Landschaft der Forschungsinfrastrukturen - Lhc - der weltgrößte teilchenbeschleuniger - Beiträge von Welt der Physik
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ForschungsinFrastruktur: Lhc, stand august 2016 2 LHC – der weltgrößte Teilchenbeschleuniger groß, größer, Lhc: der Large hadron collider am cErn bei genf ist mit einem umfang von 27 kilometern der größte und leistungsfähigste teilchenbeschleuniger, der jemals gebaut wurde. an dieser „Weltmaschine“ wurden mehrere teilchen erstmals nachgewiesen – darunter ein grundlegender Baustein des standardmodells der teilchenphysik, das sogenannte higgs-Boson. nach umfangreichen Wartungsarbeiten stoßen die Wissenschaftler nun in noch höhere Energiebereiche vor. damit hoffen sie, offene Fragen der teilchenphysik und des ursprungs unserer Welt zu klären. Wie ist Materie aufgebaut? Und was hält sie im Inners positiv geladenen Bausteine der Atomkerne – einge ten zusammen? Mit diesen Fragen beschäftigten sich speist werden. Supraleitende Magnetspulen, die bereits Philosophen wie Demokrit in der Antike. keinen elektrischen Widerstand besitzen, halten die Während den griechischen Atomisten ausschließlich geladenen Teilchen mit starken Magnetfeldern auf ihrer Gedankenmodelle zur Verfügung standen, um über die Bahn innerhalb des Speicherrings. Im LHC werden Beschaffenheit der Materie im Kleinsten zu philoso zwei gegenläufige Protonenstrahlen auf Energien phieren, ergänzen sich in der modernen Naturwissen bis zu 6,5 Teraelektronenvolt beschleunigt und stoßen schaft Theorie und Experiment. Das Bild, das wir heut schließlich nahezu mit Lichtgeschwindigkeit aufei zutage vom Aufbau der Materie und den zugrunde nander. liegenden Kräften haben, hat sich inzwischen drastisch geändert und präzisiert. Beschrieben wird es in dem Die Energien sind bei derartigen Kollisionen so hoch, sogenannten Standardmodell der Teilchenphysik. dass die Protonen im Einzelnen zerstört werden, aber Mit dem bisher leistungsstärksten Teilchenbeschleu sämtliche elementaren Wechselwirkungen – die Gravi niger, dem Large Hadron Collider (LHC) am CERN bei tation, der elektromagnetische, die schwache und Genf, stellen Physiker in internationaler Zusammen die starke Kraft – zum Zuge kommen und dadurch neue arbeit dieses Modell auf den Prüfstand. Teilchen erzeugt werden. Zwar zerfallen viele dieser Teilchen rasch wieder in andere Teilchen, so dass die der Beschleuniger Ursprünglichen sich gar nicht direkt detektieren las Der Large Hadron Collider (LHC) befindet sich im sen. Jedoch entstehen bei diesen Zerfällen Teilchen, Grenzgebiet zwischen Schweiz und Frankreich. Haupt die in speziell dazu gefertigten Detektoren ihre Spuren bestandteil ist ein unterirdischer, rund 27 Kilometer hinterlassen. langer Beschleunigerring, in den Protonen – die Geneva CERN LHCb ALICE CMS ATLAS LHCb PS ATLAS BOOSTER ALICE SPS CMS LHC ~100 m Der LHC am CERN liegt in Genf im Grenzgebiet zwischen Frankreich und der Schweiz. Mit seinem 27 Kilometer langen Tunnel ist er der längste Ring beschleuniger der Welt. Die vier großen Experimente ALICE, ATLAS, CMS und LHCb sind in unterirdischen Räumen aufgebaut. Zwei gegenläufige Teilchen strahlen werden jeweils so durch den Ringtunnel geführt, dass sie sich im Zentrum der Detektoren kreuzen und dort zusammenstoßen. (Bild: CERN)
Forschungsinfrastruktur: LHC, Stand August 2016 3 Die Experimente Deutsche Beiträge zum LHC Insgesamt sind vier große Teilchendetektoren in den Deutschland übernimmt mit ca. 200 Millionen Euro LHC eingebaut. Mit ATLAS, einem der beiden Vielzweck im Jahr rund 20 Prozent des CERN-Haushaltes, aus detektoren, vermessen die Physiker unter anderem dem der Betrieb des LHC bezahlt wird. Damit ist das Higgs-Boson und suchen nach Teilchen, die die Deutschland der größte Geldgeber und sichert sich Dunkle Materie ausmachen könnten. Der zweite große so eine herausragende Position innerhalb der Teilchen Vielzweckdetektor, CMS, hat ähnliche Ziele wie ATLAS. physik. Das Bundesministerium für Bildung und Hiermit suchen die Forscher ebenfalls nach dem Forschung (BMBF) fördert außerdem alle vier LHC- Higgs-Boson, Teilchen der Dunklen Materie Experimente mit Mitteln aus der sogenannten Ver und stellen das Standardmodell der Teilchenphysik bundforschung. Diese Förderung ermöglicht es deut auf den Prüfstand. Allerdings unterscheiden sich die schen Universitäten, sich mit wesentlichen Beiträgen beiden Detektoren in ihrem technischen Aufbau. an ATLAS, CMS, ALICE und LHCb zu beteiligen. Mit ihrem Fachwissen – vor allem im Detektorbau und in Beide Detektoren ergänzen sich und werden von unab der Datenauswertung – sorgen die Universitäten dafür, hängigen Arbeitsgruppen betrieben. Dies ist vor allem dass die LHC-Experimente ständig weiterentwickelt auch für Neuentdeckungen wie etwa des Higgs- und wissenschaftlich effizient genutzt werden. Teilchens im Jahr 2012 von Bedeutung. Auf diese Wei se lassen sich die Ergebnisse beider Experimente ge Im Zuge des – weiter unten beschriebenen – High- genseitig auf ihre Zuverlässigkeit überprüfen. Luminosity-Upgrades soll die Leistungsfähigkeit des LHC ab Ende 2023 weiter erhöht werden. Damit die Ex Die beiden weiteren Experimente sind speziellen perimente mit dieser Entwicklung Schritt halten kön Formen von Materie gewidmet. Mit ALICE untersuchen nen, ist ein Ausbau der Detektoren ATLAS und CMS ge die Wissenschaftler das Quark-Gluon-Plasma – ein plant. Für dieses sogenannte Phase-II-Upgrade stellt Materiezustand, der kurz nach dem Urknall herrschte das Ministerium in einem ersten Schritt zusätzliche und sich ebenfalls nur bei extrem hohen Energien Mittel bereit. Daraus werden Forschungs- und Entwick erzeugen lässt. Damit wollen sie die Natur der starken lungsarbeiten an den beiden Detektoren finanziert. Wechselwirkung besser verstehen. Mit dem Experi Insgesamt sind mehr als 1000 deutsche Forscherinnen ment LHCb überprüfen die Physiker das Standard und Forscher an den CERN-Experimenten beteilig. modell der Teilchenphysik, indem sie nach winzigen Unterschieden zwischen Materie und Antimaterie suchen. 2012 wurde am LHC erstmals das Higgs-Teilchen sowohl mit dem AT Wie auch der CMS-Detektor ist das ATLAS-Experiment dem Test des Stan LAS- als auch dem CMS-Experiment nachgewiesen. Direkt lässt es sich dardmodells und der Untersuchung des Higgs-Teilchens verschrieben. Al allerdings nicht detektieren, da es viel zu schnell zerfällt. Doch die dabei lerdings basiert der ATLAS-Detektor auf einer anderen Technologie als der entstehenden Sekundärteilchen hinterlassen ihre Spuren, wie hier im CMS. ATLAS besteht aus sechs Subdetektorsystemen und ist der größte CMS-Detektor, anhand derer die Physiker auf die Existenz des Elementar jemals konstruierte Teilchendetektor. (Bild: Claudia Marcelloni/CERN) teilchens und auf dessen Masse schließen können. (Bild: CERN)
Forschungsinfrastruktur: LHC, Stand August 2016 4 Bisheriger Betrieb und aktuelles Upgrade Für 2019/2020 ist eine weitere Wartungsphase geplant, Der LHC hat während der ersten Betriebsphase bis bei der die Vorbeschleuniger, mit denen die Protonen 2012 doppelt so viele Daten geliefert wie ursprünglich in den Beschleunigerring eingespeist werden, ver vorgesehen. Während dieser ersten Laufzeit entdeck bessert werden sollen. Zudem sind für alle Experimen ten die Physiker sowohl in den Daten des ATLAS- als te Upgrades geplant. auch des CMS-Experiments das gesuchte Higgs-Teil chen. Für Wartungs- und Umbauarbeiten wurde die High-Luminosity-Upgrade für den LHC Beschleunigeranlage ab Februar 2013 für gut zwei Jah Weitere Wartungsarbeiten sind für 2024 bis 2026 vor re heruntergefahren. gesehen. In dieser Zeit soll der LHC für eine noch bessere Strahlleistung und genauere Messungen fit Nach der Wartung läuft der LHC nun erstmals mit gemacht werden. Dann sollen unter anderem neue Strahlenergien von 6,5 Teraelektronenvolt. Die Anlage supraleitende Magnete an den Detektoren ATLAS und ging im Frühjahr 2015 wieder in Betrieb und nimmt seit CMS eingebaut werden, mit denen sich der Protonen Juni 2015 neue Daten auf. Die Kollisionsenergie ist strahl besser bündeln lässt. Außerdem sollen sie der dabei fast doppelt so hoch wie zuvor. Mit diesen neuen neuen Strahlleistung besser standhalten können als Möglichkeiten hoffen die Physiker unter anderem, ihre Vorgänger. Um die kollidierenden Teilchenpakete das Higgs-Teilchen genauer charakterisieren zu können. besser ausrichten zu können, wollen die Physiker Während die bisherigen Experimente das Standard zusätzliche Ablenkelemente installieren und die De modell bestätigt haben, werden in dem neu zugäng tektoren mit neuer Technologie ausstatten. lichen Energiebereich zudem völlig neue physikalische Phänomene erwartet. Man hofft, das Modell der so In der darauffolgenden Messphase von 2026 bis 2035 genannten Supersymmetrie testen zu können. Es kann soll der LHC bei entsprechend höheren Kollisionsraten als Erweiterung des Standardmodells verstanden ein zehnmal höheres Datenvolumen liefern als in werden und schließt unter anderem die Dunkle Materie der ersten Betriebsphase von 2010 bis 2022. Auf diese mit ein. Weise lassen sich auch sehr seltene Teilchen nach weisen – und möglicherweise neue Physik jenseits des Standardmodells entdecken. LHC Der CMS-Detektor ist um eine supraleitende Magnetspule gebaut. Forschungsinfrastruktur der In einem vier Tesla starken Magnetfeld werden die Teilchen, die bei den Forschungsinfrastruktur naturwissenschaftlichender Kollisionen im LHC entstehen, abgelenkt. Anhand der im CMS-Detektor Grundlagenforschung naturwissenschaftlichen hinterlassenen Spuren lassen sich Rückschlüsse auf die Natur der Sekun där- und Primärteilchen ziehen. (Bild: CERN) Grundlagenforschung
Forschungsinfrastruktur: LHC, Stand August 2016 5 Steckbrief LHC Typ: Teilchenbeschleuniger Technologie: Synchrotron, supraleitender Speicherring Standort: Genf, Schweiz Betreiber: CERN –Europäische Organisation für Kernforschung Gesamtbudget CERN: 1,127 Milliarden Schweizer Franken (Stand 2016) Deutsche Beteiligung am CERN: rund 20 Prozent – ca. 200 Millionen Euro (Stand 2015) Betriebsbeginn: 2008 Wartung und erstes Upgrade: 2013 – 2015 Neustart: Frühjahr 2015 Länge des Beschleunigers: 27 Kilometer Strahlenergie: max. 6,5 Teraelektronenvolt Kollisionsenergie: max. 13 Teraelektronenvolt Kollisionsrate: 600 Millionen pro Sekunde Strahleigenschaften: Protonenstrahl aus 2808 Teilchenpaketen mit einer Länge von 30 Zentimetern Teilchen pro Paket: 1,15 ⋅ 1011 Protonen Betriebstemperatur: –271,3 °C Großexperimente: 4: ALICE, ATLAS, CMS und LHCb The European Strategy for Particle Physics Update 2013 (High Luminosity Upgrade), ESFRI, Bestandteil folgender Roadmaps: BMBF 21: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich Beteiligte Länder: Griechenland, Großbritannien, Israel, Italien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Spanien, Schweden, Schweiz, Slowakei, Tschechien, Ungarn Quelle: http://www.weltderphysik.de/vorort/forschung-an-grossgeraeten/physik-kleinster-teilchen/lhc/
Forschungsinfrastruktur: LHC, Stand August 2016 6 Impressum Dieser Artikel ist Teil der Webseite „Landschaft der Forschungsinfrastrukturen“ (www.fis-landschaft.de), die der Projektträger DESY im Auftrag des Bundes ministeriums für Bildung und Forschung gestaltet und umsetzt. Auf der Webseite werden Großforschungs anlagen der naturwissenschaftlichen Grundlagenfor schung aus aller Welt vorgestellt, an denen sich Deutschland derzeit wissenschaftlich und finanziell beteiligt – vom Radioteleskop ALMA bis zum Röntgen laser European XFEL. Herausgeber: Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY Abteilung Projektträger DESY Notkestraße 85 22607 Hamburg pt@desy.de https://pt.desy.de Stand: August 2016 Redaktion: Dr. Claudia Schneider Design und Layout: Britta von Heintze Bildnachweis (Titelbild, Weltkarte): CERN, Britta von Heintze/Welt der Physik
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