Kunststadt stadtkunst - BBK-Kulturwerk
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Vorderseite oben: NEOZOON: Is the grass always green on the other side?, Berlin Friedrichshain-Kreuzberg, Kindernotdienst, Böcklerstraße, Juli 2014, Foto: Thorsten Goldberg Vorderseite unten: Tobias Rehberger: Ohne Titel, Berlin Lichtenberg, Nils-Holgersson-Schule, Otto-Marquardt- Straße, März 2015, Foto: Britta Schubert Rückseite oben: Blu: Übermalung des Wandbildes, Berlin Kreuzberg, Cuvrybrache, Dezember 2014, Foto: Christian Mang „in 2007 and 2008 i painted two walls at Cuvrystraße in Berlin (with the support of Lutz, Artitude and its volunteers) in 2014, after witnessing the changes happening in the surrounding area during the last years, we felt it was time to erase both walls.“ http://blublu.org Rückseite unten: AG „Hellersdorfer Illustrierte“, Wandzeitung, Neue Grottkauer Straße, Februar 2015, Foto: AG Kunst im Untergrund INHALT EDITORIAL Editorial | 2 TAUWETTER? KULTURPOLITIK Gestaltungswettbewerbe | Funktionalitätszwang statt künstlerische Freiheit | Elfriede Müller, Martin Schönfeld 3 V or einem Jahr, als die letzte Ausgabe von kunststadt/stadtkunst herauskam, schien eine Eiszeit ausgebrochen zu sein zwischen Künstler/innen und Lan- desverwaltung. bbk berlin, Künstlerbund und Architektenkammer hatten ihre Durchregieren oder Partnerschaft? Mitgliedschaft im Beratungsausschuss Kunst vorübergehend ausgesetzt. Seit- Was seitdem geschah ... | Elfriede Müller 5 dem ist viel passiert, ein neuer Staatssekretär hat seine Arbeit aufgenommen, Zum Einsatz prinzipiengeleiteter Auswahlgremien in der öffentlichen Kunstförde- eine Anhörung im Kulturausschuss zu Kunst im öffentlichen Raum hat auch die rung | Eckhard Braun 6 Politiker/innen des Landes Berlin für das Thema sensibilisiert. Wider die Daumen rauf und runter Mentalität | Christine Edmaier 9 Nachträglicher Kommentar mit Blick auf das Themenfeld Kunst im öffentlichen Die Beiträge der Veranstaltung vom . August Durchregieren oder Part- Raum | Rainer W. Ernst 9 nerschaft? vollziehen die Debatte nach und erläutern die Grundlagen einer er- Mitbestimmung ist notwendig! | Fachbeiräte als Grundstein des demokrati- folgreichen Zusammenarbeit von Künstler/innen und Verwaltungen. Auch schen Kunstauftrags | Martin Schönfeld 10 wenn das Eis noch nicht ganz gebrochen ist, so befinden wir uns doch in einer viel versprechenden Tauwetterphase. KUNST IM STADTRAUM Aber dennoch bleibt weiter viel zu tun. Unser Leitartikel befasst sich mit ei- Next Stop: station urbaner kulturen | Die Kunst im Untergrund recherchiert auf nem weniger attraktiven Thema, das für bildende Künstler/innen eine Zumu- der U-Bahnlinie 5: Was ist draußen? 13 tung darstellt: Die Gestaltungswettbewerbe. Es wird eine Bilanz der drei durch- geführten Wettbewerbe gezogen und eine strukturelle Analyse dieser Verfahren durchgeführt. Renata Stih fühlt dem Gestaltungswettbewerb Denkzeichen Rum- KUNST UND GEDENKEN melsberger Bucht aus künstlerischer Sicht auf den Zahn. Was hat das mit Kunst zu tun? | Bemerkungen zum nichtoffenen Gestaltungs- wettbewerb „GEDENKORT RUMMELSBURG“ | Renata Stih 15 Demgegenüber war im letzten Jahr die konsequente Anwendung der Anwei- Wettbewerb für ein Deserteurdenkmal | In Hamburg entsteht ein Gedenkort für sung Bau in den Bezirken Lichtenberg und Steglitz-Zehlendorf besonders er- Deserteure und andere Opfer der NS-Militärjustiz | Stefanie Endlich 17 freulich. Sie zeigten, dass mit Sachverstand und demokratischer Überzeugung, Die drei Gründerväter | Denkzeichen für Max Reinhardt, Hans Poelzig und Erik vorbildliche Kunstwettbewerbe in kurzer Zeit in Anbindung an die geltenden Charell am Friedrichstadt-Palast Berlin | Hildtrud Ebert 19 Regelwerke nicht nur transparent durchgeführt werden können, sondern auch „Aids Kunst Grab“ | Zweistufiger Kunstwettbewerb für die Neugestaltung des künstlerisch überraschende und hervorragende Ergebnisse hervorbringen. Al- Aids-Gemeinschaftsgrabes auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schö- lein diese Erfahrungen machen „graue Verfahren“ außerhalb der Regelwerke neberg | Katja Jedermann, Karen Scheper 20 schlicht überflüssig. Diesen pragmatischen Modellen stehen explodierende Ver- fahrenskosten in den Wettbewerben auf Landesebene gegenüber. Die Einstel- lung der Verfahrenskosten in die Baunebenkosten bleibt uns deshalb als wichti- INTERNATIONALES ge Forderung erhalten. Funding Public Art in the United States | Zachary Smith 22 TURIN | Identity between urban regeneration and new models of artistic produc- Die Bilanz des letzten Jahres ist trotz vieler Anstrengungen und Bemühun- tion in their social context | Nicoletta Daldanise, Irene Pittatore 23 gen, die nicht direkt mit unserer Aufgabe – der Umsetzung der Anweisung Bau Auf der Überholspur in Brasilien? | Multimediale Projekte als Artist in Resi- und der Begleitung von Kunstwettbewerben im Dienste der Künstler/innen – dence in Porto Alegre, Brasilien | Sandra Becker 24 zu tun haben, positiv. Die Zusammenarbeit zwischen den Künstlerverbänden und der Architektenkammer hat Horizonte und neue Perspektiven eröffnet und deutlich gemacht, wie nötig und fruchtbar starke Interessensvertretungen sind, WETTBEWERBE vor allem wenn sie gemeinsam handeln und vor Auseinandersetzungen nicht Von Sieg und Niederlage | Der Kunstwettbewerb für das Schul- und Leistungs- zurückschrecken. Dafür möchten wir allen Kolleg/innen ganz herzlich danken! sportzentrum (SLZB) in Berlin-Hohenschönhausen | Candy Lenk 26 Ein besonderer Dank gilt auch allen Künstler/innen, die sich in diesem Kontext Ein Bild von Sport | Der Kunstwettbewerb zum Neubau der Sporthalle Goethe- engagiert haben, denn es hat sich gelohnt, und der Protest hat sich ausgezahlt, Oberschule Berlin-Lichterfelde | Stefan Krüskemper 27 auch wenn noch nicht alle notwendigen Schritte, die zur Aufrechterhaltung der Wirkungskräfte im Raum | Der Kunstwettbewerb zum Erweiterungsbau der Max Wettbewerbskultur nötig sind, vollzogen wurden. von Laue-Schule Berlin-Lichterfelde | Monika Goetz 28 Spring | Sporthalle für die Heinrich-Roller-Grundschule | Susanne Ahner 30 Wo Bau und Baum sich kreuzen | Der Kunstwettbewerb zum Erweiterungsbau BÜRO FÜR KUNST IM ÖFFENTLICHEN RAUM des Arndt-Gymnasiums in Berlin-Dahlem | Martin Schönfeld 31 ELFRIEDE MÜLLER, MARTIN SCHÖNFELD, BRITTA SCHUBERT Eine Frage an die Zukunft | Der Kunstwettbewerb zum Grundschulneubau Habichtshorst in Berlin-Biesdorf | Karin Scheel 32 Kunst in der „Grünen Amöbe“ | Stéphane Bauer 34 Wortsplitter und Codes | Kunstwettbewerb für die Mildred-Harnack-Schule in Berlin-Lichtenberg | Volker Andresen 37 Schülernamenschulfassade | Kunst am Bau Wettbewerb an der Karlshorster Grundschule | Roland Fuhrmann 38 Planerische Ironie | Kunstwettbewerb für die Grundschule in der Dolgenseestra- ße 60 in Lichtenberg | Elfriede Müller 39 INFOS Temporäre Projekte in Marzahn | 41 Wanted | 42 Glossar | 42 kunststadt stadtkunst 62 | Impressum: Informationsdienst des Kulturwerks des berufsverbandes bildender künstler berlin GmbH | Herausgeber: Kulturwerk des berufsverbandes bildender künstler berlin GmbH Redaktion: Elfriede Müller, Martin Schönfeld, Britta Schubert | Redaktionsanschrift: Büro für Kunst im öffentlichen Raum | Köthener Straße 44 | 10963 Berlin | Email: kioer@bbk-kulturwerk.de www.bbk-kulturwerk.de | Tel: 030-23 08 99 30 | Fax: 030-23 08 99-19 | Layout: Max Grambihler | Druck: hinkelsteindruck | Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos übernimmt die Redaktion keine Haftung. | Für namentlich gekennzeichnete Beiträge haftet der Autor. | Wenn nicht anders verzeichnet, stammen die Fotos von den angegebenen Künstler/innen. 2
GESTALTUNGSWETTBEWERBE Funktionalitätszwang statt künstlerische Freiheit Helga Lieser, Gedenkort Rummelsburg, Berlin Lichtenberg 2015, Foto: Britta Schubert Ursula Wilms, Nikolaus Koliusis und Heinz W. Hallmann: Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde, Berlin Mitte, Tiergartenstraße 4, November 2014, Fotos: Britta Schubert D ie Bilanz der Ära Wowereit sieht für die Kunst im öf- fentlichen Raum nicht viel anders aus als für den Flughafenneubau BER/BBI. Nicht nur, dass unter dem Auf- am Ort der Planungszentrale Tiergartenstraße Berlin“ ge- schafft, im Tätigkeitsfeld künstlerischer Professionen Anwen- dung zu finden. Doch werden Gestaltungswettbewerbe der der Federführung von Künstler/innen und Gestalter/innen (der Beruf Diplom-Gestalter/in ist gesetzlich geschützt, aber ohne Interessensvertretung) in Zusammenarbeit mit Land- sichtsratsvorsitzenden Wowereit und unter der Beteiligung Fachlichkeit dieser Professionen nicht gerecht und reduzieren schaftsarchitekt/innen. Das vorgeschaltete Auswahlgremium der Fachverwaltungen der Länder Berlin und Brandenburg die Kunst auf die Schaffung instrumenteller Informations- ist in seiner Zusammensetzung bis heute öffentlich nicht na- die Wettbewerbsrichtlinien außer Kraft gesetzt wurden, und Gedenkorte, die auf die Bedürfnisse von Verwaltungen mentlich bekannt. Wie in anderen, vom Land Berlin zusam- die Berliner Wettbewerbskultur erlebte in dieser Zeit auch zugeschnitten werden, aber mit zeitgenössischen Formen der mengesetzten vorgeschalteten Auswahlgremien gehen wir manch andere Schlappe auf Kosten der Künstler/innen und Kunst im öffentlichen Raum nur selten etwas zu tun haben davon aus, dass es sich hauptsächlich aus Verwaltungsmitar- der Kunst. Die Freischaltung der Innenstadt zur internatio- und deren Potenzial nicht ansatzweise ausschöpfen. beiter/innen zusammengesetzt hat und Künstler/innen darin nalen Partymeile ging einher mit dem Ausverkauf der Kieze nicht vertreten waren, obgleich dieses Gremium die Aufga- und des Immobilienbestands von Land und Bund, was selbst- Die Richtlinien für Planungswettbewerbe (RPW ) se- be eines Preisgerichts übernommen hatte: nämlich unter verständlich auch Auswirkungen auf die Kunst hat. Obwohl hen in ihren Grundsätzen § vor: „Diese Richtlinie kann auch eingereichten Bewerbungen Teams auszuwählen. So wies die zeitgenössische Kunst Berlin Ruhm und Ehre bringt, für Wettbewerbe im Bereich Kunst und Design Anwendung dieser erste Gestaltungswettbewerb bereits im Vorfeld demo- wird weder in künstlerische Produktionsbedingungen noch finden.“ Der Gestaltungswettbewerb kommt darin nicht vor kratische Defizite auf: Künstler/innen von Entscheidungen, in Künstler/innen investiert. Der radikale Abbau der öffent- und ist auch anderweitig als Wettbewerbsverfahren nicht de- die zu künstlerischen Gestaltungen führen, auszuschließen! lichen Dienste und der Senatsverwaltungen führte parallel finiert. Damit stellt die Durchführung von Gestaltungs- an- Über ein anderes Defizit dieses Wettbewerbes, die geringe auch zu einem Abbau demokratischer Beteiligung von Künst- stelle von Kunstwettbewerben einen Verstoß gegen die RPW Aufwandsentschädigung ( Euro für eine Arbeitsgruppe ler/innen an künstlerischen Entscheidungen. So absurd es dar. von drei Personen) haben die Berliner Presse und kunststadt/ klingen mag, verstärkte der Stellenabbau in den Verwaltun- stadtkunst bereits ausführlich berichtet. gen nicht die demokratische Beteiligung der Künstler/innen, Warum aber ersetzt diese Wettbewerbsform vor allem bei was wiederum auch zu einer Entlastung der immer weniger Gedenkzeichen im Land Berlin nach und nach die bewähr- Laut RPW müssen die Fachpreisrichter/innen dieselbe werdenden Mitarbeiter/innen führen könnte, sondern führ- ten Kunstwettbewerbe? Welche Interessen werden damit Qualifikation besitzen wie die eingeladenen Teilnehmer/in- te zum Gegenteil. Langsam und schleichend wurde in den verfolgt und welche Auswirkungen hat diese – im Bereich der nen. Unter den sechs Fachpreisrichter/innen des T Verfah- letzten Jahren die Beteiligung von Künstler/innen und deren Kunst relativ neue Wettbewerbsform – für die Künstler/in- rens fand sich eine Künstler/in, zwei versierte Kunstsachver- Interessensvertretung an Auswahlgremien eingeschränkt nen und die Kunst? ständige, drei Architekt/innen, eine erhielt den Vorsitz, ein kunststadt stadtkunst 62 | KULTURPOLITIK und die Verwaltung selbst – mit der Begründung der Kosten- anderer war der ständig anwesende Stellvertreter. Die Jury ersparnis – übernahm die Funktion von Fachpreisrichter/in- Der im folgenden T genannte erste Gestaltungswettbe- hatte die schwere Aufgabe, für eine überfrachtete Aufgaben- nen, statt die Bedingungen unabhängiger Preisgerichte und werb wurde vom Bund und Land Berlin ausgelobt. Er kann stellung unter Entwürfen auszuwählen. Auch die in Berlin transparenter Verfahren zu gewährleisten. Die Einführung als Paradigma für andere Gestaltungswettbewerbe dienen, höchste Realisierungssumme von . Euro war dafür von Gestaltungswettbewerben für künstlerische Aufgaben, deren Mängel fast identisch sind. Zunächst wurde weder das zu knapp kalkuliert. Die Produktions- und Unterhaltskosten vor allem auf dem Gebiet der Gedenkkultur, ist ein weiteres Verfahren, noch die Aufgabenstellung oder die Zusammen- waren zum Zeitpunkt der Jurysitzung weder kalkuliert noch Beispiel der Einschränkung künstlerischer Freiheit, der In- setzung der Jury im dafür zuständigen Beratungsausschuss gesichert. Mittlerweile wurde der Siegerentwurf von Ursula dienstnahme der Kunst für Verwaltungszwecke und der Gän- Kunst (BAK) empfohlen und beraten, sondern von einem ei- Wilms, Nikolaus Koliusis und Heinz W. Hallmann realisiert. gelung von Künstler/innen. gens dazu einberufenen Runden Tisch, der seit tagte und Die hellblaue Glaswand vor der Philharmonie hat in der zu dessen Sitzungen Künstler/innen nicht eingeladen waren. Kunstwelt weder Aufsehen erregt, noch wurde sie als neuer Das Land Berlin führt seit aus den Mitteln für Kunst Obgleich ein Kunstwerk verlangt wurde, entschied sich der Beitrag zur internationalen Gedenkkultur wertgeschätzt. am Bau und Künstlerische Gestaltungen im Stadtraum Auslober, einen Gestaltungswettbewerb mit vorgeschaltetem (Haushaltstitel ) sogenannte „Gestaltungswettbewer- internationalen Bewerberverfahren durchzuführen, auch Der zweite vom Land Berlin ausgelobte Gestaltungswett- be“ durch. Dieser Begriff aus dem Hobby- und Freizeitbereich wenn die am Runden Tisch minoritär vertretenen Kunstsach- bewerb betraf das „Gedenken an die Baruch-Auerbach’schen- hat es mit dem Wettbewerb „Gedenk- und Informationsort verständigen für einen Kunstwettbewerb argumentiert hat- Waisen-Erziehungsanstalten für jüdische Knaben und Mäd- für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde ten. Aufgefordert wurden nur Arbeitsgemeinschaften unter chen“. Das Preisgericht tagte im Januar . Bereits 3
Helga Lieser, Gedenkort Rummelsburg, Berlin Lichtenberg 2015, Foto: Britta Schubert Christoph Bauder und Marc Bauder, Lichtgrenze, temporäre Installation zum Susanne Ahner, Erinnerungsort Baruch Auerbach‘sches Waisenhaus, 2014, Berlin-Prenzlauer Berg, Schönhauser Allee 162, 9. November 2014. Foto: Martin Schönfeld Fotos: Martin Schönfeld fand ein bezirklicher Kunstwettbewerb statt, der ein von mehr Künstler/innen als Fachpreisrichter/innen zu berufen, derum über das straffe Korsett der vom Auslober gesetzten Karla Sachse mit Schüler/innen der Kurt-Schwitters-Schule was mit Patricia Pisani und Renata Stih auch geschah, und Vorgaben nicht hinwegsetzen und werden der eigentlichen entwickeltes Kunstwerk zur Realisierung empfohlen hatte: trug einiges zur inhaltlichen Präzisierung der Auslobung künstlerischen Möglichkeiten einer solchen Aufgabenstel- Spielzeuge aus gebranntem Ton, die auf der kleinen Mauer bei. Gleichwohl waren von fünf Fachpreisrichter/innen nur lung beraubt. Damit verliert aber die Kunst ihr Diskurs- und vor dem Haus platziert wurden. Das Kunstwerk wurde zer- drei bildende Künstler/innen. Renata Stih schreibt in dieser Wirkungspotenzial. Hier wird sie zu einem erinnerungsdi- stört, die Spielzeuge zerschlagen. Das Kunstwerk wurde neu Ausgabe über den nichtoffenen Gestaltungswettbewerb „Ge- daktischen Instrument und auf ein bloßes Trägersystem re- erstellt, aber nicht mehr im Außenraum installiert. Da in der denkort Rummelsburg“ aus künstlerischer Sicht. Das vorge- duziert. So erweist sich der Gestaltungswettbewerb als eine Zwischenzeit die Namen aller aus dem Waisenhaus Depor- schaltete Auswahlgremium war mit einer stimmberechtigten Variante der Instrumentalisierung von Kunst. Im Ergebnis tierten bekannt wurden, lobte die Senatskanzlei einen wei- Künstlerin besetzt, ansonsten mit Verwaltungsmitarbeiter/ gehen aus den Gestaltungswettbewerben Werke hervor, die teren Wettbewerb aus. Wie beim T-Gestaltungswettbewerb, innen und einem Vertreter der BVV, der aufgrund seiner sich von den Auftraggebern nicht lösen und keine eigenstän- so gab es auch bei diesem Verfahren ein vorgeschaltetes geschichtswissenschaftlichen Qualifikation hinzugezogen dige künstlerische Position entwickeln können. Auswahlgremium ohne künstlerische Beteiligung, das aus wurde. Besonders im Widerspruch zur RPW steht, dass der Dies war bei früheren Beispielen öffentlicher Erinnerungs- Bewerbungen zwölf Künstler/innen oder Gestalter/innen Wettbewerbssteuerer selbst am vorgeschalteten Auswahlgre- kunst im Berliner Stadtraum anders. Sie gaben Anstöße zum auswählte. Neben einem Bewerbungsformular, einer Vita und mium stimmberechtigt beteiligt war. Dieses Gremium wähl- Nachdenken über das historische Ereignis und über das Ver- einer Projektliste waren Angaben zu bis zu drei Referenzpro- te aus Einreichungen zehn Teilnehmer/innen aus. Ebenso hältnis der Gegenwart zur Vergangenheit. Dafür gibt es vie- jekten aus den letzten fünf Jahren gefordert. intransparent wie bei T , wurden die stimmberechtigten le wichtige Beispiele in Berlin: Micha Ullmans „versunkene Dabei sind drei realisierte Referenzprojekte innerhalb Mitglieder des Auswahlgremiums in der Auslobung nicht Bibliothek“ auf dem Bebelplatz, Dani Karavans Gedenkort von fünf Jahren auch für erfolgreiche Künstler/innen sehr genannt. Die Problematik dieses nicht fachgerecht zusam- für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma ungewöhnlich. Eine solche Vorgabe grenzt deshalb bereits im mengesetzten Auswahlgremiums zeigte sich deutlich in der im Tiergarten, Peter Eisenmans Denkmal für die ermordeten Vorfeld sehr viele Teilnehmer/innen aus und soll vielleicht Auswahl der Teilnehmer/innen: Sechs davon waren bereits Juden Europas, das Denkmal für die im NS verfolgten Ho- eher dazu dienen, eine zu große Beteiligung zu unterbinden. gerade zuvor zum Gestaltungswettbewerb „Gedenken an die mosexuellen von Elmgreen und Dragset, Karl Biedermanns Sie stellt das Prinzip des offenen Kunstwettbewerbs auf den Baruch-Auerbach’schen-Waisen-Erziehungsanstalten für jü- Denkmal „Der verlassene Raum“ für die deportierten Juden Kopf, der professionellen Künstler/innen eine Chance gibt, dische Knaben und Mädchen“ eingeladen worden und galten Berlins, aber auch das Denkzeichen „Fragen“ von Karla Sachse egal wie viele Realisierungen die Betreffenden aufweisen kön- deshalb den nicht künstlerisch geschulten Auswählenden als an der ehemaligen NKWD-Haftstätte Prenzlauer Allee. Eines nen. Deshalb ist auch hier die Begriffswahl eines „offenen Be- kompetent. Das hatte es in Berlin noch nicht gegeben! Zwei solchen mehrdimensionalen Wirkungspotenzials werden die werberverfahrens“ irreführend. im selben Jahr stattfindende Wettbewerbe, die noch vorge- „Erinnerungsgestaltungen“ im Unterschied zur genannten ben, ein „offenes“ Bewerberverfahren vorzuschalten, laden „Erinnerungskunst“ strukturell und funktionell beraubt. Das zweite und eigentliche Preisgericht setzte sich aus zweimal hintereinander sechs Teilnehmer/innen ein! Als ob Kunstwettbewerbe für Erinnerungskunst haben früher vier Fach- und drei Sachpreisrichter/innen zusammen. Un- es in Berlin keine breitere Auswahl an Künstler/innen gäbe, wichtige Debatten über das Verhältnis von Kunst und Öf- ter den zwölf schließlich ausgewählten Bewerbungen waren die fähig wären, die enge Aufgabenstellung künstlerisch um- fentlichkeit, von Erinnerung und Kunst ausgelöst. Eine solche neun Bildende Künstler/innen, ein Architektenteam und eine zusetzen! Es geht nicht darum, den Teilnehmer/innen ihre Kultur des öffentlichen Diskurses wird aber von Gestaltungs- Designerin. Den zweiten Gestaltungswettbewerb gewann die Qualifikation abzusprechen, aber es sollte allen Beteiligten wettbewerben untergraben. Wo nur noch vermittelt wird, ver- auf dem Feld der Gedenkkunst erfahrene Künstlerin Susanne an der Auslobung von Wettbewerben ein Anliegen sein, ein stummt das Gespräch. Ahner. möglichst umfassendes Spektrum an Teilnehmer/innen zu gewinnen, um den öffentlichen Raum in Berlin künstlerisch Die Aufgabenstellungen der drei bisher stattgefundenen Auf den dritten Gestaltungswettbewerb „Gedenkort Rum- zu gestalten. Dafür unterhält z. B. das Büro für Kunst im öf- Gestaltungswettbewerbe machen nicht plausibel, warum melsburg“ waren Künstler/innen und ihre Interessensver- fentlichen Raum eine Datei mit aktuell Künstler/innen, Gestaltungs- statt Kunstwettbewerbe durchgeführt wurden. bände aufgrund der beiden Erfahrungen besser vorbereitet. die im und für den öffentlichen Raum arbeiten. Auch dieses Künstler/innen haben in Berlin und anderswo längst bewie- Ausgelobt wurde er vom Bezirk Lichtenberg, vertreten durch traurige Ergebnis ist ein Grund mehr, die Künstler/innenaus- sen, wie eindrucksvoll und prägnant sie mit dem Gedenken kunststadt stadtkunst 62 | KULTURPOLITIK den damaligen Bürgermeister. Gesteuert vom ehemaligen wahl von Fachpreisrichter/innen vornehmen zu lassen, deren gerade an die nationalsozialistische Gewaltherrschaft umge- Gedenkstättenreferenten Rainer E. Klemke, der mittlerweile Fachkompetenz besser dafür geeignet ist, die künstlerische hen können. Die Aufgabenstellungen der drei Wettbewerbe den Senat und die Bezirke in Gedenkfragen privatwirtschaft- Position in ein Verhältnis zur Aufgabenstellung zu bringen. lassen sich durchaus miteinander vergleichen, auch wenn die lich betreut und koordiniert von Ralf Sroka, einem Architek- Realisierungsbeträge sich sehr voneinander unterscheiden. ten, der häufig für das Land Berlin in diesem Feld tätig ist. Im Verfahren „Gedenkort Rummelsburg“ waren von den Alle Aufgabenstellungen fordern viel Aufmerksamkeit für Zunächst ausgeschlossen – wie bei T der dafür zuständi- zehn Teilnehmenden, fünf bildende Künstler/innen. Gewon- die Vermittlung. Bei T lautete die Aufgabenstellung aus- ge BAK – war der bezirkliche Fachbeirat für Kunst am Bau nen hat die Designerin Helga Lieser, deren Arbeit bereits re- zugsweise: „durch die künstlerische Gestaltung des Ortes und im Stadtraum, der alle Kunstwettbewerbe des Bezirkes alisiert ist. vielfältige Ansätze zur gedanklichen und emotionalen Ausei- betreut. Aufgrund der späten Information dieses Beirats wa- nandersetzung mit der Gesamtthematik zu schaffen, die auch ren die Weichen für einen Gestaltungswettbewerb bereits Im Ergebnis entstanden sachliche und kognitiv mitteilsa- für nachfolgende Generationen erfahrbar bleiben soll.“ Auch gestellt, gleichwohl forderte der Fachbeirat die Beteiligung me Gedenkorte. Sie fügen sich den vorgegebenen Raumstruk- beim „Gedenkort Rummelsburg“ und dem Auerbach’schen einer stimmberechtigten Künstlerin im vorgeschalteten turen ein und erfüllen die vom Auslober formulierte Aufga- Waisenhaus spielen Opferbiografien eine große Rolle. Beim Auswahlgremium und die Anwesenheit der Verfahrenssach- bengestellung sehr diszipliniert. Teilweise entwickeln sie eine „Gedenkort Rummelsburg“ wurde eine „künstlerisch-gestal- verständigen des Büros für Kunst im öffentlichen Raum, Bildform, welche die vorgegebene Themenstruktur symboli- terische Gesamtkonzeption“ gefordert, „die die grundlegen- die in den beiden anderen vorgeschalteten Auswahlgremien siert. Dabei erübrigen sie sich in Zeichenhaftigkeit und in den Informationen zur Geschichte des Ortes mit den einzel- ausgeschlossen wurden. Weiterhin forderte der Fachbeirat, ihrer demonstrativen Materialität. Doch können sie sich wie- nen Gebäuden im öffentlichen Raum vermittelt und diese 4
zugleich untereinander wie auch mit dem den. Wenn schon, dann muss es wenigs- Gedenkort deutlich und nachvollziehbar tens ein Spektakel sein, das sich wieder- vernetzt.“ In keinem der drei Wettbewerbe ging es nur um Information und Vermitt- lung, sondern alle verlangten künstlerische um im Städtemarketing einsetzen lässt und für die Stadt, ihre Kulinarwirtschaft und die Hotellerie noch etwas abwirft. Ein „DURCHREGIEREN ODER PARTNERSCHAFT“ Gestaltungen, ohne andererseits den Mut jüngstes Beispiel gab dafür die stadtweite aufzubringen, die freie Kunst nicht gestalte- Inszenierung einer „Lichtgrenze“ zum . risch einzurahmen und damit die Grenzen November ab. Die Installation von ihrer Freiheit bedenklich eng zu ziehen. . Leuchtballons entlang der frühe- ren innerstädtischen Ost-West-Grenze Podiumsdiskussion zum Verhältnis von Der „Gestaltungswettbewerb“ als eine kanalisierte die öffentliche Erinnerung Künstler/innen, Politik und Verwaltung neue Sonderform eines instrumentellen an den Mauerfall in ein partizipa- Wettbewerbs ist dabei auch nur das Kind tives Massenspektakel mit angeschlos- in der nGbK am 27. August 2014 seiner Zeitumstände: sener Fressmeile, in dessen Mittelpunkt einfache Stehlampenträger standen, die bbk berlin, Deutscher Künstlerbund, Erstens fehlen der Öffentlichkeit und der bloß schon wegen ihrer Guinness-Buch Politik im Berliner Landeshaushalt und rekordverdächtigen Anzahl Aufmerk- Architektenkammer Berlin in den Bezirken die finanziellen Mittel samkeit erlangten. Nebenbei muss zur zur Finanzierung öffentlicher Erinne- „Lichtgrenze“, die sogleich zum Wort rungsvorhaben. Gesonderte Haushalts- des Jahres erklärt wurde, noch ver- ansätze für Gedenktafeln und Gedenk- merkt werden, dass sie ein Direktauftrag zeichen gibt es nur in wenigen Berliner der Kulturprojekte Berlin GmbH war und Bezirken, wo sich diese Mittel in der eine gute Million Euro an Lottomitteln marginalen Größenordnung von . verschlang. Ob diesem Auftrag eine öf- bis . Euro jährlich bewegen. Im fentliche Ausschreibung zugrunde lag, ist Berliner Landeshaushalt fehlt ein sol- nicht bekannt. Die Obergrenze für Kunst cher Ansatz komplett. Deshalb gelangt am Bau bei einer Baumaßnahme liegt der Haushaltstitel „Künstlerische demgegenüber bei . Euro. Auch Gestaltungen im Stadtraum“ mit seinem bei diesem Beispiel wurde die öffentliche jährlichen Ansatz von . Euro in Erinnerung auf Design, Stadtmöblierung das Visier der Erinnerungsinitiativen und Spektakel heruntergebrochen. der Politiker/innen als eine der wenigen Finanzierungsmöglichkeiten. Die „Ge- Die genannten Beispiele und mit ihnen staltung“ dient dann nur noch als ein Zu- die angesprochenen „Gestaltungswettbewer- geständnis an die eigentliche Widmung be“ zeugen von einer institutionellen Angst des Etats und folglich führt die Verwal- vor der Kunst, die bei den Verantwortlichen tung „Gestaltungswettbewerbe“ durch, der Stadt, bei den Politiker/innen und in der um die schleichende Zweckentfremdung Bürokratie, aber auch in Teilen einer brei- der Mittel rechtfertigen zu können. Statt teren Öffentlichkeit besteht. Dies ist nicht einen eigenständigen Etatansatz für öf- erst ein neues Phänomen, sondern beglei- fentliche Erinnerungskultur im Berliner tet die Künstler/innen in Berlin schon seit Diskussionsveranstaltung in der nGbK am 27. August 2014 mit den Teilnehmern (Podium, von links) Georg Winter, Landeshaushalt zu etablieren, was in den Langem, dabei denke man nur daran, dass Renata Stih, Rainer W. Ernst, Eckard Braun, Christine Edmaier. Foto: Martin Schönfeld grundlegenden Möglichkeiten der Politik einst eine Stadtentwicklungssenatorin die läge, werden die vorhandenen Mittel mit verschiedensten Anliegen überfrachtet. Realisierung eines Kunstprojektes auf der Potsdamer Straße in Berlin-Schöneberg un- Was seitdem den Spitzen der drei Verbände und Kultur- staatssekretär Tim Renner statt. Am . tersagte, indem sie die bereitstehenden Mit- September tagte der Kulturausschuss Zweitens erfolgte in den zurückliegenden Jahren eine zunehmende Verengung der tel einfach strich. So entpuppt sich Berlins Aushängeschild als Kunstmetropole für die geschah ... im Berliner Abgeordnetenhaus zu Kunst im öffentlichen Raum. allgemeinen Vorstellung von Kunst im öf- Kunst im öffentlichen Raum als ein noch fentlichen Raum auf eine Art von Stadt- möblierung. Jenseits eines allgemeinen Funktionalitätszwangs darf sonst im öf- ausstehendes Versprechen. Offenheit und Mut für die Kunst müssen hier erst noch ent- wickelt werden. Das setzt eine Bereitschaft D ie Veranstaltung vom 27. August 2014 brachte einen Konflikt zwischen Künst- ler/innenverbänden & Architektenkammer Die folgenden Forderungen wurden von den drei Berufsverbänden gegenüber den Senatsverwaltungen formuliert. In eini- fentlichen Raum sich nichts platzieren, für öffentliche Diskurse über Kunst, also für und der Berliner Verwaltung an die Öffent- gen Fällen wurde darauf eingegangen, ande- was nicht irgendwie benutzbar ist und eine künstlerische Streitkultur voraus, die lichkeit und hatte den Anspruch, die An- re sollen in Zukunft berücksichtigt werden. damit die allgemeine Aufenthaltsquali- es gerade für das öffentliche Gedenken im hörung zu Kunst im öffentlichen Raum im Wir dokumentieren hier den Sachstand vom tät eines Ortes steigert. Vorreiter dieser Stadtraum vor zehn, zwanzig Jahren schon Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses Februar . Tendenz waren die Sanierungsprogram- einmal gab – man denke dabei nur an den von Berlin am 22. September 2014 vorzu- me zur Verschönerung der als „schwierig“ Wettbewerb zum Denkmal für die ermorde- bereiten. Der zwei Jahre lang schwelende Forderungen der Künstlerverbände von der Politik eingeschätzten Quartiere, ten Juden Europas, dessen Entwurfsausstel- Konflikt betraf im allgemeinen die Missach- und der Architektenkammer vor der in deren Planungen sich immer wieder lung und die begleitenden Diskussionen oder tung künstlerischer Interessen bei Kunst- Anhörung im Abgeordnetenhaus vom Kunstpositionen fanden. Darunter ver- auch an „Orte des Erinnerns“ im Bayerischen wettbewerben, speziell die, immer wieder . September : standen die Planer/innen aber stets nur Viertel von Stih/Schnock. Hier gab die Kunst zu Interessenskonflikten führende fehlende behübschte Sitzmöbel oder Spielgeräte. den Anstoß zur Formierung einer demokra- Prüfung von Auslobungen. Hinzu kamen die Lokale Künstler/innen durften dabei tischen Öffentlichkeit. Vergleichbare Impul- Missachtung von Wettbewerbsrichtlinien in 8 Punkte Programm für Transparenz Kinder und Jugendliche bei öffentlichen se haben die zurückliegenden „Gestaltungs- einigen Verfahren, die Durchführung von und Gleichberechtigung in Kunst- Malaktionen anleiten oder zusammen wettbewerbe“ leider nicht gegeben. Gestaltungs- statt Kunstwettbewerben bei mit den Kids modellieren und à la Gaudi Denkzeichen, sehr hohe und überwiegend wettbewerben bunte Keramikbruchfliesen an Betonkör- Die bisherige Bilanz der drei stattgefun- intransparente Verfahrenskosten bei Kunst- . Trennung von Beratung und Verwal- pern applizieren. Solitäre Werke, die aber denen Gestaltungswettbewerbe ist negativ. wettbewerben, vorgeschaltete Auswahl- tung eine ganz besondere Funktionalität auf- Die Verfahren weisen starke Defizite auf gremien ohne Künstler/innen-Beteiligung Im Beratungsausschuss Kunst (BAK) weisen – nämlich die Qualität einer geis- und haben die Aufgabenstellungen so ein- sowie die Mittelverausgabung aus dem Titel wirkt die Verwaltung derzeitig stimm- tigen und optischen Irritation und Her- geschränkt, dass weder künstlerische noch „Künstlerische Gestaltungen im Stadtraum“ berechtigt mit. Damit berät sich die Ver- ausforderung – finden in einem solchen gestalterische Fähigkeiten der Beteiligten ohne Hinzuziehung des Beratungsausschus- waltung durch den BAK selbst. Erst die kunststadt stadtkunst 62 | KULTURPOLITIK Verständnis von Kunst im öffentlichen wirklich voll und ganz zum Tragen kommen ses Kunst (BAK). Empfehlungen eines unabhängigen Gre- Raum keinen Aktionsraum. Wie Kunst konnten. Wir plädieren auch in gedenkpo- miums, in dem die Verwaltung nur bera- diesen Zwang zur Stadtmöblierung un- litischen Fragen dafür, Kunstwettbewerbe Da diese Konfliktpunkte im dafür vor- tend mitwirkt, würden dem Wesen einer terwandern kann, verdeutlichte kürzlich durchzuführen, Forderungen nach Informa- gesehenen Beratungsausschuss Kunst nicht Beratung entsprechen und an fachlicher Tobias Rehberger mit seinen farbkräfti- tion und Vermittlung in die Aufgabenstel- auf Augenhöhe diskutiert und entschärft und künstlerischer Kompetenz gewinnen. gen Interventionen an den Stromvertei- lungen zu integrieren und von vorneherein werden konnten, entschieden sich die Ver- Stand Februar : Der Vertreter der Se- lungskästen der Stadt Münster. Leider in allen künstlerischen Entscheidungsfragen treter/innen der drei Verbände (Architek- natskanzlei/Kulturelle Angelegenheiten trägt nun auch die öffentliche Erinne- gemäß den Richtlinien für Planungswettbe- tenkammer, bbk berlin e. V. und Deutscher hat seine Stimme aufgegeben zuguns- rung im Stadtraum der Tendenz zur Möb- werbe Künstler/innen als Fachpreisrichter/ Künstlerbund) ihre Mitgliedschaft in dem ten einer Vertreter/in der Freien Szene. lierung zunehmend Rechnung. innen mehrheitlich zu beteiligen. Darüber Gremium – in dem die Künstler/innen in Der Vertreter der Senatsverwaltung für hinaus sind alle an künstlerischen Auswah- einer Minderheit waren – vorübergehend Stadtentwicklung und Umwelt behält sein Drittens schlägt schließlich der Zwang zum lentscheidungen Beteiligten öffentlich be- auszusetzen und zu versuchen, den Kon- Stimmrecht bei. Event im öffentlichen Raum durch. Ohne kannt zu machen. flikt auf politischer Ebene zu lösen und an . Unabhängige Prüfung der Auslobun- Attraktion und Aufmerksamkeit darf im die Öffentlichkeit zu gehen. Dieses Vorge- gen öffentlichen Raum nichts mehr stattfin- E M, M S hen hat einiges ins Rollen gebracht. Es fand Eine unabhängige und sachgerechte ein viel versprechendes Gespräch zwischen Prüfung von Auslobungen (wie sie bei 5
Zum Einsatz prinzipiengeleiteter Auswahlgremien in der öffentlichen Kunstförderung I. Einleitung schen und Teil seiner gesellschaftlichen Ent- wicklung. Meine Damen und Herren, Gleichzeitig verlangt die Kunstfreiheits- ich war in meiner beruflichen Laufbahn garantie aber auch eine Freiheit, die kon- mehrere Jahre lang Geschäftsführer ver- kreten Bezug auf ihren Gegenstand nimmt. schiedener gemeinnütziger Kulturträger- Und das bedeutet: „Neutralität des Staates“ vereine und Kulturförderinstitutionen in gegenüber der Kunst. Neutralität, nicht in Hessen, Rheinland-Pfalz und Brandenburg einem abwehrenden, indifferenten oder ig- und Jahre lang Justitiar und Referent noranten Sinn, sondern als aktive, positive des Kulturbürgermeisters der Stadt Leip- Neutralität, die im besten Fall der Kunst zig. In allen Tätigkeiten habe ich mich ge- wohlwollend und eben fördernd gegenüber- Die Fachkommission tagt. Foto: Martin Schönfeld fragt: „Nach welchen Regeln und aufgrund steht, ohne sie inhaltlich zu lenken, zu be- welcher Ermächtigung arbeiten wir eigent- stimmen oder für staatsideologische Zwecke Architekturwettbewerben durch die Ar- fenen vorgeschalteten Bewerbungspha- lich? – Wer oder was bestimmt, „wie“ Kunst zu missbrauchen. chitektenkammer stattfindet) ist nicht sen) findet die Künstler/innen-Auswahl und Kultur von staatlicher oder zivilgesell- Neutralität ist ein abstrakter Begriff, gewährleistet. Diese würde voraussetzen, intransparent und vom Auslober statt, schaftlicher Seite her gefördert und gestal- er sagt aus sich heraus nicht, was und wie dass sich ein Auslober nicht selbst prüfen der Wettbewerbsorganisation und der tet werden?“ Ich habe mich gefragt, ob es staatliche Kunstförderung zu gestalten ist. kann. Verwaltung mehrheitlich bestimmt. Die Regeln der Kunstförderung gibt. Schriftli- Der Begriff verlangt nach Ausfüllung – be- Stand Februar : Staatssekretär Tim Zusammensetzung dieser Auswahlgre- che Regeln waren mir nicht bekannt, außer zogen auf seinen Gegenstand. Sie wissen, es Renner erklärte sich bereit, über eine mien wird in den Auslobungen nicht na- denen, die ich z. B. selbst für die Satzung des gibt völkerrechtliche Neutralität, die Neut- Prüfung der Auslobungen für Kunstwett- mentlich benannt. Da es sich dabei um von mir mit gegründeten Vereins entworfen ralität des Richters, Neutralität im Bereich bewerbe nachzudenken. Konkrete Schrit- eine Vorjury handelt, sollten auch diese hatte. Doch habe ich bemerkt, dass die Mit- der Religionsfreiheit – die der Kunstfreiheit te in diese Richtung wurden noch nicht Auswahlgremien gemäß RPW mehr- arbeiter/innen in der Szene der Kulturarbeit sehr nahe steht, Neutralität im Bereich der unternommen. heitlich aus Fachpreisrichter/innen zu- fast alle einen inneren Kompass hatten und Wissenschaftsfreiheit, der Medienfreiheit . Stärkung der künstlerischen Kompe- sammengesetzt sein. haben. Es gab und gibt eine Übereinstim- usw. Für die Kunst bedeutet Neutralität vor tenz des Beratungsausschuss Kunst Stand Februar : In diesem Punkt hat mung über das, was richtig und was falsch allem: Achtung ihrer Autonomie und ihrer Da der BAK grundlegende Fragen der Bil- sich bisher noch nichts geändert. ist in der öffentlichen Kunst- und Kulturför- Pluralität. Beides zeichnet Kunst in allen ih- denden Kunst berät, muss die Zahl der . Finanzierung der Wettbewerbs-Ver- derung. Auch wurde mir nach einiger Zeit ren Erscheinungsformen aus, beides: Auto- qualifizierten Künstler/innen merklich fahrenskosten aus den Baunebenkos- klar, dass zwischen der politischen, also nomie und Pluralität sind ein Kernelement erhöht werden (bis hatten sie nur ten der „kultur“-politischen Gestaltungsbefug- jeder künstlerischen Szenerie. Ihre Ach- ein Fünftel der Stimmen!). Die Richtli- Die Kunst-Mittel werden durch die Ver- nis und den ordnungsrechtlichen Fragen tung ist mithin eine Funktion von aktiver nien für Planungswettbewerbe sehen in fahrenskosten des Wettbewerbs zuneh- zu differenzieren ist. Ordnungsrechtliche Neutralität. Daneben gibt es Prinzipien der Preisgerichten üblicherweise eine Stim- mend reduziert (vgl. Wettbewerb HU- Fragen sind solche, die die Abläufe, – nicht Kunstförderung, welche die Interessen der menmehrheit der Fachpreisrichter vor. Lebenswissenschaften: . Euro das „Was“, sondern das „Wie“ des Handelns Kunst und des sie fördernden Staates in ei- Stand Februar : Von stimmberech- Verfahrenskosten von einem Gesamt- bestimmen. Heute geht es um solche Fragen: nen Ausgleich bringen: das ist einmal die Be- tigten Mitgliedern sind im Augenblick budget von . Euro, was einem An- um die ordnungs-rechtliche Gestaltung und stimmung des Gemeinwohls und damit des vier bildende Künstler/innen. Voraus- teil von Prozent entspricht). Deshalb damit um öffentlichen Interesses an der Kunst- und sichtlich wird die Akademie der Künste sollten wie in Architekturwettbewerben Kulturförderung. Der Staat fördert nämlich noch einen weiteren bildenden Künstler die Wettbewerbsverfahren für Kunst am nur das, was im gemeinen Interesse liegt, benennen. Bau aus einer Untergruppe der Bauneben- II. Prinzipien öffentlicher Kunst- und was entsprechend der Verfassung dem Wohl . Konsequente Anwendung der Wett- kosten aufgewendet werden. Transparenz Kulturförderung des Ganzen dient. Er fördert nicht die Kunst bewerbsrichtlinien (RPW) in allen über die Zusammensetzung der Verfah- um der Kunst willen, sondern um des Men- künstlerischen Wettbewerbsverfah- renskosten ist herzustellen. Sie wissen woher der Kulturauftrag des schen und seiner Entfaltungsmöglichkeiten ren Stand Februar : Darüber wurde noch Staates rührt, dass darüber im Grundgesetz willen. Das kann auch zu Einschränkungen Die im Land Berlin übernommenen Wett- nicht beraten. nichts vermerkt ist, dass es (noch) keine staatlicher Förderaktivität führen. bewerbsrichtlinien (RPW) wurden in . Keine Verausgabung von Mitteln aus Kulturstaats- bzw. Kulturförderungsklausel Dieser Gedanke führt zum anderen zum den letzten Jahren bei Kunstwettbewer- dem Titel „Künstlerische Gestaltun- gibt, dass demgegenüber aber die Verfassun- nächsten Prinzip, dem der Subsidiarität ben zunehmend aus vorgeblichen Kosten- gen im Stadtraum“ (Haushaltstitel gen der deutschen Bundesländer ausformu- staatlichen Agierens. Subsidiarität als Funk- gründen umgangen. Wenn für Kunstpro- ) ohne Votum des BAK und ohne lierte Kulturförderaufträge enthalten und tion von Neutralität bestimmt die Grenzen jekte bis zu einer Grenze von . Euro Wettbewerbsverfahren dass die Gestaltung der Kultur zum Selbst- staatlicher Aktivitäten. Ein Staat, der alles die Wettbewerbsrichtlinien nicht mehr Obgleich die Anweisung Bau vorsieht, verwaltungsrecht der Kommunen gehört. in die Hand nimmt, alles regelt und fördert, angewendet werden, findet die Mehrzahl dass alle künstlerischen Gestaltungen – Aber es gibt in Deutschland kein Kultur- kann letztlich nicht mehr neutral sein. Er der Wettbewerbe in Berlin außerhalb der im Stadtraum im BAK zu beraten sind, fördergesetz, das umfassend beschreibt, wie muss sich dort zurückhalten, wo Dinge aus verbindlichen Regeln statt! ist dies in der Realität nicht der Fall. Die Kultur- und Kunstförderung konkret um- eigener bürgerlicher, zivilgesellschaftlicher, Stand Februar : Die Senatskanzlei Verwendung der Mittel des Haushaltsti- zusetzen ist. Eine Ausnahme ist das sächsi- wirtschaftlicher oder eben künstlerischer Kulturelle Angelegenheiten hat verbal tels wird in vielen Fällen am BAK sche Kulturraumgesetz, das einige Hinweise Kraft möglich sind. Nicht alles, was er kann, bekundet, sich in Ausnahmefällen (falls vorbei intransparent gehalten. Darüber auf die Arbeit von Kulturbeiräten gibt, und darf er auch machen, auch wenn er (der von der RPW abgewichen wird) vom Bera- hinaus werden sie oft für erinnerungs- demnächst vielleicht ein neues Kulturför- Staat), kraft seiner Kompetenz und Macht, tungsausschuss Kunst beraten zu lassen politische Zwecke genutzt (so genannte dergesetz in Nordrhein-Westfalen. Um das es vielleicht sogar besser könnte. Subsidia- und dessen Empfehlungen zu folgen. Gestaltungswettbewerbe) und der eigent- Instrumentarium öffentlicher Kunstför- rität verlangt nach Formen der Mitsprache, . Einhaltung von Mindeststandards lichen Intention künstlerischer Anliegen derung zu bestimmen, bleibt im Kern nur Beteiligung, Partizipation und Kooperation. Für Wettbewerbsverfahren mit außer- entzogen. Auch deshalb sollte ein eigener die Aussage von Art. Absatz Grundge- ordentlich geringem Budget müssen Haushaltstitel für Anliegen des öffentli- setz, die bestimmt, dass die Kunst frei ist. Schließlich müssen diese Prinzipien in Mindeststandards gewährleistet sein: chen Gedenkens eingerichtet und der bis- Daraus lässt sich allerdings vieles ableiten, reale Formen des Handelns umgesetzt wer- eine Mehrzahl von Fachpreisrichter/in- herige Titel deutlich erhöht werden. das – zwar von prinzipiellem Charakter ist den. Aktive, positive Neutralität kann nur kunststadt stadtkunst 62 | KULTURPOLITIK nen, Unabhängigkeit der Preisrichter/ Stand Februar : Wie damit umgegan- – bei näherem Hinsehen aber doch einige realisiert werden, wenn in der Kulturverwal- innen von der Wettbewerbsorganisation, gen werden wird, wird sich beim nächsten Verbindlichkeit und Umsetzungsfähigkeit tung und in der Kulturpolitik die beschrie- Durchführung eines Einführungskol- gedenkpolitischen Wettbewerb zeigen. in sich birgt. Hier finden wir jene Prinzipi- benen Funktionen von Neutralität in kon- loquiums, Verfahrensbegleitung durch en, die zwingend erforderlich sind, um die kretes Handeln fließen. Der moderne und Sachverständige und neutrale Vertreter Gegenüber diesen grundsätzlichen An- grundgesetzliche Kunstfreiheitsgarantie zu manchmal schon strapazierte Begriff der der Künstlerverbände (in Berlin die Sach- liegen sehen wir weiter einen Handlungsbe- realisieren. „Good Governance“ wird erst damit mit Le- verständigen des Büros für Kunst im öf- darf hinsichtlich der konsequenten Anwen- Zunächst: neben die Pflicht des Staates, ben erfüllt. Bestimmte, konkrete Standards fentlichen Raum). dung der Anweisung Bau für Kunst am Bau die Kunst und ihre Freiheit zu schützten, sind einzuhalten. Sie drücken sich in der Stand Februar : Diese Mindeststan- bei den Baumaßnahmen einiger Berliner Be- tritt nach heutigem Verfassungsverständ- Organisation und in den Verfahren der Ver- dards wurden von der Senatskanzlei zirke. In einigen Bezirken wie beispielsweise nis auch die Pflicht, diese Freiheit aktiv zu waltung aus. Die sogenannten „politics“ der Kulturelle Angelegenheiten noch nicht Spandau und Reinickendorf wird die Durch- befördern. Eine Pflicht, die unmittelbar auf Kunstförderung verlangen im demokratisch bestätigt. führung von Kunst am Bau noch komplett Artikel Abs. der Verfassung zurückgreift, verfassten Staat nach solchen der Kunst an- . Besetzung von vorgeschalteten Aus- ignoriert, im Bezirk Pankow werden nur also auf die Menschenwürde, um Freiheit in gemessenen, sachgerechten, klaren, trans- wahlgremien mit Fachpreisrichter/ noch Auswahlverfahren außerhalb der RPW einem positiven Sinne zu ermöglichen, denn parenten und kontrollierbaren Regeln, die innen durchgeführt. künstlerische und kulturelle Betätigung ist ihrerseits, was ihre Richtigkeit betrifft, d. h. In so genannten Teilnahmeverfahren (of- E M Teil der Persönlichkeitsentfaltung des Men- ob sie der Sache auch gerecht werden, sich an 6
Gregor Schneider, Unsubscribe, temporäre Installation 4. bis 22. Dezember 2014 auf dem Rosa Luxemburg-Platz. Veronike Hinsberg und Olf Kreisel, Leitung & Linie, 2013, Kunst am Bau für die Hochschule für Technik und Wirtschaft, Die Ladefläche des Lastwagens enthält abgetragenen Schutt aus dem Geburtshaus von Joseph Goebbels in Campus Oberschöneweide. Foto: Martin Schönfeld Mönchengladbach, das der Künstler Gregor Schneider gekauft und entkernt hat. Foto: Martin Schönfeld den Prinzipien der Kunstförderung messen Prinzipien in der öffentlichen Kunstförde- verständige Urteile benötigt. So wie sich in oder Geschäftsordnungen zu schaffen, wo- lassen müssen. rung aussprechen. anderen Fachbereichen, z. B. der Medizin, bei im Kern immer gilt, dass künstlerische Im weiteren Sinne regeln die hier verhan- Am klarsten aber hat sich das Bundesver- den verschiedenen Geistes- und Naturwis- Entscheidungen nur von künstlerisch sach- delten Prinzipien also, wie im Einladungs- fassungsgericht in seinem jüngsten Rund- senschaften niemals Politiker/innen, Volks- verständigen Personen getroffen werden flyer erwähnt, auch Fragen der Verteilungs- funkurteil (Nr. ) positioniert und dem vertreter/innen, Verwaltungsbeamt/innen können. gerechtigkeit. Gesetzgeber hinsichtlich der Besetzung von fachliche Urteile erlauben würden, so ist Rundfunkräten konkret aufgegeben, den auch die Kunst ein eigenständiges Subsys- Ich will noch konkreter werden: Prinzipien der Neutralität des Staates, der tem unserer Gesellschaft, mit eigenen Re- . Vertreter/innen nicht-künstlerischer In- III. Umsetzung in Standards und Autonomie und Pluralität Rechnung zu tra- geln und Gesetzen, deren Kenntnis Voraus- teressen aus Politik, Gesellschaft und Verfahren der Kunst- und Kulturför- gen und zu garantieren, dass Rundfunkräte setzung für die Fähigkeit des angemessenen, Kulturverwaltung dürfen kein Stimm- künftig unabhängig, staatsfern und trans- sachlichen und fachlichen Urteils ist. recht bei künstlerischen Auswahlent- derung parent besetzt werden und arbeiten. Das scheidungen haben. Eine Beratung der Wie werden also die vorgestellten Prinzi- Gericht fordert diese demokratischen Frei- Das heißt: Fördernde Auswahlentschei- Politik und der Verwaltung durch sich pien in der Praxis angewandt, wie wirken sie heitsrechte im Hinblick auf die „Zusammen- dungen im Bereich der Kunst müssen erstens selbst ist eine Farce. Zulässig sind aber auf Standards und Verfahren in der Kunst- setzung“ und die „Funktionsweise“ der Auf- durch unabhängige Gremien, die von künst- Mitsprache, Rat und Anhörung. und der Kulturförderung? sichts- und Beratungsgremien. Dies ist zwar lerischem Sachverstand dominiert sind, ge- Das gilt nicht für kulturpolitische Ent- kein direktes Beispiel aus dem Bereich der troffen werden. Und zweitens müssen diese scheidungen. Dort soll es (mit Ausnahme Dazu gibt es, wenn auch unsystematisch „Kunst“Förderung, aber es zeigt, dass auch Gremien in ihrer Besetzung dem pluralen Er- der Verwaltung, die ja nur ausführenden und nicht immer streng getrennt zwischen im weiteren Bereich der „Kultur“Förderung scheinungsbild der künstlerischen und kultu- Status hat) wiederum eine ausgewogene kulturpolitischen und ordnungsrechtli- die genannten Prinzipien Anwendung finden. rellen Szenen entsprechen, die im jeweiligen Mischung der von und mit kulturellen chen Vorgaben, seit Mitte der er Jahre Aus der Summe dieser Positionen lassen Tätigkeitsfeld einer Kulturverwaltung existie- und kulturpolitischen Fragen befassten zahllose Vorschläge und Stellungnahmen in sich folgende Regeln extrahieren: Der Staat ren. Dem Aspekt, dass bei der Entscheidung und interessierten Gruppen mit Stimm- kunststadt stadtkunst 62 | KULTURPOLITIK der Rechtsliteratur, in den Veröffentlichun- achtet die Autonomie der Kunst (und den über Fördermaßnahmen häufig auch eine recht geben. gen der Kulturpolitischen Gesellschaft, des Kern autonomer Kulturen), indem er sich Reihe von politischen, sozialen, wirtschaftli- deutschen Kulturrates, des deutschen Mu- der Beurteilung von Kunst (und kultureller chen, städtebaulichen und anderen Gesichts- . Die Verwaltung hat den Auftrag, das Ver- sikrates, der Enquetekommission Kultur in Inhalte) enthält (soweit sie nicht in ihrem punkten eine Rolle spielen, kann Rechnung fahren objektiv, transparent und offen, Deutschland () und in vielen Positionen Handeln gegen die Verfassung verstoßen). getragen werden, indem diese Gesichtspunk- also kontrolliert und kontrollierbar zu von Kulturverbänden (wie jüngst hier in Das bedeutet, dass ästhetische, ethische, te durch Vertreter/innen der Verwaltung oder gestalten, sie selbst hat aber keinesfalls Berlin in Nr. der Zeitschrift stadtkunst/ wertende Auswahlentscheidungen bezüg- der Politik im Beirat thematisiert werden. Sol- Sitz und Stimme in Ausschüssen, Beirä- kunststadt im Artikel zur Kunstautonomie lich Kunst frei und unabhängig von staatli- che Vertreter/innen können und sollen auch ten oder Aufsichtsgremien, die künstleri- von Elfriede Müller.) cher Einflussnahme zu treffen sind. Aber die im Beirat für ihren Bereich vertreten sein, sche Inhalte bewerten. Noch besser ist es, Dann gibt es konstruktive Entwürfe von Kunst selbst ist andererseits auch nicht de- aber sie können und dürfen in rein künstle- wenn die Verwaltung schon die Organisa- Philosophen und Soziologen wie John Rawls mokratiefähig. Nicht das Volk oder Vertre- rischen Fragen nicht stimmberechtigt sein. tion und Durchführung des Verfahrens und Niclas Luhmann sowie Konzepte hoch- ter/innen gesellschaftlicher Gruppen sind in die Hände unabhängiger Institutionen geachteter Staatsrechtler und Verfassungs- befugt künstlerische Urteile zu fällen. Die Die Politik ist beauftragt, für Auswahl- legt, dies also ganz der Selbstverwaltung richter wie Böckenförde, Häberle, Herzog, Autonomie der Kunst verlangt, dass solche verfahren entsprechend ausgewogene und überlässt. Dies ist eine Forderung, die Geis, Huster, Maihofer, Marenholz, Isensee, Urteile aus der Kunstszene heraus getroffen all diese Interessen, Szenen und Gruppen sich aus dem Prinzip der Subsidiarität Lerche u. a., die sich für die Einhaltung von werden. Denn hier werden fachliche, sach- beachtende Regeln, Richtlinien, Satzungen und des Gemeinwohls ergibt, wonach die 7
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