Öleintrag über den Kolbenfeuersteg - Forschungsvereinigung ...
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FORSCHUNG Mess - und Prüftechnik AUTOREN Öleintrag über den Kolbenfeuersteg Untersuchungen zum Ölhaushalt am Kolben sind wichtig, um zukünftige Motorenkonzepte hinsichtlich Brennverfahren und Emissionen zu optimieren. Dr.-Ing. Thomas Ebert Im Rahmen des FVV-Vorhabens Fuel In Oil II (FVV-Nr. 1225) wurde am ist Projektleiter Motor entwicklung bei der Lehrstuhl für Verbrennungskraftmaschinen (VKA) der RWTH Aachen Keyou GmbH in München. University ein Messverfahren für Untersuchungen der Schmierfilmdicken am Kolbenfeuersteg entwickelt und eingesetzt. Gleichzeitig erarbeitete das Institut für Analytische Messtechnik Hamburg e. V. (IAM-Hamburg) eine Abgasanalysemethode zur Untersuchung der Ölemissionsmechanismen. Ann-Christin Preuß, M. Sc. ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Analytische Mess technik Hamburg e. V. (IAM-Hamburg). Prof. Dr.-Ing. Stefan Pischinger ist Leiter des Lehrstuhls für Verbrennungskraft maschinen (VKA) an der RWTH Aachen University. Prof. Dr.-Ing. Gerhard Matz ist Vorsitzender des Instituts für Analytische Messtechnik Hamburg e. V. (IAM-Hamburg). © VKA 66 www.springerprofessional.de/automobiltechnik
1 MOTIVATION UND ZIELSE T ZUNG Kolbenrings in Stellung des Kolbens im Oberen Totpunkt (OT) sowie 2 VERSUCHSTR ÄGER in einem Punkt maximalen Kraftstoffwandauftrags (Messposition 3). 3 ME THODIK DER ÖLFILMDICKENMESSUNG Aufbau und Fertigungsprozess der Messsonden sind in [5] beschrie- 4 MESSERGEBNISSE ben. Kernelement der Messmethodik ist das optische Fenster, das 5 ABG ASANALYSE UND ERGEBNISSE den Brennraum abdichtet und mit Luft und Öl als weitere transpa- 6 SIMUL ATIONSME THODIK UND ERGEBNISSE rente Medien ein komplexes Mehrschichtsystem bildet. Über ein 7 ZUSAMMENFASSUNG kontinuierliches Brechungsverhalten zwischen Öl und Fensterwerk- stoff kann erreicht werden, dass nur die Ölschicht am Kolbenfeuer- steg erfasst wird. Quarzglas als Fensterwerkstoff, das ein sehr ähn- liches Lichtbrechungsverhalten zu Motoröl aufweist, erfüllt diese 1 MOTIVATION UND ZIELSETZUNG Anforderung. Über eine präzise Fokussierung der zu vermessenden Downsizing-Konzepte mit Benzindirekteinspritzung erfordern neue Schicht am Feuersteg kann die Schichtentrennung weiter begünstigt Maßstäbe bei der Brennverfahrensentwicklung [1]. In früheren werden. Zudem wird über eine Fensterdicke von nur 2,8 mm eine Forschungsarbeiten konnten sowohl für Vorentflammungen [2] als minimale Signalschwächung erreicht. Aufgrund einer maximalen auch Partikelemissionen [3] eindeutige Zusammenhänge zu einem Messrate des Messgeräts von nur 4000 Hz mussten die Unter Schmieröleintrag in den Brennraum nachgewiesen werden. suchungen auf niedrige Motordrehzahlen beschränkt werden. Stellvertretend für das System Zylinder-Kolben-Kolbenring, dem der höchste Beitrag zum Öleintrag zugemessen werden kann [4], 4 MESSERGEBNISSE wurde im Forschungsprojekt der Mechanismus des Abschleuderns von Öltröpfchen vom Kolbenfeuersteg infolge von Trägheitskräften Die Ergebnisdarstellung, BILD 1, BILD 2 und BILD 3, erfolgt in Form fokussiert. Hierzu sollten messtechnische Untersuchungen zum einer Abbildung des Feuerstegspalts mit der Feuersteghöhe auf der Ölhaushalt am Kolbenfeuersteg als Quelle eines möglichen Ölein- y-Achse und den zugehörigen Filmdicken auf der x-Achse (hellgrau: trags und darauf basierende numerische Untersuchungen zum Öl Feuersteg; dunkelgrau: erster Kolbenring). Aufeinanderfolgende eintragsverhalten durchgeführt werden. Zudem sollten über mess- Messpunkte werden dabei superponiert. Für Messposition 1, BILD 1, technische Analysen von Aerosol- und Ölemissionen Rückschlüsse geht sämtlichen Messzeitfenstern im Arbeitsspiel eine negative auf die zugrunde liegenden Mechanismen gezogen werden. Kolbenbeschleunigung mit Trägheitskräften Richtung OT voraus, wodurch eine Verlagerung der Ölansammlung am Feuersteg hin zum Kolbenboden erfolgt. Abhängig von der Phase im Arbeitsspiel 2 VERSUCHSTRÄGER ändert sich für Messposition 3, BILD 2, die Richtung der Kolben- Die Messungen wurden an zwei unterschiedlichen Motoren durch- beschleunigung, die den einzelnen Messzeitfenstern vorausgeht. geführt. Beim Versuchsträger für die Schmierfilmdickenmessun- Das Öl am Feuersteg verschiebt sich folglich je nach Phase im gen handelte es sich um einen Einzylinder-Ottomotor (75 mm Zyklus Richtung Kolbenboden oder Kolbenring. Zur Untersuchung Bohrung, 90,5 mm Hub) mit Benzindirekteinspritzung. Für die des Viskositätseinflusses wurde der Motor auf 30, 60 und 90 °C Untersuchungen mit dem Abgasanalyseverfahren kam ein Ein konditioniert. Die Schichtdickenmessungen erfolgten wieder an zylinder-Ottomotor mit Saugrohreinspritzung (90 mm Bohrung, Messposition 1. In BILD 3 sind die Ergebnisse für alle drei Tempe- 96,3 mm Hub) der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der raturen während der Expansion dargestellt. Ein Temperatur- und Bundeswehr Hamburg zum Einsatz. damit Viskositätseinfluss ist sehr deutlich erkennbar. Gerade bei 30 °C scheint das Öl stark im Bereich des Kolbenrings zu haften. Das dynamische Verhalten wird dann zu höheren Temperaturen 3 METHODIK DER ÖLFILMDICKENMESSUNG hin stärker ausgeprägt. Die Ölfilmdickenmessungen am Kolbenfeuersteg wurden mithilfe Die Messungen erwecken an einigen Stellen den Eindruck, als eines interferometrischen Schichtdickenmessgeräts [5] durchge- wäre das Öl stark im unteren Feuerstegbereich konzentriert. Dabei führt. Zur Durchführung der Messungen wurden optische Zugänge gilt unbedingt zu beachten, dass fehlende Messpunkte im oberen an drei Messpositionen an der Zylinderlaufbuchse definiert: ober- Bereich keinesfalls zwangsläufig bedeuten müssen, dass dort tat- halb (Messposition 1) und unterhalb (Messposition 2) des ersten sächlich kein Öl vorhanden ist. Gerade infolge der hohen Ölfilm- BILD 1 Schichtdicken- messung am Feuersteg an Messposition 1 (800/min, 5 bar pmi) (© VKA) MTZ 07-08|2021 82. Jahrgang 67
FORSCHUNG Mess - und Prüftechnik BILD 2 Schicht dickenmessung am Feuersteg an Messposition 3 (800/min, 5 bar pmi) (© VKA) BILD 3 Schicht dickenmessung am Kolbenfeuersteg bei unterschiedlichen Motortemperaturen (Messung an Posi- tion 1, Expansions- phase, 800/min, 5 bar pmi) (© VKA) dynamik am Feuersteg ist hier durchaus denkbar, dass die Öl vom zugrunde liegenden Ölemissionsmechanismus. Während eine schicht so ausgeprägt ist, dass sie nicht oder nur mit sehr g eringer Verdunstung vom Liner primär zu einem Austrag kurzkettiger Koh- Signalqualität messbar ist. lenwasserstoffe führt, ist der Anteil langkettiger Kohlenwasser- stoffe bei der Emission von Öltröpfchen signifikant erhöht. BILD 4 (links) zeigt ein Verdunstungsspektrum, das direkt nach dem Anhal- 5 ABGASANALYSE UND ERGEBNISSE ten des Motors aufgezeichnet wurde. Das Spektrum in BILD 4 Um Verdunstung vom Liner und Abschleudern, Abschaben oder (rechts) resultiert aus einer vollständigen Verdampfung von Öltröpf- Reverse Blow-by als Ölemissionsquellen zu unterscheiden, wurden chen mithilfe der Kalibriereinheit [5]. Die massenspektrometrische simultane Messungen der unverbrannten Kohlenwasserstoffe und Analyse der Kohlenwasserstoffkettenlängen wird gestützt durch der Aerosolpartikel im Abgas durchgeführt. Hierbei kamen ein eine Korrelation mit der Aerosolpartikelemission. Quadrupol-Flugzeitmassenspektrometersystem (Q-TOF-Massen- Um unterscheidbare Ölemissionsmechanismen zu provozieren, spektrometer) sowie ein Weißlicht-Aerosolspektrometersystem wurde die Einspritzung unterbrochen. Wird die Einspritzung aus- zum Einsatz [5]. Das massenspektrometrische Analyseverfahren geschaltet, steigt die Ölemission signifikant an, BILD 5 (1). Der stützt sich auf die Abhängigkeit des Spektrums der Ölemission geringe Anteil langkettiger Kohlenwasserstoffe sowie die nicht BILD 4 Infolge von Verdunstung (links) und Öltröpfchenemission (rechts) zu erwartende Massenspektren (© IAM-Hamburg) 68 www.springerprofessional.de/automobiltechnik
www.ut99.com ansteigende Aerosolpartikelkonzentration führen zu der Schluss- folgerung, dass zu diesem Zeitpunkt Wandfilmverdunstung die primäre Ölemissionsquelle ist. 15 s nach Beginn der Einspritzunter HOCHEFFIZIENTE ÖLNEBELABSCHEIDER brechung, BILD 5 (2) ist der Anteil langkettiger Kohlenwasserstoffe deutlich erhöht (ersichtlich im Vergleich der Quotienten der sum- PLATTFORM marischen Hochpassfilter), und die Aerosolpartikelkonzentration nimmt zu. Dies lässt darauf schließen, dass die abnehmende Wandfilmverdunstung infolge der sinkenden Ölfilmtemperaturen zunehmend von einer Öltröpfchenemission überlagert wird. Es ist davon auszugehen, dass dies auf eine zunehmende Ölfilmschicht- FÜR VERBRENNUNGSMOTOREN dicke am Feuersteg in Kombination mit den Trägheitskräften zurück- BIS 4000 KW zuführen ist. Wird die Einspritzung wieder aktiviert, BILD 5 (3), kommt es zu einer erhöhten Öl- und Aerosolpartikelemission. Das Spektrum weist einen deutlich erhöhten Anteil langkettiger Kohlen- wasserstoffe auf. Dies spricht für eine erhöhte Öltröpfchenemission. Die Betrachtung der Aerosolospektren zeigt, dass während der Einspritzunterbrechung, BILD 5 (2), Öltröpfchen mit einer Größe von bis zu 2 μm emittiert werden, wohingegen bei Wiedereinsetzen der Verbrennung, BILD 5 (3), die Aerosolpartikeldurchmesser deut- lich unter 1 μm liegen. 6 SIMULATIONSMETHODIK UND ERGEBNISSE Die Untersuchungen zum Abschleudern von Öltröpfchen vom Kol- benfeuersteg infolge von Trägheitskräften, die ein komplexes Mehr- phasenproblem darstellen, wurden mithilfe eines sogenannten Volume-of-Fluid-Ansatzes (VOF) durchgeführt. Aufgrund der maxi- mal zweidimensionalen Auflösung der Schichtdickenmessungen wurde das tatsächlich dreidimensionale Mehrphasenproblem auf eine zweidimensionale Problemstellung reduziert. Die Simulations- domäne umfasst das Feuerstegvolumen und einen kleinen Gas bereich über dem Kolben. Der Einfluss des Brennraumdrucks wird gegenüber den Effekten der Trägheitskräfte vernachlässigt. Dem Vorteile gesamten Zellpaket, das als starres dynamisches Gitter spezifiziert ist, wird ein translatorisches Verhalten entsprechend der Kolben • skalierbare Plattform bewegung aufgeprägt. Die Phaseninitialisierung erfolgt basierend auf den Ergebnissen der Schichtdickenmessungen. • flexible Montage auf dem Motor Die Simulationsergebnisse, BILD 6, verdeutlichen den Mechanis- • robust und servicefreundlich mus zum Ablösen eines Öltröpfchens vom Kolbenfeuersteg. Das Öl fließt im Bereich des OT um die Kolbenoberkante und sammelt • konfigurierbare Schnittstellen sich am Rand des Kolbenbodens an. Das Zusammenspiel der sta- bilisierenden und destabilisierenden Kräfte ist hier deutlich zu • integrierter Ölablauf erkennen. Ein im OT vermeintlich beginnender Ablösevorgang wird • kompakte Einheit RESIDUAL OIL CONTENT AFTER FILTRATION zunächst stabilisiert und setzt erst etwa 20 °KW später ein, nach- dem eine größere Ölmenge mit ihrer destabilisierenden Wirkung • geringer Druckabfall
FORSCHUNG Mess - und Prüftechnik BILD 5 Öl- und Aerosolpartikel emission mit 30 s Einspritz unterbrechung bei 3000/min, 15 Nm, 90 °C Öl- und Kühl wassertemperatur; Ausschalten der Einspritzung (1), Einspritz- unterbrechung (2), Wiederein- schaltung (3) (© IAM-Hamburg) BILD 6 Ablösen eines Öltröpfchens bei 6000/min und 260 °C Öltemperatur (© VKA) gung eingesetzt werden. Mit diesen Messergebnissen initialisierte Mehrphasensimulationen zur Untersuchung der Öltransportphäno- mene am Feuersteg veranschaulichen den Mechanismus zum Ab schleudern von Öltröpfchen vom Kolben infolge von Trägheitskräften. DANKE Das Forschungsvorhaben (FVV-Nr. 1225) wurde am Lehrstuhl für Verbrennungs- Simultane Messungen der Öl- und Aerosolpartikelemissionen zeigen kraftmaschinen (VKA) der RWTH Aachen University unter der Leitung von eine starke Korrelation. Prof. Dr.-Ing. Stefan Pischinger und am Institut für Analytische Messtechnik Hamburg e. V. (IAM-Hamburg) unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Gerhard Matz LITERATURHINWEISE durchgeführt. Es wurde durch Bundesministerium für Wirtschaft und Energie [1] Willand, J. et al.: Grenzen des Downsizing bei Ottomotoren durch (BMWi) über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen Vorentflammungen. In: MTZ 70 (2009), Nr. 5, S. 422-428 [2] Dahnz, C.; Han, K.-M.; Magar, M.: Vorentflammung bei Ottomotoren: (AiF) e. V. (IGF-Fördernr. IGF-Nr. 19089 N) aufgrund eines Beschlusses des U ntersuchung des Auftretens und der Ursache von Selbstzündungen vor Deutschen Bundestags finanziell gefördert und von einem Arbeitskreis unter der Zündungseinleitung bei aufgeladenen Motoren mit hohem Verdichtungs Leitung von Obmann Dr.-Ing. Marcus Gohl (APL Automobil-Prüftechnik Landau verhältnis. Abschlussbericht FVV-Projekt Nr. 931, 2010 GmbH) begleitet. Die Autoren bedanken sich bei den Fördergebern, der For- [3] Dageförde, H.: Partikel bei Otto-DI: Untersuchung von Maßnahmen schungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen (FVV) e. V. und allen Projekt- zur Reduktion der Partikel-Anzahlemissionen bei Otto-DI-Motoren. Abschluss bericht FVV-Projekt Nr. 1046, 2013 beteiligten für die Unterstützung des Vorhabens. [4] Völtz, M.: Einfluß des Motorenöls auf den Ölverbrauch: Quellen und Mecha nismen des Ölverbrauchs im Motor. In: Krafthand 70 (1997), Nr. 12, o. S. [5] Gohl, M. et al.: Investigation of Oil Sources in the Combustion Chamber of READ THE ENGLISH E-MAGAZINE Direct Injection Gasoline Engines. SAE Technical Paper Nr. 2018-01-1811, 2018 Test now for 30 days free of charge: www.mtz-worldwide.com 70 www.springerprofessional.de/automobiltechnik
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