KUNST IM PARK 2015 2019 - Stadt Traunstein

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KUNST IM PARK 2015 2019 - Stadt Traunstein
KUNST
2015 — 2019

IM PARK
KUNST IM PARK 2015 2019 - Stadt Traunstein
KUNST IM PARK 2015 2019 - Stadt Traunstein
KUNST
2015 — 2019

IM PARK
Die Kunst steigt
vom Sockel

Seit zehn Jahren läuft in Traunstein die Reihe „Kunst im Park“. Bildhauerinnen und Bildhauer werden
dazu eingeladen, ein exemplarisches Werk aus ihrer künstlerischen Arbeit vorzustellen. Und zwar nicht
im Rahmen einer Ausstellung, sondern als Präsentation im öffentlichen Raum der Stadt Traunstein, –
überwiegend im Park am Wochinger Spitz, aber auch im zentralen Stadtpark und im 2019 neu geschaf-
fenen Salinenpark. Kunst im öffentlichen Raum unterscheidet sich grundlegend von Kunst in etablierten,
geschlossenen Ausstellungsräumen. Sie muss sich behaupten gegen Werbung und Straßenschilder
wie auch ihren Platz finden zwischen städtischer Bebauung und naturnahen Zonen. Kunst im öffentlichen
Raum trifft auf ein teils unfreiwilliges Publikum, erreicht aber damit auch die Aufmerksamkeit von Men-
schen, die der Kunst eher gleichgültig oder sogar ablehnend begegnen.

Die Tendenz in der zeitgenössischen Bildhauerei geht dahin, die Umgebung als wirkmächtige Größe
miteinzubeziehen, ja sogar dahin, Spaziergänger und Passanten als wesentlichen aktiven Part des vorge-
stellten künstlerischen Projektes vorauszusetzen. Statt Sockelplastiken und dekorativer Stadtmöblierung
sind deshalb auch in dieser nun vorliegenden Dokumentation, die die Künstlerinnen und Künstler mit
ihren realisierten Kunstwerken aus den Jahren 2015 bis 2019 auflistet, temporäre Aktionen zu finden,
die eine Brücke bauen zwischen Kunst, Stadtgesellschaft und die Menschen direkt ansprechenden und
betreffenden Themen. Die Kunst steigt vom Sockel, gibt ihren elitären Herrschaftsanspruch auf, begeg-
net den Menschen auf Augenhöhe und fordert zur aktiven Beteiligung auf. Die Welt ist im Wandel und
mit ihr die Kunst.
KUNST IM PARK 2015 2019 - Stadt Traunstein
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KUNST IM PARK 2015 2019 - Stadt Traunstein
Die Akteure
Franz Xaver Angerer                   Heiko Börner                           Stefan Forler
Jahrgang 1951; Lehre zum              Jahrgang 1973; Studium an der          Jahrgang 1940; Lehre als Bau-
Maschinenbauer, Sommerakademie        Hochschule für Architektur und         und Kunstschlosser, künstlerische
Salzburg, seit 1988 freischaffender   Bauwesen Weimar, Berufsfach-           Weiterbildung bei Prof. Heinrich
Bildhauer; lebt und arbeitet in       schule für Holzbildhauerei Empferts-   Kirchner; Lehrtätigkeit an der
Inzell und Hammer / Siegsdorf.        hausen, Meisterschule für Holzbild-    Münchener Meisterschule für
                                      hauerei München, Studium Akade-        Metallbauer; lebt und arbeitet
Department für öffentliche            mie der Bildenden Künste Wien;         in Landau / Pfalz und München.
Erscheinungen                         Lehrauftrag TU Dortmund;               www.stefanforler.de
(Gabriele Obermaier, Carola Vogt,     lebt und arbeitet in München
Peter Boerboom)                       und Tittmoning.                        Helmut Mühlbacher
www.department-online.de              www.heikoboerner.com                   Jahrgang 1968; Studium der
                                                                             Landschaftsarchitektur, Studium
Peter Boerboom (geb. 1965) und        Karl-Heinz Einberger                   an der Akademie der Bildenden
Carola Vogt (geb. 1962)               Jahrgang 1964; Studium des             Künste München bei Prof. Fried-
Studium Kommunikationsdesign          Bauingenieurwesens, Studium der        helm Klein und Klaus v. Bruch;
an der FH München, Studium freie      Bildhauerei an der Akademie der        seit 2000 freiberufliche Tätigkeit
Kunst an den Akademien in Mün-        Bildenden Künste München bei           als Konzeptkünstler;
chen und Hamburg; seit 1994           Prof. James Reineking;                 lebt und arbeitet in Traunstein.
arbeiten sie als Künstlerpaar zu-     Lehrtätigkeit an der Hochschule        www.muehlbacher-kunst.de
sammen, 1995 gründeten sie ge-        Weihenstephan-Triesdorf, Fakultät
meinsam mit Gabriele Obermaier        für Landschaftsarchitektur; lebt und   Cosima Strähhuber
und Silke Witzsch † die Künstler-     arbeitet in Freising und München.      Jahrgang 1972; Schreinerlehre,
gruppe Department für öffentliche     www.netzhalde.de                       Ausbildung zur Holzblasistrumen-
Erscheinungen; leben und arbeiten                                            tenbauerin, Studium der Bildhauerei
in Münsing, Oberbayern.               Maria Finsterwalder (geb. 1964)        an der Akademie der Bildenden
info@boerboom-vogt.de                 und Rudolf Finsterwalder               Künste München bei Prof. Cristina
                                      (geb. 1966)                            Iglesias; lebt und arbeitet in
Gabriele Obermaier                    Studium der Innenarchitektur an        Traunstein.
Jahrgang 1957; Studium der Bild-      der FH Rosenheim, Studium der
hauerei, Lehraufträge, Gründungs-     Architektur an der TU Berlin;          Silvia Wienefoet
mitglied der Künstlergruppe           seit 2000 Zusammenarbeit als           Jahrgang 1975; Studium Kunst-
Department für öffentliche Erschei-   FINSTERWALDERARCHITEKTEN;              und Germanistikstudium Universität
nungen, Mitglied in Gremien der       Rudolf Finsterwalder, Lehrtätigkeit    Dortmund, Studium der Freien
Bundesverbände bildender Künst-       an der Akademie der BIldenden          Kunst bei Prof. Timm Ulrichs
lerinnen und Künstler München und     Künste München; leben und              an der Kunstakademie Münster;
Oberbayern e. V.; lebt und arbeitet   arbeiten in Stephanskirchen            lebt und arbeitet in München.
in München.                           bei Rosenheim.                         www.wienefoet.de
www.gabriele-obermaier.de             www.finsterwalderarchitekten.com
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Maria und Rudolf Finsterwalder
Pavillon — 2015

Mit einfachen Mitteln einen Pavillon zu   punkten miteinander verbunden, wo-          ein ganz besonderer, gerne aufgesuch-
bauen, der Platz für rund 60 Personen     durch die Konstruktion ihre Stabilität      ter Treffpunkt oder geschützter Rück-
bietet, war das Ziel des Architekten-     erhält. Das sich so ergebende Skelett       zugsort für Menschen. Passenderweise
paares Maria und Rudolf Finsterwalder.    wird mit einer dehnbaren Kunststofffo-      war der Pavillon Veranstaltungsort für
Entstanden ist der Bau ursprünglich als   lie, wie sie zur Verpackung in der Indus-   eine Gesprächsrunde zu „Kunst im
begehbare Skulptur anlässlich einer       trie verwendet wird, umwickelt. Diese       öffentlichen Raum“, an der neben dem
Abschlusspräsentation an der Villa        Hülle ist Witterungsschutz und zugleich     Architektenpaar Finsterwalder auch
Massimo in Rom. Der Pavillon, kom-        eine weitere Versteifung der Konstruk-      die Philosophin und Anthropologin
plett aus preiswerten Materialien ge-     tion. Die vielen Schichten der Folie er-    Elisabeth von Samsonow (Akademie
baut, kann innerhalb weniger Stunden      geben ein lebendiges Bild der Hülle,        der Bildenden Künste Wien), der
auf- und abgebaut werden. An einer        die je nach Witterung, Licht und Blick-     Künstler Karl-Heinz Einberger (Profes-
Plattform aus Holzbalken werden           winkel sehr verschieden wirkt.              sor am Lehrstuhl für Gestaltungsgrund-
Flacheisen befestigt. Jeweils zwei ge-    Für den Wochinger Spitz und die Reihe       lagen und künstl. Praxis / Hochschule
genüberliegende     Stangen    werden     „Kunst im Park“ kam der Pavillon aus        Weihenstephan Troisdorf) und Ober-
nach innen gebogen und mit Schellen       Polyethylenfolie erneut zum Einsatz         bürgermeister Christian Kegel teilge-
verbunden. Durch die flexible Verbin-     und war für mehrere Veranstaltungen,        nommen haben. Im Gespräch mit dem
dung kann die Form des Pavillons be-      aber auch für spontan sich einfindende      Publikum wurden Fragen und Positio-
stimmt werden. Die überkreuzenden         Gruppen und Einzelpersonen über             nen zu Theorie und Praxis von Kunst im
fünf Bögen werden an den Kreuzungs-       einen Zeitraum von mehreren Wochen          öffentlichen Raum ausgetauscht.
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Karl-Heinz Einberger
                                                                                       White Walls — 2015

Mit Hilfe und zusammen mit Schülern        mit den zarten Faltungen im Kontext       sich gewaltsam durch Gucklöcher Ein-
der Reiffenstuel-Realschule in Traun-      einer naturnahen Umgebung einen           blick verschaffen. Der Eingriff in das
stein hat der Künstler Karl-Heinz          ganz besonderen ästhetische Reiz ent-     gewohnte Bild des Parks ging bei Ein-
Einberger sein den ganzen Park einbe-      wickelte, konnten also imaginierte        bergers Interventionen weit über das
ziehendes Projekt “White Walls“ reali-     Räume konkrete Wirklichkeit werden.       Maß der Wirkung hinaus wie es Skulp-
sieren können. Nach einer gründ-           Bestehende Grenzen, z.B. zwischen         turenpräsentationen hervorrufen.
lichen Analyse der örtlichen Begeben-      Wiese und Weg oder zwischen Baum-         Ohne konkret zum Mitmachen aufge-
heiten des Parks am Wochinger Spitz,       gruppe und offener Fläche, wurden da-     fordert zu sein, riefen die White Walls
der sich mit seinen Baumgruppen, Wie-      durch bewusst gemacht und teils           bei einigen Menschen starke Reaktio-
sen, Blumenrabatten und Sandwegen          überwunden, neue Grenzen und Sicht-       nen der Aneignung hervor: durch Inbe-
an den Typus der naturnahen Parkan-        achsen geschaffen, Gruppenformatio-       sitznahme oder auch durch Zerstörung.
lage anlehnt, plante Einberger seine       nen gebildet — kurz das Erscheinungs-     Karl-Heinz Einberger: „Raumkörper, die
Folienwände. Die Versuchsanordnung         bild des ganzen Parks veränderte sich     sich aus um Bäume gespannte Folien-
sah vor, dass als Fixpunkte und Befes-     für eine kurze Dauer von zwei Wochen      bahnen entwickeln, beginnen mit den
tigungsorte ausschließlich die vorhan-     grundlegend. Die Schaffung von z.T.       Besuchern des Parks ein neues Spiel
denen Bäume dienen sollten. Zusätz-        hermetischen Raumkörpern im öffent-       mit gerahmten Blicken, gefassten Räu-
liche Haltevorrichtungen waren von         lichen Raum provozierte Neugier und       men und veränderlichen Ansichten.“
vornherein ausgeschlossen. Dies setzte     ein starkes Bedürfnis nach Klärung des    Der Park am Wochinger Spitz verwan-
voraus, dass es dem Künstler gelingt,      scheinbar Verborgenen. (Nächtliche)       delte sich in ein „Hybrid aus Architektur
die in der Struktur des Parks angelegten   Besucher verlagerten ihre privaten        und Landschaftsraum.“
Räume vor seinem inneren Auge ent-         Gruppentreffen unter Zuhilfenahme         www.netzhalde.de
stehen zu lassen. Erst durch das Span-     der Parkbänke ins „Innere“ der entstan-
nen der Folien, deren opake Oberfläche     denen Raumkörper, andere mussten
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Angerer wählt seine Standorte
                                                            sehr genau aus, denn seine er-
                                                            klärte Absicht ist es, auch dem
                      Die Skulpturen des Inzeller Bild-     Ausstellungsort selbst durch die
                      hauers Franz Xaver Angerer sind       Platzierung von Kunst zu Auf-
                      für eine Präsentation in einer        merksamkeit und Präsenz zu ver-
                      naturbelassenen Kulturlandschaft      helfen. Ein Mittel dabei ist die
                      besonders geeignet. Sein Schaf-       Betonung der Senkrechten bei
                      fen ist unlösbar in unserer Region    den hoch zum Himmel aufstre-
                      verankert und mit unserer Kultur      benden „Feldzeichen“ und die
                      verwurzelt. Nicht nur sucht und       mittige Platzierung der beiden
                      findet F.X. Angerer sein Material     sich optisch miteinander ver-
                      bei ausgedehnten Streifzügen          schränkenden Baumstämme auf
                      durch den heimischen Wald, son-       einem von Blumenrabatten ein-
                      dern auch seine künstlerische He-     gerahmten, elliptischen Rasen-
                      rangehensweise wächst in der          stück. Es gelingt ihm dadurch
                      direkten Auseinandersetzung mit       beim Betrachter die Wahrneh-
                      seiner natürlichen Umgebung.          mung zu schärfen für die existen-
                      Gleichzeitig stammen seine mar-       tielle Intensität, die ein bewusstes
                      kanten und dennoch respektvol-        Erleben der Natur mit sich brin-
                      len gestalterischen Eingriffe in      gen kann und Angerers „Feldzei-
                      das Material Holz aus einem           chen“ wirken dadurch wie monu-
                      Strukturen- und Formenvokabu-         mentale Mahnmale gegen zerstö-
                      lar, das u.a. auch auf altes Hand-    rerische Eingriffe in die Natur
                      werkszeug (z.B. zur Flachsver-        durch den Menschen.
                      arbeitung) zurückgeht. Mit der
                      Motorsäge gestaltet er die für
                      sein Schaffen so charakteristischen
                      Quer- und Längsschnitte, die ab-
                      schließende Karbonisierung durch
                      Verbrennen dient der Konservie-
                      rung und verfremdet die Oberflä-
Franz Xaver Angerer
                      chen mit einem relativ glatten,
Feldzeichen — 2016    einheitlichen Schwarzton. Franz X.
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Der in Landau in der Pfalz beheimatete Bildhauer Stefan
                          Forler absolvierte eine Lehre als Kunstschmied und trat
                          damit beruflich zunächst in die Fußstapfen seines Vaters.
                          Von 1972 bis 2003 vermittelte er als Lehrer sein Wissen
                          und seine handwerklichen Kenntnisse an der Meister-
                          schule für Metallbauer in München. Dort kam er in Kon-
                          takt zu der in den 1960er und 1970er Jahren aus-
                          gesprochen lebendigen und umtriebigen Künstlerszene
                          und entwickelte Ideen für bildhauerische Konzepte und
                          deren Umsetzung in seinem bevorzugten Material Stahl.
                          In diese Zeit fällt auch seine berufliche Weiterbildung bei
                          Prof. Heinrich Kirchner, der an der Akademie in München
                          und bei der Sommerakademie in Salzburg viele Schüler
                          mit einer künstlerischen Herangehensweise vertraut
                          machte und dessen Bronzeplastiken die Kultur des
                          Chiemgaus in Stadt und Land prägen. Auch Stefan Forler
                          verdankt diesem Künstler viel, wenn auch sein künstleri-
                          scher Weg in eine andere Richtung gehen sollte. Die in
                          der Ellipse am Wochinger Spitz platzierten „Schachhoch-
                          stühle“ sind auf 1988 datiert und zeigen die Auseinan-
                          dersetzung des Künstlers Stefan Forler mit wichtigen
                          Neuerungen und Fragestellungen in der Kunst der Mo-
                          derne. Drei davon seien genannt: 1. die Grenze zwischen
                          Kunst und Alltag wird aufgehoben, 2. der Betrachter wird
                          als aktiv Handelnder einbezogen, 3. die figürliche Sockel-
                          plastik mit einer Hauptansicht wird abgelöst durch drei-
                          dimensionale, abstrakte Formen, die mit ihrer natürlichen
                          oder architektonischen Umgebung in ein spannungsrei-
                          ches Wechselspiel treten. Mit den „Schachhochstühlen“
                          liefert Stefan Forler dazu eine exemplarische und ausge-
                          sprochen spielerische Variante. Der Spaziergänger wird
                          nicht nur aufgefordert, seine Stühle zu erklimmen und zu
                          nutzen, sondern auch sich in abgehobener Höhe viel-
                          leicht dem Spiel der Könige zu widmen. Die Position des
                          Tisches kann auf einer Gleitschiene variiert werde, für die
                          „Benutzer“ des Kunstwerks stehen sogar Kleiderhaken
                          zum Ablegen von Mänteln bereit. Gleichzeitig kann diese
                          Arbeit von Stefan Forler auch als eine abstrakte Skulptur
                          gesehen werden, die mit eckigen, geometrischen Grund-
                          formen arbeitet und bei variablen Betrachter-Standpunk-
Stefan Forler
                          ten verschiedene, wie von einem Rahmen gegliederte
Schachhochstühle — 2016   Details auf die umliegende Parklandschaft freigibt.
Cosima Strähhuber ist der künst-
                                                                  lerische Ansatz, kein von vorn-
                                                                  herein, abgeschlossenes Kunst-
                                                                  werk zu präsentieren, sondern
                           Im Rahmen der Offenen Jahres-          eine Ausgangssituation zu schaf-
                           ausstellung des Kunstvereins           fen, die einen Prozess und Aus-
                           Traunstein war im Stadtpark die        tausch zwischen Kunst und Natur
                           Installation „Win-Win-Sitatuation“     und Kunst und Publikum in Gang
                           der   Traunsteiner    Bildhauerin      setzt. Dies birgt ein hohes Maß an
                           Cosima Strähhuber zu sehen.            Unwägbarkeit. Denn es ist weder
                           Zwischen zwei Bäumen waren             zu planen, wie sich die Bepflan-
                           verschiedene, mit floralen Moti-       zung im Laufe der Zeit entwickelt
                           ven durchwirkte Stoffbahnen ge-        und welchen Einfluss die Witte-
                           spannt, die an ein Zelt oder auch      rung auf das letztlich fragile tex-
                           an eine gerahmte Bühnensitua-          tile Konstrukt ausübt, noch ist es
                           tion denken ließen. An den Ver-        vorhersehbar, ob die Menschen
                           spannungen rankten sich Klet-          das Angebot der Künstlerin zur
                           terpflanzen (Hopfen,Schwarzäu-         Teilnahme annehmen. Letztlich
Cosima Strähhuber
                           gige Susanne, Waldrebe), die aus       steht – wie so oft im Œuvre der
Win-Win-Situation — 2017   der städtischen Gärtnerei zur Ver-     Künstlerin – auch hinter dieser Ar-
                           fügung gestellt waren. Neben           beit die Auffassung, dass nur im
                           dem ästhetischen Reiz der licht-       Grundsatz der Solidarität und
                           durchfluteten, luftigen Installation   des Zusammenwirkens aller der
                           steht im Zentrum die Idee des          Schlüssel für ein gelingendes Ge-
                           positiven Zusammenwirkens ver-         meinschaftsleben zu finden ist.
                           schiedenster Kräfte: bereits bei       Das Motto der Jahresausstellung
                           der Entstehung arbeitete die           2017 des Kunstvereins war „Statt-
                           Künstlerin mit der Stadtgärtnerei      besetzung“ mit allen seinen for-
                           zusammen und seine eigentliche         dernden Implikationen. Cosima
                           Vollendung erfährt das Kunstwerk       Strähhuber entwickelte mit ihrer
                           erst dann, wenn es von der städti-     „Win-Win- Situation“ eine positive
                           schen Bevölkerung als ein Ort der      Utopie des Zusammenhalts und
                           Begegnung, des Austausches und         der gegenseitigen Unterstützung,
                           der Kommunikation angenommen           die letztlich allen zu Gute kommt.
                           wird. Typisch für das Werk von
Helmut Mühlbacher
                                                                                           „and you…?” — 2017

Bereits der Titel des als performative     wie „Hauptsache Spaß“ oder „Geiz ist       chen Austausch mit den wechselnden
Skulptur bezeichneten partizipativen       geil“ zu lesen und mit der Aufforderung    MitläuferInnen. Erörterte man beim
Projekts „and you …?“ des Traunsteiner     „and you …?“ eine Antwort gefordert.       gemeinsamen Gehen theoretisch, wem
Konzeptkünstlers Helmut Mühlbacher         Der Künstler selbst war nach seiner er-    der öffentliche Raum „gehöre“, so sah
spricht das Publikum direkt an. Der        folgreichen Performance um substan-        sich der Künstler konkret dieser Frage
Künstler lud Passanten zu einem 12-        tielle Erkenntnisse reicher. Zwei davon    ausgesetzt, als er den Stadtpark zu
stündigen Dauerrundgang im Stadtpark       seien herausgegriffen, weil sie bezeich-   nächtlicher Stunde nur noch mit einer
ein und forderte dazu auf, mit ihm oder    nend sind für die Wirkung und Erfah-       wohnungslosen Frau teilte, die ihr
untereinander in ein Gespräch zu Kunst     rung, die mit einer Performance im         Nachtquartier auf einer der Bänke ein-
und Kultur in unserer Stadt zu treten.     öffentlichen Raum einhergehen: Kör-        richtete. Sich mutmaßlich als männlicher
Seine zahllosen MitläuferInnen trugen      perwahrnehmung und Konfrontation           Aggressor und Störenfried (miss-)ver-
allesamt dazu bei, dass sich die allmäh-   mit und Partizipation an der Umgebung.     standen zu sehen und dies – wollte er
lich entstande Spur ihrer Schritte immer   Brütende Hitze gefolgt von einem hefti-    die Konsequenz seiner Performance
mehr als signifikante Kreisform in die     gen Unwetter und nicht zuletzt die nicht   nicht gefährden – nicht richtigstellen zu
Wiese einschrieb. Jedem dieser aktiven     zu unterschätzende Anstrengung zwölf       können, war für Mühlbacher eine unan-
Kunstteilnehmer wurde dabei eine           Stunden ununterbrochen zu gehen (26        genehme Erfahrung der Ohnmacht.
kleine, signalgelbe Plastiktüte mitgege-   Kilometer werden es am Ende um 24          Helmut Mühlbacher erhielt für seine
ben, die neben einem als Logo konzi-       Uhr gewesen sein) brachten den Künst-      performative Skulptur die von Stadt,
pierten Originaldruck des Künstlers        ler an die Grenze seiner körperlichen      Landkreis und Kunstverein verliehene
eine konkrete Frage enthielt.              Belastbarkeit, abgefedert freilich durch   Auszeichnung „Roter-Reiter-Preis 2017“.
Auf kleinen Zetteln waren die hinläng-     die sich über viele Stunden ziehenden
lich bekannten aggressive Werbesätze       lebhaften Gespräche und den persönli-
Silvia Wienefoet
„Coming of age“— 2017

Die in München lebende Künstlerin Sil-        schen Prozesses steht das einfühlsame       gebung am Wochinger Spitz. Jeweils
via Wienefoet absolvierte zunächst an         Gespräch zwischen der Künstlerin Silvia     zwei Bänke sind einer Person, deren
der Universität Dortmund ein Studium          Wienefoet und einzelnen Menschen.           Vorname und Alter genannt wird, zuge-
der Kunst- und Literaturwissenschaften        Die Zielgruppen sind u.a. Schülergrup-      ordnet. Parkbänke laden dazu ein, inne-
bevor sie an der Kunstakademie Müns-          pen mit und ohne Migrationshinter-          zuhalten und den Blick in die Ferne
ter in Prof. Timm Ulrichsˇ Klasse für freie   grund, Stadtteilbewohner, Senioren,         schweifen zu lassen; angeregt von den
Kunst studierte und sich hier mit den         Menschen mit und ohne Behinderung.          gelesenen Texten wandern die Gedan-
Grundlagen der künstlerischen Arbeit,         Thematisch umkreisen die Gespräche          ken nun in die eigene Vergangenheit
die sich mit gesellschaftlichen Frage-        existentielle Wahrnehmungen der ge-         zurück, — was konnten wir von unseren
stellungen auseinandersetzt, vertraut         lebten und empfundenen Wirklichkeit,        Träumen und Lebenszielen umsetzen —
machen konnte. Seither sind ihre Arbei-       wie zum Beispiel Armut und Reichtum,        und in die Zukunft, — welche Träume
ten bevorzugt im öffentlichen Raum an-        Träume und Wünsche, Kraft und Ener-         warten noch darauf, umgesetzt zu wer-
gesiedelt. Ihre künstlerische Vorgehens-      gie, Hören und Riechen. Silvia Wiene-       den? Silvia Wienefoet hat für Traunstein
weise setzt sich aus zwei Grundelemen-        foets Werkzeug und ihr Material ist die     eine sehr zurückhaltende, zarte und
ten zusammen: eine bestimmte Gruppe           Sprache, ihre Methode die Begegnung         auch poetische Arbeit geschaffen, die
von Menschen wird zu einer bestimm-           und Kommunikation, ihr Resonanzfeld         mit den herabfallenden Blättern und
ten Fragestellung interviewt und ein-         der öffentliche Raum. In der Reihe          den kürzer werdenden Tagen gerade
zelne Zitate aus diesen Gesprächen als        „Kunst im Park“ zeigte Silvia Wienefoet     im Herbst seine Wirkung entfaltete und
Texte verschriftlicht in den öffentlichen     einen Teil ihrer Textinstallation „coming   die verweilenden Menschen zu nach-
Raum eingebracht. Die Künstlerin wählt        of age“. Die Bewohner eines Münchner        denklicher Betrachtung und Erinnerung
für die Übermittlung ihrer Texte ganz         Seniorenheims wurden dafür nach             einludt.
unterschiedliche Ausdrucksträger: Dia-        ihren Lebensträumen von früher und
show, Beamerprojektion, Plakate, Fo-          heute befragt. Einzelne Zitate aus die-
lienschrift, bedruckte Textilien und          sen Gesprächen fanden sich dann auf
andere mehr. Am Anfang des künstleri-         sechs Parkbänken in herbstlicher Um-
Department für öffentliche Erscheinungen:
                                                       „PUBLIC [DIS]APPEARANCE“ — 2018

Carola Vogt, Gabriele Obermeier und       ein. Ihre ca. 200 Antworten waren auf       ihrer Meinung nach wünschenswert
Peter Boerboom bilden die Künstler-       kleinen Schildertäfelchen zu lesen, die     wäre. Streng genommen war nicht nach
gruppe Department für öffentliche Er-     locker in den Blumenrabatten verteilt       Wünschen gefragt worden, ein Spiegel
scheinungen. Die Münchener Künstler-      Auskunft darüber gaben, was als Verlust     gesellschaftlicher Wirklichkeit und Ge-
gruppe beschäftigt sich schon seit vie-   wahrgenommen und gewertet wird              genwart sind Antworten wie „echte In-
len Jahren mit Phänomenen der ge-         oder über welches Verschwinden man          dividualität und mehr Freidenker“, „ein
sellschaftlichen urbanen Öffentlichkeit   erleichtert ist. Gegenstände, Regeln,       Grundeinkommen für Alle“, der „baye-
und den verschiedenen Formen heuti-       Verhaltensweisen, Geräusche und Me-         rische Dialekt“ und „Natur“ gleich-
ger Kommunikation. Zentraler Bestand-     dien gehen dem öffentlichen Raum fort-      wohl. Die Schildertäfelchen blieben im
teil ihrer Aktionen ist dabei die Be-     während verloren. Das ist ein normaler      Park am Wochinger Spitz eine Zeitlang
teiligung der Bevölkerung, deren Ver-     Vorgang, den Veränderungen der Zeit         aufgestellt und lieferten damit nicht nur
lautbarungen, Reaktionen und Meinun-      geschuldet, und weist auf gesamtgesell-     ein momentanes Stimmungsbild, son-
gen in eine gestalterisch-künstlerische   schaftliche Entwicklungen hin, die ja       dern regten alle nachfolgenden Passan-
Form überführt werden. Für das Traun-     meist unbemerkt und schleichend von-        ten dazu an, sich weitergehende Ge-
steiner Projekt, das im Rahmen der        stattengehen. Jede entstehende Leer-        danken zu gesellschaftsrelevanten The-
Chiemgauer Kulturtage stattgefunden       stelle lässt Rückschlüsse auf die Ver-      men zu machen. Denn neben der Er-
hat, lautete die Frage: „Was ist Ihrer    gangenheit zu: Wozu war es da? Wer          mittlung von Abstimmungsergebnissen
Meinung nach aus dem öffentlichen         hat es benutzt? Es zeigt aber auch die      und Meinungsbildern versuchen die
Raum verschwunden“? Spaziergänger,        Veränderung in der Gegenwart: Warum         Projekte der Künstlergruppe Kommuni-
Passanten, Traunsteiner Bürgerinnen       ist es heute nicht mehr nötig? Was ist an   kationsprozesse auszulösen und Diskus-
und Bürger fanden sich zur Beantwor-      seine Stelle getreten?                      sionen zwischen den Menschen anzu-
tung der Frage an einem sonnigen Wo-      Manche der Befragten nutzten die Mög-       stoßen. Dieses Ziel wurde ohne Zweifel
chenende im Park am Wochinger Spitz       lichkeit, sich darüber zu äußern, was       erreicht.
Die Metallskulptur, ein 3,60 m
                                                          hoher abstrakter Formenkörper,
                     Mit der Eröffnung des Salinen-       ist durch seine Gitterstruktur trotz
                     parks im Juli 2019 gibt es in        der beachtlichen Höhe und Sig-
                     Zukunft auch an diesem neu ge-       nalfarbe von großer Durchlässig-
                     schaffenen, öffentlichen Ort der     keit und Eleganz. Die durch-
                     Stadt Traunstein temporäre Prä-      brochenen geometrisch geglie-
                     sentationen von Werken verschie-     derten Flächen sind in sich leicht
                     dener Künstler zu sehen. Den         gedreht und gekippt. Erst dadurch
                     Auftakt bildete der in München       ergibt sich die plastische Dreidi-
                     und Tittmoning lebende Bildhauer     mensionalität, die den umschlos-
                     Heiko Börner. Sein künstlerisches    senen Luftraum als raumbildende
                     Werk umfasst sowohl Holz- als        Größe integriert. Jeder neue
                     auch Metallskulpturen. Charakte-     Standpunkt des Betrachters bietet
                     ristisch für seine Arbeit ist ein    neue Sichtachsen und Wirkungen
                     abstrakter Ansatz, der Formen und    und beim Umrunden der Skulptur
                     Strukturen aus Natur, Technik und    bekommt der Betrachter einen
                     Architektur aufeinandertreffen       Eindruck davon, wie sehr der Bild-
                     lässt. Für den Salinenpark wählte    hauer mit den elementaren Grö-
                     der Bildhauer drei Arbeiten aus:     ßen Spannung und Bewegung
                     im geschützten Ambiente des mit      arbeitet. Im Wechselspiel von
                     Beeten und Wegen angelegten          Natur, Technik und Architektur,
                     Apothekergartens zwei schmale,       von Vergangenheit und Gegen-
Heiko Börner         senkrecht aufragende Eichenholz-     wart, die das Areal des Salinen-
Stahl 10/06 — 2019   skulpturen und auf der freien        parks insgesamt prägt, fügen
                     Wiesenfläche davor eine große,       sich die Skulpturen von Heiko
                     dennoch luftig und filigran wir-     Börner ansprechend ein und set-
                     kende rote Metallskulptur. In der    zen gleichzeitig einen eigenstän-
                     Bearbeitung des Holzes fällt auf,    digen, prägnanten künstlerischen
                     dass Börner dem Material viel ab-    Akzent.
                     verlangt, indem er gerade die
                     Ambivalenz zwischen natürlicher
                     Holzmaserung und Wuchs und
                     künstlerischem Zugriff zum Thema
                     macht. Seine Holzskulpturen sind
                     weder geschraubt noch geleimt,
                     sondern aus einem Stück geschaf-
                     fen. Die dem Material abgerun-
                     gene Form ist durch Dualismen
                     geprägt: glatt und aufgeraut, ver-
                     tikal und horizontal, innen und
                     außen, plan und gewölbt.
Impressum
Diese kleine Publikation dokumentiert neun künstlerische Projekte im öffentlichen Raum
Traunsteins, die von 2015 bis 2019 im Rahmen der Reihe „Kunst im Park“ stattgefunden haben.
Herausgeber: Stadt Traunstein, Städtische Galerie in Kooperation mit dem Stadtbauamt/Sach-
gebiet Stadtplanung
© der Texte bei der Städtischen Galerie und den ausführenden Künstlerinnen und Künstlern
© Foto “Pavillon”: Herbert Stahl
© Foto “Win-Win”-Situation, Foto “and you..?” Fotos Heiko Börner: Amelie Niederbuchner
© Alle anderen Fotos bei der Stadt Traunstein und den Künstlerinnen und Künstlern;
Grafische Gestaltung: TAGWERK, Daniela Niederbuchner www.tagwerk-mediendesign.de
© 2019, Städtische Galerie Traunstein, Tel 0861-16 43 19, E-Mail: galerie@traunstein.de
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