Leitfaden für Lehrkräfte und Schulleitungen weltweit zur Stärkung des Menschenrechts auf Religions und Weltanschauungsfreiheit im Schulunterricht
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Leitfaden für Lehrkräfte und Schulleitungen weltweit zur Stärkung des Menschenrechts auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit im Schulunterricht „Jeder hat das Recht auf Gedanken‐, Gewissens‐ und Religionsfreiheit; dieses Recht schließt die Freiheit ein, seine Religion oder seine Weltanschauung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen.“1 Dieser Leitfaden richtet sich an Lehrkräfte, Schulleitungen, pädagogisches Personal an Schulen sowie an Mitarbeitende von Schulverwaltungen weltweit. Er bietet eine Orientierung beim Umgang mit dem Thema Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit im Schulunterreicht zur Stärkung einer nachhaltigen Entwicklung in verschiedenen Ländern und Kontexten. Der Leitfaden kann auch von Nichtregierungsorganisationen genutzt werden, um Lehrkräfte in der Menschenrechtsbildung und im Umgang mit Diskriminierung zu schulen. Er kann darüber hinaus auch auf den außerschulischen Kontext übertragen werden. Entscheidend für die Anwendung der Prinzipien des Leitfadens sind immer die Gegebenheiten in den jeweiligen lokalen Kontexten, die sich stark voneinander unterscheiden können. Wenn Sie sich für die Förderung der Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit und den Schutz vor Diskriminierung aufgrund religiöser Zugehörigkeit oder Weltanschauung im Schulunterricht einsetzen möchten, finden Sie in diesem Leitfaden praktische Handlungsempfehlungen, die Sie in der Gestaltung Ihrer Lehre und Ihres Umgangs mit Schülerinnen und Schülern heranziehen können. Der Leitfaden soll Ihnen insbesondere dabei helfen: ein inklusives Lernumfeld in der Schule zu schaffen, das von gegenseitigem Respekt und Toleranz sowie von Pluralismus und Diversität geprägt ist, Diskriminierung, Intoleranz und Stereotype gegenüber Angehörigen einer Religion oder Weltanschauung in der Schule zu erkennen und abzubauen, in der Präventionsarbeit tätig zu sein und einen menschenrechtsbasierten Bildungsansatz im Schulunterricht zu fördern, anzuwenden und diesen als Querschnittsthema im Schulunterricht zu verankern. 1 Art. 18, Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR). 1
1. Welche Bedeutung hat das Menschenrecht auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit im Schulunterricht für eine nachhaltige Entwicklung? Für das friedliche Zusammenleben der Menschen und eine nachhaltige Entwicklung sind die Menschenrechte auf Bildung sowie auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit von zentraler Bedeutung. Bildung fördert Pluralität, Respekt und Toleranz und trägt damit zur Stärkung des friedlichen Zusammenlebens der Menschen unterschiedlicher Religionsgruppen sowie nicht‐religiöser Menschen bei und fördert nachhaltige Entwicklung. Zudem kann Bildung dazu beitragen, religiöse und weltanschauliche Minderheiten zu schützen. Denn Bildung befähigt Menschen, ihre persönlichen Denk‐ und Verhaltensmuster kritisch zu reflektieren. Auf diese Weise bauen sie eigene Stereotype gegenüber Andersdenkenden ab und werden befähigt, Diskriminierung, Verfolgung und Gewalt gegenüber Personen aufgrund ihrer Religion oder Weltanschauung aktiv entgegenzutreten. Gleichzeitig können Bildungssysteme das Menschenrecht auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit jedoch einschränken und das friedliche Zusammenleben der Menschen unterschiedlicher Religionen oder Weltanschauungen stören. Dies gilt etwa dann, wenn sie Intoleranz gegenüber Anders‐ oder Nicht‐Gläubigen fördern und Bildung religiöse Gruppen eher voneinander trennt als sie vereint. Dies ist häufig in den Ländern der Fall, in denen auch die Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit Einschränkungen unterworfen ist. Religiöse oder andere gesellschaftliche Minderheiten sind in diesen Ländern oftmals auch im Bildungssystem von Einschränkungen und Diskriminierung betroffen. Zudem können Bildungssysteme das Menschenrecht auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit einschränken, wenn sie die wichtige Rolle, die Religion in vielen Ländern der Welt spielt, nicht ausreichend anerkennen. Ziel 4 der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung fordert „für alle Menschen inklusive, chancengerechte und hochwertige Bildung sowie Möglichkeiten zum lebenslangen Lernen sicherzustellen“. Bildung wirkt als Hebel für Entwicklung und hat Einfluss auf alle anderen Gesellschaftsbereiche. Um dauerhaft eine friedliche und inklusive Gesellschaft zu fördern, sollte daher auch Bildung zu Menschenrechten, darunter die Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit, im Bildungssystem verankert werden. Gemäß des Prinzips „leave no one behind“ (LNOB) sollte dabei ein Fokus auf religiöse Minderheiten und andere gesellschaftliche Gruppen gelegt werden, da diese in besonderem Maße von Einschränkungen, Diskriminierung und Verfolgung aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Religion oder Weltanschauung betroffen sind. Für die Förderung der Menschenrechte im Schulunterricht, darunter der Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit, ist der Umgang der Lehrkräfte mit diesem Thema von besonderer Bedeutung. Sie als Lehrkraft sollten dafür sorgen, dass alle Religionen und Weltanschauungen im Schulunterricht fächerübergreifend umfassend und ausgewogen repräsentiert werden und niemand diskriminiert wird. Dies gilt insbesondere in Weltregionen, die entweder von einer großen ethnisch‐ religiösen Diversität geprägt sind oder in denen besonders viele religiöse oder andere gesellschaftliche Minderheiten leben. Die ausgewogene Repräsentation aller Religionen und Weltanschauungen im Schulunterricht kann für Sie als Lehrkraft insbesondere in den Ländern eine Herausforderung darstellen, in denen das Menschenrecht auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit Einschränkungen unterworfen ist. 2
2. Welchen Grundprinzipien folgt der Leitfaden? Der Leitfaden folgt einem menschenrechtsbasierten Verständnis von Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit sowie Bildung gemäß der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR), dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (VN‐Zivilpakt) und dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (VN‐Sozialpakt).2 Basierend auf den Toledo‐Leitlinien für Unterricht über Religion und Weltanschauung an öffentlichen Schulen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) aus dem Jahr 2007, unterstreicht der Leitfaden, dass ein menschenrechtsbasiertes Rahmenwerk am besten dazu geeignet ist, das Thema Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit im Schulunterricht ausgewogen zu behandeln und Diskriminierung von Schülerinnen und Schülern aufgrund ihres Glaubens oder Nicht‐Glaubens entgegenzutreten. Bezogen auf die säkulare oder religiöse Bildung an Schulen unterscheidet der Leitfaden zwischen zwei verschiedenen Bildungsangeboten: dem Unterricht, der Schülerinnen und Schülern Kenntnisse über unterschiedliche Religionen und Weltanschauungen vermittelt und dem Unterricht, der religiöse Bildung auf der Grundlage eines bestimmten Glaubens vermittelt. Das erste Angebot zielt darauf ab, über verschiedene Religionen und Weltanschauungen zu informieren, d.h., aus einer nicht‐ theologischen Perspektive die Allgemeinbildung von Schülerinnen und Schülern zu unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen zu stärken und Stereotype abzubauen. Das zweite Angebot hingegen ist Teil der religiösen Bildung und lehrt Schülerinnen und Schüler in ihrem eigenen Glauben und vermittelt unter anderem theologische Konzepte oder religiöse Normen. Die Teilnahme an dieser zweiten Unterrichtsform sollte freiwillig erfolgen. Allerdings gibt es auch Mischformen, die beide Ansätze miteinander verbinden. Der Leitfaden folgt einem ganzheitlichen pädagogischen Ansatz und begreift Bildung zu Menschenrechten als Querschnittsthema für alle Unterrichtsfächer in der Schule. Dies bedeutet, dass Sie das Menschenrecht auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit nicht nur im Religions‐ oder Ethikunterricht thematisieren sollten, sondern in allen Fächern. So können Sie die Schülerinnen und Schüler auch im Geschichts‐, Sprach‐ oder Mathematikunterricht digitale Medien, Literatur oder Aufgaben nutzen lassen, in denen verschiedene Religionen oder Weltanschauungen vorkommen. Daher ist es notwendig, dass Sie alle Kolleginnen und Kollegen an Ihrer jeweiligen Schule in die Umsetzung dieses Leitfadens einbeziehen. Dieser ganzheitliche pädagogische Ansatz unterstützt Sie dabei, Diskriminierung an Schulen abzubauen und die gesellschaftliche Vielfalt angemessen zu repräsentieren. Er unterstützt Sie auch dabei, die Menschenrechtsbildung an der gesamten Schule zu stärken und das friedliche Zusammenleben der Menschen zu fördern und zu gestalten. 2 Das Menschenrecht auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit ist in Artikel 18 der AEMR und des VN‐ Zivilpakts festgeschrieben. Artikel 26 der AEMR und Artikel 13 des VN‐Sozialpakts regeln das Menschenrecht auf Bildung. 3
3. Handlungsfelder des Leitfadens und Möglichkeiten der Anwendung Dieser Leitfaden führt verschiedene Handlungsfelder auf, in denen Sie als Lehrkraft das Menschenrecht auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit stärken sowie Diskriminierung aufgrund von Religion oder Weltanschauung etwas entgegensetzen können. Diese Handlungsfelder beinhalten mehrere Unterkategorien mit Empfehlungen in Themenbereichen wie Bewusstsein schaffen für Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit, Präventionsarbeit oder Umgang mit Diskriminierung. Die Untergliederung in einzelne Handlungsfelder soll Ihnen dabei helfen, die Menschenrechtsbildung zu stärken und den Umgang mit Diskriminierung aufgrund von Zugehörigkeit zu einer Religion oder Weltanschauung im Schulunterricht besser zu strukturieren. In der Praxis können die Grenzen zwischen den Handlungsfeldern fließend sein. Um das Menschenrecht auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit im Schulunterricht zu fördern ist es notwendig, dass Sie als Lehrkraft in der Schule fächerübergreifend ein Verständnis und ein Bewusstsein für das Thema schaffen. Es ist wichtig, dass Schülerinnen und Schüler Kenntnisse über den Inhalt des Menschenrechts auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit erhalten und über den jeweiligen Kontext, in dem sie leben. Gibt es im Umfeld der Schülerinnen und Schüler beispielsweise eine Mehrheitsreligion oder ‐weltanschauung? Gibt es religiöse oder weltanschauliche Minderheiten? Ebenso sollten Sie Ihre Schülerinnen und Schüler befähigen, kritisch zu denken und sich nicht von Stereotypen über Religionen oder Weltanschauungen beeinflussen zu lassen. Wichtig ist auch, dass die Schülerinnen und Schüler erlernen, das Potential, das Religionsgemeinschaften für das friedliche Zusammenleben der Menschen haben können, zu erkennen. Erfolgt Diskriminierung von Schülerinnen und Schülern aufgrund ihrer Religion oder Weltanschauung, ist es notwendig, diese zu erkennen. Diskriminierung kann ganz unterschiedliche Formen annehmen und von Ausgrenzung, Beleidigungen, Zerstörung von Eigentum bis hin zu physischen und psychischen Angriffen reichen. Für die Stärkung des Menschenrechts auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit sollten Sie nicht nur das schulische, sondern auch das außerschulische Umfeld einbeziehen. Das Umfeld, in dem die Schülerinnen und Schüler leben, ist von hoher Bedeutung, um Toleranz, Respekt und Dialog gegenüber Menschen verschiedener Religionen und Weltanschauungen zu fördern. Zu diesem Umfeld zählen die Familien und Freundinnen und Freunde der Schülerinnen und Schüler ebenso wie Dorfgemeinschaften, in denen die Schülerinnen und Schüler leben. Auch die klassischen und sozialen Medien haben eine hohe Bedeutung, um Diskriminierung und Hass entgegenzutreten und Toleranz, Respekt und Dialog zwischen den Menschen zu fördern. Bei der Anwendung des Leitfadens ist sehr wichtig zu beachten, dass der Leitfaden selbst auf den internationalen Menschenrechtsstandards wie der AEMR, dem VN‐Zivilpakt und dem VN‐Sozialpakt basiert, denen zufolge die Menschenrechte universell, unveräußerlich und unteilbar sind. Doch obwohl die Mehrheit der VN‐Mitgliedsstaaten die zentralen internationalen Menschenrechtsstandards ratifiziert hat (VN‐Zivilpakt 173 VN‐Mitgliedstaaten; VN‐Sozialpakt 171 VN‐Mitgliedstaaten), werden die Menschenrechtsstandards nicht in allen Staaten vollumfänglich angewandt. In einigen Staaten sind abweichende Gesetze in Kraft oder abweichende Praktiken zu finden. Bei dem Menschenrecht auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit betrifft dies zum Beispiel häufig das Thema Konversion. Obwohl vom VN‐Zivilpakt gedeckt, wird Konversion in einigen Staaten mit harten Strafen, die bis zur Todesstrafe reichen können, sanktioniert. In vielen Ländern ist das Menschenrecht auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit auch erheblichem gesellschaftlichen Druck unterworfen. So sind zum Beispiel religiöse Minderheiten oder Personen, die konvertieren, häufig gesellschaftlicher 4
Diskriminierung oder Gewalt ausgesetzt, obwohl die jeweilige Rechtsprechung die Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit garantiert. Um Ihre Schülerinnen und Schüler sowie sich selbst zu schützen und keiner Gefahr auszusetzen, ist es sehr wichtig, dass Sie bei der Anwendung dieses Leitfadens unbedingt die in Ihren Ländern gültigen Rechtsvorschriften beachten. Gleichermaßen ist es erforderlich, dass Sie die in Ihrer Region und in Ihrem Land vorhandenen sozialen Normen und Praktiken berücksichtigen, um zu verhindern, dass die Schülerinnen und Schüler oder Sie selbst gesellschaftliche Feindseligkeiten oder gar Gewalt erleiden. Sie sollten insbesondere darauf achten, dass der Umgang mit dem Thema Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit in der Schule, zum Beispiel im Geschichtsunterricht, nicht zu einer Stigmatisierung bestimmter religiöser oder weltanschaulicher Gruppen führt, die gesellschaftliche Spannungen auslösen kann. Handlungsfeld Empfehlung zur Stärkung des Menschenrechts auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit im Schulunterricht und zum Umgang mit Diskriminierung Schaffen Sie bei Ihren Schülerinnen und Schülern ein Verständnis dafür, was das Menschenrecht auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit gemäß Art. 18 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte sowie VN‐Zivilpakt beinhaltet.3 Erläutern Sie, dass Jedermann das Recht auf Gedanken‐, Gewissens‐ und Religionsfreiheit hat, d.h., eine Religion oder Weltanschauung eigener Wahl zu haben oder anzunehmen. Dies auch das Recht beinhaltet, seinen Glauben zu wechseln (Konversion) oder sich von einem Glauben abzuwenden Verstehen / Bewusstsein (Apostasie). schaffen Niemand einem Zwang ausgesetzt werden darf, der das eigene Recht auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit einschränken würde. Jedermann zudem das Recht hat, seine Religion oder Weltanschauung durch Gottesdienst, Beachtung religiöser Bräuche, Ausübung und Unterricht zu bekunden. Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit die Freiheit des einzelnen Menschen in der Ausübung der eigenen Religion oder Weltanschauung schützt. Es schützt nicht eine Religion oder Weltanschauung an sich vor Kritik. Kritik an Religionen oder Weltanschauungen ist von der Meinungsfreiheit gedeckt. 3 Vgl. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948: Art. 18; VN‐Zivilpakt 1966: Art. 18 5
Handlungsfeld Empfehlung zur Stärkung des Menschenrechts auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit im Schulunterricht und zum Umgang mit Diskriminierung Schaffen Sie bei Ihren Schülerinnen und Schülern ein Verständnis dafür, worin sich der Unterricht „über“ Religionen und Weltanschauungen von religiöser Bildung unterscheidet. Vermitteln Sie Ihren Schülerinnen und Schüler Kenntnisse „über“ Religionen und Weltanschauungen aus einer nicht‐ theologischen Perspektive über die meist verbreiteten Religionen und Weltanschauungen. Achten Sie dabei auf eine ausgewogene Darstellung der verschiedenen Religionen und Weltanschauungen. Sorgen Sie dafür, dass Schülerinnen und Schülern in der religiösen Bildung Religionsunterricht in ihrer Religion erhalten. Achten Sie darauf, die Elemente in der jeweiligen Religion zu betonen, die verbindende Elemente zu anderen Religionen oder Weltanschauungen aufweisen. Die Teilnahme an diesem Unterricht sollte freiwillig erfolgen. Vermitteln Sie Ihren Schülerinnen und Schülern, dass auch Unterrichtsformen existieren können, die Unterricht über Religionen und Weltanschauungen und religiöse Bildung miteinander verbinden. Schaffen Sie ein Bewusstsein dafür, in welchem Kontext die Schülerinnen und Schüler, die diese Schule besuchen, leben. Sensibilisieren Sie Ihre Schülerinnen und Schüler dafür, ob Es eine Mehrheitsreligion oder Weltanschauung gibt. Es religiöse oder weltanschauliche Minderheiten gibt. Wenn ja, welche sind dies? Und wie sind ihre religiösen Praktiken (u.a. welche religiösen Feiertage gibt es? Welche religiösen Symbole und Kleidung existieren?)? Schülerinnen und Schüler dieser Schule in ihrer Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit eingeschränkt sind. Wenn ja, welche Formen der Diskriminierung existieren? Verankern Sie die Menschenrechte, darunter Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit, als Querschnittsthema in allen Schulfächern. Befähigen Sie Ihre Schülerinnen und Schülern in der Präventions‐ und Menschenrechtsbildung in allen Unterrichtsfächern, Aufklärungsarbeit in der insbesondere zu Kernthemen wie Meinungsfreiheit, Religions‐ Schule leisten und Weltanschauungsfreiheit, Geschlechtergerechtigkeit oder das Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit. Stellen Sie Ihren Schülerinnen und Schülern sowie ihren Eltern Informationsmaterial über die Religionen und Weltanschauungen, ihre Praktiken, Feiertage und Symbole zur Verfügung. 6
Handlungsfeld Empfehlung zur Stärkung des Menschenrechts auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit im Schulunterricht und zum Umgang mit Diskriminierung Fördern Sie bei Ihren Schülerinnen und Schülern kritisches Denken (im Sinne der Global Citizenship Education). Befähigen Sie Ihre Schülerinnen und Schüler, verschiedene Religionen und Weltanschauungen zu respektieren, einander auf Augenhöhe zu begegnen und das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gemeinschaft zu stärken. Befähigen Sie Ihre Schülerinnen und Schüler, sich nicht von negativen Stereotypen über Religionen und Weltanschauungen beeinflussen zu lassen. Befähigen Sie Ihre Schülerinnen und Schüler, kritisch zu denken, zwischen Fakten und Falschinformationen zu unterscheiden und Verschwörungsmythen über bestimmte Religionen oder Weltanschauungen zu erkennen und zu kritisieren. Befähigen Sie Ihre Schülerinnen und Schüler, kritisch mit Medien und ihrer Funktionsweise umzugehen, um sich vor Falschmeldungen, Einflussnahme und Indoktrination zu schützen. Befähigen Sie Ihre Schülerinnen und Schüler zum verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien und sozialen Netzwerken. Befähigen Sie Ihre Schülerinnen und Schüler, sich klar gegen Hassrede zu positionieren, die – u.a. in den sozialen Medien – gegenüber religiösen oder anderen gesellschaftlichen Gruppen verbreitet wird. Besprechen Sie mit Ihren Schülerinnen und Schülern, welchen positiven Beitrag Religionen und Weltanschauungen für das friedliche Zusammenleben der Menschen leisten können. Besprechen Sie Was die verschiedenen Religionen und Weltanschauungen miteinander verbindet und welche gemeinsamen Werte und Normen Religionen haben. Wo es Konfliktpotential zwischen Gruppen mit verschiedenen Religionen oder Weltanschauungen gibt, was die Ursachen dafür sind und wie Konflikte friedlich ausgetragen und überwunden werden können. Wie Religionen und Weltanschauungen Toleranz, Respekt und Dialog fördern können. Befähigen Sie Ihre Schülerinnen und Schüler, das Potential sozialer Medien zu erkennen und online für eine religiöse und gesellschaftliche Vielfalt einzutreten. 7
Handlungsfeld Empfehlung zur Stärkung des Menschenrechts auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit im Schulunterricht und zum Umgang mit Diskriminierung Beziehen Sie die Religionsgemeinschaften in die Präventionsarbeit ein. Die Religionsgemeinschaften verfügen häufig über ein hohes Vertrauen in der Bevölkerung. Besprechen Sie mit Ihren Schülerinnen und Schülern, welche Formen von Diskriminierung in der Schule existieren können. Indirekte Diskriminierung: Diskriminierung in der Schule: Suchen Sie das Gespräch mit Ihren Schülerinnen und Schülern, ob diese sich wohl und gerecht behandelt fühlen. Besprechen Sie mit Ihren Schülerinnen und Schülern, wie an der Schule über verschiedene Religionen und Weltanschauungen gesprochen wird und ob dabei Stereotype vermittelt werden. Überlegen Sie mit Ihren Schülerinnen und Schülern, ob bestimmte Religionen oder Weltanschauungen in Schulbüchern oder digitalen Medien falsch oder herabwürdigend dargestellt oder keine Informationen über sie zur Verfügung gestellt werden (Diskriminierung durch Verschweigen)? Überlegen Sie gemeinsam, welche Auswirkungen dies auf Betroffene haben kann. Überlegen Sie, ob der Schulunterricht die religiöse und Diskriminierung weltanschauliche Diversität im jeweiligen Land entsprechend erkennen widerspiegelt, d.h., werden religiöse und weltanschauliche Minderheiten ausreichend berücksichtigt? Diskriminierung von Schülerinnen und Schülern im außerschulischen Umfeld: Verfolgen Sie mit Ihren Schülerinnen und Schülern, wie Religionen und Weltanschauungen in den sozialen Medien dargestellt werden. Prüfen Sie gemeinsam mit Ihren Schülerinnen und Schülern, ob sich in den sozialen Medien Hassrede gegen religiöse oder andere gesellschaftliche Gruppen richtet. Direkte Diskriminierung: Suchen Sie mit Ihren Schülerinnen und Schülern das Gespräch, Ob Stereotype über bestimmte Religionen oder Weltanschauungen aktiv im schulischen Umfeld und in Bildungsinhalten (z.B. Schulmaterialien,) sowie über die sozialen Medien verbreitet werden. Ob es an Ihrer Schule zu verbalen oder physischen Angriffen auf Schülerinnen und Schüler aufgrund ihrer Religion oder Weltanschauung (online und offline) kommt. 8
Handlungsfeld Empfehlung zur Stärkung des Menschenrechts auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit im Schulunterricht und zum Umgang mit Diskriminierung Ob Schülerinnen und Schüler aus der Klassengemeinschaft / sozialen Gruppe aufgrund ihrer Religion oder Weltanschauung ausgegrenzt werden. Ob Eigentum von Schülerinnen und Schülern aufgrund ihrer Religion oder Weltanschauung zerstört wird. Erstellen Sie als Schulleitung gemeinsam mit Ihren Kolleginnen und Kollegen eine Schulleitlinie, welche die Menschenrechtsbildung an der Schule und den Umgang mit Diskriminierung aufgrund von Religion oder Weltanschauung regelt. Diese Schulleitlinie sollte partizipativ vom Lehrpersonal entwickelt werden und kann folgende Komponenten umfassen: Für die Stärkung der Menschenrechtsarbeit: Verankern Sie Toleranz, Respekt und Pluralismus fest im Leitbild der Schule und stärken Sie die Schule als sicheren und inklusiven Lernort für die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrkräfte. Verankern Sie die Menschenrechtsbildung als zentrales Element im Leitbild der Schule und befähigen Sie die Schülerinnen und Schüler in diesem Themenfeld. Maßnahmen zur Etablieren Sie das Klassenzimmer als einen geschützten Raum, Förderung von Religions‐ in dem die Schülerinnen und Schüler sich frei zu den und Weltanschauungs‐ Menschenrechten, darunter Religions‐ und freiheit an Schulen Weltanschauungsfreiheit, informieren und austauschen institutionalisieren; können. Legen Sie klare Regeln fest, die an der Schule im Falle von Intervention und Gesprächen, Diskussionen oder Konflikten zu Themen wie Mediation (können auch Religionen oder Weltanschauungen angewandt werden (zum präventiv wirken) Beispiel: den anderen Schülerinnen und Schülern zuhören und sie nicht unterbrechen). Organisieren Sie regelmäßig Gesprächsrunden mit dem außerschulischen Umfeld. Ziel ist, dass die Schülerinnen und Schüler, ihre Eltern, Freundinnen und Freunde sowie die Dorfgemeinschaft die gemeinsamen Werte der verschiedenen Religionen und Weltanschauungen und ihr Potential für das friedliche Zusammenleben der Menschen erkennen und stärken sowie Lösungen für den Umgang mit Konflikten erarbeiten. Im Umgang mit Diskriminierung: Etablieren Sie einen schulinternen Beschwerdemechanismus für von Diskriminierung betroffene Personen. Benennen Sie eine Vertrauenslehrkraft, die der von Diskriminierung betroffenen Person vertrauensvoll als Ansprechpartnerin oder Ansprechpartner zur Verfügung steht. 9
Handlungsfeld Empfehlung zur Stärkung des Menschenrechts auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit im Schulunterricht und zum Umgang mit Diskriminierung Die Vertrauenslehrkraft kann zum Beispiel dabei unterstützen, Kontakt zu einer Mediatorin oder einem Mediator aufzunehmen, um mit einem Diskriminierungsfall umzugehen. Benennung einer Vertrauensschülerin oder eines Vertrauensschülers in jeder Klasse (Buddy). Diese Person sollte eine Vorbildfunktion ausfüllen und über die notwendigen sozialen Kompetenzen verfügen. Durch zusätzliche Trainings (Bsp. zu aktivem Zuhören) kann die Person geschult werden. Benennen Sie eine Mediatorin oder einen Mediator, die/der im Fall von erfolgter Diskriminierung unterstützen kann, mit dieser umzugehen und Konflikte zu schlichten. Etablieren Sie Regelungen für Personen, die Schülerinnen oder Schülern aktiv aufgrund ihrer Religion oder Weltanschauung diskriminiert haben (bereits erfolgte Diskriminierung). Reagieren Sie unmittelbar, wenn die Diskriminierung einer Schülerin oder eines Schülers eingetreten ist. Sie sollten Jede Diskriminierungsmeldung einer Schülerin oder eines Schülers ernst nehmen. Mit den betroffenen Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften schnellstmöglich ein Gespräch führen und ein Ergebnisprotokoll über den Diskriminierungsfall anfertigen. Dadurch gehen die Erinnerungen an den Vorfall nicht verloren und er kann aufgearbeitet werden. Den von Diskriminierung betroffenen Schülerinnen oder Schülern sollten Sie die Möglichkeit zusichern, anonym zu bleiben, wenn diese es wünschen. Führen Sie mit den beteiligten Schülerinnen und Schülern ein Gespräch in einer vertrauensvollen und sicheren Atmosphäre und stellen Sie Fragen, die einen Perspektivwechsel ermöglichen und zu einer Einsicht des eigenen Fehlverhaltens führen. Beispielfragen und Aufforderungen sind: Warum hast du gegenüber XY jenes getan / gesagt? Wie hast du dich dabei gefühlt? Nimm einmal die Perspektive von XY ein und beginne mit „Ich als XY fühle mich…“. Lassen Sie der Diskriminierung klare Konsequenzen gemäß der an der Schule geltenden Leitlinie folgen. Organisieren Sie Gesprächsrunden zu Diskriminierung aufgrund von Religion oder Weltanschauung an der Schule unter Einbezug der Schülerinnen und Schüler und der Eltern. Dabei können auch die Religionsgemeinschaften einbezogen werden. 10
Handlungsfeld Empfehlung zur Stärkung des Menschenrechts auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit im Schulunterricht und zum Umgang mit Diskriminierung Sorgen Sie dafür, dass die betroffene Schülerin oder der betroffene Schüler Schutz vor weiterer Diskriminierung erhält. Sorgen Sie als Schulleitung dafür, dass Ihre Lehrkräfte regelmäßige Schulungen erhalten zur Stärkung des Menschenrechts auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit an Schulen sowie zum Umgang mit Diskriminierung aufgrund von Zugehörigkeit zu einer Religion oder Weltanschauung. Ermöglichen Sie als Schulleitung Ihren Lehrkräften den Austausch mit Lehrkräften anderer Schulen in derselben und in anderen Regionen. Die Lehrkräfte können auf diese Weise Erfahrungen austauschen und voneinander lernen, wie künftigen Fällen von Diskriminierung vorgebeugt werden kann oder mit ihnen umzugehen ist. Ein Austausch zwischen Lehrkräften verschiedener Religionen oder Weltanschauungen kann dabei besonders hilfreich Schulungen und sein. Austausch für Lehrkräfte Ermöglichen Sie als Schulleitung Ihren Lehrkräften den Austausch mit den Religions‐ und Weltanschauungsgemeinschaften. Sie verfügen oft über eine hohe Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung und können Ihre Lehrkräfte dabei unterstützen, gemeinsame Werte zu nutzen, um die Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit im Schulunterricht zu stärken. Sorgen Sie dafür, dass die Zusammenarbeit von Lehrkräften mit nationalen Menschenrechtsinstitutionen gestärkt wird. Dies kann Lehrkräfte dabei unterstützen, die Menschenrechtsbildung im Unterricht zu optimieren und Strategien für den Umgang mit Diskriminierung aufgrund von Religion oder Weltanschauung zu entwickeln. 4. Informationsmaterial und Praxisbeispiele Internationale Organisationen wie die VN, die OSZE, der Europarat und Nicht‐ Regierungsorganisationen stellen weiterführende Informationen und auch Praxisbeispiele und Handouts zur Stärkung von Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit im Schulunterricht und zum Umgang mit Diskriminierung zur Verfügung. Diese Materialien und Praxisbeispiele können Sie als Lehrkraft oder Schulleitung dabei unterstützen, Ihren Schülerinnen und Schülern im Schulunterricht anhand praktischer Übungen spielerisch Kenntnisse über das Menschenrecht auf Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit im Kontext anderer Menschenrechte (wie z.B. des Rechts auf Bildung oder Meinungsfreiheit) zu vermitteln. Dies trägt dazu bei, niedrigschwellig die Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit zu stärken und Diskriminierung zu verhindern bzw. abzubauen. 11
Verschiedene Organisationen, wie die FoRB Learning Platform oder das European Wergeland Centre, stellen auf ihren Websites Praxisbeispiele und Informationsmaterial zur Verfügung, die Sie als Lehrkraft für Ihren Unterricht nutzen können: Adyan Foundation / Anna Lindh Foundation (2014): Arab Toolkit for Education on Intercultural Citizenship: https://adyanfoundation.org/library/training‐manuals/arab‐toolkit‐for‐education‐on‐ intercultural‐citizenship/ Berghof Foundation (2021): Peace Education Meets Religion. Manual for Multipliers: https://berghof‐foundation.org/library/peace‐education‐meets‐religion‐manual Freedom of Religion or Belief Learning Platform: https://www.forb‐learning.org/for‐educators‐ and‐facilitators2.html Auf der Plattform sind sehr anschauliche Praxisbeispiele hinterlegt, die im Schulunterricht gut genutzt werden können, um Religions‐ und Weltanschauungsfreiheit zu fördern. Council of Europe (2020): Signposts Teacher Training Module. Teaching about religions and non‐ religious world views in intercultural education: https://theewc.org/resources/signposts‐teacher‐ training‐module‐teaching‐about‐religions‐and‐non‐religious‐world‐views‐in‐intercultural‐ education/ Council of Europe / Jackson, Robert L. (2014): Signposts – Policy and practice for teaching about Religions and non‐religious world views in international education: https://theewc.org/resources/signposts/; verfügbar in 11 Sprachen. Organization for Security and Co‐operation in Europe (2019): Addressing Anti‐Semitism Through Education: Guidelines for Policymakers: https://www.osce.org/odihr/383089 Organization for Security and Co‐operation in Europe (2011): Guidelines for Educators on Countering Intolerance and Discrimination against Muslims: Addressing Islamophobia through Education: https://www.osce.org/odihr/84495 Organization for Security and Co‐operation in Europe (2007): Toledo Guiding Principles on Teaching about Religions and Beliefs in Public Schools: https://www.osce.org/odihr/29154 The Federal Government’s Second Report on the Global Status of Freedom of Religion (2020): https://religionsfreiheit.bmz.de/en/der‐bericht/index.html United Nations Human Rights Office of the High Commissioner: #Faith4Rights toolkit (18 peer‐to‐ peer learning modules): https://www.ohchr.org/EN/Issues/FreedomReligion/faith4rights‐ toolkit/Pages/Index.aspx 12
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