LEITLINIE ZU INFEKTIONSPRÄVENTION UND HYGIENE 2019 - DGFN
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Leitlinie zu Infektionsprävention und Hygiene 2019 als Ergänzung zum Dialysestandard Deutsche Gesellschaft für Nephrologie e. V. in Zusammenarbeit mit Gesellschaft für pädiatrische Nephrologie e. V. Verband Deutsche Nierenzentren e. V. Deutsche Gesellschaft für angewandte Hygiene in der Dialyse e. V. Stand 27.01.2020
Leitlinie zu Infektionsprävention und Hygiene 2019 Impressum 3 Herausgeber Deutsche Gesellschaft für Nephrologie e. V., vertreten durch Prof. Dr. med. Jan C. Galle Seumestraße 8, 10245 Berlin Kommission Hygiene und Infektionsprävention (Vorsitzender: M. Girndt, Halle/Saale) Autoren M. Girndt, Halle/Saale; G. Backus, Düsseldorf; J. Beige, Leipzig; S. Bruns, Dessau; S. Herget-Rosenthal, Bremen; W. Kleophas, Düsseldorf; B. Krüger, Mannheim; M. Leidig, Nürnberg; S. Lemmen, Aachen; W. Riegel, Darmstadt; S. Ross, Essen; S. Westphalen, Mainz Korrespondenz-Autor Prof. Dr. med. Matthias Girndt Direktor der Klinik für Innere Medizin II Universitätsklinikum Halle/Saale Ernst-Grube-Straße 40, 06120 Halle/Saale Haftungsausschluss Diese vorliegende Leitlinie entspricht einer struk- turierten Handlungsempfehlung für bestimmte Er- krankungen. Sie wurde durch formale Vorgaben bestimmter Qualitätskriterien sowie umfassender Literaturrecherche und strukturierter Konsensfindung der beteiligten Autoren erstellt. Die Autoren über- nehmen trotz sorgfältiger Kontrolle keine Gewähr für die Richtigkeit aller Informationen. Dosierungs- anweisungen und/oder Applikationsformen sind immer anhand der aktuellen Fachinformationen zu prüfen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheber- rechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht aus- drücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Heraus- gebers. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektro- nischen Systemen. Stand 27.01.2020
Leitlinie zu Infektionsprävention und Hygiene 2019 4 Inhaltsverzeichnis Glossar ................................................5 1 Hintergrund.........................................6 2 Bezug zu Empfehlungen der KRINKO..........................................6 3 Kategorisierung...................................6 4 Personal...............................................7 4.1 Personalbedarf und Qualifikation ...............7 5 Räume.................................................7 5.1 Raumbedarf zur Infektionsprävention.........7 5.2 Raumausstattung.......................................8 6 Geräte und Flüssigkeiten...................10 6.1 Dialysegeräte............................................10 6.2 Dialysatoren..............................................10 6.3 Dialysierflüssigkeiten................................11 6.4 Peritonealdialyselösungen........................14 7 Dialysezugänge..................................14 7.1 Gefäßzugang für die Hämodialyse...........14 7.2 Katheter für die Peritonealdialyse.............23 8 Allgemeine Hygienemaßnahmen.......24 8.1 Hygieneplan..............................................24 8.2 Basismaßnahmen der Hygiene.................25 8.3 Persönliche Schutzausrüstung (med. Personal)...................................................27 8.4 Verabreichung intravenöser Medikamente............................................27 8.5 Abfallmanagement...................................28 9 Besondere Hygienemaßnahmen .......28 9.1 Blutübertragbare Viruserkrankungen........28 9.2 Multiresistente bakterielle Erreger...........35 9.3 Akute Durchfallerkrankungen...................39 9.4 Patiententransporte bei Keimbesiedlung mit MRSA, 3MRGN oder VRE..................40 Mitglieder der Arbeitsgruppe ...........41 Literatur.............................................42 Stand 27.01.2020
Leitlinie zu Infektionsprävention und Hygiene 2019 Glossar (automated peritoneal dialysis, APD) ebenso wie inter- 5 mittierende Peritonealdialysebehandlungen (IPD) in Dialyseeeinrichtung: Gesundheitsversorgungsein- einem Dialysezentrum. richtung, in der Nierenersatzverfahren wie Hämo- oder Peritonealdialyse durchgeführt werden. Dialyseein- Substitutionsflüssigkeit, Substituat: Infusions- richtungen können in unterschiedlicher Trägerschaft flüssigkeit, die bei der Hämofiltration/Hämodiaflitra- bestehen. Sie können als einzelne ambulante Ver- tion in das Blut des Patienten infundiert wird. Sub sorgungseinrichtungen oder als ambulante bzw. teil- stitutionsflüssigkeit kann aus vorgefertigten sterilen stationäre Einrichtungen in Krankenhäusern etabliert Verpackungen entnommen oder durch die Dialyse- sein. Darüber hinaus können Dialyseeinrichtungen maschinen direkt erzeugt werden (online-Verfahren). In integraler Bestandteil von Krankenhausabteilungen letzterem Fall wird sie durch Ultrafiltration aus Dialyse- sein und damit der Zuständigkeit der Kranken- wasser und Zusatz von Salzkonzentraten generiert. haus-Hygienekommission unterliegen. Intensiv- stationen von Krankenhäusern sind keine Dialyseein- Ultrafilter: Sterilfiltereinheiten, die in Dialysewasser- richtungen im Sinne dieser Leitlinie, auch wenn sie Leitungen oder Dialysierflüssigkeitsleitungen integ- Dialysebehandlungen durchführen können. Ambu- riert werden und partikuläre Verunreinigungen, dar- lante nephrologische Praxen oder Sprechstunden- unter auch Bakterien, herausfiltern. räume gehören nicht zu den Dialyseeinrichtungen im Sinne dieser Leitlinie, wenn sie baulich von den Dialyseräumen getrennt sind. Dialysierflüssigkeit: Aus Dialysewasser und Salz- konzentraten aufbereitete Flüssigkeit mit definierten Salzkonzentrationen, die entlang der Dialysemembran zirkuliert und das therapeutische Agens der Hämo- dialysebehandlung darstellt. Dialysewasser: Aus Trinkwasser aufbereitetes Rein- wasser, dem durch verschiedene Reinigungsschritte und Osmose Salze und andere Inhaltsstoffe entzogen wurde. Es wird zur Herstellung von Dialysierflüssig- keit verwendet. Hämodialyse: Chronisches extrakorporales Blut- reinigungsverfahren, zu dessen Anwendung ein großlumiger Gefäßzugang, entweder in Form eines arteriovenösen Shunts oder eines zentralvenösen Ka- theters, erforderlich ist. Der Begriff wird in dieser Leit- linie stellvertretend für alle Spielarten extrakorporaler Blutreinigungsverfahren (Hämofiltration, Hämodiafil- tration etc.) verwendet, die aus hygienischer Sicht gleichartig zu betrachten sind. Niereninsuffizienz: Unter Niereninsuffizienz werden hier alle Stadien der chronischen Nierenfunktionsein- schränkung verstanden, die mit einer Einschränkung der Immunabwehrfunktionen des Körpers einher- gehen. Dies ist bei längerfristiger (≥ 3 Monate) Unter- schreitung einer eGFR von 60 ml/min 1,73 m2 oder bei einer Proteinurie > 1 g/d anzunehmen. Die über- wiegenden Aussagen dieser Leitlinie beziehen sich auf Patienten unter Nierenersatztherapie. Peritonealdialyse: Alle Formen der Nierenersatz- therapie, bei denen Dialysierflüssigkeit über einen Peritonealkatheter in das Bauchfell eingefüllt wird. Hierzu gehören Heimdialyseverfahren, darunter manu- elle Verfahren (continuous ambulatory peritoneal dialy- sis, CAPD und Varianten) und automatisierte Verfahren Stand 27.01.2020
Leitlinie zu Infektionsprävention und Hygiene 2019 6 1 Hintergrund Anforderungen an die Hygiene bei Punktionen und Injektionen [3] Die Behandlung chronisch niereninsuffizienter Pa- tienten mit Dialyseverfahren wirft besondere Fragen Prävention von Infektionen, die von Gefäß- der Infektionsprävention und Hygiene auf. Die ter- kathetern ausgehen [4] minale Niereninsuffizienz bedingt eine Störung der Immunabwehr und damit eine erhöhte Anfälligkeit Anforderungen an die Hygiene bei der Reinigung der Patienten für Infektionen. Die Behandlungsver- und Desinfektion von Flächen [5] fahren benötigen einen großvolumigen Zugang zum Gefäßsystem oder zum Peritoneum des Patienten. Die Anforderungen an die Hygiene bei der Auf- Hämodialyse bringt das Blut in engen Kontakt mit gro- bereitung von Medizinprodukten [6] ßen Mengen Dialysierflüssigkeit, deren Qualität durch wasserhygienische Maßnahmen abgesichert werden Empfehlungen zur Prävention und Kontrolle muss. Zudem erfolgt die Dialysebehandlung für die von methicillin-resistenten Staphylococcus au- Mehrzahl der Patienten in ambulanten Behandlungs- reus-Stämmen (MRSA) in medizinischen und einrichtungen, in denen die Patienten temporär ko- pflegerischen Einrichtungen [7] hortiert werden. Diese Besonderheiten unterscheiden die Dialysetherapie von anderen medizinischen Be- Hygienemaßnahmen bei Infektionen oder Be- handlungsformen. Daher erscheint es notwendig, ge- siedlung mit multiresistenten gramnegativen sonderte Empfehlungen zu Infektionsprävention und Stäbchen [8] Hygiene zu formulieren. Infektionsprävention im Rahmen der Pflege und Behandlung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten [9] 2 Bezug zu Empfehlungen der KRINKO Hygienemaßnahmen bei Clostridioides difficile-In- fektion (CDI) [10] Das vorliegende Dokument stellt eine Fortschreibung und Aktualisierung der „Hygieneleitlinie als Ergänzung zum Dialysestandard 2006“ [1] dar und ersetzt diese. Es stellt eine gemeinsame Empfehlung der Deut- 3 Kategorisierung schen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN), der Ge- sellschaft für Pädiatrische Nephrologie (GPN), des Empfehlungen dieser Leitlinie weisen unterschiedliche Verbands Deutsche Nierenzentren (DN) sowie der Evidenzgrade auf. Um die jeweilige Grundlage und Deutschen Gesellschaft für angewandte Hygiene Empfehlungsstärke der Einzelempfehlungen erkenn- in der Dialyse (DGAHD) dar. Die darin enthaltenen bar zu machen, werden sie durch die Angabe einer infektionshygienisch relevanten Aussagen wur- Evidenzkategorie1 wie folgt charakterisiert: den mit der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Insti- Kategorie IA: tut (KRINKO) kommuniziert und die Vorschläge und Empfehlung basiert auf gut konzipierten systemati- Kommentare der Kommission wurden berücksichtigt. schen Reviews oder einzelnen hochwertigen rando- Diese Leitlinie ist damit jedoch keine „Empfehlung misierten kontrollierten Studien der KRINKO“ und löst auch nicht die Vermutungs- wirkung gemäß §23 IfSG aus. Diese Leitlinie soll die Kategorie IB: patientennah tätigen Ärztinnen und Ärzte und das Empfehlung basiert auf klinischen oder hochwertigen Hygienefachpersonal in der Dialyse bei der eigenver- epidemiologischen Studien und strengen, plausiblen antwortlichen Festlegung infektionspräventiver Maß- und nachvollziehbaren theoretischen Ableitungen. nahmen unterstützen. Kategorie II: Die Leitlinie nimmt Bezug auf zahlreiche Empfehlun- Empfehlung basiert auf hinweisenden Studien/Unter- gen der KRINKO und formuliert Besonderheiten bezüg- suchungen und strengen, plausiblen und nachvollzieh- lich der Dialysebehandlung. Sie gibt besonders dort baren theoretischen Ableitungen. Hinweise, wo die KRINKO-Empfehlungen für die hoch- spezialisierte Behandlung mit Nierenersatzverfahren nicht detailliert genug sind. Insbesondere wird auf folgende KRINKO-Empfehlungen Bezug genommen: 1 Die Kategorisierung ist eine Bewertung der herausgebenden Fachgesellschaften. Sie berücksichtigt jeweils die Evidenzkate- Händehygiene in Einrichtungen des gorisierung der einschlägigen KRINKO-Empfehlungen, stellt aber Gesundheitswesens [2] keine Bewertung durch die KRINKO dar. Stand 27.01.2020
Leitlinie zu Infektionsprävention und Hygiene 2019 Kategorie III: konnte auch in einem systematischen Review [14] zum 7 Maßnahmen, über deren Wirksamkeit nur un- Wert von Personalschulung in Hinblick auf die Ver- zureichende oder widersprüchliche Hinweise vor- meidung von nosokomialen Infektionen gezeigt wer- liegen, Erfahrungswerte und Expertenkonsens. den. Eine mindestens jährliche Schulung erfüllt daher vor allem den Zweck, immer wieder die Aufmerksam- Kategorie IV: keit für Hygienethemen zu wecken. Bei Änderungen Anforderungen, Maßnahmen und Verfahrensweisen, am Hygieneplan einer Einrichtung sind vorzeitige er- die durch allgemein geltende Rechtsvorschriften zu neute Schulungen erforderlich. beachten sind. Obwohl die Bedeutung der Händehygiene für die Prä- vention nosokomialer Infektionen seit langem bekannt und vielfach belegt ist, bleibt die Compliance des me- 4 Personal dizinischen Personals mitunter enttäuschend. Die Um- setzung händehygienischer Maßnahmen kann durch multimodale Interventionsprogramme gesteigert wer- 4.1 Personalbedarf und Qualifikation den, die folgende grundlegende Komponenten be- inhalten: regelmäßige Personalfortbildungen, Mes- 4.1.1 Qualifikation des Personals sungen mit Ergebnisrückmeldung, Verbesserung der Verfügbarkeit von Händedesinfektionsmitteln, Dialyseeinrichtungen müssen geschultes Personal Nutzung von Erinnerungs- und Werbematerialien, zur Sicherstellung der Hygiene beschäftigen bzw. die sichtbare Unterstützung durch die administrativen erforderliche Beratung organisatorisch sicherstellen. Ebenen [2]. Zusätzlich spielt die Optimierung der Hierzu kann Personal folgender Qualifikationsstufen er- Prozessorganisation eine wichtige Rolle. So konnte forderlich sein: Krankenhaushygieniker, hygienebeauf- nachgewiesen werden, dass die Anzahl erforderlicher tragte Ärzte, Hygienefachkräfte, hygienebeauftragte Händedesinfektionsschritte durch optimale Prozess- Mitarbeiter in der nephrologischen Pflege. Die verbind- organisation in der Dialyse reduziert und gleichzeitig lichen Qualifikations- und Fortbildungsanforderungen die Compliance der Mitarbeiter gesteigert werden sind in den Hygieneverordnungen der Bundesländer kann [15]. unterschiedlich festgelegt (Kat. IV). Kommentar: Das Infektionsschutzgesetz (IfSG [11]) beauftragt in §23 Satz (8) die Länder mit dem Er- 5 Räume lass von Hygieneverordnungen, die u. a. die erforder- lichen Qualifikationen hinsichtlich der Hygiene in Gesundheitseinrichtungen, darunter auch Dialyseein- 5.1 Raumbedarf zur richtungen, beschreiben. Entsprechende Hygienever- Infektionsprävention ordnungen wurden von allen Bundesländern erlassen. Die Regelungen zur Hygienequalifikation sind in den 5.1.1 Allgemeiner Raumbedarf Bundesländern unterschiedlich gefasst worden. Es können hier somit keine bundeseinheitlichen Regelun- Die Flächenplanung für einen Dialyseplatz ist so vorzu- gen formuliert werden, je nach Standort der Dialyse- nehmen, dass der Patient von drei Seiten ungehindert einrichtung sind die länderspezifischen Vorgaben zu erreicht werden kann. Hierzu ist ein Abstand zwi- beachten. schen zwei Behandlungsliegen/-betten von mindes- tens 130 cm erforderlich. Es muss möglich sein, die 4.1.2 Schulungen und Unterweisungen Patienten mittels Liegendtransport zum Behandlungs- platz zu bringen. Für Einheiten mit Kinderdialyse be- Eine mindestens jährliche Hygieneschulung aller Be- steht darüber hinaus gehender Flächenbedarf (Kat. III). schäftigten im Dialysebereich (Ärzte, Pflegekräfte, hauswirtschaftliches Personal, Reinigungspersonal) Aus Gründen der Infektionsprävention sind neben den ist notwendig und zu dokumentieren. Neu eintretende Behandlungsräumen mindestens folgende Räume Mitarbeiter sollen vor Aufnahme ihrer Beschäftigung und/oder Bereiche vorzuhalten: unterwiesen werden. (Kat. IA). Raum oder Fläche für patientennahe Kommentar: Die Frequenz der Unterweisungen Labordiagnostik ist nicht gesetzlich geregelt. Untersuchungen wei- sen nach, dass Schulungsmaßnahmen im Gesund- Untersuchungs- und Verbandsraum heitswesen die Mitarbeit bei der Händehygiene erhöhen [12] und dadurch auch die Häufigkeit no- Reiner Arbeitsraum oder reine Arbeitszonen zur sokomialer Infektionen reduzieren [13] können. Dies Vorbereitung von Medikamenten und Infusionen Stand 27.01.2020
Leitlinie zu Infektionsprävention und Hygiene 2019 8 Unreiner Arbeitsraum oder unreine Arbeits- Verwendung von Toilettenstühlen in den Behandlungs- zonen mit Ausgussbecken, ggf. Steckbecken räumen vorzusehen (Kat. III). reinigungs- und desinfektionsgerät Kommentar: Die Nutzung von sanitären Ein- Lagerraum für Dialyseverbrauchsmaterial richtungen durch Patienten, die mit resistenten Bak- terien kolonisiert sind, kann ein Transmissionsrisiko Lagerbereich mit Kühlschrank für thermosensi- innerhalb einer Dialyseeinrichtung bedingen. Eine ble Medikamente Studie [17] wies in einem pädiatrisch-onkologischen Krankenhaus bei regelmäßigen Abklatschunter- Raum für Speisenzubereitung oder Vorbereitung suchungen von Toilettensitzen in 3,3 % der Unter- der Verteilung suchungen MRSA nach. Die routinemäßige Bereit- stellung von alkoholischen Desinfektionstüchern in Abfallsammelstellen oder -raum der Nähe der Toiletten konnte die bakterielle Koloni- sation erheblich reduzieren. Putzraum Auch in Dialyseeinrichtungen kann es zu einer Kon- Umkleideräume für Personal tamination von Toiletten und umgebenden Ober- flächen kommen, wenn Patienten, die mit resisten- Umkleideräume/Garderoben für Patienten ten Bakterien kolonisiert sind, die sanitären Anlagen benutzen. Patienten, die nachfolgend die Toiletten auf- Barrierefreie Patiententoiletten, ggf. separat für suchen, könnten durch Kontakt mit kontaminierten Patienten, die mit bestimmten übertragbaren Er- Oberflächen ebenfalls kolonisiert werden. Dies ist ins- regern besiedelt oder infiziert sind besondere relevant für Erreger, die typischerweise den Darm kolonisieren oder infizieren, z. B. MRGN, VRE, Toiletten für das Personal Toxin-bildende C. difficile und Noroviren. Raum für Wasseraufbereitung, ggf. für Lagerung Im Hygieneplan einer Einrichtung sind sinnvolle Rei- von Konzentrat oder Konzentratbereitungsanlage nigungs- und Desinfektionsintervalle für Patienten- toiletten festzulegen. Bei Betreuung von Patienten, die Raum für die Wartung von Dialysegeräten mit resistenten Erregern kolonisiert sind, können sol- che Routineintervalle unzureichend sein. Geeignete Kommentar: Die hochspezialisierten Arbeitsabläufe Optionen für Einrichtungen, die solche Patienten be- in einer Dialyseeinrichtung erfordern entsprechende treuen, können sein: separate Toiletten für kolonisierte Funktionsräume. Der Platzbedarf für die Hämo- Patienten; Desinfektion der relevanten Oberflächen dialyse in zentralisierten Behandlungseinrichtungen nach jeder Benutzung der sanitären Anlagen durch ist im Dialysestandard der Deutschen Gesellschaft einen kolonisierten Patienten; Nutzung von Toiletten- für Nephrologie [16] dargelegt. Es handelt sich um stühlen in den Behandlungsräumen für diese Patienten. eine Expertenempfehlung, die den Mindeststandard für eine sichere Dialysedurchführung ausformuliert. Eine gemeinsame Nutzung von Toiletten durch Patien- ten und Personal der Einrichtung ist auszuschließen 5.1.2 Besonderer Raumbedarf (TRBA 250 [18]). Infektionsdialyse Sofern in einer Dialyseeinrichtung Patienten behandelt 5.2 Raumausstattung werden, die mit Krankheitserregern kolonisiert oder in- fiziert sind, für die besondere Hygienemaßnahmen er- 5.2.1 Bauliche Ausstattung forderlich sind, ist sicherzustellen, dass eine geeignete räumliche und/oder zeitlich-organisatorische Trennung Die medizinisch genutzten Räume einer Dialyse- erfolgen kann (s. Kapitel 9). einrichtung sind Arbeitsbereiche für Tätigkeiten der Schutzstufe 2 gemäß der Biostoffverordnung und 5.1.3 Sanitäre Einrichtungen für Patienten der Technischen Regeln für biologische Arbeitsstoffe 250 und entsprechend auszustatten, insbesondere Die Anzahl der Patiententoiletten ist an das Nutzungs- auch mit Desinfektionsmittelspendern (Kat. IV). profil der Einrichtung anzupassen. Bei Behandlung von Patienten mit bestimmten nosokomial übertrag- Arbeitsflächen, angrenzende Wandflächen und baren Erregern kann die Einrichtung zusätzlicher Toi- Fußböden der medizinisch genutzten Räume sol- letten erwogen werden. Alternativ sind geeignete Des- len glatt, dicht, abwaschbar und desinfizierbar sein. infektionsmaßnahmen nach jeder Nutzung durch diese Ebenso sollen Oberflächen, die häufig angefasst Patienten (Konkretisierung im Hygieneplan) oder die werden (Arbeitsmittel, Möbel, Türklinken etc.) aus Stand 27.01.2020
Leitlinie zu Infektionsprävention und Hygiene 2019 desinfektionsmittelbeständigem Material sein. Lei- stattfindet. Sie gelten nicht für die Räumlichkeiten, 9 tungen und Installationen sollen in den Behandlungs- in denen z. B. Wasseraufbereitungsanlagen oder Be- räumen so gestaltet werden, dass sie äußerlich gut triebstechnik einer Dialyseeinrichtung installiert sind. sauber zu halten sind. Heizkörper und Luftdurchlässe sollen ebenfalls leicht zu reinigen sein (Kat. IA). Im Abfluss bzw. Siphon von Waschbecken sowie in Ausgussbecken können sich u.a antibiotikaresistente Ausgussbecken müssen räumlich bzw. durch Spritz- gram-negative Bakterien über lange Zeit halten und schutz von reinen Bereichen eindeutig abgetrennt wer- durch Rückspritzen zur Kontamination des Umfeldes den. Unreine und reine Arbeitsvorgänge dürfen sich und von Händen führen, weswegen dem Abwasser- nicht kreuzen. Insbesondere enterale Ernährungs- bereich als Reservoir für gramnegative Erreger eine lösungen und Parenteralia dürfen nicht ungeschützt neu erkannte Bedeutung als Infektionsreservoir zu- in der Nähe von Waschbecken zubereitet werden, für erkannt wird. Dies muss bei den Neubau-Planungen ihre Zubereitung sind klar abgetrennte Bereiche er- und bei der hygienischen Risikobewertung von Ver- forderlich (Kat. IV). fahrensabläufen berücksichtigt werden. Hinsichtlich der Konzeption und Ausstattung von Waschbecken Kommentar: Die bauliche Ausführung von Räumen gelten die Empfehlungen der KRINKO „Händehygiene und Oberflächen in Dialyseeinrichtungen ist gleicher- in Einrichtungen des Gesundheitswesens“ [2]. maßen für die Vermeidung von nosokomialen Infek- tionen bei den Patienten als auch für den Arbeits- Die Positionierung von Desinfektionsmittel-Dosier- schutz bedeutsam. Als Grundlage der empfohlenen geräten über unreinen Ausgussbecken ist kritisch zu Maßnahmen sind daher sowohl die Empfehlun- sehen, da dort befüllte Desinfektionsmitteleimer und gen der KRINKO (Patientenschutz, [5]) als auch Vor- -wannen durch kontaminierte Oberflächen kontami- gaben zum Arbeitsschutz (Biostoffverordnung [19], niert werden können. TRBA 250 [18]) heranzuziehen. Der Arbeitsschutz kate- gorisiert Tätigkeiten im Gesundheitswesen in 4 Schutz- 5.2.2 Sanitäre Einrichtungen für das Personal stufen. Die Behandlung von Hämodialysepatienten fällt dabei in Schutzstufe 2 (Tätigkeiten, bei denen Für das Personal sind separate sanitäre Einrichtungen es regelmäßig und nicht nur in geringfügigem Um- vorzusehen, die nicht von Patienten oder Besuchern fang zum Kontakt mit potenziell infektiösem Material, benutzt werden. Für die Beschäftigten einer Dialyse- wie Körperflüssigkeiten, -ausscheidungen oder -ge- einrichtung sind leicht erreichbare Handwaschplätze webe kommen kann). Die Ausstattung des Arbeits- mit fest installiertem Desinfektionsmittel- und Seifen- platzes mit Desinfektionsmittelspendern sowie die spender sowie mit Wasserarmaturen zu installieren, Einrichtung adäquater sanitärer Einrichtungen ist für die ohne direkte Berührung mit der Hand bedient wer- alle Schutzstufen erforderlich. Die Schutzstufe 2 er- den können. Der Wasserstrahl darf zur Aerosolver- fordert erweiterte Qualitäten der Oberflächen im Be- meidung nicht direkt in den Siphon geleitet werden handlungszentrum, da regelmäßige Desinfektionen (Kat. IV). vorgenommen werden müssen. Kommentar: Die Ausstattung von Dialyseein- Zahlreiche Untersuchungen belegen die Bedeutung richtungen mit sanitären Einrichtungen für das einer Bakterientransmission von Patienten auf un- Personal sowie deren Ausgestaltung sind in den belebte Oberflächen und von dort auf andere Perso- TRBA 250 [18] festgelegt, gleichlautende Empfehlun- nen (Literatur in [5]). Die fachgerechte Oberflächen- gen liegen seitens der KRINKO [2] vor. desinfektion vermag die Besiedlung drastisch zu reduzieren. Virale und bakterielle Erreger können 5.2.3 Desinfektionsmittelspender auf unbelebten Oberflächen lange Zeit persistieren und ihre Infektiosität behalten [20]. Dabei sind textile In der Nähe der Behandlungsplätze sollte gut erreich- Stoffe oder poröse Oberflächen besonders geeignet, bar eine ausreichende Zahl von Desinfektionsmittel- Erreger zu beherbergen [21], weil sie dort einer Ober- spendern angebracht sein (Kat. IB). flächendesinfektion wenig zugänglich sind. Alle Ober- flächen, die potentiell kontaminiert werden können, Kommentar: Die Verfügbarkeit und leichte Erreich- sollen daher so ausgeführt sein, dass sie einer regel- barkeit von Händedesinfektionsmittelspendern hat mäßigen Oberflächendesinfektion zugänglich sind [5]. Einfluss auf die Umsetzung der Händehygiene durch das Personal [22]. Die Faktoren, anhand derer sich In der Dialyse ist grundsätzlich mit dem Verspritzen von sinnvolle Standorte für Desinfektionsmittelspender er- Blut, Sekreten und Dialysierflüssigkeiten zu rechnen. mitteln lassen, wurden systematisch analysiert [23]. Daher ist bei der baulichen Gestaltung der Böden dar- auf zu achten, dass auch diese gut zu reinigen und zu desinfizieren sind. Diese Anforderungen gelten in allen Bereichen, in denen eine direkte Patientenbehandlung Stand 27.01.2020
Leitlinie zu Infektionsprävention und Hygiene 2019 10 6 Geräte und Flüssigkeiten Maschine am nächsten Patienten angewandt wird. Bei der Behandlung von Patienten, die mit blutübertrag- baren Erkrankungen infiziert sind (s. Kapitel 9), wird 6.1 Dialysegeräte zur Steigerung der Verantwortlichkeit bei dieser Ober- flächendesinfektion empfohlen, den Vorgang zu pro- 6.1.1 Konformität mit MPG tokollieren und durch den Verantwortlichen nament- lich abzeichnen zu lassen. Die eingesetzten Dialysegeräte (Hämo- oder Peritoneal- dialyse) müssen den Vorschriften des Medizinprodukte- gesetzes (MPG) und der Medizinproduktebetreiberver- 6.2 Dialysatoren ordnung (MPBetreibV) entsprechen und gemäß den Herstellervorschriften (Gebrauchsanweisung, techni- Dialysatoren, Hämofilter und Schlauchsysteme sind sches Handbuch) gewartet, betrieben sowie gereinigt therapeutische Medizinprodukte der Klasse IIb gemäß und desinfiziert werden (Kat. IV). der Einstufungsregelung der Richtlinie 93/42/EWG, die nach Medizinproduktegesetz maßgeblich ist. Sie Kommentar: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind für den einmaligen Gebrauch bestimmt (Kat. IV). für den Betrieb von Dialysegeräten sind im Medizin- produktegesetz (MPG [24]) sowie der Medizinpro- Es ist technisch möglich, Dialysatoren nach Wieder- duktebetreiberverordnung (MPBetreibV [25]) fest- aufbereitung erneut zu verwenden. In diesem Falle geschrieben. Der Betreiber einer Dialyseeinrichtung handelt es sich um eine Aufbereitung von Medizin- ist für den sicheren und ordnungsgemäßen Gebrauch produkten der Risikokategorie „kritisch C“ gemäß der Dialysegeräte verantwortlich. Dies gilt grundsätz- den Empfehlungen der Kommission für Kranken- lich auch für Geräte zur Heimbehandlung, die sich bei haushygiene und Infektionsprävention beim Robert Patienten zu Hause befinden. Aus der MPBetreibV er- Koch-Institut und des Bundesinstituts für Arzneimittel gibt sich u. a. auch, dass nur fachlich qualifizierte und und Medizinprodukte. Die mehrfache Anwendung eingewiesene Personen ein Medizinprodukt betreiben kommt stets nur beim selben Patienten in Betracht. und instand halten dürfen. Bei Patienten mit blutübertragbaren Virusinfektionen ist sie nicht zulässig. Die Wiederverwendung von Dia- 6.1.2 Desinfektion Geräteoberflächen lysatoren und Schlauchsystemen wird generell nicht empfohlen (Kat. III). Die Oberflächen der Dialysegeräte sind nach jeder Be- handlung einer fachgerechten Wischdesinfektion zu Kommentar: Nach §13 (1) Medizinproduktege unterziehen. Bei sichtbarer Kontamination muss die setz [24] werden Medizinprodukte in Klassen eingeteilt. Aufbereitung sofort erfolgen. Hierzu müssen, unter Die Regeln zur Klassierung sind in der Richtlinie 93/42/ Beachtung der Vorschriften der Gerätehersteller, ge- EWG [27] aufgeführt. Danach handelt es sich bei Dia- eignete Desinfektionsmittel in der vorgeschriebenen lysatoren um aktive therapeutische Medizinprodukte Konzentration verwendet werden. Als geeignet ist ein der Klasse IIb. Desinfektionsmittel anzusehen, wenn es für diese An- wendung in der VAH-Liste (www.vah-online.de) auf- Für die Aufbereitung von Medizinprodukten sind die geführt ist. Die Vorgehensweise zur Desinfektion ist Empfehlungen der KRINKO „Anforderungen an die Hy- im Hygieneplan niederzulegen (Kat. III). giene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ [6] zu beachten. Diese formulieren Kriterien für die Risiko- Kommentar: Die Herstellerangaben hinsichtlich der bewertung und Einstufung von Medizinprodukten. Kompatibilität von Flächendesinfektionsmitteln mit Für Dialysatoren, die wiederverwendet werden sol- den Geräteoberflächen müssen beachtet werden. len, ist eine Einstufung in die höchste Risikokate- gorie „kritisch C“ vorzunehmen. Dies bedingt, dass Dialysemaschinen sind potentielle Überträger von Einrichtungen, die Wiederaufbereitung durchführen Krankheitserregern, Kontamination von Oberflächen und wiederaufbereitete Dialysatoren anwenden, mit und Bedienelementen sind wiederholt mit der Trans- einem zertifizierten Qualitätsmanagementsystem mission insbesondere von Hepatitisviren in Verbindung (DIN EN ISO 13485 [28]) arbeiten müssen. Die Zerti- gebracht worden [26]. Da die Arbeitsabläufe der Dia- fizierung muss behördlich anerkannt sein (MPBetreibV lyse den Umgang mit den Gefäßzugängen am Patien- §8 (3)) [25]. Der Betreiber eines Wiederaufbereitungs- ten im Wechsel mit Einstellarbeiten am Dialysegerät verfahrens übernimmt die Verantwortung und haftet erfordern, besteht bei unsachgemäßem Vorgehen für alle Schäden, die durch die Wiederaufbereitung die Gefahr, dass die Maschinenoberflächen durch die entstehen. Bei Auftreten unerwünschter Neben- Hände des Bedieners kontaminiert werden. Eine fach- wirkungen liegt die Beweislast beim Betreiber. gerechte Oberflächendesinfektion unter Beachtung der Vorgaben der KRINKO-Empfehlung Flächen- desinfektion [5] ist somit unverzichtbar, bevor eine Stand 27.01.2020
Leitlinie zu Infektionsprävention und Hygiene 2019 6.3 Dialysierflüssigkeiten Die Validierung gemäß ISO 23500:2019 umfasst 11 den Nachweis, dass eine Wasseraufbereitungs- und 6.3.1 Bereitstellung der Dialysierflüssigkeit Verteilanlage konstruktiv und im Routinebetrieb die qualitativen Vorgaben für Dialysewasser einhält. Die Dialysierflüssigkeit wird durch Mischen eines oder Es handelt sich um ein Anlagen-bezogenes Quali- mehrerer flüssiger oder pulverförmiger Konzentrate mit tätsmanagement, das geeignete Nachkontrollen Dialysewasser hergestellt. Das Dialysewasser wird aus und deren Dokumentation umfasst und somit eine Trinkwasser aufbereitet. Die hierzu verwendeten Mehr- dauerhaft stabile Wasserqualität bei der Patienten- komponentenanlagen müssen eine adäquate Flüssig- behandlung sichert. keitsqualität für die Dialysebehandlung bereitstellen. Neu errichtete Anlagen müssen validiert betrieben Für die Bereitstellung der Dialysierflüssigkeit sind werden, d. h. ihre Leistungsfähigkeit und Sicherheit unterschiedliche technische Lösungen möglich. Salz- müssen im Rahmen eines Qualitätsmanagement- konzentrate können flüssig oder pulverförmig in die systems dauerhaft nachgewiesen werden (Kat. IV). Dialyseeinrichtung angeliefert werden. In jedem Fall erfolgt eine Mischung zur Gebrauchslösung durch Alle Anlagenteile, die Flüssigkeiten zur Behandlung Verdünnung des Konzentrats mit Dialysewasser. Aus von Patienten führen müssen desinfizierbar sein. hygienischer Sicht müssen Risiken der mikrobio- Alle Leitungen müssen niedrige Leitungsquerschnitte logischen Besiedlung der dabei eingesetzten Leitungs- aufweisen. Toträume des flüssigkeitsführenden Sys- systeme und Flüssigkeitsspeicher beachtet werden. tems sind zu vermeiden. Es ist vorteilhaft, wenn die Bei sauren Dialysekonzentraten besteht in der Regel Anschlüsse und Zuleitungen der Dialysemaschinen kein Risiko einer mikrobiologischen Besiedlung. Somit in den Desinfektionsprozess der Verteilsysteme ein- ist eine Distribution im Dialysezentrum mittels Ring- bezogen werden können (Kat. IV). leitungssystemen unproblematisch. Bicarbonat- konzentrate sind stärker besiedlungsgefährdet und Salzkonzentrate können entweder in Behältern di- sollen daher nicht über Ringleitungen verteilt wer- rekt am Gerät zum Einsatz kommen oder werden in den [31–33]. Ringleitungssystemen zu den Maschinen geführt. Die Bereitstellung bikarbonathaltiger Konzentrate über 6.3.2 Dialysatablauf Ringleitungen ist wegen des Risikos der mikrobio- logischen Verunreinigung obsolet (Kat. IB). Der Ablauf für Dialysat aus der Dialysemaschine sollte zur Verhinderung einer retrograden mikrobiologischen Kommentar: Eine Belastung der Patienten durch Kontamination über eine freie Fallstrecke verfügen mikrobiologisch verunreinigte Dialysierflüssigkeit (Kat. III). muss vermieden werden. Aufgrund der sehr gro- ßen Menge an Dialysierflüssigkeit, der das Blut des Kommentar: Eine freie Fallstrecke für gebrauchte Patienten während einer Dialysebehandlung aus- Dialysierflüssigkeit zwischen der Dialysemaschine und gesetzt wird (ca. 120 L pro 4 h Dialyse) sind hohe An- dem Abwasser-Leitungssystem soll die retrograde forderungen an die Aufbereitungs- und Verteilungs- mikrobiologische Kontamination der Ablaufleitung re- systeme zu stellen. Bei Errichtung und Betrieb von duzieren. Es handelt sich um eine Empfehlung, die ex- Wasseraufbereitungsanlagen sind die Normen ISO perimentell nicht überprüft wurde. Allerdings wurde 23500:2019 „Leitfaden für die Vorbereitung und berichtet, dass die Siphons für den Dialysewasser- das Qualitätsmanagement von Konzentraten für die ablauf Reservoirs für hygienisch problematische Bak- Hämodialyse und verwandte Therapien“ [29] und ISO terien sein können [34]. Es sollte daher auch auf den 26722:2014 „Water treatment equipment for hae- Spritzschutz geachtet und der Siphon weit genug vom modialysis and related therapies“ [30] bzw. die ent- Patienten entfernt angebracht sein. sprechenden Nachfolgenormen zu beachten. 6.3.3 Diskonnektion von Dialysemaschinen Ein bedeutsames Risiko besteht in der Bildung von Biofilm in den wasserführenden Einrichtungen. Die Diskonnektion der Dialysemaschinen von der Aus diesem Biofilm können ständig Bakterien Dialysewasserleitung bzw. vom Ringleitungssystem oder Bakterienbestandteile ausgeschwemmt wer- für Konzentrate ist möglichst zu vermeiden, um die den, die die Patienten belasten. Bei der Konstruk- bakterielle Kontamination der Konnektoren und damit tion von Wasseraufbereitungs- und -verteilanlagen der Leitungen und Ventile im Inneren der Geräte zu ist daher bei der Wahl der Materialien und dem verhindern (Kat. III). Leitungsdesign darauf zu achten, dass Toträume und Bereiche mit geringen Flussgeschwindigkeiten Ist eine Diskonnektion unvermeidlich, sind die vermieden werden sowie regelmäßige effektive Des Schlauchkupplungen sowohl der Maschinen als auch infektionsmöglichkeiten bestehen. Das Ziel ist dabei die Konnektoren der Ringleitungen oder Osmose- die Verhinderung der Ausbildung eines Biofilms. geräte nach Diskonnektion und vor Rekonnektion Stand 27.01.2020
Leitlinie zu Infektionsprävention und Hygiene 2019 12 unter Beachtung der Einwirkzeiten mit alkoholischen Die Probennahme erfolgt aus Konnektoren der Ring- Desinfektionsmitteln zu desinfizieren. Nicht konnek- leitung für Dialysemaschinen, hierzu sind Anschlüsse tierte Schlauchkupplungen sollen mit der Öffnung zu wählen, die weit entfernt von der Wasserauf- nach unten aufgehängt und vor Kontamination ge- bereitungsanlage liegen. Eine Probennahme soll frü- schützt werden (Kat. III). hestens 24 h nach der Desinfektion des Systems er- folgen (Kat. III). Kommentar: Die bakterielle Kontamination von Schlauchkonnektoren kann ein Auslöser für die Bio- Kommentar: Aufbereitungsanlagen und Leitungs- filmbildung in Leitungssystemen sein, die frisches systeme für die Versorgung mit Dialysewasser sind Dialysewasser oder Dialysierflüssigkeit führen. Daher durch bakterielle Kontamination bedroht. Werden Bak- sollten die Konnektoren nur geöffnet werden, wenn terien in ein solches Wassersystem eingeschwemmt, dies aufgrund des Betriebsablaufs unvermeidlich ist neigen sie zur Kolonie- und Biofilmbildung auf den (z. B. Transport der Dialysemaschine in einen anderen inneren Oberflächen. In Biofilm integrierte Bakterien Raum). Die regelmäßige und gründliche Desinfektion sind für Desinfektionsmaßnahmen sehr schlecht zu- der Konnektoren ist eine sehr plausible Maßnahme, gänglich, Biofilm ist kaum entfernbar. Aus dem Bio- eine Leitungskontamination zu vermeiden. film können immer wieder Bakterien in die Flüssig- phase ausgeschwemmt werden, außerdem können 6.3.4 Kleinosmosegeräte Bakterienbestandteile (z. B. Endotoxin) in das Dialyse- wasser übertreten. Das Vorkommen von bakteriel- Für mobile Kleinosmosegeräte gelten grundsätzlich ler Kontamination oder Endotoxin im Dialysewasser die gleichen Anforderungen hinsichtlich der Über- wurde vielfältig mit nachteiligen Konsequenzen für wachung der Wasserqualität wie für stationäre Sys- die Patienten in Verbindung gebracht (systematischer teme und Ringleitungen. Sie müssen regelmäßig nach Review [35]). Herstellerangaben desinfiziert werden. Auch bei Nicht- gebrauch müssen sie turnusmäßig nach Herstellervor- Eine geeignete Desinfektionsstrategie muss dafür gabe gespült werden (Kat. IV). sorgen, dass die Bildung von Biofilm möglichst ver- hindert wird. Sie soll somit präventiv, nicht kura- Kommentar: Auch bei der Aufbereitung von Trink- tiv bei besiedeltem System, wirksam werden. Die wasser zu Dialysewasser mittels mobilen Klein- mikrobiologische Überwachung des Dialysewasser- osmosegeräten gelten die Qualitätsvorgaben der ISO systems soll nachweisen, dass die jeweils verwendete 26722:2014 „Water treatment equipment for haemo- Desinfektionsstrategie dieses Ziel erreicht. Im Rah- dialysis and related therapies“ [30]. In vielen Einsatz- men einer Validierung/Revalidierung einer Wasser- bereichen werden sie oft an- und abgekoppelt, so aufbereitungsanlage gemäß den Vorgaben der ISO dass ein hohes Kontaminationsrisiko besteht. Um 23500-2019 [29] soll die Überwachungsfrequenz an eine Biofilmbildung zu vermeiden, sind regelmäßige die jeweilige Anlage angepasst werden. Dabei wer- Spülvorgänge sowie routinemäßige Desinfektionen den nach Inbetriebnahme eines Systems zunächst kür- unverzichtbar. zere Probennahmeintervalle angesetzt. Bei stabil ohne Keim- und Endotoxinnachweis laufendem System kön- 6.3.5 Mikrobiologische Überwachung nen diese Intervalle dann verlängert werden. Die Emp- fehlung, ein Intervall von 6 Monaten nicht zu über- 6.3.5.1 Probennahme Dialysewasser schreiten, ist eine breit akzeptierte Expertenmeinung. Die mikrobiologische Überwachung des Dialyse- Die Wahl der Probenentnahmestellen soll sicher- wassers hat zum Ziel, die Angemessenheit der Des- stellen, dass die mikrobiologische Überwachung die infektionsstrategie hinsichtlich der Verhinderung von gesamte Anlage erfasst. Probenentnahmen kurz nach Biofilmbildung im Versorgungssystem zu belegen. einer Desinfektion des Systems könnten falsch ne- Daher hängt die Häufigkeit der Probennahme von gative Ergebnisse erbringen und wären daher nicht der Komplexität und dem Betriebsverlauf des jewei- aussagekräftig. ligen Systems ab. Im Rahmen eines Validierungs-/ Revalidierungsprozesses müssen geeignete Proben- 6.3.5.2 Probennahme Dialysierflüssigkeit nahmeintervalle festgelegt werden (Kat. IV). Bei Verwendung von validierten Ultrafiltern in der Die mikrobiologische Qualität des Dialysewassers Dialysierflüssigkeits- bzw. Substituatzuleitung der wird mindestens 2-mal jährlich kontrolliert, häufigere Dialysemaschine ist keine zusätzliche Untersuchung Kontrollen können erforderlich sein (Kat. III). Zusätz- dieser Flüssigkeiten erforderlich, sofern die Betriebs- liche Untersuchungen sind bei Neuinbetriebnahme voraussetzungen eingehalten werden, d. h. dass sowie nach jedem technischen Eingriff an flüssigkeits- im Zulauf die Qualitätsvorgaben für Dialysewasser führenden Komponenten des Versorgungssystems er- sowie die Wechselintervalle für Ultrafilter eingehalten forderlich (Kat. IV). werden. Ansonsten wird empfohlen, die gleichen Stand 27.01.2020
Leitlinie zu Infektionsprävention und Hygiene 2019 Untersuchungsintervalle für Dialysierflüssigkeiten wie Maximal zulässig Aktionsgrenze 13 für das Dialysewasser anzuwenden (Kat. IV). Bakteriennachweis 100 KBE/ml 50 KBE/ml Endotoxinnachweis 0,25 IE/ml 0,125 IE/ml Kommentar: Bei Dialysegeräten ohne Ultrafilter in der Wasserzuleitung besteht die Möglichkeit der Biofilm- Tab. 1: Mikrobiologische Grenzwerte für die bildung im Gerät, die durch die mikrobiologische Über- Überwachung von Dialysewasser (KBE: koloniebildende wachung des Ringleitungssystems nicht detektiert Einheiten, IE: internationale Einheiten) werden kann. Somit ist eine zusätzliche Überwachung der Dialysierflüssigkeit unverzichtbar und an jedem Hinsichtlich der aus Dialysewasser und Konzentraten Gerät mindestens 2-mal jährlich durchzuführen. erzeugten Dialysierflüssigkeit sind drei Qualitätsstufen definiert: Standard-Dialysierflüssigkeit, ultrareine Inzwischen sind Dialysemaschinen nahezu generell mit Dialysierflüssigkeit und online Substitutionsflüssig- validierten Ultrafiltern versehen. Die herstellerseitige keit. Die mikrobiologischen Qualitätsanforderungen Validierung garantiert die mikrobiologische Qualität der an diese Flüssigkeiten sind in Tabelle 2 definiert. Dialysierflüssigkeit, sofern die Randbedingungen der Validierung (Qualität des zulaufenden Dialysewassers, Standard- Ultrareine Online Dialysier- Dialysier- Substitutions- Wartungsvorschriften) eingehalten werden. Eine flüssigkeit flüssigkeit flüssigkeit Probennahme aus der Dialysierflüssigkeit ist daher Bakterien- < 100 KBE/ml < 0,1 KBE/ml < 10-6 KBE/ml in dieser Situation nicht erforderlich. Dies gilt auch nachweis für die validierten Systeme, die online Substitutions- Endotoxin- < 0,25 IE/ml < 0,03 IE/ml < 0,03 IE/ml nachweis flüssigkeit produzieren. Die Rahmenbedingungen der Validierung sind in der ISO 23500:2019 [29] formuliert. Tab. 2: Mikrobiologische Grenzwerte für die Über wachung verschiedener Qualitäten von Dialysier 6.3.5.3 Mikrobiologische Grenzwerte flüssigkeiten (KBE: koloniebildende Einheiten, IE: internationale Einheiten) Zur Überwachung von Dialysewasser und Dialysier- flüssigkeit sind anerkannte und sensitive mikrobio- Bei der Inbetriebnahme von Wassersystemen nach logische Nachweisverfahren anzuwenden, die für Neuerrichtung, Umbau oder der Sanierung nach einer den Nachweis von Wasserkeimen und Endotoxin ge- Kontamination sind umfänglichere Untersuchungen eignet sind. Entsprechende Nachweisverfahren sind als bei der Routineüberwachung erforderlich. Grund- in der Norm ISO 23500:2019 oder Nachfolgenormen sätzlich sollte in diesen Fällen auch auf Pseudomonas benannt. aeruginosa untersucht werden. Bei diesen Unter- suchungen darf Pseudomonas ae. in 100 ml Wasser Dialysewasser wird sowohl in Konzentratherstellungs- nicht nachweisbar sein. anlagen als auch in Versorgungsringleitungen für Dialyseeinrichtungen verwendet. Hinsichtlich der Kommentar: Der aktuelle Stand der Wissenschaft mikrobiologischen Überwachung sind zwei Situatio- hinsichtlich des Nachweises von Bakterien in Dialyse- nen zu unterscheiden: wasser ist in der Norm ISO 23500:2019 [29] sowie der Norm ISO 13959-2015 [28] dargelegt. Diese Normen 1. Inbetriebnahme nach Neuerrichtung/Umbau/Re- werden ständig weiter entwickelt. Daher ist die jeweils paratur oder nach Kontamination aktuellste Fassung zu beachten. 2. Routinekontrolle eines laufenden Systems. Es sind stets mikrobiologische Techniken anzuwenden, die den Nachweis von Wasserbakterien erlauben. Die Folgende Untersuchungen sind erforderlich: genannten Normen geben auch die Grenzwerte für Bakteriennachweis und Endotoxinnachweis vor. Bei Inbetriebnahme: Bakteriennachweis, Nachweis Erreichen von 50 % der Grenzwerte sollen bereits Maß- von Pseudomonas aeruginosa, Nachweis von nahmen gegen eine mikrobiologische Besiedlung bzw. Endotoxin Biofilmbildung des Systems ergriffen werden, z. B. zu- sätzliche Desinfektionsmaßnahmen. Routinekontrolle: Bakteriennachweis, Nachweis von Endotoxin Die Definition von Grenzwerten für den Bakterien- nachweis suggeriert einen mikrobiologisch „siche- Die Grenzwerte der mikrobiologischen Qualität sind ren“ Bereich unterhalb dieser Grenzwerte. Das Ziel der in Tabelle 1 aufgeführt. Zusätzlich werden Aktions- mikrobiologischen Überwachung von Einrichtungen grenzen definiert, d. h. Werte, bei deren Überschreiten zur Dialysewasserversorgung ist jedoch nicht primär bereits Maßnahmen ergriffen werden sollen, damit das die Unterschreitung von Grenzwerten. Vielmehr sol- System künftig den Grenzwert nicht überschreitet (z. B. len die Untersuchungen aufzeigen, ob jeweils zusätz- Desinfektionsmaßnahmen) (Kat. IV). liche Maßnahmen zur Verhinderung der Biofilmbildung Stand 27.01.2020
Leitlinie zu Infektionsprävention und Hygiene 2019 14 erforderlich sind. Bei Vorhandensein von Biofilm im 7 Dialysezugänge Leitungssystem besteht stets eine gewisse Zufälligkeit, ob zum Zeitpunkt der mikrobiologischen Kontrolle ge- rade Bakterien in das Wasser ausgeschwemmt wer- 7.1 Gefäßzugang für die Hämodialyse den. Noch mehr ist die Menge dieser Bakterien dem Zufall unterworfen, wiewohl sie mit dem Ausmaß der 7.1.1 Wahl des Gefäßzugangs Biofilmkontamination in einem Zusammenhang steht. Der Nachweis von Endotoxin ist ebenfalls ein Surrogat- Infektionen des Gefäßzugangs für die Dialyse stel- parameter für die Biofilmbildung in Dialysewasser- len die wichtigste Quelle für Bakteriämie und Sepsis anlagen. Möglicherweise kommt dem Endotoxin eine beim Hämodialysepatienten dar. Unter infektions- höhere prognostische Bedeutung für die Patienten zu präventiven Gesichtspunkten soll bevorzugt eine na- als dem Bakteriennachweis [36]. tive arteriovenöse Fistel verwendet werden (Kat. IA). Aufgrund der Schwierigkeit, ein kontaminiertes Ring- Nur wenn dies bei schlechten Gefäßverhältnissen nicht leitungssystem zu reinigen, ist es bei wiederholter möglich ist, kommen arteriovenöse Kunststoffinterpo- Überschreitung der Grenzwerte ratsam, einen Fach- nate in Betracht. Zentralvenöse Katheter sollten nur arzt für Hygiene beratend hinzuzuziehen. dann als langfristiger Gefäßzugang Verwendung fin- den, wenn alle Möglichkeiten der Anlage einer arterio- Die Qualitätsanforderungen für Dialysierflüssigkeiten venösen Fistel oder Gefäßprothese erschöpft sind, häu- sind in den Normen ISO 23500-2019, ISO 13959-2015 fige Revisionen wegen Verschluss erforderlich werden, sowie in der Europäischen Pharmakopöe (9. Auflage, oder die Volumenbelastung durch den Shunt bei Herz- 2017 [37]) bzw. evtl. Nachfolgenormen beschrieben. insuffizienz vermieden werden soll (Kat. IB). Diese Vorgaben müssen durch die technischen Sys- teme der Dialysemaschinen erreicht werden. Die Kommentar: Gefäßzugänge für die Hämodialyse kön- Dialyse mit Standard-Dialysierflüssigkeit ist zulässig, nen über arteriovenöse Shunts verschiedener Loka- generell wird jedoch empfohlen, ultrareine Dialysier- lisationen, arteriovenöse Kunststoffinterponate oder flüssigkeit zu verwenden, insbesondere wenn high-flux zentralvenöse Katheter realisiert werden. Gemäß Dia- Dialysatoren zum Einsatz kommen [38]. Der Anwender lysis Outcomes and Practice Pattern Study (DOPPS) muss bei Verwendung validierter Vorfiltersysteme und Daten lag die relative Verteilung der Zugangsarten in dokumentierter Einhaltung der vorgeschriebenen Be- Deutschland bei prävalenten Patienten im Januar 2015 triebsbedingungen die Einhaltung dieser Qualitäts- bei 80,2 % nativer Shunt, 6,5 % Prothesenshunt und standards nicht durch Probennahme nachweisen (vgl. 13,3 % zentralvenösem Katheter (Stichprobengröße 6.3.5.2) 583 Patienten, [39]). Zum Vergleich betrugen diese Zah- len für USA 68,2 % nativer Shunt, 19,8 % Prothesen- shunt und 11,9 % zentralvenöser Katheter (nationwide 6.4 Peritonealdialyselösungen sample, n = 8.855). Peritonealdialyselösungen werden in der Regel in Ein zentrales Risiko durch die großlumigen Gefäß- Weichplastikbehältern mit 2–5 Liter Inhalt indust- zugänge besteht in der Entstehung von Blutstrom- riell steril und pyrogenfrei vorgefertigt zur Verfügung infektionen. Aufgrund dänischer Registerdaten kann gestellt. Vor dem Einsatz sind die Gebinde auf Be- das Risiko von Blutstrominfektionen bei Dialyse- schädigungen zu prüfen und sicherzustellen, dass das patienten in Relation zur Allgemeinbevölkerung ab- Haltbarkeitsdatum nicht überschritten ist (Kat. III). geschätzt werden [40]. So wurde die Häufigkeit dieser Infektionen bei allen Dialysepatienten zweier däni- scher Regionen (1.792 Patienten) mit der von mehr als 33.000 Personen aus der Allgemeinbevölkerung, die für Alter, Geschlecht und Wohngemeinde gematcht waren, verglichen. Die Infektionsrate bei Dialysepatienten war 25 × höher und betrug 13,7 (95 % Konfidenzintervall, 12,5–15,0) pro 100 Personenjahre vs. 0,53 (95 % CI, 0,50–0,56) pro 100 Personenjahre bei Kontrollen. Das Register verfügt nicht über präzise Angaben, über wel- che Art von Zugangsweg die Patienten dialysierten. Co- diert war lediglich, ob der Patient schon einmal eine Shuntanlage hatte oder nicht. Patienten, die ohne Shunt ( = über Katheter) dialysierten, hatten ein alters-, ge- schlechts- und komorbiditätsadjustiertes Risiko, eine Blutstrominfektion zu erleiden von 1,74 (95 % CI, 1.41– 2.16) gegenüber Patienten, bei denen zumindest eine Stand 27.01.2020
Leitlinie zu Infektionsprävention und Hygiene 2019 Shuntanlage versucht worden war oder die über Shunt zentralvenösen Katheter für alle Altersgruppen. Es kann 15 dialysierten. daher keine Empfehlung für eine altersbezogene Dif- ferenzierung hinsichtlich des Gefäßzugangs gegeben Daten eines großen US-Dialyseproviders weisen eben- werden. falls auf deutlich unterschiedliche Komplikationsrisiken zwischen Patienten mit Dialyseshunt und Dialyse- Es gibt Registerdaten, die auf eine systematische katheter hin [41]. In einer prospektiven Observations- Überschätzung der Bedeutung von Kathetern für die studie wurde die Hospitalisation bei Patienten be- Gesamtsterblichkeit von Dialysepatienten in vielen Stu- obachtet, die über unterschiedliche Dialysezugänge dien hinweisen. So ergibt sich aus der USRDS Daten- behandelt wurden. Von 79.545 Patienten hatten initial bank, dass Patienten, bei denen ein Shunt angelegt 43 % einen nativen Shunt, 27 % Prothesenshunts und wurde, die Dialyse dann aber ungeplant doch über Ka- 29 % einen zentralvenösen Katheter. Im Verlauf eines theter begonnen werden musste, ein deutlich günstige- Jahres hatten Patienten mit zentralvenösen Kathetern res Sterberisiko hatten als solche, bei denen von vorn- ein 42 % höheres Hospitalisationsrisiko als Patienten herein eine Katheterdialyse angestrebt wurde [47]. Die mit nativen Shunts. Bei Prothesenshunts lag das Ri- Autoren deuten dies so, dass bereits die klinische Be- siko noch um 18 % höher. Der Unterschied war robust urteilung, die zur Auswahl der Zugangsart führt, einen gegen alle statistischen Adjustierungen für Alter, Ge- großen Teil der prognostischen Aussagekraft in sich schlecht, Komorbidität und andere relevante Einfluss- trägt. In anderen Worten, der Patient erhält einen Ka- faktoren. Ein Teil der Patienten begann die Dialyse mit theter, weil er eine schlechtere Prognose hat. Eine ex- zentralvenösen Kathetern, während dieser nach Shunt- aktere Einschätzung dieses Sachverhaltes wird eine ausreifung im Verlauf entfernt werden konnte. Eine sol- prospektiv-randomisierte Studie bringen, die derzeit che Konversion führt zu einer Absenkung des Hospita- anläuft [48]. lisationsrisikos um etwa 30 %. Eine Gruppe von Patienten, bei denen der Shunt nicht Eine Meta-Analyse der zu diesem Thema publizierten die erste Wahl für den Dialysezugang ist, stellen Pa- Studien [42] konnte Daten aus 67 Arbeiten extrahie- tienten mit klinisch relevanter Herzinsuffizienz dar [49]. ren, die insgesamt über mehr als 580.000 Patienten be- Diese Einschränkung beruht jedoch auf den hämo- richteten. Die Patienten wurden in drei Kategorien ver- dynamischen Wirkungen eines Dialyseshunts, nicht glichen, solche mit nativen Dialyseshunts, solche mit auf infektiologischen Erwägungen. Weitere Kontra- Prothesenshunts und Patienten mit Dialysekathetern. indikationen gegen die Anlage von Shunts können in Sowohl das Risiko der Gesamtsterblichkeit als auch arteriellen oder venösen Pathologien im Bereich der das Risiko tödlicher Infektionen waren bei Katheter- Extremitäten bestehen. trägern höher als bei Patienten mit Prothesenshunts und bei diesen wiederum höher als bei Patienten mit Auch bei Patienten, deren Krankheitsdynamik einen ra- nativen Shunts (Gesamtsterblichkeit: relatives Risiko schen Dialysebeginn erfordert, ist ein zentralvenöser gegenüber nativem Shunt bei Prothesenshunt 1,18 Katheter nicht in allen Fällen zwingend. Sofern es die [1,09–1,27], bei Katheter 1,53 [1,40–1,67]; Tödliche In- Gefäßsituation beim Patienten erlaubt, lässt sich die fektionen: relatives Risiko gegenüber nativem Shunt Rate der Blutstrominfektionen durch den Einsatz akut bei Prothesenshunt 1,36 [1,17–1,58], bei Katheter 2,12 nutzbarer Prothesenshunts reduzieren [50]. [1,79–2,52]). Mehrere Arbeiten [43, 44] weisen darauf hin, dass die Hämodialysebehandlung über zentral- 7.1.2 Punktion des Dialyseshunts venöse Katheter zu den quantitativ relevanten Ursa- chen der bakteriellen Endokarditis gehört. Die Shuntpunktion soll durch besonders geschultes Personal durchgeführt werden. Dieses hat zunächst Es gibt Hinweise darauf, dass die Regel, Shunts gegen- eine hygienische Händedesinfektion durchzuführen, über zentralvenösen Kathetern zu bevorzugen, für be- anschließend sind obligatorisch patientenbezogene stimmte Patientengruppen nicht universell angewandt keimarme Einmalhandschuhe anzulegen. Bei der werden sollte. So zeigen Murea et al., dass ältere Pa- Shuntpunktion wird zusätzlich die Verwendung eines tienten eine erheblich geringere Katheterinfektions- Mund-Nase-Schutzes sowie einer Schutzbrille (alter- rate aufweisen als jüngere Dialysepatienten [45]. Pa- nativ: Schutzvisier) empfohlen. Am Shuntarm ist vor tienten mit einem Lebensalter ≥ 75 Jahre (n = 90) der Shuntpunktion eine Hautdesinfektion (Sprüh- oder erreichten eine Blutstrominfektions-(BSI)-Rate Wischdesinfektion) unter Beachtung der Einwirk- von 0,55/1.000 Kathetertage, während die jünge- zeiten durchzuführen, nach der Desinfektion darf das ren Patienten (n = 374, mittleres Alter 54 Jahre) Punktionsareal nicht mehr berührt werden (Kat. II). 1,97 BSI/1.000 Kathetertage erlitten. Dieser Befund wurde allerdings zumindest für die überwiegend männ- Hautantiseptika mit Remanenzwirkung (z. B.Iso- lichen Patienten der US Veterans Administration nicht propanol mit Chlorhexidin 2 % (Kat. IB) oder Octe- bestätigt [46], für diese Gruppe galten die prognos- nidin 0,1 % (Kat. II)) sind rein alkoholischen Mitteln tischen Vorteile eines Dialyseshunts gegenüber dem überlegen. Stand 27.01.2020
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