DIPHENHYDRAMIN SACHVERSTÄNDIGEN-AUSSCHUSS FÜR VERSCHREIBUNGSPFLICHT 23. JANUAR 2020 - BFARM

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DIPHENHYDRAMIN SACHVERSTÄNDIGEN-AUSSCHUSS FÜR VERSCHREIBUNGSPFLICHT 23. JANUAR 2020 - BFARM
Diphenhydramin

Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht
23. Januar 2020

                                                       Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 1
Hintergrund I

• 81. Sitzung des Sachverständigen-Ausschusses für die Verschreibungspflicht
  (SVA):
    o Behandlung eines Antrags auf Unterstellung von oral anzuwendenden
      Antihistaminika der ersten Generation mit sedierender Wirkung unter die
      Verschreibungspflicht bei Patienten über 65 Jahre
• Ergebnis:
    o Mehrheitliche Empfehlung des SVA, den Antrag abzulehnen
    o Gleichzeitig votierte der SVA für eine weiterführende Befassung mit der
      Thematik unter Berücksichtigung der betreffenden Einzelsubstanzen
• Bisherige Maßnahmen des BfArM:
    o Zunächst Auswahl von Doxylamin basierend auf der SVA-Empfehlung sowie
      Diphenhydramin als weiterem typischen Vertreter mit etabliertem Einsatz

                                                      Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 2
Hintergrund II

• Einbindung der Zulassungsinhaber (ohne Nutzer von Standardzulassungen)
  zwecks Datenbereitstellung:
   o Bereitstellung der Expositions- bzw. Verkaufszahlen soweit vorhanden
   o Informationen zu vorliegenden Nebenwirkungsverdachtsfällen, insb. zu
      Fällen assoziiert mit
        Sturz
        Gleichgewichtsstörung
        Gangstörung
        Verwirrtheitszustand
        Delirium
        Frakturen jeglicher Art

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Wirkstoff

• H1-Rezeptor-Antagonist der ersten Generation
   o Therapeutisch wird die sedative und antiemetische Wirkung genutzt
   o Anticholinerge Wirkung bedingen die häufigsten Nebenwirkungen
• Dosierung:
   o Einzeldosis von 25 – 50 mg
   o Dosisreduzierung bei beeinträchtigter Leber- und Nierenfunktion,
      geschwächten und älteren Patienten über 65 Jahre empfohlen

                                               Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 4
Verkaufsabgrenzung und Zulassungsstatus I

• Positionsformulierung in Anlage 1 der AMVV:
        „Diphenhydramin - zur parenteralen Anwendung -“
• 290 apothekenpflichtige und national zugelassene Monoarzneimittel zur
  oralen Anwendung
   o 284 Standardzulassungen
   o 6 Arzneimittel, die nicht auf Standardzulassungen beruhen
• 2 apothekenpflichtige und dezentral zugelassene Kombinationsarzneimittel

                                                Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 5
Verkaufsabgrenzung und Zulassungsstatus II

• Monoarzneimittel – Standardzulassungen:
   o 4 BfArM-Monographien
     (25-mg- und 50-mg-Kapseln; 25-mg- und 50-mg-Tabletten)
   o Anwendungsgebiete: Einschlaf- und Durchschlafstörungen
   o Schrittweise Dosisreduzierung/Absetzen nach zweiwöchiger täglicher
     Einnahme; Notwendigkeit der fortgesetzten Einnahme soll überprüft
     werden
   o Monographien werden derzeit überarbeitet; im derzeitigen, noch nicht
     verabschiedeten Referentenentwurf ist ein expliziter Warnhinweis für
     die Anwendung bei älteren Patienten enthalten

                                               Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 6
Verkaufsabgrenzung und Zulassungsstatus III

• Monoarzneimittel – nicht auf Standardzulassung beruhend
   o Diphenhydramin-Gehalt: 25 bzw. 50 mg
   o Anwendungsgebiete:
     - 5 Arzneimittel zur Kurzzeitbehandlung von Schlafstörungen mit
     klinisch bedeutsamem Schweregrad;
     - 1 Arzneimittel zur Prophylaxe und symptomatischen Therapie von
     Übelkeit und Erbrechen, insb. von Kinetosen
   o Maximale Anwendungsdauer: 2 Wochen
   o Fachinformation: Empfehlung zur Dosisanpassung bei älteren und
     geschwächten Patienten

                                               Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 7
Verkaufsabgrenzung und Zulassungsstatus IV

• Kombinationsarzneimittel
   o 25 mg Diphenhydramin kombiniert mit 500 mg Paracetamol
   o Anwendungsgebiet ist im Wesentlichen die Kurzzeitbehandlung von
     Schmerzen, die das Einschlafen erschweren
   o In Fachinformation enthaltener Warnhinweis bzgl. Diphenhydramin:
     „Sollte nicht von älteren Menschen mit Verwirrtheit eingenommen
     werden. Sedierende Antihistaminika können bei älteren Menschen zu
     Verwirrtheit und paradoxen Erregungszuständen führen.“

                                              Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 8
Nebenwirkungen und Risiken

• die am häufigsten auftretenden Nebenwirkungen sind:
   o Sedierung; Somnolenz; Schläfrigkeit; Benommenheit und
       Konzentrationsstörungen während des Folgetages, insbesondere nach
       unzureichender Schlafdauer; Schwindel; Muskelschwäche;
       Kopfschmerzen; Sehstörungen; trockener Hals; Mundtrockenheit;
       Magen-Darm-Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall);
       Magenschmerzen; Obstipation; Gastro-ösophagealer Reflux;
       Miktionsstörungen; Asthenie

• die typischen Nebenwirkungen sind in erster Linie auf die anticholinergen,
  aber auch sedierenden Eigenschaften von Diphenhydramin zurückzuführen

                                                 Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 9
Auswertung der Nebenwirkungsdaten I

Analyse des von den pharmazeutischen Unternehmern übermittelten
Datenmaterials zu Fällen mit möglicher Sturzassoziation (Falllistungen und
Narratives):
Insgesamt 62 Fallmeldungen mit insgesamt 210 Nebenwirkungen,
aufgeschlüsselt nach folgenden Altersgruppen:

 Altersangabe                               insgesamt                      davon schwerwiegend
 Kinder (< 18 Jahren)                                 12                                             12
 Erwachsene (≥ 18 - < 65 Jahren)                      36                                             30
 Ältere Patienten (≥ 65 Jahren)                        7                                              5
 Keine Angabe                                          7
(Fallberichte aus den Datenbanken der Pharmazeutischen Unternehmer)

                                                                  Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 10
Auswertung der Nebenwirkungsdaten II –
Einzelanalyse von Fallberichten
Insgesamt liegen 3 Fälle vor, bei denen im Vergleich zu den anderen
Altersgruppen bestimmte sturzassoziierte Reaktionen bei den älteren
Patienten häufiger waren
In diesen Fällen wurden jeweils die folgenden Nebenwirkungen beschrieben:
• “Confusional state, asthenia, visual hallucinations”
• “Anticholinergic syndrome, confusional state, seizure, intentional overdose,
    suicide attempt, tachycardia”
• “Delirium, fall, gait disturbance, intentional overdose, suicide attempt”

                                                  Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 11
Auswertung der Nebenwirkungsdaten II –
Einzelanalyse von Fallberichten
• Ergebnis der Einzelfallbewertung:
   o Bei 1 Fall erlaubt die vorhandene Information keine Beurteilung des
      Kausalzusammenhangs
   o Bei den 2 anderen Fällen handelt es sich um Suizidversuche mit jeweils
      des 10-fachen der empfohlenen maximalen Dosierung von 50 mg; in
      beiden Fällen wurde zudem Doxylamin in der 20- bzw. 30-fachen
      Überdosierung eingenommen, einer dieser Patienten nahm zusätzlich
      noch Methadon ein; beide Patienten sind wiederhergestellt

                                                Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 12
Literaturdaten I

Alvarez et al., 2015:
•   Kohortenstudie zur Anwendung von Skelettmuskelrelaxantien und Antihistaminika
•   erhöhtes Sturzrisiko für ältere Patienten, die Antihistaminika einnahmen
•   Studie hat viele Limitationen; Studie ist nicht geeignet, ein konkretes Risiko für einen der
    untersuchten Wirkstoffe abzuleiten

American Geriatrics Society Beers Criteria Update Expert Panel (“Beers-Liste“), 2015/2019:
•   Warnt vor Anwendung von Diphenhydramin und anderen Antihistaminika der ersten
    Generation bei älteren Patienten wegen anticholinergem Effekt und Toleranzentwicklung
•   Datenevidenz wird als „moderat“ eingestuft, d. h. die Evidenz wird als ausreichend
    beurteilt, um die Risiken in der Anwendung zu belegen, jedoch als limitiert aufgrund
    fehlender/nicht ausreichender Studiendaten

                                                              Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 13
Literaturdaten II

Park et al., 2015:
•   systematischer Review der Publikationen der letzten fünf Jahre bzgl. eines
    Zusammenhangs von Stürzen und bestimmten Medikationen
•   widersprüchliche Ergebnisse: je eine Publikation mit und ohne Zusammenhang
    zwischen Stürzen und Antihistaminikaeinnahme, keine Unterscheidung nach
    Wirkstoffen

Schroeck et al., 2016:
•   Autoren raten von der Verwendung von Diphenhydramin bei älteren Patienten
    ab und verweisen insbesondere auf das Problem der nachhaltigen Sedierung,
    der anticholinergen Effekte und der Toleranzentwicklung
•   Autoren berufen sich dabei auf die Beers-Liste sowie auf Studien, die aber in
    ihrer Aussagekraft limitiert sind

                                                      Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 14
Literaturdaten III

Riemann et al. (S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“), 2017:
•   Kognitive Verhaltenstherapie als Mittel der Wahl bei allen Erwachsenen mit Insomnien
•   Pharmakologische Intervention nur ergänzend/wenn Verhaltenstherapie nicht möglich ist
    und nur kurzfristig; Langzeitbehandlung wird bei keiner Arzneimittelgruppe empfohlen
•   Zu Antihistaminika wird aufgrund unzureichender Datenlage keine Empfehlung
    ausgesprochen

Cho et al., 2018:
•   Identifikation von 473 Studien in MEDLINE, EMBASE und weiteren Datenbanken bis
    11/2016, die Zusammenhang von Stürzen und bestimmten Medikationen untersuchten
•   2 Publikationen ließen eine Auswertung bzgl. Antihistaminika der ersten Generation und
    Sturzgefahr zu: Alvarez, 2015 und Lee, 2016 (hier wurde das Risiko von Hüftfrakturen
    nach Stürzen betrachtet, allerdings nicht aufgeschlüsselt nach Wirkstoffen)

                                                          Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 15
Literaturdaten IV

Park et al., 2019:
• Fallkontrollstudie zum Zusammenhang von Arzneimittelgabe und
   Sturzrisiko bei 1832 über 65-Jahre alten Bewohnern in japanischen
   Pflegeheimen
• Einnahme verschiedener Arzneimittel (u. a. NSARs, Antiparkinson-mitteln,
   Muskelrelaxantien, Antiepileptika, Antipsychotika, Antidepressiva,
   Opioiden) war mit einem höheren Sturzrisiko verbunden
• Antihistaminika (ohne Aufschlüsselung nach Stoffgruppen) wurden nicht als
   sturzassoziiert identifiziert

                                                Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 16
Diskussion

•   Keine spezifischen Studiendaten, die ein erhöhtes Sturzrisiko für ältere Anwender
    belegen, die vorhandenen Studien weisen zahlreiche Limitationen auf
•   Die Analyse der Nebenwirkungsmeldungen ergab keinen belastbaren Beleg für ein
    erhöhtes Risiko bei Älteren hinsichtlich der sturzassoziierten Nebenwirkungen
•   Ältere Patienten weisen häufig eine eingeschränkte Nieren- und Leberfunktion auf, was
    konsekutiv zu unerwünschten anticholinergen wie antihistaminischen Wirkungen führen
    kann
   Nebenwirkungen könnten Ursache für erhöhte Sturzraten bei älteren Patienten sein –
    entsprechende Datenbelege fehlen aber
   Hinweise, dass bei älteren Patienten eine Dosisanpassung notwendig sein kann, finden
    sich in den Produktinformationen oder sind geplant
 Insgesamt lässt die Datenlage keine Rückschlüsse auf ein erhöhtes Sturzrisiko bei Älteren
  bei bestimmungsgemäßem Gebrauch von Diphenhydramin zu

                                                           Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 17
Zusammenfassung und Empfehlung

•   Die Datenlage zur Postulierung eines erhöhten Sturzrisikos bei Älteren durch
    Diphenhydramin ist sowohl im Bereich der Nebenwirkungsmeldungen als auch auf der
    Grundlage von Studien eingeschränkt
•   Die Datenlage wird derzeit als nicht ausreichend bewertet, um die Anwendung von
    Diphenhydramin bei älteren Patienten der Verschreibungspflicht zu unterstellen
•   Das BfArM sieht – bedingt durch die pharmakologischen Eigenschaften von
    Diphenhydramin – das Potential, dass Dosis-abhängige Nebenwirkungen insbesondere
    bei älteren Patienten auftreten und konsekutiv Stürze verursachen könnten
•   Aus Sicht des BfArM sollte die Kommunikation zu der Thematik verstärkt werden –
    insbesondere die Information und Einbindung der Apotheker scheint wesentlich, damit
    eine gezielte Aufklärung der (älteren) Patienten bzgl. der Einnahme der sedierenden
    Antihistaminika der ersten Generation erfolgen kann

                                                         Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 18
Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 19
Doxylamin

Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht
23. Januar 2020

                                                       Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 20
Hintergrund I

• 81. Sitzung des Sachverständigen-Ausschusses für die Verschreibungspflicht
  (SVA):
    o Behandlung eines Antrags auf Unterstellung von oral anzuwendenden
      Antihistaminika der ersten Generation mit sedierender Wirkung unter die
      Verschreibungspflicht bei Patienten über 65 Jahre
 Ergebnis:
     Mehrheitliche Empfehlung des SVA, den Antrag abzulehnen
     Gleichzeitig votierte der SVA für eine weiterführende Befassung mit der
      Thematik unter Berücksichtigung der betreffenden Einzelsubstanzen
• Bisherige Maßnahmen des BfArM:
• Zunächst Auswahl von Doxylamin basierend auf der SVA-Empfehlung sowie
  Diphenhydramin als weiterem typischen Vertreter mit etabliertem Einsatz

                                                      Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 21
Hintergrund II

•   Einbindung der Zulassungsinhaber (ohne Nutzer von Standardzulassungen)
    zwecks Datenbereitstellung:
     o Expositions- bzw. Verkaufszahlen soweit vorhanden
     o Informationen zu vorliegenden Nebenwirkungsverdachtsfällen, insb. zu
       Fällen assoziiert mit
          Sturz
          Gleichgewichtsstörung
          Gangstörung
          Verwirrtheitszustand
          Delirium
          Frakturen jeglicher Art

                                                  Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 22
Wirkstoff Doxylamin

• H1-Rezeptor-Antagonist der ersten Generation
• Doxylamin antagonisiert die Histaminwirkung, die allergische Effekte und
  zentralnervöse Wirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und Störung des Schlaf-
  Wach-Rhythmus vermittelt
• Wirkstoff ist ZNS-gängig
• antiallergische, antiemetische und sedierende Wirkung

                                               Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 23
Verkaufsabgrenzung und Zulassungsstatus I

• Positionsformulierung in Anlage 1 der AMVV:
   „Doxylamin - zur Behandlung von Schlafstörungen bei Kindern bis zum
   vollendeten 18. Lebensjahr -"
• 8 apothekenpflichtige Monoarzneimittel und 1 verschreibungspflichtiges
  Monoarzneimittel mit Kinderindikation
• Apothekenpflichtige Monoarzneimittel:
 Indikation: symptomatische Kurzzeitbehandlung von Schlafstörungen, die
  Ein- und Durchschlafstörungen einschließen
 7 Arzneimittel: Einzeldosis 25 mg/tägliche Höchstdosis 50 mg
 1 Arzneimittel: Einzeldosis 30 mg/tägliche Höchstdosis 60 mg
 Beschränkung der Einnahmedauer auf zwei Wochen

                                               Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 24
Verkaufsabgrenzung und Zulassungsstatus II

2 apothekenpflichtige doxylaminhaltige Kombinationsarzneimittel:
• Wick MediNait Erkältungssirup für die Nacht: Doxylamin (7,5 mg) +
   Paracetamol + Dextromethorphan + Ephedrin
• Wick MediNait Erkältungssirup mit Honig und Kamillenaroma: Doxylamin
   (7,5 mg) + Paracetamol + Dextromethorphan

• Indikation beider Arzneimittel: „Zur symptomatischen Behandlung von
  gemeinsam auftretenden Beschwerden wie Kopf-, Glieder oder
  Halsschmerzen, Fieber, Schnupfen und Reizhusten infolge einer Erkältung
  oder eines grippalen Infekts.“

                                                Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 25
Nebenwirkungen und Risiken

• die am häufigsten auftretenden Nebenwirkungen sind:
   o Sedierung; Somnolenz; Schläfrigkeit; Benommenheit und
      Konzentrationsstörungen während des Folgetages, insbesondere nach
      unzureichender Schlafdauer; Schwindel; Muskelschwäche;
      Kopfschmerzen; Sehstörungen; trockener Hals; Mundtrockenheit;
      Magen-Darm-Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall);
      Magenschmerzen; Obstipation; Gastro-ösophagealer Reflux;
      Miktionsstörungen; Asthenie

• die typischen Nebenwirkungen sind in erster Linie auf die anticholinergen,
  aber auch sedierenden Eigenschaften von Doxylamin zurückzuführen

                                                 Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 26
Auswertung der Nebenwirkungsdaten I

Analyse des von den pharmazeutischen Unternehmern übermittelten
Datenmaterials zu Fällen mit möglicher Sturzassoziation (Falllistungen und
Narratives):
Insgesamt 46 Fallmeldungen mit insgesamt 243 Nebenwirkungen,
aufgeschlüsselt nach folgenden Altersgruppen:

 Altersangabe                            insgesamt                         davon schwerwiegend
 Kinder (
Auswertung der Nebenwirkungsdaten II –
Einzelanalyse von Fallberichten
• Die Reaktionen „Fall“, „Delirium“ und „Somnolence“ wurden im Vergleich
  zu den anderen Altersgruppen häufiger gemeldet
• Die o. g. Reaktionen betreffen folgende Fallberichte:
 1 Fall: der berichtete Sturz war auf eine anaphylaktische Reaktion
  zurückzuführen.
 1 Fall: insuffiziente Information
 1 Fall: absichtliche Überdosierung, die auf Arzneimittelmissbrauch zu-
  rückzuführen war
 7 Fälle: Suizid/Suizidversuche (1 Patient, der Doxylamin in 100-facher
  Überdosierung eingenommen hatte, verstarb; die anderen 6 Patienten
  erholten sich vollständig bei bis zu 40-facher Überdosierung)

                                               Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 28
Literaturdaten

• Keine spezifischen (Studien-)Daten vorhanden, die die Einnahme von
  Doxylamin und (sturzassoziierten) Nebenwirkungen bei älteren Patienten
  untersuchen
• In der Studie von Alvarez et al., 2015, die die Anwendung von
  Skelettmuskelrelaxantien und Antihistaminika bei Patienten älter als 65
  Jahre untersuchte, war Doxylamin nicht Teil der Studienmedikation
• Bezüglich weiterer Literaturdaten wird auf die Darstellungen zu
  Diphenhydramin verwiesen

                                                Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 29
Diskussion

•   Keine spezifischen Studiendaten für den Zusammenhang zwischen der
    Anwendung von Doxylamin und Stürzen bei älteren Anwendern vorhanden
•   Die vorhandenen Studien
 beziehen Doxylamin nicht bei den untersuchten Antihistaminika ein und/oder
 differenzieren die Gruppe der Antihistaminika nicht nach einzelnen Substanzen
  und/oder
 weisen etliche (weitere) Limitationen auf
•   Die Analyse der Nebenwirkungsmeldungen ergab keinen belastbaren Beleg für
    ein erhöhtes Risiko bei Älteren hinsichtlich sturzassoziierter Nebenwirkungen
 Insgesamt lässt die Datenlage keine Rückschlüsse auf ein erhöhtes Sturzrisiko
  bei Älteren bei bestimmungsgemäßem Gebrauch von Doxylamin zu

                                                     Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 30
Zusammenfassung und Empfehlung

• Die Datenlage zur Postulierung eines erhöhten Sturzrisikos bei Älteren
  durch Doxylamineinnahme ist sowohl im Bereich der
  Nebenwirkungsmeldung als auch auf der Grundlage von Studien
  eingeschränkt
• Die Datenlage wird derzeit als nicht ausreichend bewertet, um die
  Anwendung von Doxylamin bei älteren Patienten der Verschreibungspflicht
  zu unterstellen
• Aus Sicht des BfArM sollte die Kommunikation zu der Thematik verstärkt
  werden – insbesondere die Information und Einbindung der Apotheker
  scheint wesentlich, damit eine gezielte Aufklärung der (älteren) Patienten
  bzgl. der Einnahme der sedierenden Antihistaminika der ersten Generation
  erfolgen kann

                                                Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 31
Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 32
Positionsformulierungen

Diphenhydramin
- zur parenteralen Anwendung
- zur Behandlung von Schlafstörungen bei Erwachsenen ab dem 65.
   Lebensjahr

Doxylamin
- zur Behandlung von Schlafstörungen bei Kindern bis zum vollendeten 18.
  Lebensjahr und bei Erwachsenen ab dem 65. Lebensjahr

                                                Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht | 23. Januar 2020 | Seite 33
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