Lebertransplantierte Deutschland e.V - Informationen für Patient und Arzt
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Lebertrans p l an t i ert e Deu t s c h l a n d e . V. – In f o r m a t i o n e n f ü r Pa t i e n t u n d A r z t LEBENSLINIEN 2/2017
66 Inhalt LE B E N S LI N I E N 2 /2017 Editorial ............................................................................................ 1 Transplantationsgesetz · Organspende Organspende verdient mehr Wertschätzung .......................... 2 Tag der Organspende ................................................................... 33 Das deutsche Transplantationsgesetz und die landes- „Hirntod“ oder „Irreversibler Ausfall der Funktion rechtlichen Ausführungen – Zum Stand der Dinge ........... 3 des Gesamthirns“ – Gute Information gegen Ängste Lebertransplantierte Deutschland e.V. hat sich zu und Mythen ................................................................................. 34 diesen Themen politisch engagiert ....................................... 3 DSO-Zahlen: Organspende in Deutschland immer noch schwach ......................................................................................... 36 Transplantationsmedizin Eurotransplant: Deutschland braucht dringend Ethische Fragen rund um die Transplantationsmedizin ....... 5 die Solidarität der anderen ...................................................... 37 Richtlinie für die Lebendorganspende in Vorbereitung ....... 6 Jahrestagung 2017 der DSO-Region Mitte ............................. 38 Stand der Zusatz-Weiterbildung Transplantationsmedizin ... 7 Engagement für die Organspende ............................................ 39 PBC und PSC – Wann auf die Liste, wann zur Pressespiegel ................................................................................. 40 Transplantation? Was sagen die Richtlinien? ........................ 8 Organspendeausweise ................................................................. 41 Überlebensrate bei Leberkrebs-Patienten Medizinische Lösungen für das „Organtief“ nach Transplantation verbessern ............................................. 9 Wie macht man mehr Organe „fit“ für die Transplantation? .. 42 Hautveränderungen bei Organtransplantierten ..................... 10 Internetfilm der BZgA informiert junge Menschen Prof. Dr. Thomas E. Starzl gestorben ........................................ 12 zum Organspendeausweis ....................................................... 42 Gewebespende im Aufwind ....................................................... 12 Gesundheit Aus Wissenschaft und Forschung Sie fragen – Wir antworten ........................................................ 43 Dynamik in Lebererkrankungen und -heilung · Gefahr für die Leber durch Rotschimmelreis .......................... 43 Fettleber etc. ............................................................................... 13 Alkoholische Lebererkrankungen · Virushepatitiden .............. 14 Recht · Soziales PSC und entzündliche Darmerkrankungen · Die Flexirente – was ist neu, was ändert sich? ..................... 44 Akutes Leberversagen · Krebs: HCC und CCC .................... 15 Pädiatrische Ltx · Zelltherapie .................................................... 16 Geist · Körper · Seele Meine persönliche Geschichte, rund um die Hepatologie Transplantation meiner Mutter Emilia ................................... 45 Hepatitis E – das unterschätze Virus? ...................................... 17 Besuch in der Klinik – zum 30. „Ltx-Geburtstag“ ................. 46 Update Hepatitis C – Vorkommen, Übertragung, Gedenken ...................................................................................... 47 Diagnose und Therapie ............................................................ 19 Leberzellbasierte Unterstützung für alkohol- Ernährung kranke Patienten ......................................................................... 21 Die Artischocke, Delikatesse und Heilpflanze zugleich ....... 48 Der LiMAx-Leberfunktionstest .................................................... 22 Neues Medikament gegen Gallengangs- Buchbesprechung entzündung zugelassen ............................................................. 23 Danke, Fremde/r, für mein Leben! ........................................... 50 Frühzeitige Diagnose der Gallengangsatresie bei Säuglingen ............................................................................ 24 Vereinsgeschehen Die hepatische Enzephalopathie ............................................... 25 Regensburg war eine Reise wert! – Jahrestagung 2017 123. Internistenkongress der Deutschen Gesellschaft mit Mitgliederversammlung und Vorstandswahlen ............ 51 für Innere Medizin (DGIM) ...................................................... 26 Dank der Mirglieder ...................................................................... 52 Musik für den besten Zweck – für LD e.V. ............................... 52 Aus den Zentren Ehrung für Egbert Trowe ............................................................... 52 Jena: Patientenseminar Familien-Fachtag „Niemand ist alleine krank“ ......................... 53 Wartezeit – Medikamenteninteraktionen – Osteoporose Neues Roll-up ................................................................................ 53 und Organspende ...................................................................... 28 Deutscher Evangelischer Kirchentag 2017 Leipzig: Neues Lebertumorzentrum bündelt Fachwissen in Berlin und Wittenberg .......................................................... 54 aus neun Disziplinen .................................................................. 29 Kontaktgruppe Westerwald/Rhein/Lahn: Leipzig: 4. Lebertransplantationstag 20-jähriges Jubiläum ................................................................. 54 Eine Manifestation für die Organspende .............................. 30 Grundstein für eine wichtige Initiative: Erstes bundes- Regensburg: 12. Patienten-Arzt-Pflege-Seminar .................... 31 weites Netzwerk für Familien von Organspendern Heidelberg: Treffen für Patienten auf der Warteliste nimmt seine Arbeit auf ............................................................. 55 und Angehörige ............................................................................ 31 Weitere Aktivitäten aus den Kontaktgruppen ......................... 56 Essen: Patientenseminar am 18. März 2017 .......................... 32 Neuer Koordinator / Neue Anprechpartner ............................... 57 Vermischtes Adresse Verein – Vorstand .......................................................... 58 Dank an Sponsoren – Impressum – Beitrittserklärung ........ 59 Termine – Beitrittserkärung ........................................................ 60 Ansprechpartner/Kontaktgruppen – Koordinatoren ............. 61 F Friesenkate Fachbeiräte ..................................................................................... 64 AAquarell, Karin Dreyer Medizin mit dem gesunden Menschenverstand ................... U3 www.galerie-meerkunst.de w W danken der Künstlerin für die Wir Möglichkeit des kostenlosen Abdrucks. M
1 Liebe Leserinnen und Leser, „Du siehst mich.“ Dies war die Losung des deutschen Evangelischen Kirchentages 2017 in Berlin. Eine gute Wahl, die nicht nur die Beziehung zu Gott widerspiegelt, sondern die vielseitigen zwischenmenschlichen Beziehungen ebenso meinen kann wie das Hinschauen zu mir unbekannten Mitmenschen. Ist das nicht ein Appell an uns alle, genau hinzusehen und unser Handeln am Wohlbefinden der Mitmenschen und der Gesellschaft auszurichten, in der wir leben? So kann diese Losung auch als ein Aufruf zur Solidarität verstanden werden. Diese ist ein Grundprinzip des mensch- lichen Zusammenlebens in kleinen (Familien, Regionen) wie auch größeren bis länderübergreifenden Verbünden (wir Europäer, wir Menschen). „Wer sich solidarisch verhält, nimmt im Vertrauen darauf, dass sich der andere in ähnlichen Situationen ebenso verhalten wird, im langfristigen Eigeninteresse Nachteile in Kauf.“ So formu- lierte es der Philosoph Jürgen Habermas im Rahmen einer Diskussion mit Sigmar Ga- briel und Emmanuel Macron am 16. März 2017 in der Hertie School of Governance. So setzt Habermas die Solidarität von der reinen Nächstenliebe ab. Übertrage ich diese Gedanken auf die Frage in welchen Bereichen der medizini- schen Versorgung die Menschen in besonderem Maß auf Solidarität der Mitbürger angewiesen sind, fallen mir direkt die Blut-, die Knochenmark-, die Gewebe- und die Organspende ein. Bei der Blutspende gibt es zwar jahreszeitliche, aber eher keine lebensbedrohlichen Engpässe. Die Knochenmark-Typisierungsaktionen werden mit großen Erfolgen durch- geführt und die Patienten haben zwischenzeitlich gute Chancen, einen passenden Spender zu finden. Die Zahl der Gewebespenden ist 2016 um weitere 5% angestiegen. Warum ist das Thema Solidarität beim Thema Organspende für uns Deutsche so schwierig? Warum verlassen wir uns gerne auf die Solidarität im Eurotransplant-Ver- bund, aus dem Deutschland seit Jahren regelmäßig als „Nettoimporteur“ mehr Spender- lebern erhält, als es in den Verbund abgibt? Warum lassen wir, die Gesellschaft, „sehenden Auges“ zu, dass 쮿 jährlich mehr als tausend Menschen ohne das notwendige Spenderorgan sterben? 쮿 Viele Tausende ohne Spenderorgan von jahrelanger Nierenersatztherapie abhän- gig sind und dabei immer kränker werden? 쮿 Viel zu vielen Organempfängern das Spenderorgan in einem solchen Zustand zugeteilt wird, in dem es fast zu spät ist, die Operation gut zu überstehen? Wer ist das eigentlich „Wir, die Gesellschaft“? – Es sind die Wegseher! 쮿 Es ist jeder Einzelne, der die Informationen der Krankenkassen in den Papierkorb wirft, ohne sich zum Thema Organspende zu positionieren. 쮿 Es ist jede Klinikleitung, die vor der Meldepflicht die Augen verschließt und es ver- säumt, den Transplantationsbeauftragten (TxB) zu stärken und das Thema Organ- spende in der eigenen Klinik zur „wichtigen Aufgabe“ zu erklären. 쮿 Es ist jeder Transplantationsbeauftragte, der seine Kollegen nicht auf die Bedeu- tung des Themas Organspende anspricht und schult und nicht versucht, das The- ma positiv in der Klinik zu implementieren. 쮿 Es ist jede Landesregierung, die es 5 Jahre nach Novellierung des Transplantations- gesetzes immer noch nicht geschafft hat, die neuen Vorgaben in praktikable Landes- regelungen umzusetzen. Hier seien besonders die Regelungen zu den TxB und die Konkretisierung zu deren Freistellungsregelungen genannt. 쮿 Es ist jede Landesregierung, die nicht nachschaut, ob ihre Regelungen umgesetzt werden und ggf. deutlich nachfragt und anmahnt. 쮿 Und es ist auch die Bundesregierung, die bei allem Respekt vor dem Föderalismus doch auch Interesse haben muss, wie ernsthaft das Bundesgesetz bei den Menschen in den Bundesländern Deutschlands ankommt. Falls Sie persönlich auf „Wegseher“ – gleich welcher Art – treffen, beginnen Sie einen engagierten Dialog. Denn auch das gehört zum „Hinsehen“. Danke für Ihr Engagement. Ihre Jutta Riemer
2 Leitartikel Rubrik LE B E N S LI N I E N 2 /2017 Organspende verdient mehr Wertschätzung Aufklärung von 2010 (25 Prozent) auf 32 Transplantationsbeauftragte als Foto: DSO Prozent im Jahr 2016 erhöht. Und auch Bindeglied die Deutsche Stiftung Organtransplan- Einen wichtigen Partner in den Bemü- tation (DSO) hat in ihren statistischen hungen um wieder zunehmende Spen- Erhebungen festgestellt, dass im Fall ei- derzahlen sieht die DSO deshalb nach ner möglichen Organspende die Zahl der wie vor in den Krankenhäusern. Der bun- Menschen mit bekanntem schriftlichem desweite Einsatz von Transplantationsbe- oder mündlichem Willen kontinuierlich auftragten in jedem Entnahmekranken- zugenommen hat. Seit 2006 bis Mitte haus ist dabei grundlegend. Die Trans- 2016 hat sich der Anteil der Organspen- plantationsbeauftragten haben seit der Dr. med. Axel Rahmel den, bei denen der Wille der Verstorbe- Novellierung des TPG eine zentrale Rol- Medizinischer Vorstand der nen zur Organspende explizit – ob münd- le im Organspendeprozess. Sie sind das Deutschen Stiftung Organtransplantation lich oder schriftlich dokumentiert – be- Bindeglied zwischen dem Entnahmekran- kannt war, damit nahezu verdoppelt auf kenhaus und der DSO. Sie tragen dafür insgesamt über 40 Prozent. Sorge, dass die Krankenhäuser ihrer Pflicht „Die Stärke eines Baumes liegt in sei- Außerdem wurden vom Gesetzgeber zur Meldung möglicher Organspender nen Wurzeln, nicht in seinen Zweigen.“ durch die Novellierung des Transplanta- an die DSO nachkommen und etablie- Dieses niederländische Sprichwort ist tionsgesetzes auch die strukturellen Vo- ren feste Handlungsabläufe für den Fall sinnbildlich für das Thema Organspende raussetzungen für eine Unterstützung der einer Organspende. Sie sind außerdem und Transplantation. Ein Baum kann nur Organspende vorangetrieben: Flächende- dafür zuständig, das ärztliche und pflege- Früchte tragen, wenn die Wurzeln stark ckend wurden Entnahmekrankenhäuser rische Personal im Krankenhaus regelmä- und fest verankert sind. Gleiches gilt für benannt und Transplantationsbeauftragte ßig über die Organspende zu informieren die Gemeinschaftsaufgabe Organspende. eingesetzt. Wir haben also in Deutsch- und damit für das Thema zu sensibilisieren. Nur wenn sie auf einem festen Funda- land grundsätzlich gute Voraussetzungen, Die gesetzlichen Rahmenbedingun- ment steht, alle Partner im Organspen- um Transplantationen zu ermöglichen. gen für die erforderliche Qualifikation, deprozess engagiert zusammenarbeiten, die Ausgestaltung der Aufgaben und kann auch diese Arbeit Früchte tragen. Mögliche Probleme an der Basis die konkrete Umsetzung werden durch Dann können die Organspendezahlen ge- Wie sieht es aber mit der praktischen Landesrecht geregelt. In mehreren Bun- steigert und damit mehr Menschen auf Umsetzung aus? An der Basis liegen nach desländern ist diese Konkretisierung je- der Warteliste geholfen werden. Einschätzung der DSO mögliche Prob- doch noch nicht vorgenommen worden. Und gemeinsame Anstrengungen sind leme. So können Organspenden offen- Entscheidend ist aber gerade, dass die dringend erforderlich, wie die Entwick- sichtlich nur dann erfolgreich umgesetzt strukturellen Vorgaben in den Kranken- lung der Organspendezahlen zeigt. Die werden, wenn im ersten Schritt auf einer häusern auch flächendeckend umgesetzt Zahlen stagnieren seit Jahren auf einem Intensivstation die Möglichkeit zu einer und genau definiert werden. Das betrifft niedrigen Niveau. Eine ernüchternde Bi- Spende erkannt und der Kontakt zur DSO vor allem die Ausgestaltung der Aufga- lanz – vor allem für diejenigen, die drin- aufgenommen wird. Diese unterstützt ben der Transplantationsbeauftragten, gend auf eine Transplantation warten. In dann umfassend den gesamten Organ- ihre kontinuierliche Weiterbildung, aber Deutschland sind das über 10.000 schwer- spendeprozess. auch die Entlastung von anderen Aufga- kranke Patienten. Demgegenüber stehen Aber in der Erkennung möglicher Or- ben und die Wertschätzung ihrer Tätigkeit 857 Menschen, die im Jahr 2016 nach ganspender und der Berücksichtigung durch alle Mitarbeiter der Klinik und nicht ihrem Tod Organe gespendet haben – im des Spendewillens im Rahmen der Be- zuletzt durch die Klinikleitung. Jahr 2011, dem Jahr vor der Novellierung treuung von Patienten am Lebensende Eine Befragung der Transplantations- des Transplantationsgesetzes, lag sie noch liegen mitunter die Schwierigkeiten: Eine beauftragten hat aber in vielen Fällen bei 1.200. rückblickende, detaillierte Analyse der Kli- das Gegenteil gezeigt. In der Praxis gibt nikdokumentation von Patienten, die mit es nur in Ausnahmefällen eine offizielle Was sagt das also über das Funda- einer Hirnschädigung verstorben sind, hat Freistellung für die Tätigkeit als Transplan- ment? Wo liegen die Ursachen für gezeigt, dass in einer ganzen Reihe von tationsbeauftragter, zum Beispiel über ei- die Stagnation? Fällen beim Tod des Patienten nicht an nen definierten Teil der Arbeitszeit. Dies Die Jahre seit der Novellierung des die Möglichkeit einer Organspende ge- steht in direktem Gegensatz zu § 9 des Transplantationsgesetzes (TPG) waren dacht wurde. Über die Ursachen hierfür TPG, der besagt, dass die Entnahmekran- geprägt durch die unterschiedlichsten kann nur spekuliert werden. Es liegt aber kenhäuser organisatorisch sicherstellen Schlagworte: Datenmanipulationen, Ver- nahe anzunehmen, dass zum Beispiel die sollen, dass der Transplantationsbeauf- trauensverlust, zurückgehende Organ- zunehmende Arbeitsverdichtung auf den tragte seine Aufgaben ordnungsgemäß spendezahlen. Doch auf der anderen Intensivstationen hierbei eine Rolle spielt. wahrnehmen kann. Ein erheblicher Teil Seite gab es auch viele positive Entwick- Im vergangenen Jahrzehnt haben die Be- der Transplantationsbeauftragten gab lungen: verbesserte strukturelle Voraus- handlungsfälle mit Beatmung deutlich darüber hinaus an, auf dem Wege der setzungen, mehr Transparenz, mehr Si- zu, die Krankenhäuser mit Intensivbet- Delegation bestellt worden zu sein – cherheit. Und: mehr Menschen mit Or- ten jedoch deutlich abgenommen. Dies denkbar schlechte Voraussetzungen für ganspendeausweis. führt grundsätzlich zu einer zusätzlichen ein persönliches Engagement für die Or- Denn die Organspendebereitschaft der Arbeitsbelastung für das Krankenhausper- ganspende. Nach der Beurteilung eines Bevölkerung ist laut Umfragen unverän- sonal. Zudem ist das Eintreten des Todes Teils der Transplantationsbeauftragten dert groß. Acht von zehn Bundesbürgern mit einem irreversiblen Hirnfunktionsaus- wird ihre Tätigkeit kaum oder gar nicht in stehen dem Thema positiv gegenüber. fall insgesamt ein seltenes Ereignis in der der Klinik wertgeschätzt. Auch das trägt Die Zahl der Organspendeausweis-Inha- Klinik, dessen Erkennung und intensivme- sicherlich nicht dazu bei, das persönliche ber hat sich in den Umfrageergebnissen dizinische Betreuung spezielles Fachwis- Engagement jedes Einzelnen zu stärken. der Bundeszentrale für gesundheitliche sen erfordert.
LE B E N S LI N I E N 2 /2017 Leitartikel Rubrik 3 Viele Krankenhäuser nehmen ihre Auf- die Mitmenschen über den eigenen Tod Die DSO wird von ihrer Seite alles gabe im Organspendeprozess sehr en- hinaus. So kann der Tod eines Menschen daransetzen, das Fundament weiter zu gagiert wahr, aber nach Untersuchungen sinnstiftend sein und ist mit dem Weiter- stärken und das Spenderpotenzial zu re- der DSO könnte die Zahl der Organspen- leben von anderen Patienten verbunden. alisieren. Über die systematische Betreu- den um die Hälfte höher liegen, allein Die Menschen, die sich dafür entschie- ung der Entnahmekrankenhäuser im Or- wenn an die Möglichkeit einer Organ- den oder die diese Entscheidung für ihre ganspendeprozess hinaus kann die DSO spende gedacht würde, bevor die Thera- Angehörigen getroffen haben, verdienen eine maßgeschneiderte Unterstützung für pie bei schwerer Hirnschädigung beendet eine gesellschaftliche Würdigung: sie jedes einzelne Krankenhaus bieten. Da- wird. Hier ist es wichtig, an die Organ- spenden, ohne einen Gegewert zu erwar- zu gehört eine Krankenhaus-individuelle spende zu denken und die Angehörigen ten, sie spenden, weil sie helfen wollen. Bedarfsanalyse, Schulung der Transplan- zu fragen, ob der Patient Organspender Die größere gesellschaftliche Würdi- tationsbeauftragten sowie Schulung der sein wollte. Denn der Wunsch, über den gung und Anerkennung von Organspen- Mitarbeiter. Zudem hat die DSO ein um- Tod hinaus anderen Menschen zu helfen, dern und ihren Angehörigen kann sicher fassendes Unterstützungsangebot für alle sollte am Lebensende geachtet und be- nur mit politischer Unterstützung umge- Abläufe im Rahmen einer Organspende rücksichtigt werden. setzt werden. Mit der Novellierung des entwickelt. Dazu gehören der 2016 er- Zwar ist Organspende eine gemein- TPG wurde erstmals das Ziel, die Bereit- schienene Leitfaden für die Organspende schaftliche und gesellschaftlich relevante schaft zur Organspende in Deutschland und die Verfahrensanweisungen, die Si- Aufgabe, aber in vielen Krankenhäusern zu fördern, in § 1 aufgenommen. An die- cherheit im Organspendeprozess geben. immer noch in hohem Maße vom Enga- sem Ziel wurde in den letzten fünf Jahren Außerdem bietet die DSO technische gement und der Unterstützung Einzelner gearbeitet, vieles wurde bereits erreicht. Unterstützung zur rückblickenden Analy- abhängig. Gerade deshalb ist es wichtig, Wünschenswert ist , dass noch mehr se und Qualitätssicherung sowie ein E- dass sowohl die Organspende als Akt der Menschen ihren Willen im Organspende- Learning-Fortbildungsprogramm. Nächstenliebe als auch der Einsatz der ausweis und wenn möglich auch in einer Die Organspende ist laut Transplan- Transplantationsbeauftragten zukünftig Patientenverfügung dokumentieren. tationsgesetz als Gemeinschaftsaufga- mehr gesellschaftliche Anerkennung und Politische Unterstützung könnte au- be vieler Beteiligter definiert. Sie betrifft Wertschätzung erhalten – auf allen Ebe- ßerdem dazu beitragen, auch die Zusam- Krankenhäuser, Gesundheitsverwaltun- nen – in der Öffentlichkeit, der Politik und menarbeit mit den Entnahmekrankenhäu- gen, Ärztekammern und Ministerien. Sie in den Kliniken. sern weiter zu stärken. Hilfreich wären ist dabei vor allem auf das Engagement zum Beispiel die Verankerung der Daten- und den Einsatz von Ärzten und Pflege- Mehr Wertschätzung verdient erfassung zu potenziellen Organspendern kräften in den Spenderkrankenhäusern Die Entscheidung für eine Organ- in den Landesausführungsgesetzen sowie angewiesen. Die Stärke eines Baums liegt spende wird uneigennützig getroffen, sie mehr Verbindlichkeiten für Entnahmekran- in seinen Wurzeln. Nur wenn die Wurzeln bedeutet ein altruistisches Geschenk an kenhäuser. stark sind, kann der Baum Früchte tragen. Das deutsche Transplantationsgesetz und die landesrecht- lichen Ausführungsregelungen – Zum Stand der Dinge Wer ist zuständig? Bund oder Länder? Konkurrierende Gesetzgebung im Fall fegesetz und die Transplantationsbeauf- Dem föderalen Charakter des deutschen des Transplantationsgesetzes (TPG) tragten im Krankenhausgesetz regelt. Regierungssystems entsprechend sind Re- Der Bund hat, da die Voraussetzungen Ferner gibt es Bundesländer, die bisher gelungsgehalt und Wirkungsradius des des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen (Erforder- nur die Regelungen zur Zuständigkeit und Transplantationsgesetzes auf unterschied- lichkeit der Wahrung der Rechtseinheit im zur Lebendspendekommission gesetzlich liche Ebenen verteilt. Das deutsche Re- gesamtstaatlichen Interesse), mit dem Er- definiert haben, wie die Stadtstaaten und gierungssystem kennt dabei nicht nur die lass des TPG von seiner konkurrierenden Niedersachsen. Eine gute Übersicht über horizontale Gewaltenteilung (Exekutive, Gesetzgebungskompetenz Gebrauch ge- die einzelnen Regelungen findet man auf Legislative und Judikative), sondern auch macht und die Länder insoweit von eigen- der Seite der Deutschen Stiftung Organ- eine vertikale Gewaltenteilung. Dies be- ständigen Reglungen ausgeschlossen. transplantation (DSO; www.dso.de/organ deutet, dass für den Lebensalltag der Das bundesweite Transplantationsgesetz spende-und-transplantation/gesetzliche- Menschen die Kommunen vor Ort, die enthält aber Öffnungsklauseln zu verschie- grundlagen/ausfuehrungsgesetze-der- Bundesländer oder Stadtstaaten und die denen Teilbereichen, die durch die Bundes- laender.html ). bundesrepublikanische Gesetzgebung zu- länder näher geregelt werden müssen. Der Umfang der Regelungen weist ständig sind. Grundlage dafür bildet der Diese Zuständigkeiten sind Aufklärung der starke Abweichungen auf. So sind die Auf- Artikel 70 des Grundgesetzes (GG). Dem- Bevölkerung zum Thema Organspende, klärungspflichten aus § 2 des TPG in allen nach gibt es Kompetenzbereiche, die in Benennung der Entnahmekrankenhäuser, Ländern umgesetzt. Auch die Benennung die ausschließliche oder konkurrierende Zulassung von Transplantationszentren, der Entnahmekrankenhäuser und die Zu- Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes Regelungen zu den Lebendspendekom- lassung der Zentren sind in allen Ländern fallen, sowie Materien, für die ausschließ- missionen und Regelungen zu Transplan- erfolgt. Die Listen der Krankenhäuser lich die Länder zuständig sind. Das Trans- tationsbeauftragten. und Zentren sind ebenfalls über die DSO plantationswesen fällt unter die konkur- Dabei schreibt das Bundesgesetz nicht (www.dso.de/servicecenter/downloads/ rierende Gesetzgebung. Artikel 74, Abs. 1, vor, in welcher Form die Länder tätig wer- entnahmekrankenhaeuser-nach-9a-des- Nr. 26 GG legt fest: „Die konkurrierende den müssen. Weder die rechtliche Form transplantationsgesetzes.html) abzurufen. Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende noch der exakte Inhalt werden vorgege- Gebiete: (Nr. 26) Die medizinisch unter- ben. Folglich gibt es Ausführungsgesetze, Regelungen für die Lebendspende- stützte Erzeugung menschlichen Lebens, wie in Bayern, oder Ausführungsverord- kommission die Untersuchung und die künstliche Ver- nungen, wie in Sachsen-Anhalt. Andere Beim Regelungsgehalt über die Lebend- änderung von Erbinformationen sowie Länder verlagern Teilbereiche in unter- spendekommissionen treten Differenzen Regelungen zur Transplantation von Or- schiedliche Gesetze, wie Thüringen die zwischen den Ländern auf. Während die ganen, Geweben und Zellen.“ Lebendspendekommission im Heilberu- Kommission in den meisten Ländern bei
4 Leitartikel Rubrik LE B E N S LI N I E N 2 /2017 der Landesärztekammer angesiedelt ist, in der Intensivpflege ist in Brandenburg bis einschließlich ins Jahr 2019 zur Ver- hat Bayern für jedes Tx-Zentrum eine eige- und Schleswig-Holstein möglich. Thürin- fügung. Dabei erhielten im Jahr 2016 A- ne Kommission, Baden-Württemberg hat gen bleibt an dieser Stelle bei seinen Aus- Krankenhäuser durchschnittlich 49.500 e in jeder Bezirksärztekammer eine Kom- führungen vage und verlangt lediglich ei- für ihre Beauftragten, B-Krankenhäuser mission, in Sachsen-Anhalt findet sich die- nen fachlich qualifizierten Beauftragten. 32.000 e und auf C-Krankenhäuser ent- se im Landesverwaltungsamt und Berlin Der föderale Flickenteppich erstreckt fielen noch ca. 11.900 e. Das Konnexi- hat zusammen mit Brandenburg eine ge- sich auch auf Fortbildungsverpflichtungen. tätsprinzip ist ein in den meisten Landes- meinsame Kommission. Die Zusammen- Einige wenige Bundesländer haben Anfor- verfassungen festgelegtes Prinzip, das setzung der Kommission nach § 8, Abs. 3, derungen in diesem Bereich nicht recht- nichts mit der konkurrierenden Gesetz- Satz 3 TPG wird von allen Ländern über- lich fixiert. Andere fordern die Weiterbil- gebung zu tun hat, sondern im Wesent- nommen. Nur in Bremen wird zusätzlich dung ihrer Beauftragten ohne Spezifika- lichen besagt, dass ein Land, wenn es ein Patientenvertreter in die Kommission tion der Fortbildungsmaßnahmen. Aber insbesondere der kommunalen Ebene, entsandt, in Schleswig-Holstein wird ein auch Fortbildungen nach dem Curriculum also hier kommunalen Krankenhäusern, zusätzlicher Medizinethiker vorgeschrie- der Bundesärztekammer oder der Orien- Verpflichtungen auferlegt für eine ent- ben und Nordrhein-Westfalen entsendet tierung an dieser sind Teil mancher Lan- sprechende Finanzierung zu sorgen hat. eine Frau in das Gremium. desregelungen. Deshalb kann prinzipiell die Freistellung Die organisationsrechtliche Stellung landesverfassungsrechtlich nur in dem Transplantationsbeauftragte – Quali- der Tx-Beauftragten, bei denen im TPG Umfang erfolgen der durch entsprechen- fikation und organisationsrechtliche Mindestanforderungen festlegt wurden, de Finanzierung – die hier aber durch die Stellung wird durch kein Landesrecht erweitert. Selbstverwaltungspartner auf Bundesebe- Gerade in Zeiten rückläufiger Organ- Daher bleibt es hier inhaltlich bei der un- ne erfolgt – gesichert ist. spendezahlen sind die Regelungen zu mittelbaren Unterstellung unter die ärztli- Eine bundesweit einheitliche Freistel- den Transplantationsbeauftragten von che Leitung des Krankenhauses und der lungsregelung wäre durchaus möglich ge- zentraler Bedeutung. Mit der Novellierung Unabhängigkeit bei der Wahrnehmung wesen, der Bund hat dies aber abgelehnt. des TPG im Jahr 2012 sind Transplanta- seiner Aufgaben dieser gegenüber. Das genauere Procedere der Finanzie- tionsbeauftragte verpflichtend für jedes rung ergibt sich aus dem Koordinierungs- Entnahmekrankenhaus zu bestimmen, Transplantationsbeauftragte – Frei- stellenvertrag. Dabei stößt die derzeitige wie § 9b, Abs. 1 TPG festlegt. Ferner ver- stellungsregelungen Verteilung auch auf Kritik, da die Finan- langt das TPG, dass die Länder Qualifika- Der dritte Bereich für landesrechtliche zierung unabhängig von der geleisteten tion, organisationsrechtliche Stellung und Regelungen liegt beim Freistellungsum- Arbeit ist. Freistellung der Tx-Beauftragten von ande- fang der Tx-Beauftragten von anderen Auf- ren Aufgaben im Landesrecht näher fest- gaben. Hier hat Bayern mit seiner Novelle Zusammenfassend lässt sich feststel- legen. Die landeshoheitliche Regelung er- des Ausführungsgesetzes, welches zum len, dass den Regelungsmöglichkeiten der möglicht eine sehr unterschiedliche Aus- 1.1.2017 in Kraft getreten ist, Neuland Bundesländer Grenzen gesetzt sind. Die gestaltung der Anforderungen an die Tx- betreten. Erstmals werden hierbei klare Gestaltungsräume werden aber auch sehr Beauftragten. Allein bei der vorgeschriebe- Festlegungen anhand der Anzahl der In- unterschiedlich genutzt. Bayern hat mit nen Qualifikation ergeben sich deutliche tensivbehandlungsbetten getroffen. Pro der Überarbeitung seines Ausführungs- Unterschiede. Im überwiegenden Teil der 10 Betten werden jeweils 0,1 Stellenan- gesetzes detailliertere Regelungen getrof- Bundesländer ist eine ärztliche Ausbildung teile vorgeschrieben, so dass bei mehr fen. Ob diese Maßnahmen Wirkung ent- Voraussetzung (Bayern, Baden-Württem- als 90 Intensivbehandlungsbetten eine falten, wird sich erst bei einem Vergleich berg, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg- Vollzeitstelle gefordert wird. Für kleine der Zahlen von 2016 und 2017 zeigen, Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Sach- Häuser mit bis zu maximal 10 Betten kann der nicht vor Frühjahr 2018 zu erwarten sen-Anhalt). Jedoch weichen die Anforde- anstelle der Freistellung auch eine finan- ist. Sollte sich die Vermutung bestätigen, rungen an die Qualifikation voneinander zielle Vergütung erfolgen. Alle anderen dass sich die umfassenden Regelungen ab. Diese reichen dabei von der allgemei- Länderverordnungen und -gesetze regeln in Bayern positiv auf die Arbeit der Be- nen Festlegung „Arzt“ bis hin zu erfahrenen die Freistellung nicht explizit. Ein Erklä- auftragten auswirkt, würde sich der Druck Fachärzten der Intensivmedizin. Bei meh- rungsansatz könnte in der Kompetenzver- auf die anderen Ländern erhöhen, ihre reren Beauftragten innerhalb eines Klini- teilung zwischen Bund und Ländern lie- Ausführungen zu überdenken. kums erlauben Hessen, Saarland und Sach- gen, da die Freistellung durch die Länder sen auch einen pflegerischen Beauftrag- geregelt werden muss, die Vergütung aber Vortrag von Dr. Hans Neft bei der DSO-Jahres- ten zusätzlich zum ärztlichen. Eine Wahl auf Bundesebene durch die Selbstverwal- tagung am 3. / 4.11.2016 zwischen ärztlichem oder pflegerischem tung erfolgt. So stehen bundesweit für die Zusammenfassung der aktualisierten Version: Beauftragten mit mehrjähriger Erfahrung Tx-Beauftragten 18 Millionen Euro jährlich Alexander Brick Lebertransplantierte Deutschland e.V. hat sich zu diesen Themen politisch engagiert In Zusammenarbeit mit den Patienten- 쮿 Am 31.1. 2017 schloss sich daran ein Ter- 쮿 Am 15.4.2017 appellierte die BAG TxO verbänden BN und BDO sowie der DSO, min im Bundesministerium für Gesund- (Bundesarbeitsgemeinschaft Transplan- DTG, BÄK und dem von LD e.V. initiierten heit in Berlin an. Hier wurde der Plan ei- tation und Organspende: LD, BN, BDO) Netzwerk Spenderfamilien: ner zentralen Veranstaltung positiv auf- mit einem Brief an alle Länderministeri- genommen und Unterstützung zugesagt. en, Vorsitzenden der Gesundheitsaus- 쮿 Am 1.10.2016 wurde ein Brief an Bundes- Auch wurde hier das Thema Dankesbrief schüsse und gesundheitspolitischen gesundheitsminister Hermann Gröhe an die Spenderfamilien aufgegriffen. Sprecher fünf Jahre nach Verabschie- versandt, in welchem eine bundesweite 쮿 Am 9.5.2017 wurde in einem Brief die dung der Novellierung des Gesetzes Veranstaltung zur Ehrung von Spender- Bitte an Bundespräsident Frank-Walther (TPG) sich für eine umfassende Um- familien und der Organspender ange- Steinmeier auf den Weg gebracht, Spen- setzung auf Länderebene einzusetzen; regt wurden. Ebenso wurde der Vor- derfamilien und Transplantationsbetrof- hier insbesondere auch die Konkreti- schlag einer zentralen Gedenkstätte fene zu einem jährlichen Empfang im sierung der Freistellungsregelungen für formuliert. Schloss Bellevue einzuladen. Transplantationsbeauftragte.
LE B E N S LI N I E N 2 /2017 Transplantationsmedizin Rubrik 5 Ethische Fragen rund um die Transplantationsmedizin Foto: Keystone / Olivier Matthys Ulrich R. W. Thumm Einleitung Organtransplantation setzt Organspende voraus, ob postmortal, ganz oder geteilt oder Lebendspende. Es geht stets um Fra- gen über Leben und Tod. Und höchste ethische Standards sind unabdingbar. Sol- che Standards für die Organspende sind in Erklärungen der Weltgesundheitsorganisa- tion (WHO) von 2004 festgehalten oder auch in der Erklärung von Istanbul von 2008 und in Gesetzen wie dem deutschen Trans- plantationsgesetz (TPG, letzte Novellierung von 2016). Nach all diesen ethischen bzw. rechtlichen Normen muss Organspende altruistisch (also ohne Entgelt) sein und Handel (einschließlich Transplantations- Tourismus mit und ohne Entgelt) ist aus- geschlossenen, weil in der Regel die Ärms- ten als Organspender herhalten müssen sen) Zahlen, handelte es sich (naturge- Ein sinnvoller und gangbarer Weg zur und die Vermittler riesige Gebühren ab- mäß) überwiegend um Nierentransplan- Eindämmung der Knappheit ist die Redu- kassieren.1 Nach § 18 TPG ist Organhandel tationen; es werden aber auch Lebertrans- zierung der Nachfrage durch: sogar unter Strafe gestellt. Trotz morali- plantationen verzeichnet. Die wichtigsten 쐍 geeignete Präventionsmaßnahmen 5 scher Appelle und gesetzlicher Regelun- Ursprungsländer der 6.002 Patienten sind wie Impfungen gegen Hepatitiden A, gen blühen Organvermittlung und -handel Taiwan (20,4 Prozent), Südkorea (18,7 B und E sowie der Transplantations-Tourismus. Prozent) und Malaysia (10,1 Prozent), 쐍 Therapierung von Hepatitis C Global Financial Integrity, eine in Washing- aber auch das Vereinigte Königreich (5,2 쐍 Änderungen der Lebensführung gegen ton, DC ansässige Nicht-Regierungs-Orga- Prozent) und die USA (4,1 Prozent) so- nicht-alkoholische Fettleber und gegen nisation, stuft den Organhandel weltweit wie die Niederlande (0,8 Prozent) sind alkoholische Hepatitis unter den zehn gewinnträchtigsten Ver- als Herkunftsländer gelistet; dagegen ist 쐍 Screening und Früherkennung von Le- brechen ein.2 Das Geschäft gedeiht weit- Israel mit nur 0,2 Prozent sicherlich ge- bererkrankungen und entsprechende gehend im Dunkeln, aber wir wissen zu- waltig unterrepräsentiert. Die wichtigsten Therapierung z. B. von entzündlichen mindest von einem deutschen Staatsbür- Ziele (Länder, in denen die Transplanta- Darmerkrankungen und PSC ger, der sich durch Transplantations-Touris- tionen durchgeführt wurden) sind China 쐍 verstärkes Vorgehen gegen Leberkrebs mus nach Kenia und Mexiko eine Niere (45 Prozent), Indien (13,6 Prozent) und durch Chemoembolisation und nach- beschafft hat.3 Pakistan (6,1 Prozent); aber auch das Ver- folgende Resektion einigte Königreich, Deutschland, Frank- 쐍 strengere wissenschaftliche Untersu- Organhandel und Transplantations- reich und Russland sind unter den Ländern, chungen der „standard exceptions“ 6 tourismus in denen einige Transplantationen zuguns- (z. B. bei HCC oder auch bei PSC), die Weltweit sind Organhandel und -ver- ten von nicht-ansässigen Patienten vor- zu einer (ethisch problematischen) Be- mittlung gegen Geld sowie Transplanta- genommen wurden. Da die genannten nachteiligung aller anderen Wartepati- tionstourismus eigentlich verboten. Die Zahlen als „spekulativ und anekdotisch“ enten führen kann einschlägigen Geschäfte finden somit im bezeichnet werden, wird eine rigorosere 쐍 Entwicklung von Alternativen zur MELD- Untergrund statt und sind nur schwer zu quantitative und qualitative Untersuchung basierten Allokation mit Hilfe europä- erfassen. Dennoch gibt es eine umfangrei- dieser Grauzone gefordert. Doch wie? ischer/deutscher Daten (Eurotrans- che Literatur, die darüber berichtet, selbst plant-Daten sind geeignet, solange das mit Zahlen. Allerdings ist die Evidenzbasis Alternative Ansätze zur Linderung deutsche Transplantationsregister noch äußerst dünn und wenig verlässlich. Am- der Organknappheit im Aufbau begriffen ist); 7 ein interes- bagtsheer et al.4 haben eine Art von Meta- Solange die akute Knappheit an Spen- santer Ansatz wurde von einem inter- Analyse durchgeführt basierend auf Lite- derorganen besteht und arme und ver- nationalen Team entwickelt, das als ratur, die zwischen 2000 und 2015 ver- zweifelte Menschen bereit sind, Organe Allokationskriterium den „Überlebens- öffentlicht wurde. Es werden auch Zahlen (überwiegend Nieren, aber auch Teilleber- nutzen“ (survival benefit) vorschlägt, genannt. Danach wären in 42 Jahren 6.002 Lebendspenden) über kriminelle Vermitt- definiert als Differenz zwischen tat- Patienten zu verzeichnen gewesen, die ler zu verkaufen, wird es illegalen Organ- sächlicher 90-Tage-Sterblichkeit nach über die Grenzen ihrer jeweiligen Länder handel und Transplantationstourismus ge- Ltx und der erwarteten 90-Tage-Sterb- zwecks Organtransplantation (Transplan- ben. Gleichwohl hat man gewisse Erfolge lichkeit vor Ltx und basiert auf Spen- tations-Tourismus) gereist wären; davon erzielt bei der Bekämpfung des Tx-Toursi- der- und Empfängerdaten 8 hätten lediglich 1.425 für ihre Organe be- mus, z. B. in Israel, wo diese Vorgehens- 쐍 stärkere Erfolgsorientierung (Trans- zahlt. Dies scheint eine gewaltige Unter- weise gesetzlich gebannt wurde und die plantat- und Patientenüberleben sowie schätzung der tatsächlichen Vorgänge zu Kosten von Versicherungen nicht mehr Lebensqualität nach Ltx) bei der Alloka- sein. Jedoch basierend auf diesen (dubio- übernommen werden dürfen. tion knapper Spenderorgane und not-
6 Transplantationsmedizin Rubrik LE B E N S LI N I E N 2 /2017 falls „de-listing“ von Patienten auf der den praktizierte Vorgehensweise, wonach 5 Nachfragereduzierung wird insbesondere in Warteliste wegen sehr schlechter Pro- ärztlich assistierter Suizid auch für die Or- der „Erklärung von Istanbul“ angesprochen. gnosen; dabei käme es in der Regel zu gangewinnung genutzt werden kann. Da- Sie dazu Interview mit Francis L. Delmonico einer Bevorzugung jüngerer Patienten, nach werden kurz nach dem in einer Kli- „The Science of Organ Donation“, Transplanta- was allerdings in der Bevölkerung sehr nik durch Injektion herbeigeführten Herz- tion, vol. 100, issue 7: 1394 –1395 (July 2016). kontrovers diskutiert wird 9 tod dem Verstorbenen für Transplantation 6 Siehe z. B. Kellic Young et al.: Lower Rates of geeignete Organe entnommen.11 Da sich Receiving Model for End-Stage Liver Disease Ein anderer Ansatz zielt primär auf die eine Ausweitung der Zahl der Organspen- Exception and Longer Time to Transplant Among Erweiterung des Angebots von Spender- den in Deutschland in den letzten Jahren Nonalcoholic Steatohepatitis Hepatocellular organen durch: als außerordentlich schwierig erwiesen Carcinoma, Liver Transplantation, vol. 22, issue 쐍 Werbung für Organspende durch Auf- hat, sollte die Gesundheitspolitik dem 10: 1356 –1366 (October 2016); Sarah K. Alver klärung und Stärkung der Vertrauens- Nachfragemanagement einen besonders et al.: Projected Outcomes of 6-Month Delay in basis in der deutschen Bevölkerung hohen Stellenwert einräumen. Exception Points Versus an Equivalent Model for nach den Unregelmäßigkeiten von 2012 Alle so genannten Marktlösungen mit End-Stage Liver Disease Score for Hepatocellular (gegenwärtig allenthalben durchge- pekuniären Anreizen, die insbesondere Carcinoma Liver Transplant Candidates, in führt und auch in neuen Richtlinien der im Dunstkreis des verstorbenen Ökono- demselben Heft: 1343 –1355. Bundesärztekammer festgehalten) 10 men Gary Becker von der University of George N. Ioannou et al.: How Can We improve 쐍 bessere Motivierung der Krankenhäu- Chicago propagiert wurden, sind ethisch Prioritization for Liver Transplantation in Patients ser zur Meldung (potenzieller) Organ- äußerst problematisch und in den meis- With Hepatocellular Carcinoma (editorial), im spender durch angemessenere Hono- ten Ländern nicht akzeptabel. Zahlungen selben Heft: 1321–1323. rierung der Explantation werden auch von der „Declaration of 7 Siehe dazu den Artikel „Bestimmungs- und Risi- 쐍 lückenloser Einsatz von Transplantati- Istanbul Custodian Group“ abgelehnt ; 12 kofaktoren des Ltx-Ergebnisses“, Lebenslinien onsbeauftragten in Kliniken mit Inten- es handelt sich dabei um eine weltweite Heft 1/2017; siehe auch die Forderung nach sivstation und die Unterstützung von Gruppe von Medizinern und Ethikern, die länderspezifischen Modellen bei Patrizia Burra deren Arbeit es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Prin- und Giacomo Germani: Organ Allocation for 쐍 bessere Konservierung der Spenderor- zipien der Erklärung von Istanbul zu för- Liver Transplantation: One Size Does Not Fill gane durch hypothermische Perfusion dern und zu überwachen. [sic] all (Editorial), Liver Transplantation, vol. 쐍 Förderung der Teilung von Spender- 22, issue 6: 715 – 716 (June 2016). lebern (split liver) und Steigerung der 1 Siehe z. B. den Artikel „Transplantationsethik: 8 Harald Schrem et al.: The New Liver Alloction Lebendspenden (von Nieren und ins- Die Erklärung von Istanbul“, Lebenslinien, Heft Score for Transplantation Is Validated and besondere Lebern) 2/2014. Improved Transplant Survival Benefit in Germany 2 F. Ambagtsheer et al.: On Patients Who but Not in the United Kingdom, Liver Transplan- In einigen Ländern erfolgen auch Organ- Purchase Organ Transplants Abroad, American tation, vol. 22, issue 6: 743 – 756 (June 2016). spenden nach Herztod sowie Organspen- Journal of Transplantation, vol. 16, issue 10: 9 Amanda Arroyo: Wer soll ein Organ erhalten, den zugunsten nicht verwandter oder eng 2800 – 2815 (October 2016). Tages-Anzeiger (Zürich), Rubrik Wissen, verbundener Personen. Letztere Wege 3 Siehe „Transplantationsethik: Eine weitere 18. Oktober 2016. sind wohl in Deutschland auf absehbare Irritation“ und „Erst kommt das Fressen, dann 10 Siehe auch Frank Tacke et al.: Liver Transplan- Zeit nicht möglich; umso mehr sollte sich die Moral ?“, Lebenslinien, Heft 2/2015. tation in Germany, Liver Transplantation, vol. die Gesundheitspolitik verstärkt auf die Willi Germund hat sich öffentlich zu seiner Tat 22, issue 8: 1136 –1142 (August 2016). oben genannten Ansätze konzentrieren. bekannt, auch in Buchform: Niere gegen Geld. 11 Tagesanzeiger, 26. April 2017 Als ethisch problematisch gelten dem Au- Wie ich mir auf dem internationalen Markt ein 12 Statement of the Declaration of Istanbul Cus- tor die Überlegungen in der Schweiz und Organ kaufte, Rowohlt 2015. todian Group Regarding Payments to Families die bereits in Belgien und den Niederlan- 4 Siehe Fußnote 2. of Deceased Organ Donors, Transplantation, vol. 100, issue 9: 2006 – 2009 (September 2016). Richtlinie für die Lebendorganspende in Vorbereitung Kommission, mit deren Hilfe sie ihren Statuts und einer entsprechenden Ver- Foto: privat gesetzlichen Auftrag ( § 16 Absatz 1 Ziff. fahrensordnung – beide sind auf der 1– 2 TPG) erfüllt, für bestimmte, gesetz- Homepage der BÄK einsehbar – arbeitet, lich festgelegte Bereiche der Transplanta- bedient sich ihrerseits zur Bündelung des tionsmedizin den Stand der Erkenntnisse Sachverstands bei der Vorbereitung einer der medizinischen Wissenschaft festzu- neuen oder Änderung einer bereits exis- stellen und in Richtlinien festzulegen. Die tierenden Richtlinie verschiedener, u. a. StäKO hat u.a. die Aufgabe, für den Vor- organspezifischer Arbeitsgruppen. stand der BÄK Empfehlungen zu Grund- Eine von der StäKO vor etwas mehr sätzen und Richtlinien für die Organspen- als zwei Jahren eingerichtete Arbeits- Prof. Dr. jur. Ruth Rissing-van Saan de, -vermittlung und -verteilung zu erar- gruppe ist zurzeit damit befasst, erstmals Mitglied der Arbeitsgruppe Lebendorgan- beiten, die der Vorstand dann allerdings Empfehlungen zu einer Richtlinie für Le- spende der Ständigen Kommission Organ- noch genehmigen und beschließen muss. bendorganspenden zu erarbeiten. Die Ar- transplantation Schließlich muss auch noch eine Geneh- beit an der Richtlinie hat sich – bedingt migung des Bundesministeriums für Ge- durch die Komplexität der Regelungsge- D ie Ständige Kommission Organtrans- plantation (StäKO) ist eine von der Bundesärztekammer (BÄK) errichtete sundheit eingeholt werden. Die StäKO, die auf der Grundlage eines vom Vorstand der BÄK beschlossenen genstände – als sehr detailliert und des- halb auch sehr zeitaufwändig erwiesen, da mit ihr u. a. Neuland betreten wird, so-
LE B E N S LI N I E N 2 /2017 Transplantationsmedizin Rubrik 7 weit es neben dem Organempfänger auch zinische Erkennung und Behandlung von dem mit Blick auf das zukünftige Trans- um die Gesundheit und die Versorgung schwerwiegenden unerwünschten (ge- plantationsregister gesteigerte Bedeu- eines lebenden Spenders geht. Zudem sundheitlichen) Reaktionen beim leben- tung zukommt. Es geht hier darum fest- hat sich die Richtlinie mit mehreren Orga- den Spender getroffen werden, die im zulegen, welche Daten, Befunde, Vorfälle nen zu befassen, soweit sie für eine Le- Rahmen seiner Nachbetreuung festge- und Reaktionen usw. wann, wo und wie bendorganspende in Betracht kommen. stellt werden können. Schwerpunkte der vom Transplantationszentrum zu doku- Die gesetzlichen Grundlagen für die Regelungen in der neuen Richtlinie für die mentieren sind. Arbeit an der neuen Richtlinie sind § 16 Lebendorganspende werden somit sowohl Durch die neue Richtlinie nicht berührt Absatz 1 Ziffer 4c) und Ziffer 7 TPG. Die konkret festzulegende Maßnahmen zum werden die nach § 8 TPG vorgeschriebe- Richtlinie soll nach § 16 Absatz 1 Ziffer 4c) Schutz des Empfängers als auch zu erfor- nen grundsätzlichen Bedingungen für die TPG ergänzend zu der Organ- und Spen- derlichen Nachsorgemaßnahmen beim Zulässigkeit einer Lebendorganspende, derkonditionierung nach § 10 a TPG zum Lebendorganspender sein. Notwendig insbesondere bleibt es dabei, dass die einen festlegen, welche Maßnahmen bei sind ferner Regeln für die jeweils erfor- postmortale Organspende Vorrang vor ei- der Lebendorganspende zum Schutz des derlichen Dokumentationen. Die Anforde- ner Lebendorganspende hat. Das bedeu- Organempfängers, insbesondere hin- rungen an die Aufzeichnung der Lebend- tet, so lange § 8 TPG vom Gesetzgeber sichtlich der Qualität und Sicherheit des organspenden ist ein gesonderter Rege- nicht geändert wird, ist und bleibt eine gespendeten Organs erforderlich sind. lungspunkt ( § 16 Absatz 1 Ziffer 7 TPG Lebendorganspende nur eine subsidiäre Zum anderen sollen Regeln für die medi- i. V. m. § 10 Absatz 2 Nr. 6 TPG), dem zu- Option! Stand der Zusatz-Weiterbildung Transplantationsmedizin von Kenntnissen i. B. der Indikationsstel- mission Organtransplantation der Bundes- Foto: privat lung, Vorbereitung, Durchführung und/ ärztekammer und mit Dezernat 02, Ärzt- oder Nachsorge bei Organtransplantatio- liche Aus- und Weiterbildung, der Bun- nen, Lebend-Organspenden, Erkennung desärztekammer, statt. Im Juli 2012 be- und Behandlung von Komplikationen nach schloss die Mitgliederversammlung der Organspende, das Wartelistenmanage- DTG auf ihrer Jahrestagung in Berlin die ment und umfassende immunologische Einreichung der ZWB bei der BÄK. Kenntnisse einschließlich der Anwendung Diese erfolgte im Januar 2013 in die und Überwachung der medikamentösen Medizinische (Muster-)Weiterbildungs- Immunsuppression nach Organtransplan- ordnung (MWBO). Auf dem 119. Deut- Prof. Dr. med. Björn Nashan tation und supportiver Maßnahmen so- schen Ärztetag in Hamburg wurde die wie die Therapie auftretender Komplika- Version MWBO 2.0 ins Netz gestellt. 1, 2 D ie Transplantationsmedizin hat sich zu einer anerkannten und etablierten Therapie-Option für Patienten mit termi- tionen. Ein besonders hoher Stellenwert wird der Kenntnis gesetzlicher, ethischer und gesellschaftlicher Rahmenbedingun- Gegenstand der Version 2 sind der Ab- schnitt B der Novelle: Facharzt-/Schwer- punktbezeichnungen, Allgemeine Inhalte nalem Organversagen entwickelt und gilt gen der Transplantationsmedizin und Or- und das Glossar. Geplant ist im Laufe die- als hochspezialisierte Therapie, die um- ganspende einschließlich der Allokation ses Jahres die Abstimmung der BÄK mit fassende Kenntnisse auf den unterschied- von Organen eingeräumt. den Landesärztekammern (LÄK) zur Wei- lichsten Gebieten verlangt. Sie ist in Die Inhalte wurden in Anlehnung an die terentwicklung der Novelle zur MWBO 3.0 Deutschland durch eine Spezialgesetzge- Curricula des European Board of Trans- und damit vorläufig endgültigen Version. bung im Transplantationsgesetz geregelt, plant Medicine (UEMS), der Division of Relevante Inhalte der ZWB finden bereits die vom Transplantationsmediziner um- Transplant Surgery (UEMS), der chirurgi- jetzt Eingang in die Richtlinienarbeit am fassende Kenntnisse über die Strukturen schen Fortbildung für Fellows im Rahmen Beispiel der Richtlinie gemäß §16 Abs.1 wie Auftraggeber (Bundesärztekammer des Curriculums der American Society for S 1 Nr. 4a ) und b) TPG zur medizinischen (BÄK), Spitzenverband der gesetzlichen Transplant Surgeons (ASTS) und der Ame- Beurteilung von Organspendern und zur Krankenversicherungen und Deutsche rican Society for Transplantation (AST) er- Konservierung von Spenderorganen.3 Die Krankenhausgesellschaft), Ständige Kom- stellt. Die ZWB Transplantationsmedizin LÄK Sachsen-Anhalt hat als bundesweit mission Organtransplantation und die Part- ist als interdisziplinäre Weiterbildung aus- erste Landesärztekammer am 16.4.2016 ner der Transplantationszentren (Deut- gelegt mit fachspezifischen Kernen, die für die Einführung der ZWB Transplantations- sche Stiftung Organtransplantation, Euro- alle Fachgruppen gelten, sowie speziellen medizin beschlossen.4 transplant) erwartet, um Patienten mit Anforderungen für die einzelnen Fachbe- hoher Qualität versorgen und das Gebiet reiche. Daher wird dieser Bezeichnung der Referenzen kontinuierlich entsprechend dem aktuel- adjektivische Zusatz der jeweiligen Fach- 1. https://wiki.baek.de/dokumente/dashboard. len Wissensstand der Medizin weiterent- arztbezeichnung zugefügt werden; das action;jsessionid=838AC1518245802AE75A0 wickeln zu können. Derzeit besteht in sind z. B. (Chirurgische, Internistische, Pä- FE346575349 Deutschland keine Weiterbildung und diatrische, Urologische Transplantations- 2. http://www.presseportal.de/pm/9062/3336879 Qualifizierung im Bereich der Transplan- medizin – diese Liste hat keinen Anspruch 3. http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/ tationsmedizin. auf Vollständigkeit). user_upload/downloads/pdf-Ordner/RL/Rili Die zukünftige Zusatz-Weiterbildung Der eingereichte Vorschlag wurde zwi- OrgaEmpfaengerschutzMedBeurt20150424.pdf Transplantationsmedizin (ZWB) soll der schen 2010 und 2012 in Abstimmung mit 4. https://www.aeksa.de/www/website/design/ inhaltlichen und fachlichen Qualifikation den Mitgliedern und Kommissionen der story/detail.htm?recordid=154287CC315&NavP der beteiligten Facharztgruppen dienen. Deutschen Transplantationsgesellschaft ath1=Artikel&NavPath2=&NavPath3=&NavPath Sie umfasst daher in Ergänzung zur jewei- (DTG) erarbeitet. Zeitgleich fand eine in- 4=&EntryPoint=/www/website/design/story ligen Facharztkompetenz die Vermittlung tensive Diskussion in der Ständigen Kom-
8 Transplantationsmedizin Rubrik LE B E N S LI N I E N 2 /2017 PBC und PSC – Wann auf die Liste, wann zur Transplantation? Was sagen die Richtlinien? Seit Kurzem ist mit Obeticholsäure Die PSC ist eine chronische Gallen- Fotos: UniversitätHeidelberg (OCA) ein weiteres Medikament für die wegserkrankung, deren Ursache noch im- PBC in Deutschland zugelassen, das für mer nicht vollständig aufgeklärt ist. Ent- Patienten mit unzureichendem Anspre- zündliche Prozesse der intra- und extra- chen oder Unverträglichkeit gegenüber hepatischen Gallenwege führen zu narbi- UDCA eine neue Therapiemöglichkeit gen Verengungen mit perlschnuratigen darstellt. Erweiterungen. Der Erkrankungsverlauf ist Bei PBC-Patienten, die nicht auf eine variabel, ist aber bei vielen Patienten pro- medikamentöse Therapie ansprechen, gredient bis hin zur Leberzirrhose. Die kann die Erkrankung meist innerhalb von Erkrankung betrifft überwiegend Männer, 왕 Dr. med. Christian Rupp mehreren Jahren bis hin zur Leberzirrho- wobei die Erstdiagnose meist zwischen 컄 Prof. Dr. med. Karl-Heinz Weiss se fortschreiten. Diese irreparable Leber- dem 20. Und 40. Lebensjahr gestellt Ambulanz für cholestatische Leber- schädigung kann schließlich zu Leber- wird. In der Mehrzahl der Fälle besteht erkrankungen funktionsstörungen führen, wie z.B. feh- gleichzeitig eine chronische entzündliche Medizinische Klinik Universität Heidelberg lender Entgiftungsleistung, mangelnde Darmerkrankung. Bildung von Bluteiweißen und Gerin- Auch die PSC wird mit UDCA behan- D ie Primär Biliäre Cholangitis (PBC, ehe- mals Primär biliäre Zirrhose) und die Primär Sklerosierende Cholangitis (PSC) nungsfaktoren, welche wiederum zu le- bensbedrohlichen Komplikationen (Le- berkoma, Blutungen etc.) führen können. delt, wobei der positive Einfluss auf den Erkrankungsverlauf nicht so stark ist wie bei der PBC. Vermutlich profitiert eine sind seltene chronische Gallenwegser- Patienten mit einer PBC und einem un- Subgruppe von Patienten, deren Leber- krankungen, die häufig zu einer fortschrei- zureichenden Ansprechen auf eine medi- und Gallewerte sich unter Therapie mit tenden Leberschädigung bis hin zur Leber- kamentöse Therapie sollten rechtzeitig an UDCA verbessern. zirrhose führen können. Trotz der geringen ein Lebertransplantationszentrum ange- Der Erkrankungsverlauf der PSC ist va- Häufigkeit dieser Erkrankungen sind sie ein bunden werden. riabel, wird jedoch häufig durch wieder- überproportional häufiger Grund für eine holte fieberhafte Infekte der Gallenwege Lebertransplantation. Grundsätzlich sollte bestimmt, welche über einen Zeitraum Die Organvergabe für Patienten eine Aufnahme auf die Warteliste zur Le- von mehreren Jahren zu einer zunehmen- bertransplantation erfolgen, wenn eine mit PBC erfolgt gemäß dem den Vernarbung der Gallenwege führen. Lebererkrankung besteht, die nicht rück- MELD-Wert, welcher anhand Zudem kommt es bei vielen Patienten bildungsfähig fortschreitet, das Leben des Bilirubin-, Kreatinin- und im Verlauf der Erkrankung zu Verengun- gefährdet oder die Lebensqualität hoch- gen der großen Gallenwege (dominante INR-Wertes errechnet wird. gradig einschränkt und durch eine Le- Stenosen), welche endoskopisch im Rah- bertransplantation erfolgreich behandelt men einer Gallenspiegelung aufgedehnt werden kann. Eine besondere Risikogruppe stellen werden können. Eine erfolgreiche endos- Die PBC ist eine Autoimmunerkrankung junge Patienten, männliche Patienten so- kopische Dekompression scheint das der Gallenwege, welche überwiegend bei wie Patienten mit einer Leberzirrhose bei Fortschreiten zu einer biliären Zirrhose zu Frauen (90 %) ab dem 50. Lebensjahr Erstdiagnose dar. Diese Patienten haben verlangsamen und das Risiko für bakteri- festgestellt wird. Die Diagnose kann an- ein höheres Risiko für eine rasche Erkran- elle Cholangitiden zu verringern. Zudem hand erhöhter Leber- und Gallewerte, dem kungsprogression. Spätestens beim Nach- haben PSC-Patienten ein erhöhtes Risiko Nachweis von typischen Autoantikörpern weis einer Leberzirrhose infolge einer PBC für Gallenwegstumoren, weshalb regel- (antimitochondriale Antikörper – AMA) empfiehlt sich die Vorstellung in einem mäßige laborchemische, endoskopische und ggf. einer Leberbiopsie gestellt wer- Lebertransplantationszentrum. Hier wird und bildgebende Kontrolluntersuchungen den. Die Symptome sind zu Beginn der Er- jeder Patient in einer interdisziplinären für die Langzeitbetreuung der Patienten krankung oft allgemeiner Art: Häufig wer- Transplantationskonferenz besprochen notwendig sind. den Müdigkeit, Juckreiz und Schmerzen und anhand des Erkrankungsstadiums und Bei vielen Patienten kommt es trotz bzw. Druckgefühl im rechten Oberbauch der noch vorhandenen Leberfunktion medikamentöser und endoskopischer angegeben. Viele PBC-Patientinnen lei- über die Aufnahme auf die Warteliste zur Therapie langfristig zu einem zunehmen- den zusätzlich an weiteren immunologi- Lebertransplantation entschieden. Bei Zei- den Untergang der Gallenwege, welcher schen Erkrankungen aus dem rheumati- chen des drohenden Leberausfalls bzw. letztlich zu einer biliären Leberzirrhose schen Formenkreis, wie z. B. Rheumato- lebensbedrohlichen Komplikationen ist führt. In diesen Fällen ist die Lebertrans- ider Arthritis oder Zöliakie (Verdauungs- eine rasche Aufnahme auf die Warteliste plantation derzeit die einzige kurative probleme). Die Standardtherapie der notwendig. Die Organvergabe für Patien- Therapieoption. Wie bei der PBC so emp- PBC ist Ursodesoxycholsäure (UDCA) ten mit PBC erfolgt gemäß dem MELD- fiehlt sich auch für PSC-Patienten eine in einer Dosierung von 13 –15 mg/kg Wert, welcher anhand des Bilirubin-, Krea- frühzeitige Anbindung an ein Lebertrans- Körpergewicht. Hierdurch kann bei circa tinin- und INR-Wertes errechnet wird. Der plantationszentrum. Die Aufnahme auf 2/ 3 der Patienten eine Normalisierung MELD-Wert gibt das Risiko an, infolge ei- die Warteliste zur Lebertransplantation der Cholestaseparameter und eine Sta- nes Organversagens der Leber innerhalb sollte bei Nachweis einer Leberzirrhose bilisierung der Erkrankung erreicht wer- von drei Monaten zu versterben. Je schlech- bzw. bei anhaltenden Komplikationen wie den. Patienten, welche auf eine Therapie ter die Laborwerte, desto höher der Gallestau oder Gallenwegsinfektionen mit UDCA ansprechen, haben meist einen MELD-Wert, desto dringlicher die Indika- entschieden werden. stabilen Erkrankungsverlauf und müssen tion zur Lebertransplantation. Der MELD- Der MELD-Wert, welcher aus den La- daher nicht transplantiert werden. Wert muss regelmäßig aktualisiert werden. borwerten errechnet wird, hat für PSC-
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