Lebertransplantierte Deutschland e.V - Informationen für Patient und Arzt

Die Seite wird erstellt Ariane Schwab
 
WEITER LESEN
Lebertransplantierte Deutschland e.V - Informationen für Patient und Arzt
Le be rtra nsp l an t i ert e Deu t s c h l an d e . V. – In f o r m a t i o n e n f ü r Pa t i e n t u n d Ar z t

LEBENSLINIEN

                                                                                                                     1/2018
Lebertransplantierte Deutschland e.V - Informationen für Patient und Arzt
66                                                                                                        Inhalt                                                                        LE B E N S LI N I E N 1/2018

 Editorial ............................................................................................    1       Transplantationsgesetz · Organspende
 Aufruf der BAG ...............................................................................            2       50 Jahre Eurotransplant:
 Zum Stand des Transplantationsregisters                                                                            Together on a life-saving mission! .........................................                       34
 Datenerfassung in der Transplantationsmedizin ...................                                         3       Die Zahl der Organspender in Deutschland fällt weiter ......                                        34
                                                                                                                   Deutsche Stiftung Organtransplantation
 Transplantationsmedizin                                                                                            fordert Initiativplan gegen Organmangel ..............................                             36
 Kinderwunsch nach Transplantation .........................................                               5       Was ist der Hirntod? .....................................................................          36
 Schwangerschaft nach Tx – Ein Erfahrungsbericht ...............                                           6       Spende vom „Schatzkistle“ .........................................................                 36
 NTx 360° .........................................................................................        7       Viele Blutspender möchten auch Organe spenden .............                                         37
 Leberkrebs (HCC) – Kriterien für die Vergabe                                                                      Organspendeausweis in 28 Sprachen .....................................                             37
   von Spenderlebern ......................................................................                8       Pressespiegel .................................................................................     38
 26. DTG-Jahrestagung in Bonn ..................................................                           9       Organspendeausweise .................................................................               39
 Möglichkeiten zum Ersatz von Organen:                                                                             Buchbesprechung:
 Hat die Forschung bald alle Probleme gelöst? ......................                                      10        Klaus Schäfer – Vom Koma zum Hirntod .............................                                 40
 Wie kann eine sinnvolle Verteilung                                                                                50 Jahre Engagement für Autonomie,
   der Spenderorgane erfolgen? ..................................................                         11        Selbstbestimmung und Teilhabe ............................................                         41
 21. Symposium des Arbeitskreis Transplantationspflege e.V. ...                                           12
 Jutta Riemer Ehrenmitglied der                                                                                    Gesundheit
   Deutschen Transplantationsgesellschaft ...............................                                 12       Alle schon geimpft? ......................................................................          42
                                                                                                                   Ratgeber Lebertransplantation:
 Aus Wissenschaft und Forschung                                                                                     „Neues Leben mit der neuen Leber“ ....................................                             43
 Vorbemerkungen ...........................................................................               13       Vitamin D: Wichtig für Transplantierte und Diabetiker ........                                      44
 Extrahepatische Aspekte und Lebererkrankung .....................                                        13       Kleines und großes Blutbild .......................................................                 45
 Nicht-alkoholische Fettleber und Krankheitsfolgekosten .....                                             14       Pflanzlich, aber nicht ohne Nebenwirkungen –
 HCC: Gentechnische und andere nicht-invasive Ansätze ...                                                 14        Johanniskrautpräparate für Transplantierte nicht geeignet                                          46
 HCC: Chirurgische Ansätze .........................................................                      15       Methadon in der Krebstherapie ................................................                      47
 Priorisierung und Ergebnisse von Ltx .......................................                             15
 Pädiatrische Besonderheiten .....................................................                        16       Recht · Soziales
                                                                                                                   Wiedereingliederung – die nötigen Voraussetzungen ......... 47
 Hepatologie                                                                                                       Krankengeld – Die steuerliche Behandlung ........................... 48
 Hepatitis A ......................................................................................       17
 Hepatitis B ......................................................................................       17       Geist · Körper · Seele
 Hepatitis D (Delta) ........................................................................             21       Gedenken ...................................................................................... 49
 Hepatitis C: Neue Therapien der nächsten Generation                                                               Netzwerk Spenderfamilien gab ersten Newsletter raus ...... 50
  können Behandlung weiter verbessern ................................                                    22       Mein Dankesbrief an die Spenderfamilie ................................ 50
 Nicht-invasive radiologische Diagnoseverfahren
  zur Beurteilung der Leberstruktur und -funktion ................                                        23       Vereinsgeschehen
 Extrakorporale Organunterstützung bei Patienten                                                                   Jubiläums-Ausflug Burg Guttenberg .........................................                         51
  mit Leberversagen .....................................................................                 27       Informationsstand in Scheyern –
 Die INCA-Studie ............................................................................             28         Mit Respekt und Geduld beraten ...........................................                        52
 Lebertransplantierte Deutschland e.V. – Beitrittserklärung ....                                          29       Kontaktgruppe Ostbayern:
                                                                                                                     Tag der offenen Tür im Uniklinikum Regensburg ...............                                     52
 Aus den Zentren                                                                                                   Kontaktgruppe Westerwald/Rhein/Lahn:
 Essen: Treffen für Wartelistenpatienten ...................................                              30         Infostand beim Tag der Deutschen Einheit in Mainz ........                                        53
 Heidelberg: Regionale Arzt-Patienten-Veranstaltung ............                                          31       Hinweis zur Jubiläumsveranstaltung am 15. September ....                                            53
 Tübingen: Patiententag ................................................................                  32       Sportliche Erfolge bei der Weltmeisterschaft .........................                              54
 Der Ederhof feierte ein emotionales Jubiläum ......................                                      32       Neue Anprechpartner ....................................................................            55
 Kleinkind-Rehabilitation ...............................................................                 33       Vom Vortrag bis zum Projekt –
                                                                                                                     Das Thema Organspende für Schüler und
                                                                                                                     Lehramtsstudenten in unterschiedlichen Formaten ..........                                        56

                                                                                                                   Vermischtes
                                                                                                                   Dank an Sponsoren – Impressum – Termine 2018 .............                                          59
                                                                                                                   Adresse Verein – Vorstand ..........................................................                60
                                                                                                                   Ansprechpartner/Kontaktgruppen – Koordinatoren .............                                        61
                                                                                                                   Fachbeiräte .....................................................................................   64
                                                                                                                   Medizin mit dem gesunden Menschenverstand ...................                                       U3

                                         J
                                         Jutta  Riemer
                                         Warten auf den Frühling
                                         W
                                         AAcryl auf Leinwand
Lebertransplantierte Deutschland e.V - Informationen für Patient und Arzt
1

Organspende – Quo vadis?
   2017 ist das Jahr eines neuen Tiefststandes der Organspende – und damit der Trans-
plantationszahlen. Gegenüber 2011 gibt es im Jahr 2017 ein Drittel weniger Organ-
spender und Deutschland schwenkt hier die rote Laterne und schaut den europäischen
Nachbarn hinterher. Wo werden wir in fünf oder zehn Jahren stehen, wenn wir das Ruder
nicht bald umlegen?
Verbesserungen nicht ausreichend
    Im 2012 novellierten Gesetz ist als Zielsetzung erstmalig die Förderung der Organ-
spende benannt, Transplantationsbeauftragte (TxB) sind verpflichtend einzusetzen und
den Ländern wurden klare Umsetzungs-Aufgaben erteilt z. B. bzgl. der Freistellungsrege-
lungen für TxB. Sogar zusätzliche Gelder, 18 Mio. e pro Jahr, werden für die Umsetzung
von Organspenden auf die Krankenhäuser mit Intensivstation verteilt. Auch versenden die
Krankenkassen flächendeckend in regelmäßigen Abständen Informationen und Organ-
spendeausweise an ihre Versicherten. Die Einstellung der Bevölkerung zur Organspende
ist gut, die Anzahl der Ausweisträger nimmt zu, die Zustimmungsraten bei Angehörigen-
gesprächen sind stabil – und dennoch sinken die Spenderzahlen!
Wirklich gemeinsam die Probleme angehen
   Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) fordert deshalb im Rahmen ihrer
Jahrestagung einen Initiativplan. Sie weist auf wechselseitige strukturelle als auch orga-
nisatorische Schwachstellen hin. Bei Intensivpatienten komme es häufig zum Abbruch
einer Therapie bei infauster (sehr ungünstiger) Prognose, ohne dass die Möglichkeit
einer Organspende überhaupt erwogen und angesprochen wurde. Auch Patientenver-
fügungen sollten künftig die Entscheidung zur Organspende enthalten, damit auch bei
diesem Thema der Wille des Verstorbenen umgesetzt werden kann. Eine bedarfsgerechte
Finanzierung in den Spenderkrankenhäusern muss ebenso angestrebt werden wie eine
weitere Stärkung der Transplantationsbeauftragten. Hier haben noch viele Bundesländer
ihre Hausaufgaben zu erledigen, denn die im 2012 (!) novellierten Gesetz festgeschrie-
benen Aufgaben der Länder sind teils spärlich, teils noch gar nicht umgesetzt. Wir Patien-
ten fordern die Länder auf, sich z. B. an Bayern zu orientieren. Vielleicht müssen wir zu-
sätzlich über unbequeme Themen nachdenken wie Organspende nach Herztod (wie z. B.
in Österreich oder Niederlande) und/oder die Widerspruchslösung neu diskutieren?
Unterstützend sollten großangelegte Prophylaxe-Programme helfen, die Zahl der War-
tepatienten zu reduzieren. Hier wäre ein Hepatitis-Virus-Screening ebenso denkbar wie
die Besteuerung von Zucker (NASH!) und Aufklärungskampagnen über schädlichen Al-
kohol- und Drogenkonsum oder frühzeitige flächendeckende Laborwertkontrollen und
qualifizierte Leberdiagnostik.
Solidarität und Hilfsbereitschaft – Neuer „Geist“ für Organspende
   Es geht nicht darum, übermotiviert Organspenden zu rekrutieren, sondern in 100 %
der möglichen Fälle den Willen der Verstorbenen auch umzusetzen und so auch maxi-
mal vielen todkranken Patienten auf der Warteliste zu helfen. Und das muss von allen
Beteiligten zu 100 % und heute gewollt werden. Es geht um Solidarität und Hilfsbereit-
schaft gegenüber Mitmenschen. Die Wartepatienten sind darauf angewiesen, dass alle
mit hoher Motivation dafür sorgen, dass ein neuer Geist für die Organspende einzieht.
Organspende ist keine lästige Pflicht, sondern Qualitätsmerkmal von Kliniken. Klink-Chefs
und Landesregierungen sollen sich erkundigen, wie es um die Aktivitäten rund um die
Organspende bestellt ist, müssen zeigen, dass ihnen Organspende wichtig und anerken-
nenswert ist. Vom Bürger bis hin zu jedem Assistenzarzt, zu jeder Schwester und jedem
Pfleger, bis zu jedem in der Klinikverwaltung muss klar werden:
   Organspende – ja natürlich habe ich mich als Bürger entschieden und ja natür-
lich finden Organspenden in unserem Krankenhaus statt, denn wir retten hier Leben!
Viel Freude beim Lesen dieser Ausgabe der Lebenslinien.
Mit den besten Wünsche für das Jahr 2018
Ihre Jutta Riemer
2   Leitartikel
      Rubrik      LE B E N S LI N I E N 1/2018
LE B E N S LI N I E N 1/2018                                      Leitartikel
                                                                    Rubrik                                                                  3

Zum Stand des Transplantationsregisters
Datenerfassung in der Transplantationsmedizin
                                                  Lebertransplantation dieser Erfassung,          Registers und mit dem Register in Frage

                                   Foto: privat
                                                  die seit diesem Jahr vom Institut für Qua-      gestellt wird.
                                                  lität und Transparenz im Gesundheits-
                                                  wesen (IQTIG, Berlin) durchgeführt wird.        Wege zur Datenübermittlung
                                                  Erfassung und Speicherung der Daten                 Im Transplantationsgesetz, in das die
                                                  werden anonym vorgenommen. Der Ge-              Regelungen für das Transplantationsregis-
                                                  setzgeber hat eine Widerspruchsmöglich-         ter als § 15 eingefügt wurden und das am
                                                  keit ausgeschlossen.                            21.11.2016 entsprechend geändert wurde,
                                                                                                  heißt es sinngemäß:
                                                  Anforderungen an erfasste Daten
                                                                                                  Zur Übermittlung transplantationsmedizini-
Prof. Dr. med. Gerd Otto                              Die bisher vorhandenen Daten können
                                                                                                  scher Daten an die Transplantationsregis-
Em. Direktor der Abteilung für Transplanta-       die Anforderungen, die von den unter-
                                                                                                  terstelle sind verpflichtet
tionschirurgie Universitätsmedizin Mainz          schiedlichen, am Transplantationsgesche-
                                                                                                  1. die Koordinierungsstelle (DSO),
                                                  hen beteiligten und verantwortlichen Ins-
                                                                                                  2. die Vermittlungsstelle (Eurotransplant),
                                                  titutionen gestellt werden, nicht in vollem
                                                                                                  3. die Transplantationszentren,
B   enötigt ein Patient eine Organtrans-
    plantation, müssen zahlreiche persön-
liche und medizinische Daten nicht nur im
                                                  Umfang erfüllen. Nicht nur, dass manche
                                                  Datensätze unvollständig sind, was zum
                                                  Beispiel für das ELTR gilt, sondern es wer-
                                                                                                  4. der Gemeinsame Bundesausschuss
                                                                                                     (Qualitätssicherung, IQTIG)
                                                                                                  5. die mit der Nachsorge betrauten Einrich-
behandelnden Klinikum, sondern auch in            den bisher auch nicht in vollem Umfang
                                                                                                     tungen und Ärzte in der ambulanten
anderen Institutionen gespeichert werden.         Ereignisse aus dem Verlauf einer Erkran-
                                                                                                     Versorgung.
Sie, liebe Patientin, lieber Patient, müssen      kung und dem Verlauf nach Transplanta-
dieser Speicherung von Daten zugestimmt           tion erfasst. Bei der Lösung bestimmter         Die Transplantationsregisterstelle stellt
haben, was in der Regel dadurch erfolgt,          Probleme und der Beantwortung detail-           Daten zum Zwecke der Erfüllung der jewei-
dass Ihnen in Ihrem Zentrum ein entspre-          lierter Fragen sind solche Daten jedoch         ligen Aufgaben bereit für
chender Aufklärungsbogen vorgelegt wird,          unverzichtbar. Das gilt besonders für Fra-      1. die Koordinierungsstelle zur Weiter-
unter den Sie Ihre Unterschrift setzen.           gen, die sich ergeben, wenn die Organe              entwicklung der Organ- und Spender-
    Für die Übermittlung an Eurotransplant        nach Dringlichkeit und Erfolgsaussicht zu           charakterisierung
und Speicherung solcher Daten bei Euro-           verteilen sind, worauf das deutsche Trans-      2. der Vermittlungsstelle zur Weiterent-
transplant sowie in geringem Umfang bei           plantationsgesetz ausdrücklich verweist.            wicklung der Organvermittlung
der Deutschen Stiftung Organtransplanta-              Für diese Fragestellungen werden zu-        3. der Bundesärztekammer zur Fortschrei-
tion (DSO, Frankfurt) gibt es keine Alterna-      dem Daten benötigt, die unsere Bedin-               bung der Richtlinien nach § 16
tive: Ohne persönliche wie auch medizi-           gungen in Deutschland widerspiegeln. In         …
nische Daten ist es unmöglich, ein Organ          der Vergangenheit mussten internationa-         7. die zuständigen Behörden der Länder,
dem dringlichsten und dabei am besten             le Daten, meist aus den USA, für zahlrei-           die zur Erfüllung ihrer Aufgaben bei
geeigneten Patienten zuzuteilen. Übermitt-        che Fragestellungen herangezogen wer-               der Zulassung von Transplantations-
lung und Speicherung können also nicht            den. Diese hatten aber nur begrenzte                zentren nach § 10 … erforderlich sind
verweigert werden.                                Gültigkeit für Deutschland. Also müssen             (vgl. geändertes Transplantationsgesetz:
    Anders ist es mit der Übermittlung von        Daten gezielt und vollständig erfasst wer-          www.gesetze-im-internet.de/tpg/TPG.
Daten an wissenschaftliche Register. Vor          den, die für uns zutreffen. Erfassung und           pdf).
allem zwei solcher Register sind hier zu          Bereitstellung dieser Daten wird Aufgabe
nennen: die Collaborative Transplant Study        des zukünftigen Transplantationsregisters       Voraussetzungen für die Datenüber-
(CTS, Heidelberg) und – für die Leber-            sein.                                           mittlung
transplantation – das European Liver Trans-           Das Defizit, das man eingesteht, wenn           Eine Übermittlung von Daten an das
plant Registry (ELTR, Paris). Hier kann man       man unsere fehlenden Daten und damit            Register und die Speicherung der Daten
die Zustimmung verweigern. Die Erfassung          die Defizite beim bisherigen Vorgehen           kann nur erfolgen, wenn der Empfänger
von Daten kann dann in diesen wissen-             kritisiert, ist in der deutschen Transplanta-   oder ein Lebendspender durch Unterschrift
schaftlichen Datenbanken nicht erfolgen.          tionsmedizin seit Langem bekannt. Nam-          auf einem entsprechenden Aufklärungs-
Daher sind diese Datenbanken unvollstän-          hafte Transplantationsmediziner haben           bogen zugestimmt haben. Das Transplan-
dig. Da manche Zentren an diese Regis-            die Einrichtung eines Registers schon vor       tationszentrum muss also konsequenter-
tries grundsätzlich keine Daten schicken,         Jahrzehnten angemahnt. Letztendlich hat         weise beim ersten Kontakt mit einem Pa-
drängt sich der Verdacht auf, dass hier ei-       der „Transplantationsskandal“ (der eigent-      tienten diese Zustimmung einholen. Pa-
ne „positive Patientenselektion“ vorliegt.        lich ein Allokationsskandal war) zur politi-    tienten, die während der Wartezeit, also
    Eine dritte Form der Datenübermittlung        schen Konsequenz geführt, dem Register          auf der Warteliste, sterben, können nicht
und -speicherung muss erwähnt werden:             Gesetzescharakter zu verleihen. Es ist un-      erfasst werden, wenn keine Einwilligung
die gesetzlich vorgeschriebene Erfassung          bestritten, dass eine solch umfassende          zuvor eingeholt wurde. Diese Patienten
von Daten im Rahmen der Qualitätssi-              Sammlung medizinischer Daten allein             sind aber besonders wichtig, weil die
cherung. Hierbei hat der Gesetzgeber die          schon aus Gründen der Datensicherheit           Dringlichkeit einer Transplantation nur be-
Notwendigkeit gesehen, bestimmte medi-            einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Al-        urteilt werden kann, wenn verstorbene
zinische Maßnahmen einer Qualitätskont-           lerdings bringen die komplizierten Rege-        Patienten in die statistische Auswertung
rolle zu unterwerfen. Wie auch alle ande-         lungen eines Gesetzes mit sich, dass ei-        eingeschlossen werden, sie also im Regis-
ren Organtransplantationen unterliegt die         ne einfache und flexible Arbeitsweise des       ter-Datensatz vorhanden sind. Gleiches
4                                                              Leitartikel
                                                                 Rubrik                                              LE B E N S LI N I E N 1/2018

gilt für die Erfolgsaussicht: Verstirbt ein         Betriebs wird hier eine Geschäftsstelle    jedoch anonymisiert erfolgen. Das heißt,
Patient unmittelbar nach Transplantation,           eingerichtet.                              dass ein Personenbezug selbst mit Hilfe
hatte er fraglos schlechte Erfolgsaussich-      2. Von der Registerstelle räumlich, tech-      der Vertrauensstelle unmöglich ist. Das
ten. Liegt von diesem Patienten im Regis-           nisch und organisatorisch getrennt wird    ist – wie erwähnt – erforderlich, da für
ter kein Datensatz vor, weil er nicht zu-           eine unabhängige Vertrauensstelle ge-      diese Art der Datenerfassung keine Ein-
gestimmt hat, geht er in die Berechnung             schaffen, die für die Pseudonymisie-       willigung der Patienten vorliegt. Patien-
der Erfolgsaussicht bei einer spezifischen          rung der Daten zuständig ist (s.u.).       ten, die nach dem 31. Oktober 2016, dem
Krankheitsgruppe nicht ein. Diese beiden        3. Bei der Registerstelle wird ein Fachbei-    Tag des Inkrafttretens der Gesetzesände-
Beispiele unterstreichen die Bedeutung              rat eingerichtet, der Registerstelle und   rung, transplantiert wurden, müssen in
des Einholens der Zustimmung von sämt-              Vertrauensstelle fachlich und organisa-    die Erfassung ihrer Daten einwilligen. Da
lichen Patienten, die in die Warteliste für         torisch berät.                             wahrscheinlich nicht alle Zentren die Ein-
eine Transplantation aufgenommen wer-           Das bedarf einer näheren Erläuterung. Die      willigung lückenlos einholen, gehen diese
den.                                            Identifizierung eines Empfängers oder          Patienten dem Register verloren, was bei
    Daten ohne Vorliegen einer Zustim-          eines Lebendspenders darf anhand des           Todesfällen auf der Warteliste und unmit-
mung ins Register aufzunehmen, ist un-          Datensatzes des Registers keinesfalls          telbar nach Transplantation verstorbenen
möglich, also können beispielsweise kei-        möglich sein. Zwischen datenliefernder         Patienten irreparabel ist.
ne Daten von Eurotransplant unbedenk-           Institution und Register wird daher eine           Vor einigen Wochen wurden von den
lich ins Register übernommen werden,            sogenannte Vertrauensstelle geschaltet.        Auftraggebern Transplantationsmediziner
da hierfür keine Zustimmung der Pati-           Während medizinische Daten auf direk-          beauftragt, aus den bisher von den ge-
enten vorliegt. Der Gesetzgeber hat hier        tem Weg ins Register fließen, werden alle      nannten Institutionen erfassten Daten ei-
jedoch den Weg frei gemacht, indem als          Daten, die einen Bezug zum jeweiligen          nen Datensatz – getrennt nach den ver-
„Notlösung“ eine anonymisierte Datener-         Patienten/zur Patientin ermöglichen, von       schiedenen Organtransplantationen – zu-
fassung möglich ist.                            der Registerstelle pseudonymisiert, das        sammenzustellen, der die erforderlichen
    Der Patient hat das Recht, seine Zu-        heißt mit einer Zahlen- oder Buchstaben-       Daten umfasst und dabei das Gebot der
stimmung zur Datenaufnahme ins Re-              Kombination gekennzeichnet, die eine           Datensparsamkeit berücksichtigt. Das Er-
gister jederzeit zu widerrufen. Es darf         Identifizierung der Person unmöglich           gebnis dieser Arbeit wird bis auf Weiteres
ab diesem Zeitpunkt dann keine weitere          macht. Im Register werden dann diese           den bundesweit einheitlichen Datensatz
Datenaufnahme ins Register erfolgen, je-        pseudonymisierten persönlichen Daten           bilden und kann erst nach Inbetriebnahme
doch können bis dahin aufgenommene              mit den medizinischen Daten zusammen-          aller für das Register erforderlichen Stellen
Daten im Register verbleiben. Das Wider-        geführt. Außerdem werden die Daten so          durch den Fachbeirat geändert oder er-
rufsrecht, die Möglichkeit, die Zustimmung      vereinigt, dass ein gemeinsamer Daten-         gänzt werden. Dieser Datensatz wie auch
zu verweigern und schließlich die Tatsa-        satz von Spender und Empfänger entsteht.       spätere Änderungen sind dem Bundes-
che, dass das Einholen der Zustimmung           Somit ist es unmöglich, aus den im Regis-      ministerium für Gesundheit vorzulegen.
vergessen werden kann, machen das Re-           ter zusammengeführten Daten einen Per-
gister unvollständig. Damit wird die Taug-      sonenbezug herzustellen. Sie sind jedoch       Terminplan
lichkeit eines Registers sehr problema-         präzisen statischen Auswertungen zugäng-           Im Juni 2017 erfolgte die Ausschrei-
tisch. Werden Patienten nicht ins Register      lich.                                          bung für den Betrieb des Transplantati-
aufgenommen oder ist der Datensatz ei-                                                         onsregisters und der Vertrauensstelle. Bis
nes Patienten nicht vollständig, wird die       Bundesweit einheitlicher Datensatz             Ende dieses Jahres werden die Institu-
Verlässlichkeit statistischer Aussagen be-          Die ins Register einfließenden Daten       tionen benannt, die für die Übernahme
einträchtigt.                                   werden in einem bundesweit einheitli-          dieser Aufgaben geeignet sind. Für Anfang
    Obwohl alle Transplantationszentren         chen Datensatz festgelegt. Dieser Daten-       2019 ist mit der Aufnahme des Betriebs
über die Notwendigkeit informiert wur-          satz baut auf den Daten auf, die bereits       zu rechnen. Dann werden der Registerstel-
den, ab November 2016 die Zustimmung            jetzt von den drei Institutionen erfasst       le die anonymen Daten zwischen 2006
der Patienten zum Zeitpunkt der Aufnah-         werden, die unmittelbar mit dem Trans-         und 31. Oktober 2016 (1. Phase der Erfas-
me auf die Warteliste einzuholen, muss          plantationsgeschehen befasst sind: DSO,        sung) sowie die pseudonymisierten Daten
stark bezweifelt werden, ob das in den          Eurotransplant und IQTIG. Die Daten des        zwischen 1. November 2016 und Ende
Zentren auch wirklich erfolgt.                  IQTIG sind dabei unbedingt erforderlich,       2018 (2. Phase der Erfassung) übermit-
                                                da bisher nur im Rahmen der Qualitäts-         telt. Die Übermittlung der Daten ab 2019
Errichtung des Transplantations-                sicherung verlässliche Überlebensdaten         (3. Phase) soll einmal jährlich vorgenom-
registers                                       erfasst wurden.                                men werden. Es ist davon auszugehen,
   Nach dem Gesetz beauftragen der                  Um nun nicht erst nach Errichtung aller    dass erst einige Jahre, nachdem die 3.
Spitzenverband Bund der Krankenkassen,          für das Gesamtprojekt Transplantations-        Phase der Erfassung von Daten läuft, der
die Bundesärztekammer und die Deut-             register erforderlichen Stellen mit der        Fachbeirat in der Lage sein wird, Änderun-
sche Krankenhausgesellschaft oder die           Datenerfassung zu beginnen und danach          gen am Datensatz vorzunehmen, die den
Bundesverbände der Krankenhausträger            noch Jahre zu benötigen, um eine ausrei-       dann anstehenden Fragestellungen wirk-
geeignete Einrichtungen mit der Errich-         chende Datenmenge für die anstehenden          lich gerecht werden. Wie bereits erwähnt,
tung und dem Betrieb des Transplanta-           Fragestellungen zur Verfügung zu haben,        ist hierbei in erster Linie an Daten zu den-
tionsregisters (sog. Auftraggeber). Dabei       wurden Regelungen getroffen, die eine          ken, die während der Wartezeit und nach
sieht die Strukturierung des Transplanta-       Nutzung bereits vorliegender Daten er-         Transplantation anfallen, die bisher nicht
tionsregisters drei getrennte funktionelle      möglichen. Hierzu werden die zwischen          erfasst werden, aber für die Beurteilung
Einheiten vor:                                  1. Januar 2006 und 31. Oktober 2016 von        von Dringlichkeit und Erfolgsaussicht un-
1. Die eigentliche Registerstelle, in der die   den drei Institutionen DSO, Eurotrans-         abdingbar sind.
   Daten zusammenfließen, gespeichert           plant und IQTIG erhobenen Daten ins Re-
   und evtl. statistisch aufbereitet werden.    gister als „Grundausstattung“ aufgenom-
   Zur Aufrechterhaltung des laufenden          men. Die Aufnahme dieser Daten muss
LE B E N S LI N I E N 1/2018                           Transplantationsmedizin
                                                               Rubrik                                                                         5

Kinderwunsch nach Transplantation
                                                wichtige und komplexe Fragestellungen,         Auswirkung der immunsuppressiven Me-

                                 Foto: privat
                                                die bereits bei der ersten Beratung und        dikation auf den mütterlichen und fetalen
                                                dann bei der Betreuung der Schwanger-          Organismus. Zusätzlich kann die Trans-
                                                schaft organtransplantierter Patientinnen      plantatfunktion beeinträchtigt werden.
                                                beantwortet werden müssen. Hierfür ste-        Die Komplikationen, die sich hierdurch
                                                hen an den großen Perinatalzentren aus-        für den Fetus ergeben, addieren sich zu
                                                gewiesene Risikosprechstunden zur Ver-         dem allgemeinen Risikoprofil einer norma-
                                                fügung. Es gilt dabei, das Gesamtbild aus      len Schwangerschaft. Eine Metaanalyse
                                                transplantationsmedizinischer, gynäkolo-       aus dem Jahr 2011, die die Jahre 2000 bis
                                                gischer und pädiatrischer Sicht in einem       2010 und insgesamt 4.706 Schwanger-
Prof. Dr. med. Harald Abele, MHBA
                                                multiprofessionellen Umfeld zu betrach-        schaften bei Nierentransplantierten ein-
Stellv. Ärztlicher Direktor – Geburtshilfe
                                                ten.                                           schloss, zeigte, dass die Lebendgeburten-
Department für Frauengesundheit Tübingen
                                                    Die Fertilitätsrate von Frauen mit z. B.   rate und Abortneigung der Nierentrans-
Universitätsklinikum Tübingen
                                                terminalem Nierenversagen wird in der          plantierten mit denjenigen der Allgemein-
                                                Literatur als zehnfach geringer als die ge-    bevölkerung vergleichbar sind. Allerdings

M      it einem Transplantat zu leben, be-
       deutet – dank aktueller medizini-
scher Möglichkeiten – längst nicht mehr,
                                                sunder Kontrollgruppen beschrieben. Die
                                                Gründe hierfür sind vielschichtig. Nach
                                                erfolgreicher Transplantation bessert sich
                                                                                               besteht ein deutlich erhöhtes Risiko der
                                                                                               Transplantatträgerinnen für Präeklampsie
                                                                                               (Schwangerschaftsvergiftung), Schwan-
ein Leben außerhalb der Norm führen zu          die weibliche Fertilität meist innerhalb von   gerschaftsdiabetes, Sectio caesarea (Kai-
müssen. Mit dem Fortschritt der Transplan-      sechs Monaten. Zudem wird in der Litera-       serschnitt) und Frühgeburt. Ähnliche Risi-
tationsmedizin steigen auch die Erwar-          tur von einer signifikanten Steigerung der     ken gelten auch im Zustand nach Leber-
tungen und Hoffnungen Betroffener auf           weiblichen Libido in Richtung eines von        transplantation. Nachhaltige Auswirkun-
ein Leben ohne Einschränkungen. Dies            den Probandinnen als zufriedenstellend         gen von Medikamenten auf das ungebo-
gilt im Besonderen für den individuellen        bis exzellent empfunden Zustandes be-          rene Kind werden selten beobachtet. Die
Kinderwunsch. Es wundert daher nicht,           reits innerhalb kürzester Zeit nach Trans-     Ängste der Eltern können durch die mo-
dass die erste erfolgreiche Schwanger-          plantation berichtet. Darüber hinaus nor-      derne Ultraschalldiagnostik und pränatal-
schaft nach Nierentransplantation bereits       malisiert sich der Menstruationszyklus         medizinische Beratung weitreichend auf-
1958 beobachtet und 1963 dokumen-               durch die transplantationsbedingte Re-         gelöst werden.
tiert wurde – vier Jahre nach der ersten        gulation der Hormonwerte innerhalb der
geglückten Nierentransplantation über-          ersten Monate, so dass die Grundlage für
haupt. Seither sind weltweit zahlreiche         den Eintritt einer Schwangerschaft ge-
weitere Entbindungen nach Organtrans-           schaffen werden kann.
plantation bekannt geworden.                        Aktuelle Daten zeigen, dass etwa 10
    Eine Schwangerschaft nach Organ-            Prozent der nierentransplantierten Frauen
transplantation gilt allgemein als Risiko-      im gebärfähigen Alter sind. Hiervon wer-
schwangerschaft. In jedem einzelnen Fall        den wiederum zwei Prozent schwanger.
ist daher eine ausführliche, individuelle       Tabelle 1 gibt einen Überblick der Voraus-
und interdisziplinäre Beratung und Risiko-      setzungen für einen optimalen Zeitpunkt
abwägung erforderlich, in deren Rahmen          einer Schwangerschaft nach Nierentrans-
Aspekte der Komplikationen und Risiken,         plantation.
der Immunsuppression und Transplantat-                                                         Abbildung: Darstellung eines Kindes im Mutterleib
funktion sowie der fetalen Problematik Er-      Voraussetzung für eine Schwanger-              in der 14. Schwangerschaftswoche. Bereits zu die-
wähnung finden sollten. Hierbei müssen          schaft nach Nierentransplantation              sem Zeitpunkt sind weitreichende Aussagen über
immer das Wohl der Patientin und mögli-         쮿 Mindestens zwölf-, besser 24-monati-         die normale Entwicklung eines Kindes möglich.
che Folgen für das gewünschte Kind dis-            ges komplikationsfreies Intervall zwi-
kutiert werden. Dabei sind die wichtigs-           schen Transplantation und Konzeption        Präeklampsie, Schwangerschaftsdiabetes
ten Fragestellungen für die Patientin:          쮿 Stabile Transplantatfunktion (Kreatinin      und die Frühgeburt sind für ein Perinatal-
Ist eine Schwangerschaft überhaupt mög-            < 1,5 mg/dl, Proteinurie < 500 mg/          zentrum typische Komplikationen, die
lich? Wird die eigene Gesundheit und die           Tag, keine Dilatation des Nierenbe-         auch in anderem Zusammenhang für Mut-
Transplantatfunktion durch die Schwan-             ckenkelchsystems)                           ter und Kind im besten Sinne gelöst wer-
gerschaft gefährdet und wie stehen die          쮿 Optimale Blutzuckerkontrolle und nor-        den müssen. Es gilt daher, betroffenen
Chancen des Kindes, gesund auf die Welt            maler Blutdruck                             Paaren Mut zu machen und diese – wenn
zu kommen? Den betreuenden Arzt be-             쮿 Vorherige Umstellung auf eine schwan-        eine Schwangerschaft nach Nieren- bzw.
schäftigt hingegen zusätzlich die Anpas-           gerschaftskompatible immunsuppres-          Lebertransplantation angestrebt wird –
sung der Immunsuppression, um eine Ab-             sive, antihypertensive und sonstige Be-     mit allen zur Verfügung stehenden Mög-
stoßung des Transplantats zu vermeiden,            gleitmedikation                             lichkeiten durch die Schwangerschaft und
ohne den Fetus zu gefährden. Außerdem                                                          nach der Entbindung zu begleiten; idea-
stellt sich die Frage nach kritischen Ele-      Im Laufe jeder dieser Schwangerschaften        lerweise im engen Schulterschluss zwi-
menten der Schwangerschaft, wie bei-            kann es zu Komplikationen kommen. Die          schen dem Perinatal- und Transplantati-
spielswiese Begleiterkrankungen und             Gründe sind Begleiterkrankungen wie            onszentrum unter einem Dach.
Komplikationen. Die Berührungspunkte            Hypertonus (Bluthochdruck), Diabetes
unterschiedlicher Fachgebiete bergen            mellitus oder Infektionen, außerdem die
6                                                   Transplantationsmedizin
                                                            Rubrik                                                LE B E N S LI N I E N 1/2018

Schwangerschaft nach Transplantation
Liebe Transplantierte, Wartende und Angehörige,
ich heiße Manuela Schubert, bin 35 Jahre     die Ethikkommission grünes Licht gab,           wenn man nicht transplantiert ist. Zumin-

                                                                                                                                                 Foto: privat
und mit einer extrahepatischen Gallen-       konnte ein zeitnaher Operationstermin zur       dest gingen mir in diesem Moment, als
gangsatresie (fehlender Hauptgallengang,     Leberlebendspende gefunden werden.              ich meine Tochter das erste Mal sah, die
dieser führt alle Giftstoffe von der Leber   So wurde ich am 26. Juli 2011 in Heidel-        kraftzehrenden Jahre durch den Kopf und
in den Darm) auf die Welt gekommen. Zu       berg erfolgreich transplantiert, trotz schwe-   ich wusste, dafür hatte sich alles gelohnt!
meinem Glück wurde die Krankheit sehr        rer Komplikationen, die fast eine erneute       Nun sind wir glückliche und dankbare El-
schnell erkannt und ich konnte, im De-       Spende erforderlich gemacht hätten.             tern.
zember 1982, knapp zwei Monate nach              Nach einem Jahr auf und ab ging es              Gern möchte ich noch erwähnen, dass
meiner Geburt, erfolgreich operiert wer-     bergauf. Ich konnte nun in die Reha und         eine Schwangerschaft nach Transplantati-
den. Man sagte meinen Eltern damals,         endlich das Leben richtig genießen. Mir         on sicher möglich, jedoch immer abzuwä-
dass mit dieser Operation die Krankheit      ging es Jahr um Jahr besser und auch            gen ist. Denn die eigene Gesundheit und
geheilt wäre, es somit auch keinerlei        mein Kinderwunsch verstärkte sich wie-          ein gut funktionierendes Organ sind auch
Nachsorge bedürfe und man sich keine         der zunehmend. Dies war vor der Trans-          ein großes Geschenk. Trotzdem trauen
Sorgen mehr machen müsse. Dies war           plantation auch schon so, jedoch wurde          Sie sich, es anzusprechen. Denn von al-
sicher auch die Annahme der Ärzte und        davon dringend abgeraten aus nachvoll-          lein wird wohl kaum ein Arzt auf Sie zu-
keinerlei böswillige Irreführung. Diese      ziehbarem Grund.                                kommen. Lassen Sie auch wenigstens ein
sogenannnte Kasai-Operation rettete mir          Ich wollte mir fünf Jahre nach der Trans-   Jahr nach der Transplantation vergehen
damals das Leben und ich kam bis zum         plantation Zeit geben. Ich hatte gelesen,       und haben Sie Geduld, wenn sich viel-
14. Lebensjahr gut damit klar.               dann sei die Gefahr geringer, dass das          leicht nicht gleich eine Schwangerschaft
   Denn bis dahin war ich keineswegs         Organ versagen würde.                           einstellen sollte.
beeinträchtigt. Doch plötzlich wurde ich         Endlich traute ich mich, den Kinder-            Jetzt im Jahr 2017 habe ich mein
gelb und wunderte mich über diese selt-      wunsch nochmals anzusprechen. Die Ärz-          selbstgestecktes kleines Ziel erreicht: Nur
same Hautfarbe. Meine Eltern und ich         te jubelten zwar nicht gleich, jedoch un-       einmal im Jahr zur Nachsorge in die Klinik.
waren plötzlich sehr verängstigt. Ich be-    terstützte man uns und das war uns sehr             Ich möchte meiner Mutter danken, die
merkte zwar schon über Tage hinweg ein       wichtig. Sonst hätte ich ein schlechtes Ge-     mir dieses nun sorgenlose Leben ermög-
Unwohlsein und Schmerzen, doch zuord-        wissen gehabt, denn schließlich ist man         licht hat. Sowie meinem Mann Sven, der
nen konnte ich dies nicht.                   ja immer von der Klinik abhängig und            sich in jeder Lebenslage rührend um mich
   Umso größer war der Schock, als sich      bisher waren alle Entscheidungen richtig,       kümmerte. Und natürlich allen Ärzten und
dies nun doch anders herausstellte. Denn     welche die Ärzte für mein Wohlergehen           dem Pflegepersonal der Chirurgischen
selbst nach dem erneuten Auftreten der       trafen.                                         und Inneren Klinik des Uniklinikums Hei-
Symptome mit 14 Jahren mussten wie-              So gesehen vertrauten mein Mann und         delberg. Auch den Ärzten und Schwes-
der einige Jahre vergehen, ehe eine klare    ich sehr darauf und wussten, dass wir auch      tern der Gynäkologie und Geburtshilfe in
Diagnose gestellt wurde und man mei-         in dieser Sache in guten Händen waren.          Villingen-Schwenningen, bei denen unse-
nen Eltern mitteilte, dass ich früher oder   Es dauerte nicht lange und ich wurde            re Tochter zur Welt kam.
später ein neues Organ benötigen würde.      schwanger. Da ich mit Prograf ® (Tacroli-           Ich wünsche allen Transplantierten
   So vergingen viele Jahre mit der Krank-   mus) gut eingestellt war, musste ich auch       stetige Gesundheit und allen Wartenden
heit. Die Leber wurde mehr und mehr          keine medikamentöse Veränderung vor             und deren Angehörigen viel Kraft und
durch die ständigen Entzündungsschübe        einer möglichen Schwangerschaft vor-            den ersehnten Anruf. Jungen transplan-
geschwächt, so dass ich 2006 auf die         nehmen.                                         tierten Frauen wünsche ich, dass ihr Kin-
Transplantations-Warteliste kam.                 Die Schwangerschaft verlief weitge-         derwunsch in Erfüllung gehen möge, sie
   Nun begannen immer wiederkehren-          hend komplikationslos. Allerdings waren         Mut und Unterstützung bei dieser Ent-
de Krankenhausbesuche in der Leberam-        von Anfang an engmaschigere Kontrollen          scheidung finden. Eine unkomplizierte
bulanz als auch teils wochenlange Auf-       notwendig. So musste ich alle 14 Tage           Schwangerschaft und die Geburt eines ge-
enthalte in der Klinik, denn die Krankheit   zum Gynäkologen und alle vier Wochen            sunden Kindes erleben dürfen und natür-
nahm ihren Lauf.                             in die Klinik. Dies war das Einzige, was        lich das Schönste daran: das Eltern sein.
   Trotz dieser schweren Zeit hatte mich     ich als anstrengend empfand.
mein Mann immer unterstützt, mich ge-            Ab und zu schwankte mein Tacrolimus-        Herzliche Grüße und alles Gute
pflegt und versorgt sowie Arztgespräche      Spiegel und so war es notwendig, die Do-
geführt. Er recherchierte über die Krank-    sierung öfters dem Zielspiegel anzupas-         Manuela Schubert
heit und kannte sich besser aus als ich.     sen. Trotz allem durften wir am 17. März
   Obwohl ich auf der Liste stand, ging es   2015 (durch geplanten Kaiserschnitt) un-
mir noch zu gut (laut Aussage der Ärzte),    sere gesunde Tochter in die Arme schlie-
als dass ich in absehbarer Zeit ein Organ    ßen.
bekommen hätte. Unser großes Glück war           Natürlich ist die Geburt des eigenen
es, dass wir auf meine Mutter zurückgrei-    Kindes etwas ganz Besonderes und das
fen konnten. Sie wurde getestet, und als     größte Geschenk, jedoch sicher anders,
LE B E N S LI N I E N 1/2018                          Transplantationsmedizin
                                                              Rubrik                                                                          7

NTx 360°
Einmaliges Nachsorgeprogramm der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH)
                                               Sektorenübergreifende Versorgung               tion und Adherenz des Patienten bleiben
Jutta Riemer
                                               ist richtungsweisend                           so im Blick. Wenn psychologischer Unter-
                                                   Bei der Umsetzung des Programms            stützungsbedarf besteht, kann zeitnah

A    uch wenn es sich bei dem im Folgen-
     den erläuterten Projekt um nieren-
transplantierte Patienten handelt, stellen
                                               haben Professor Schiffer und Professor
                                               Pape neben zwei internen Partnern, dem
                                               Institut für Sportmedizin und der Klinik für
                                                                                              – auch telemedizinisch – ein Coaching
                                                                                              erfolgen.

wir dieses Projekt gerne auch an dieser        Psychosomatik und Psychotherapie, auch         Sportmediziner entwickeln auf
Stelle vor – in der Hoffnung, dass den Pa-     die Kassenärztliche Vereinigung Nieder-        jeden Patienten abgestimmte
tienten Ähnliches vielleicht auch bald im      sachsen (KVN) und die AOK Niedersach-          Trainingstherapien
Bereich der Lebertransplantation zur Ver-      sen (AOKN) an ihrer Seite. 400 Projekt-            Patienten nach Nierentransplantation
fügung steht. Vielleicht benötigen wir es      teilnehmer sind bei der AOK versichert.        haben wegen der jahrelangen Krankheits-
dort noch mehr, denn qualifizierte Nach-       „Wir haben die Förderung dieses Projekts       phase und der damit verbundenen Inak-
sorge für Nierenpatienten gibt es durch        durch den Innovationsfonds nicht nur für       tivität erhebliche Einschränkungen der
die vielen Dialysepraxen und Nephrologen       eine optimale Versorgung der 400 bei           alltäglichen Belastbarkeit. Um den Alltag
eher als in Sachen Lebertransplantation        uns versicherten Patienten unterstützt.        besser körperlich bewältigen zu können,
qualifizierte Hausärzte, Internisten oder      Wir sind überzeugt, dass die sektoren-         die kardiovaskulären Begleiterkrankungen
gar Hepatologen.                               übergreifende Versorgung richtungswei-         zu reduzieren und dem durch die immun-
    An der Medizinischen Hochschule Han-       send ist“, erklärt Jan Seeger, Geschäfts-      suppressive Therapie beschleunigten Ab-
nover (MHH) startet ein neuartiges Nach-       führer der AOK Niedersachsen. Mehrere          bau von Knochendichte und Muskulatur
sorgemodell für Erwachsene und Kinder,         andere Krankenkassen haben inzwischen          entgegenzutreten, erhalten die Patienten
denen eine Niere transplantiert wurde. Das     ebenfalls ihre Bereitschaft erklärt, an dem    im Institut für Sportmedizin eine Belas-
Innovationsprojekt namens „NTx 360° “          Projekt teilzunehmen: BKK Landesverband        tungs- und Leistungsdiagnostik und eine
schließt 1.000 Patienten ein und verfolgt      Mitte, stellvertretend für die Mitglieder      darauf abgestimmte persönliche Trainings-
drei Hauptziele: Das neue Organ soll mög-      der BKK Vertragsarbeitsgemeinschaft Mit-       therapie. Durch eine Trainings-App wird
lichst lange funktionieren, die Lebensqua-     te, BKK Mobil Oil, hkk, IKK Classic und TK.    das Training der Patienten telemedizinisch
lität der Patienten soll sich verbessern und                                                  gesteuert und regelmäßig angepasst. Über
die medizinische Versorgung der Betroffe-      Kommunikation zwischen Klinik                  die telemedizinische Plattform sind auch
nen soll optimiert und wirtschaftlich effi-    und niedergelassenen Ärzten wird               Trainingssprechstunden per Video möglich.
zienter werden. Das Nachsorgeprogramm          verbessert
wird als sogenannte neue Versor-gungs-            Weitere Projektbeteiligte sind die nie-     Transitionprogramm
form mit rund sechs Millionen Euro aus         dergelassenen Nephrologen in Nieder-              Damit transplantierte Kinder und Ju-
dem Innovationsfonds des Gemeinsamen           sachsen. Sie übernehmen die Betreuung          gendliche während der Pubertät und beim
Bundesausschusses (G-BA) gefördert.            der Patienten nah am Wohnort und sind          Eintritt ins Erwachsenenleben lernen, die
                                               daher wichtige Partner bei der Nachsor-        nötigen Medikamente regelmäßig einzu-
Optimale Versorgung nierentrans-               ge der Nierentransplantierten. Im Vorfeld      nehmen, gehört ein Transitionsprogramm
plantierter Patienten ist komplex              hatten sich hier Schwachstellen in der         zum Projekt, das den Übergang der Be-
    Acht Prozent der Transplantierten ver-     Kommunikation gezeigt, die nun behoben         treuung vom Kinder- zum Erwachsenen-
lieren das neue Organ in den ersten drei       werden.                                        Nephrologen begleitet. Die Integration
Jahren nach der Verpflanzung wieder. In                                                       von Patienten aller Altersklassen ist ein
den Folgejahren nimmt das Transplantat-        Telemedizinisches Netzwerk mit                 einzigartiger Aspekt des Projekts.
versagen weiter stetig zu – für die einzel-    elektronischer Patientenakte
nen Betroffenen und auch angesichts des           Kernstück des Programms ist ein tele-       Patienten setzen Hoffnungen in das
allgemeinen Mangels an Spenderorganen          medizinisches Netzwerk mit gemeinsamer         neue Projekt
eine traurige Situation. Bei Jugendlichen,     elektronischer Patientenakte, auf die alle        Die Aussicht, demnächst eine elektro-
besonders beim Übergang ins Erwachse-          ins Programm eingebundenen Ärzte – in          nische Patientenakte zu haben, findet Pa-
nenalter, ist ein Anstieg der Transplantat-    der MHH und auch in den Praxen vor Ort –       tient Christoph W. vielversprechend. Dem
Versagensrate zu beobachten. Denn schon        Zugriff haben. Auch die Patienten selbst       50-Jährigen aus Seelze wurde im März
geringe Abweichungen in der Medikamen-         haben Einblick in ihre Daten, das ist Pro-     2016 in der MHH eine neue Niere trans-
teneinnahme erhöhen das Risiko für eine        fessor Pape und Professor Schiffer beson-      plantiert. Seine Mutter hatte das Organ
Abstoßung deutlich. Die Versorgung nach        ders wichtig. So werden Untersuchungen,        für ihn gespendet. Nachdem er zunächst
einer NTx ist komplex und muss individu-       Diagnosen, Medikationen, Therapien und         durch eine Darmentzündung geschwächt
ell angepasst sein. Bestehende Begleit-        vieles mehr für alle sichtbar und die Kom-     war, geht es ihm inzwischen einigerma-
erkrankungen müssen ebenso im Blick            munikation zwischen den Betreuern zum          ßen gut. Alle zwei Wochen geht er zur
behalten werden wie die Verhinderung           Wohle der Patienten strukturiert und in-       Nachsorgeuntersuchung, jeweils im Wech-
oder Hinauszögerung solcher, die häufiger      tensiviert. Man verspricht sich eine besse-    sel in der MHH und bei seinem Nephro-
nach Transplantation auftreten, wie z. B.      re Koordination, effektivere Nachsorgeun-      logen vor Ort. „Ich fühle mich zwar insge-
Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „NTx 360°“        tersuchungen bei insgesamt sogar weni-         samt gut betreut, aber manchmal kommt
ermöglicht durch eine enge Zusammen-           ger Fahrten in die MHH.                        es schon zu widersprüchlichen Aussagen
arbeit mit den heimatnahen Praxen und                                                         und Anordnungen der Ärzte. Wenn der Aus-
mit weiteren Fachdisziplinen eine Opti-        Psychosomatiker unterstützen                   tausch zwischen beiden besser klappen
mierung. Im Projekt steht der Netzwerk-        die Patienten                                  würde, wäre das ein großer Fortschritt“,
gedanke an vorderster Stelle. 1.000 Pati-          Zur Optimierung der Versorgung soll je-    sagt Christoph W.
enten, die 2010 oder später an der MHH         der Patient regelmäßig vom Psychosoma-
oder NZN Hannoversch Münden trans-             tiker gesehen werden, denn schwerwie-          Informationen zu dem Thema im Internet unter
plantiert wurden – Kinder und Erwachse-        gende psychische Störungen können den          www.ntx360grad.de
ne –, bekommen zunächst die Gelegen-           Transplantationserfolg beeinträchtigen.
heit dieser Betreuung.                         Lebensqualität und psychosoziale Situa-        Quelle: Pressemitteilung der MHH v. 16.1.2017
8                                                    Transplantationsmedizin
                                                             Rubrik                                                   LE B E N S LI N I E N 1/2018

Leberkrebs (HCC) – Kriterien für die Vergabe von Spenderlebern
                                              oder match-MELD) wird für die Zuteilung       Klassifikation des Tumorstadiums nicht
Jutta Riemer*
                                              eines Transplantats herangezogen.             berücksichtigt, da hier der Erfolg anderer
                                                                                            Therapien besser ist.

B   eim Leberkrebs (hepatozelluläres Kar-
    zinom oder kurz HCC) handelt es sich
um einen bösartigen Tumor, der von Zel-
                                              Voraussetzungen für die
                                              Zuerkennung eines match-Meld
                                                 So erhalten auch HCC-Patienten unter
                                                                                            Kein match-MELD und doch auf die
                                                                                            Liste?
len der Leber ausgeht (Primärtumor der        bestimmten Voraussetzungen Punkte ent-            Liegen die HCCs außerhalb der SE-
Leber). Bei Vorliegen eines HCC wird die      sprechend den Standard Exceptions (SE).       Kriterien, können die Patienten dennoch
optimale Therapie von der Tumorkonfe-         Es gelten folgende Regeln:                    für eine Lebertransplantation gelistet wer-
renz besprochen und festgelegt. Sind          1. Es werden ein Tumor zwischen 2 cm          den, jedoch ohne Zuerkennung eines
medikamentöse, chirurgische oder an-             und 5 cm oder 2 – 3 kleine Tumoren         match-MELD. Bei diesen Patienten ent-
dere Verfahren (z. B. Radiofrequenz-Abla-        zwischen 1 und 3 cm Durchmesser            spricht der individuelle MELD-Score dem
tion, TACE) nicht ausreichend, um die Tu-        festgestellt.                              lab-MELD. Voraussetzung ist, dass der Tu-
morgröße zu verringern bzw. den Tumor         2. Es darf keine Infiltration großer Gefäße   mor/die Tumoren auf die Leber begrenzt
zu zerstören, kann in manchen Fällen auch        bestehen.                                  sind, keine Tumorinfiltration der Pfortader
eine Lebertransplantation durchgeführt        3. Es dürfen keine Absiedlungen (Metas-       und der Lebervenen vorliegt und es sich
werden. Für eine Lebertransplantation be-        tasen) des Lebertumors außerhalb der       um Primärtumoren handelt.
darf es bestimmter, in Richtlinien festge-       Leber vorliegen.
legter Voraussetzungen. Auch wenn ei-         4. Das HCC ist ein Primärtumor der Le-        Lebendspende
ne Lebertransplantation vorgesehen ist,          ber. Sekundärtumore in der Leber, z. B.        Die Lebendspende ist laut Gesetz nach-
kommen oben genannte Therapien als               Absiedelungen eines Darmtumors,            rangig gegenüber der postmortalen Spen-
Überbrückung der Wartezeit auf ein Spen-         stellen Kontraindikationen zur Leber-      de. Auch Patienten, die für eine Lebend-
derorgan zum Einsatz, um die Tumoren             transplantation dar.                       spende vorgesehen sind, müssen die Kri-
am Weiterwachsen zu hindern.                  5. Die anerkannten Diagnoseverfahren          terien zur Aufnahme auf die Warteliste er-
                                                 und die Dokumentation der Ergebnis-        füllen und werden bei Eurotransplant ge-
Leberkrebs – häufige Indikation zur Ltx          se sind verbindlich festgelegt.            listet. Denn erhält der Patient vor Durch-
   Im Jahr 2016 wurden 236 HCC-Pati-          6. Der zu Beginn vergebene match-MELD         führung einer Lebendspende ein Organ-
enten lebertransplantiert. Bösartige Le-         wird entsprechend einer 3-Monats-          angebot, muss dieses Richtlinien-konform
bertumoren stellen mit ca. 20 % Anteil in        Mortalität von 15 % mit 22 Punkten         vermittelt werden. Ebenso wird – sogar
Deutschland eine häufige Indikation zur          festgesetzt.                               hochdringlich – auf den Gesamtpool der
Lebertransplantation dar. Bei Patienten       7. Werden die Kriterien weiterhin erfüllt     Spenderorgane zurückgegriffen, wenn der
mit Lebertumoren liegt häufig auch eine          (Rezertifizierung alle drei Monate),       lebend gespendete Leberteil die Funktion
Leberzirrhose vor.                               erfolgt die Höherstufung des match-        nicht aufnimmt oder innerhalb weniger
   In der Regel werden Lebern nach einem         MELD in 3-Monats-Schritten entspre-        Tage ein Leberversagen auftritt.
aus drei Laborwerten errechneten lab-            chend einer Zunahme der 3-Monats-
MELD zugeteilt: Bilirubin, Kreatinin und         Versterbewahrscheinlichkeit von 10 %.      Eckpunkte der MELD-Äquivalente:
INR (Leberwert, Nierenwert und Blutge-           Das bedeutet, dass sich der MELD-
rinnung – s. Patienteninformation LD e.V. :      Score des Patienten alle drei Monate       MELD-Score          3-Monats-Versterberisiko
Wer erhält das nächste Organ – Der MELD-         um 2 – 3 Punkte erhöht. Nach einem         6                                      1%
Score). Je höher der Score, desto krän-          halben Jahr steht der MELD-Score           10                                     2%
ker ist der Patient und umso größer die          dann entsprechend bei ca. 25 Punk-         15                                     5%
Wahrscheinlichkeit eines Organangebots           ten, nach einem Jahr bei ca. 31.           20                                    11 %
für den Patienten. So können die Schwe-       8. Wurden Tumoren durch lokal an der          22                                    15 %
re der Erkrankung und die Dringlichkeit          Leber angewandte Therapie(n) elimi-        24                                    21%
von Patienten mit Leberzirrhose erfasst          niert, gelten erneut auftretende Tumo-     26                                    28 %
werden.                                          ren dann als Neuerkrankung, wenn seit-     27                                    32 %
                                                 her mehr als 24 Monate vergangen sind.     28                                    37 %
Besondere Regeln für HCC-Patienten               Dann ist die Zuerkennung eines match-      29                                    43 %
   Bei Patienten mit einem Leberkrebs            MELD möglich.                              30                                    49 %
ergibt sich die Dringlichkeit jedoch meist                                                  31                                    55 %
nicht aus dem Stadium der Zirrhose, son-      Wer bekommt keinen match-MELD                 32                                    61 %
dern aus der Tatsache, dass die Tumo-         zuerkannt?                                    33                                    68 %
ren drohen zu wachsen, sich Tochterge-           Patienten, bei denen erst durch sog.       35                                    80 %
schwülste ausbilden und so weitere Or-        Downstaging (therapeutische Verkleine-        36                                    85 %
gane befallen können.                         rung des/r Tumor/en) die unter 1. aufge-      37                                    90 %
   Für manche Erkrankungen, so auch           führten Kriterien erreicht werden konnten,    38                                    93 %
für das HCC, wird also der tatsächliche       erhalten keinen match-MELD zuerkannt,         39                                    96 %
Dringlichkeitsgrad nicht durch den lab-       weil die Wahrscheinlichkeit besteht ,         40                                    98 %
MELD erfasst. Für solche Patienten gelten     dass der zuvor größere Tumor (außerhalb       41                                    99 %
gesonderte Regeln. Wenn sie bestimmte         der Kriterien) bereits in andere Organe       42                                   100 %
medizinische Kriterien erfüllen (Standard     metastasiert haben könnte und so der
Exceptions), wird ihnen ein sogenannter       Transplantationserfolg kleiner ist als bei
                                                                                            * Jutta Riemer ist Mitglied der Ständigen Kommission
match-MELD zugewiesen. Dieser erhöht          Patienten mit gleich großem Tumor ohne
                                                                                              Organtransplantation der Bundesärztekammer
sich alle 3 Monate. Ist jedoch die Leber-     Downstaging.
funktion schwer beeinträchtigt, kann der         Patienten mit einzelnen Tumoren, die       Quellen: BÄK, Richtlinien zur Organtransplanta-
lab-MELD höher als der match-MELD sein.       kleiner als 2 cm sind, erhalten keine SE-     tion, Deutsches Ärzteblatt 19.5.2017,
Der höhere der beiden Werte (lab-MELD         Punkte. Herde unter 1 cm werden für die       DSO-Jahresbericht 2016, Leitlinien HCC (DGVS)
LE B E N S LI N I E N 1/2018                                Transplantationsmedizin
                                                                    Rubrik                                                                   9

26. DTG-Jahrestagung in Bonn
                                                    rückläufigen Zahlen für Organspende und        trum, die zum Beispielmit HIV oder Hepa-
Gerd Böckmann
                                                    -transplantation berichten.                    titis infiziert sind. Wenn der Empfänger
                                                        Den aktuellen Jahresberichten der Deut-    ebenfalls infiziert ist, stellen diese eine

D   ie 26. Jahrestagung der Deutschen
    Transplantationsgesellschaft (DTG)
fand vom 25. bis 28.10.2017 in Bonn im
                                                    schen Stiftung Organtransplantation (DSO)
                                                    und der Stiftung Eurotransplant (ET) sind
                                                    folgende Kennzahlen des Jahres 2016 für
                                                                                                   Möglichkeit zur Transplantation dar.
                                                                                                       Zur Aufarbeitung des Transplantations-
                                                                                                   skandals war war die Kölner Strafrechts-
World Conference Center statt. Die Gebäu-           die Transplantationsaktivitäten in Deutsch-    expertin Prof. Dr. Elisa Hoven eingeladen.
de dieses Konferenzzentrums waren bis               land zu entnehmen:                             Die Kernaussage des Vortrags „Juristische
zum Umzug nach Berlin der Sitz des deut-            쮿 Aktiv zur Transplantation gelistete Pati-    Bewertung des BGH-Urteils“ war zuvor
schen Bundestags und bildeten eine be-                  enten zum Jahresende 2016: 10.129          schon in der Wochenzeitschrift „Die Zeit“
eindruckende Kulisse für Vortragende und            쮿 Davon in 2016 neu zur Transplantation        unter dem anschaulicheren Titel „Patien-
Zuhörer.                                                gelistete Patienten: 5.551                 tendaten fälschen ist kein versuchter Tot-
   Der besorgniserregende Tiefstand bei             쮿 Erfolgreich transplantierte Patienten in     schlag“ von ihr veröffentlicht worden. Ein
Organspende und Transplantation, ohne                   2016: 3.708 (davon 647 nach Organ-         Göttinger Chirurg hatte die Daten seiner
dass eine Trendwende in Sicht ist, war ei-              Lebendspende)                              Transplantationspatienten manipuliert, um
nes der Hauptthemen der Veranstaltung.              쮿 Auf den Wartelisten verstorbene Patien-      ihnen ein bessere Position auf der Warte-
Im internationalen Vergleich hat trotz ho-              ten in 2016: 939 (teilweise für mehre-     liste zu verschaffen und damit andere
her Qualität der deutschen Transplantati-               re Organe gemeldet)                        Patienten gefährdet. Sowohl das Land-
onsmedizin die quantitative Versorgung              쮿 Weitere Abgänge von den Wartelisten          gericht Göttingen als auch der Bundes-
der Bevölkerung einen Tiefstand erreicht.               (Grund: „unfit for transplantation“ oder   gerichtshof haben ihn, wenn auch aus
Bezogen auf je 1 Mio. Bürger betrug die                 unbekannt) in 2016: 729                    verschiedenen Gründen, freigesprochen.
Rate an transplantierten Patienten im Jahr          Der Umbau von für Organspende und              Der Freispruch durch den Bundesge-
2016 in Deutschland 44,4 , in Österreich            -transplantation zuständigen Zentren, Gre-     richtshof am 28.6.2017 ist nach Meinung
hingegen 87,2, in Frankreich 87,8, in den           mien und Institutionen ist im Rahmen der       der Strafrechtlerin skandalös und steht im
Niederlanden 90,5 und in Spanien 102,3.             derzeit gegebenen Möglichkeiten weit fort-     Widerspruch zu sonstigen Entscheidungen
   Voraussetzung für eine grundlegende              geschritten, so dass die Grundlagen für        des BGH. Da in der Zeit zwischen Tat und
Verbesserung wäre nach Ansicht der DTG              eine gewisse Verbesserung der Situation        Urteil das Transplantationsgesetz geändert
ein gesamtgesellschaftlicher Konsens                in den kommenden Jahren prinzipiell ge-        wurde, wäre eine solche Tat heute straf-

                                                                                                                                                  Fotos: privat, K.I.T. Group GmbH Dresden
über das Ziel, eine Versorgungsqualität auf         geben wären. Es fehlt eine Politik, die nach   bar. Warum der BGH dieses Urteil gefällt
dem Niveau unserer Nachbarländer zu er-             einer gesellschaftspolitischen Diskussion      hatte, konnte Elisa Hoven nicht erklären.
reichen. Dieser ist aktuell nicht absehbar.         die Organspende und Transplantation ef-        Sie hält das Urteil für eine Einzelentschei-
Die DTG befürchtet stattdessen eine Dis-            fektiv fördert.                                dung ohne Übertragbarkeit auf andere
kussion über einen Rückbau der Trans-                   Die Kriterien für die Organverteilung      Fälle.
plantationsmedizin in Deutschland.                  und die Möglichkeit der Verwendung von             Zwei weitere Themen standen im Focus:
   Für das Berichtsjahr 2016/2017 kann              durch Erkrankungen vorgeschädigte Or-          Der Organersatz und die Verteilungsge-
die Deutsche Transplantationsgesellschaft           gane wurden in Vorträgen behandelt. Der        rechtigkeit der Spenderorgane. Lesen Sie
(DTG) keine Trendumkehr der weiterhin               Organmangel rückt hier Organe ins Spek-        dazu die beiden nachfolgenden Beiträge.

Mit einem Informationsstand war Lebertransplantierte Deutschland e.V.
bei der Jahrestagung der DTG vertreten. Dort haben Ulrike Montini
sowie Karin und Günter Schelle, neue Ansprechpartner für die Region
Köln und Bonn, Gespräche geführt und Informationsmaterial
ausgegeben. Susan Stracke, Andrea Sebastian, Gerd
Böckmann und Jutta Riemer zog es auch immer
wieder zu unserem Stand, obwohl sie in
anderer Funktion bei der Tagung waren.
Sie können auch lesen