart, die das Areal des Salinen- Stahl 10/06 — 2019 skulpturen und auf der freien parks insgesamt prägt, fügen Wiesenfläche davor eine große, sich die Skulpturen von Heiko dennoch luftig und filigran wir- Börner ansprechend ein und set- kende rote Metallskulptur. In der zen gleichzeitig einen eigenstän- Bearbeitung des Holzes fällt auf, digen, prägnanten künstlerischen dass Börner dem Material viel ab- Akzent. verlangt, indem er gerade die Ambivalenz zwischen natürlicher Holzmaserung und Wuchs und künstlerischem Zugriff zum Thema macht. Seine Holzskulpturen sind weder geschraubt noch geleimt, sondern aus einem Stück geschaf- fen. Die dem Material abgerun- gene Form ist durch Dualismen geprägt: glatt und aufgeraut, ver- tikal und horizontal, innen und außen, plan und gewölbt.
Impressum Diese kleine Publikation dokumentiert neun künstlerische Projekte im öffentlichen Raum Traunsteins, die von 2015 bis 2019 im Rahmen der Reihe „Kunst im Park“ stattgefunden haben. Herausgeber: Stadt Traunstein, Städtische Galerie in Kooperation mit dem Stadtbauamt/Sach- gebiet Stadtplanung © der Texte bei der Städtischen Galerie und den ausführenden Künstlerinnen und Künstlern © Foto “Pavillon”: Herbert Stahl © Foto “Win-Win”-Situation, Foto “and you..?” Fotos Heiko Börner: Amelie Niederbuchner © Alle anderen Fotos bei der Stadt Traunstein und den Künstlerinnen und Künstlern; Grafische Gestaltung: TAGWERK, Daniela Niederbuchner www.tagwerk-mediendesign.de © 2019, Städtische Galerie Traunstein, Tel 0861-16 43 19, E-Mail: galerie@traunstein.de
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