Leitliniengerechte Behandlung der Lungenembolie - ESC-Update 2014
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LEITLINIENGERECHTE BEHANDLUNG DER LUNGENEMBOLIE – ESC-UPDATE 2014 www.cme-kurs.de ONLINE ERSCHIENEN AM 01.02.2015 Leitliniengerechte Behandlung der Teilnahmemöglichkeiten Diese Fortbildung steht als animierter Audio- Lungenembolie – ESC-Update 2014 vortrag (e-Tutorial) bzw. zum Download in Textform zur Verfügung. Die Teilnahme ist von Prof. Dr. Stavros Konstantinides, Mainz/ Redaktion: CME-Verlag kostenfrei. Die abschließende Lernerfolgskontrolle kann Zusammenfassung schen Studienlage zur Therapie und die nur online erfolgen. Bitte registrieren Sie sich Sekundärprävention der Lungenembolie. dazu kostenlos auf www.cme-kurs.de. Die Europäische Kardiologische Fachge- Zertifizierung sellschaft (ESC) hat mit Unterstützung der Lernziele Diese Fortbildung wurde nach den Fort- Pneumologischen Fachgesellschaft (ERS) bildungsrichtlinien der Landesärztekammer Wenn Sie diese Fortbildung gelesen haben, Ende August 2014 eine neue Leitlinie zum Rheinland-Pfalz von der Akademie für Ärztli- Management der akuten Lungenembolie • kennen Sie die neuen Empfehlungen zur che Fortbildung in RLP mit 3 CME-Punkten veröffentlicht. Der vorliegende Beitrag be- Risikostratifizierung und dem risiko- zertifiziert. Sie ist damit auch für andere leuchtet die wichtigsten Neuerungen hin- adaptierten diagnostischen und thera- Ärztekammern anerkennungsfähig. sichtlich der Risikostratifizierung sowie der peutischen Vorgehen bei LE, Wenn Sie im abschließenden Test 7 bis 9 risikoadaptierten Diagnostik und Therapie Fragen richtig beantworten erhalten sie 2 • können Sie einen normotensiven Patien- von Patienten mit Lungenembolie. Diese CME-Punkte. Sind alle Antworten richtig ten mit akuter Lungenembolie, der mög- erhalten Sie 3 CME-Punkte. betreffen unter anderem die Indikation zur Thrombolyse bei normotensiven Patienten licherweise eine Thrombolyse benötigt, Referent mit „intermediärem Risiko“, den Einsatz identifizieren, Prof. Dr. Stavros Konstantinides, Mainz der neuen oralen Antikoagulanzien • kennen Sie die derzeitige Studienlage (NOAKs) zur Therapie und (verlängerten) Redaktionelle Leitung / Realisation aller vier neuen oralen Antikoagulanzien Sekundärprophylaxe, den Stellenwert von J.H. Wiedemann (NOAKs) sowie deren Zulassungsstatus, CME-Verlag ASS zur verlängerten Sekundärprävention, • können einen Patienten mit akuter Siebengebirgsstr. 15 die Rezidivpophylaxe bei Tumorpatienten Lungenembolie identifizieren, der ggfls. 53572 Bruchhausen sowie die Indikation zur ambulanten E-Mail: info@cme-verlag.de Behandlung von Patienten mit „niedrigem für eine ambulante Behandlung in Frage Risiko“. kommt. Mit freundlicher Unterstützung von: Bayer Vital GmbH, Leverkusen. Ergänzt werden die neuen Empfehlungen durch einen Überblick der aktuellen klini- © CME-Verlag 2015
LEITLINIENGERECHTE BEHANDLUNG DER LUNGENEMBOLIE - ESC-UPDATE 2014 2 Die Lungenembolie ist eine diagnostische Stellenwert häufige und potenziell lebens- der Dimer-Bestimmung bedrohliche Erkrankung. Bei allerdings gering. einer durchschnittlichen Leta- litätsrate von 11 % innerhalb Bei hoher klinischer der ersten 2 Wochen nach Wahrscheinlichkeit kann Diagnosestellung versterben der D-Dimer-Test entfal- hierzulande schätzungsweise len und der Patient direkt über 40.000 Patienten jährlich mit bildgebenden Verfah- an den Folgen einer Lungen- ren untersucht werden, embolie. Nur ein geringer Teil zum Beispiel mittels Mul- wurde vor dem Tod korrekt tidetektor-Spiral- diagnostiziert. Die unspezifi- Computertomogra-phie sche Symptomatik erschwert (MDCT) mit Darstellung bei vielen Betroffenen häufig der Pulmonalarterien. eine rasche Diagnose und den unverzüglichen Therapiebe- Für hämodynamisch in- ginn. Eine aktuelle Studie hat stabile Hoch-Risiko- versterben, bei über 15 %. Diese Patienten gezeigt, dass die Lungenembolie bei einem Patienten wird der Algorithmus einfach müssen unverzüglich hospitalisiert und Drittel der Patienten in der Notaufnahme abgewandelt. Da es sich hier um Notfallpa- wenn möglich einer Thrombolyse zuge- nicht sofort erkannt wurde. Unter anderem tienten handelt, muss sofort mithilfe führt werden. waren chronische Begleiterkrankungen, bildgebender Verfahren, wie der CT- wie Asthma oder COPD, unabhängige Angiographie oder einer Echokardiogra- Glücklicherweise ist der Großteil der Einflussfaktoren für die verzögerte Diagno- phie, eine Lungenembolie diagnostiziert Lungenembolie-Patienten (ca. 95 %) hä- se. Auch höheres Alter und Fehlen von oder ausgeschlossen werden. modynamisch stabil. Ihr Mortalitätsrisiko Symptomen wie akute Dyspnoe oder liegt bei unter 1 %. Eine Thrombolyse wird Synkopen erhöhen die Fehldiagnose-Rate. Wichtig: Noch bevor die diagnostischen bei diesen normotensiven Patienten in der Testergebnisse vorliegen, benötigen alle Regel nicht empfohlen. Allerdings ist ein Eine Lungenembolie sollte vor allem bei Patienten mit der Verdachtsdiagnose Teil dieser scheinbar „stabilen“ Patienten folgenden Symptomen in Betracht gezo- „Akute Lungenembolie“ bei hoher oder durch ein erhöhtes („intermediäres“) gen werden: akute Atemnot, pleuristische mittlerer klinischer Wahrscheinlichkeit eine Sterbe- und Komplikationsrisiko gefährdet. oder (seltener) retrosternale Thorax- therapeutische Antikoagulation mit Daher empfehlen die aktuellen Leitlinien schmerzen, Husten, Fieber, Hämoptysen, Heparin oder Fondaparinux. eine weiterführende Risikostratifizie- Synkopen sowie Anzeichen einer tiefen rung der „Nichthochrisiko"-Patienten. Beinvenenthrombose. Die Basisdiagnostik, Bislang konnte in Abhängigkeit von wie Thorax-Röntgen, EKG und Blutgasana- Zeichen einer rechtsventrikulären Dysfunk- Zunächst wird die Verdachtsdiagnose lyse können lediglich den Verdacht auf eine tion und/oder Myokardschädigung zwi- Lungenembolie bei den hämodynamisch Lungenembolie erhärten oder abschwä- schen Patienten mit „intermediärem“ und stabilen Patienten mithilfe von standardi- chen. Um die Diagnose definitiv zu bestäti- „niedrigem“ Letalitätsrisiko differenziert sierten Scores, wie dem Wells-Score oder gen oder zu widerlegen, sind weitere werden. Erstmals wird in den neuen Genfer Score, weiter eingegrenzt in Untersuchungen erforderlich. Leitlinien die heterogene Gruppe der niedrige, mittlere oder hohe Wahrschein- normotensiven Patienten mit „intermediä- lichkeit. Ist die Wahrscheinlichkeit niedrig Aufgrund der prognostischen Heterogeni- rem“ Risiko weiter stratifiziert in „interme- oder mittel, sollte sich ein ELISA-D-Dimer- tät von Patienten mit akuter Lungenembo- diär-hoch“ und „intermediär-niedrig“. Als Test anschließen. Mit steigendem Alter lie hat die ESC 2008 erstmals ein risiko- kombinierte Risikomarker dienen der kommt es jedoch auch physiologisch – adaptiertes diagnostisches und therapeuti- (simplifizierte) Pulmonary Embolism ohne das Vorliegen akuter thrombo- sches Vorgehen empfohlen. Auch in der Severity Index ([s]PESI), der Nachweis embolischer Ereignisse – zu einer Zunahme aktuellen Leitlinie basieren die Algorith- einer RV-Dysfunktion sowie der Nachweis der D-Dimer-Konzentration. Daher werden men auf der initialen Einteilung in Patien- einer myokardialen Ischämie. Fallen die in den neuen Leitlinien altersadjustierte ten mit „Hohem Risiko“ und „Nicht-hohem beiden letzteren positiv aus, handelt es sich Cut-off Werte für D-Dimere eingeführt. Risiko“. Das wichtigste Kriterium für die um Patienten mit „intermediär hohem“ Zuordnung ist, ob der Patient einen Schock Risiko. Diese Patienten sind potenzielle Ein positives Testergebnis weist auf die oder eine persistierende Hypotension Kandidaten für eine Thrombolyse – Notwendigkeit weiterführender bildge- aufweist oder als normotensiv gilt. Bei entweder systemisch oder mit interventio- bender Diagnostik hin. Bei einem negati- hämodynamisch instabilen Patienten liegt nellen Verfahren. ven Testergebnis kann auf weitere Diagno- das Risiko, in der Klinik bzw. innerhalb der stik und Antikoagulation verzichtet wer- ersten 30 Tage nach dem Akutereignis zu den. Bei hospitalisierten Patienten ist der © CME-Verlag 2015
LEITLINIENGERECHTE BEHANDLUNG DER LUNGENEMBOLIE - ESC-UPDATE 2014 3 Liegt weder eine Fehlfunktion der rechten Patienten mit nachgewiesener Lungenem- Bereits bei Verdacht auf Lungenembolie ist Herzkammer noch eine Herzmuskelschä- bolie eingeschlossen. Eine rechtsventriku- eine sofortige und suffiziente Antikoagula- tion erforderlich. In der Akutphase ist niedermolekulares Heparin oder Fondapa- rinux subkutan die erste Wahl und wird in den aktuellen Leitlinien für eine Dauer von 5 bis 10 Tagen empfohlen. Unfraktioniertes Heparin wird für Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance von 30 ml/Min.) empfohlen sowie für adipöse Patienten und für Patienten, bei denen eine primäre Reperfusion in Be- tracht gezogen wird. Parallel zur parenteralen Antikoagulation digung vor beziehungsweise ist nur einer läre Dysfunktion musste echokardiogra- kann die Gabe eines Vitamin-K- der beiden Parameter positiv, wird das phisch oder mittels CT nachgewiesen Antagonisten (VKA) für die Dauer von Risiko als „intermediär niedrig“ eingestuft. werden. Ebenso war eine Erhöhung des mindestens drei Monaten erfolgen. Durch Bei diesen Patienten ist eine stationäre Troponin T oder I Voraussetzung für den die überlappende Gabe wird der langsame Behandlung mit alleiniger Antikoagulation Studieneinschluss. Wirkeintritt des VKA „überbrückt“. ausreichend. Die Ergebnisse dieser Studie sind eindeu- Das etablierte Regime mit einem VKA ist Bei Patienten mit niedrigem Risiko, die tig: In der Thrombolyse-Gruppe kam es jedoch limitiert durch: einen stabilen Kreislauf, einen sPESI-Score signifikant seltener zu hämodynamischen von Null, keine Dysfunktion des rechten Dekompensationen oder Todesfällen - das enge therapeutische Fenster Ventrikels und keine Myokardschädigung (2,6 % vs. 5,6 %). Jedoch waren schwere - Medikamenten- und Nahrungsmittelin- aufweisen, kann eine ambulante An- extra- kranielle Blutungen wie auch teraktionen tikoagulation erwogen werden. Ggf. kann intrakranielle Blutungen signifikant - inter- und intraindividuelle Wirkungsun- der Patient auch früher aus der Klinik häufiger bei den mit Tenecteplase behan- terschiede entlassen werden. delten Patienten. Dabei hatten Patienten - die variable Pharmakokinetik und - in höherem Alter und mit Begleiterkran- dynamik und die damit verbundene Aufgrund des bisherigen Mangels an kungen ein höheres Blutungsrisiko. Notwendigkeit der Dosisanpassung inkl. verlässlichen Daten aus kontrollierten, Monitoring. randomisierten Studien wird eine routine- Vor diesem Hintergrund empfehlen die mäßige systemische Thrombolyse bei aktuellen Leitlinien, Patienten mit „inter- Mit den neuen oralen Antikoagulanzien – stabilen Patienten mit „nicht hohem mediär-hohem“ Risiko stationär zu über- abgekürzt NOAK – kann ein Teil der Risiko“ durch die aktuellen Leitlinien nicht wachen, um bei hämodynamischer Ver- Limitationen der VKA überwunden wer- empfohlen. In einer großen kontrollierten schlechterung – oder ausbleibender Ver- den. Derzeit sind zur Behandlung und Studie wurde nun untersucht, ob eine frühe besserung – eine thrombolytische Therapie Sekundärprophylaxe der Lungenembolie Thrombolyse auch bei diesem Patienten- einleiten zu können. Für Patienten mit Rivaroxaban, Dabigatran und Apixaban in kollektiv das Risiko von Tod oder schweren hohem Blutungsrisiko könnten möglicher- Europa zugelassen. Es ist davon auszuge- Komplikationen senken kann. weise eine Dosis- reduktion des Thrombo- hen, dass auch Edoxaban in naher Zukunft lytikums sowie alternative Strategien, wie die Zulassung dafür erhalten wird. Die multizentrische „Pulmonary EmbolIsm die lokale pharmako-mechanische Throm- THrOmbolysis Study“, kurz PEITHO, bolyse in Zukunft eine „sicherere“ Option Die erste Strategie mit neuen oralen untersuchte die klinische Antikoagulanzien beinhaltet einen Wirksamkeit und Sicher- „Switch“, also einen Wechsel heit einer Thrombolyse- von einer initialen parentera- Therapie mit Tenecteplase len Therapie mit niedermole- bei normotensiven Patien- kularem Heparin auf Dabiga- ten mit akuter Lungen- tran oder Edoxaban. Eine embolie und einem „inter- Überlappung von parenteraler mediären“ Sterblichkeits- und oraler Therapie wie bei risiko. In diese prospekti- den VKA ist aufgrund des ve, doppelblinde, placebo- schnellen Wirkeintritts der kontrollierte Studie NOAK nach Einnahme und wurden 1.006 hämodynamisch stabile darstellen. © CME-Verlag 2015
LEITLINIENGERECHTE BEHANDLUNG DER LUNGENEMBOLIE - ESC-UPDATE 2014 4 dem stabilen, berechenbaren Antikoagula- mäßige Risiko-Nutzen-Abwägung wird Jahren ca. 30 %. Das heißt, innerhalb eines tionseffekt nicht mehr notwendig. angeraten. Zeitraums von 8 Jahren hat nahezu jeder Dritte ein Rezidiv erlitten. In einem zweiten Ansatz wird von Anfang Dem Thema „Lungenembolie und Krebs“ an ein neues orales Antikoagulanz in wird in den neuen Leitlinien ein eigenes Monotherapie verabreicht – ohne initiale Kapitel gewidmet. Tumorpatienten haben parenterale Antikoagulation. Diesem ein 4-fach erhöhtes Risiko für venöse Konzept folgen die NOAK Rivaroxaban und Thrombosen und die Rezidivrate beträgt Apixaban. Hier ist lediglich zu berücksichti- fast 20 % innerhalb von 12 Monaten nach gen, dass in der Akutphase das Medika- dem ersten Ereignis. Gleichzeitig ist auch ment höher dosiert werden muss: In den das Risiko für Blutungen etwa 2- bis 3-fach Studien betrug die Rivaroxaban-Dosis erhöht. In den ersten sechs Wochen nach 2x15 mg pro Tag für 21 Tage, anschließend einer Tumorresektion kann das VTE-Risiko wurde die Therapie mit 1x20 mg pro Tag um das 90-fache ansteigen und bleibt fortgesetzt. Bei Apixaban wurde für die zwischen vier und zwölf Monate nach der Dauer einer Woche die Dosis verdoppelt, OP noch bis zu 30-fach erhöht verglichen und zwar 2x10 mg pro Tag gefolgt von mit Gesunden. Daraus leitet sich die täglich 2x5 mg für mindestens 3 Monate. Empfehlung zur medikamentösen An- Allerdings muss hier einschränkend tikoagulation bei Krebspatienten ab: festgestellt werden, dass nicht alle Stu- In den bisher publizierten Studien zur Heparin kann in der Frühphase das VTE- dienteilnehmer eine Antikoagulation über Behandlung von VTE (RE-COVER I+II, Rezidiv-Risiko bei Tumorpatienten signifi- die gesamte Studiendauer erhalten haben. EINSTEIN DVT und PE, AMPLIFY und kant stärker reduzieren als Vitamin-K- Um zu klären, welche Patienten von einer Hokusai-VTE) zeigte sich bei allen NOAK Antagonisten – bei vergleichbarer Mortali- längeren oder dauerhaften Antikoagula- eine Nicht-Unterlegenheit im Hinblick auf tät und Blutungsrate. Daher wird bei tion profitieren, müssen wir uns fragen, die Anzahl von Rezidiven gegenüber VKA. aktiver Krebskrankheit empfohlen, die welche Risikofaktoren nach neuesten Der große Vorteil der NOAK liegt vor allem ersten 3 bis 6 Monate mit Heparin zu Erkenntnissen für das Rezidivthromboseri- in deren günstigerem Sicherheitsprofil im behandeln und anschließend – zeitlich siko in der Spätphase entscheidend sind. Vergleich zu VKA: Alle Phase III-Studien unbegrenzt – fortzusetzen oder auf die zeigten eine signifikant geringere Rate an orale Gabe eines VKA umzustellen. Diese Zahlreiche Faktoren können das Auftreten schweren Blutungen. So konnte Rivaroxa- verlängerte Sekundärprophylaxe mit einer Lungenembolie oder Venenthrombo- ban das Risiko für schwere Blutungen Heparin oder VKA sollte solange beibehal- se triggern. Entscheidend für das Rezidivri- halbieren. Unter Dabigatran betrug die ten werden, wie die Tumorerkrankung siko ist vor allem der Auslösefaktor. Man relative Risikoreduktion 40 %, unter aktiv ist – gegebenenfalls lebenslang. unterscheidet dabei transiente, also Apixaban 69 % und unter Edoxaban 16 %. Möglicherweise ist auch der Einsatz von vorübergehende Auslösefaktoren, zum Klinisch relevante Blutungen traten unter NOAK als Alternative zu VKA in der Beispiel Operationen, Östrogentherapie NOAK ebenfalls signifikant seltener auf als Spätphase sinnvoll. Eine konkrete Empfeh- oder Schwangerschaft, von bestehenden unter VKA. Eine Metaanalyse konnte lung geben die aktuellen Leitlinien dazu oder irreversiblen Faktoren, wie Krebser- bestätigen, dass auch in der Indikation jedoch nicht. krankungen, Antiphospholipid-Syndrom Vorhofflimmern die Rate an Hirnblutungen oder VTE-Ereignisse in der Vorgeschichte. unter Rivaroxaban, Dabigatran und Api- Die Dauer der therapeutischen Antikoagu- Die VTE werden demnach eingeteilt in xaban um 55 % reduziert wurde. Neben lation ist abhängig vom individuellen provozierte und nicht-provozierte (bzw. einer Reihe praktischer Vorteile, wie fixe Risikoprofil des Patienten, sollte jedoch idiopathische) Ereignisse. Bei provozierten Dosierung, Wegfallen routinemäßiger mindestens 3 Monate betragen. Die Ereignissen, zum Beispiel bei einer Lun- Gerinnungskontrollen, weniger Interaktio- Identifizierung von Patienten, die eine genembolie infolge einer Operation, ist das nen mit Medikamenten und Nahrungsmit- längere therapeutische Antikoagulation Rezidivrisiko relativ gering. Liegt jedoch teln, ermöglichen die NOAK eine den benötigen, ist derzeit eine der größten kein erkennbar provoziertes Erstereignis Vitamin-K-Antagonisten ebenbürtige Anti- Herausforderungen bei der Behandlung vor, ist das Rezidivrisiko signifikant erhöht. koagulation bei geringerem Risiko für von Patienten mit Lungenembolie. Obwohl Die Tatsache ob eine VTE provoziert ist Blutungen. das Rezidiv-Risiko in den ersten sechs oder nicht, ist folglich fundamental für das Monaten am höchsten ist, wird es nie mehr Abschätzen des Rezidivrisikos. Die aktuellen Leitlinien empfehlen die gleich Null. Patienten mit einer venösen NOAK für die Therapie der Lungenembolie Thromboembolie in der Vorgeschichte Mit der Bestimmung der D-Dimere nach daher als gleichgestellte Alternative zu haben zeitlebens ein erhöhtes Risiko. einem ersten idiopathischen VTE-Ereignis Vitamin-K-Antagonisten. Bezüglich der kann das Rezidivrisiko im Langzeitverlauf empfohlenen Dauer der therapeutischen In der hier gezeigten Studie betrug die abgeschätzt werden. Ein erhöhter D- Antikoagulation wurden keine relevanten kumulative Rezidivrate nach 2 Jahren ca. Dimer-Spiegel weist auf ein höheres Änderungen vorgenommen; eine regel- 17 %, nach 5 Jahren ca. 24 und nach 8 Rezidivrisiko hin. Die Leitlinien empfehlen © CME-Verlag 2015
LEITLINIENGERECHTE BEHANDLUNG DER LUNGENEMBOLIE - ESC-UPDATE 2014 5 bei einer Lungenembolie infolge eines beiden Gruppen relativ selten auf. Der agement of acute pulmonary embo- transienten Risikofaktors eine 3-monatige Unterschied ist nicht signifikant. Da lism. Europ Heart J. 2014;35:3033–80. orale Antikoagulation. Bei idiopathischer wirksamere Medikamente zur Verfügung 2. Konstantinides S et al. Pocket- Lungenembolie ist bereits nach Erstereig- stehen, raten die aktuellen Leitlinien dazu, Leitlinien. Diagnose und Therapie der nis eine prolongierte Antikoagulation ASS zur Sekundärprophylaxe nur bei akuten Lungenembolie. Deutsche Ge- angezeigt – unter Abschätzung der indivi- Patienten einzusetzen, die andere orale sellschaft für Kardiologie-, Herz- und duellen Nutzen-Risiko-Verhältnisse. Antikoagulanzien ablehnen oder nicht Kreislaufforschung e.V. 2009. vertragen. 3. Torres-Macho J, et al. Clinical features Bei verlängerter Antikoagulation empfeh- of patients inappropriately undiag- len die aktuellen Leitlinien die folgenden Nach der aktuellen ESC-Leitlinie zur nosed of pulmonary embolism. Am J NOAK als Alternative zu VKA (außer bei Diagnostik und Therapie der akuten Emerg Med. 2013;31(12):1646-50. Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz): Lungenembolie basieren weiterhin – verglichen mit der ESC-Leitlinie aus dem 4. Alonso-Martínez JL, et al. Delay and - Rivaroxaban (20 mg 1x täglich) Jahr 2008 – die empfohlenen diagnosti- misdiagnosis in sub-massive and non- - Dabigatran (150 mg 2x täglich oder schen und therapeutischen Algorithmen massive acute pulmonary embolism. 110 mg 2x täglich für Patienten, die über auf der initialen (klinischen) Einteilung in Eur J Intern Med. 2010;21(4):278-82. 80 Jahre alt sind oder die dauerhaft mit Patienten mit „Hohem Risiko“ und „Nicht- 5. Torbicki A, et al. Guidelines on the Verapamil behandelt werden) hohem Risiko“ diagnosis and management of acute - oder Apixaban (2,5 mg 2x täglich). pulmonary embolism: the Task Force Für hämodynamisch stabile Patienten for the Diagnosis and Management of Wichtig zu wissen: Das Rezidivrisiko nach sollte eine weiterführende Risikostati- Acute Pulmonary . Absetzen der gerinnungshemmenden fizierung zur Einleitung einer risikoadap- 6. Embolism of the European Society of Therapie ist unabhängig von der Dauer der tierten Therapie erfolgen. Cardiology (ESC). Eur Heart J. Antikoagulation. Sobald diese nach 3, 6 2008;29:2276–315. oder 12 Monaten beendet wird, steigt das Nach den Ergebnissen der PEITHO-Studie 7. Meyer G, et al. for the PEITHO Investi- Rezidivrisiko des jeweiligen Patienten wird empfohlen, Patienten mit „intermedi- gators. Fibrinolysis for patients with wieder auf sein ursprüngliches Niveau an. är-hohem“ Risiko stationär zu überwachen, intermediate-risk pulmonary embo- Das bedeutet, dass entweder die An- um ggf. eine thrombolytische Therapie lism. N Engl J Med. 2014;370(15):1402- tikoagulation– im Falle eines niedrigen einleiten zu können. Eine routinemäßige 11. Rezidivrisikos oder hohen Blutungsrisikos - Thrombolyse hämodynamisch stabiler nach 3 Monaten beendet werden kann oder Patienten wird aufgrund des hohen 8. Konstantinides SV, Goldhaber SZ. diese langfristig, das heißt zeitlich unlimi- Blutungsrisikos nicht empfohlen. Pulmonary embolism: risk assessment tiert, fortgeführt werden muss. and management. Eur Heart J. 2012; Alle Patienten mit Verdacht auf Lungen- 33(24):3014-22. Bislang war es kaum möglich, Patienten embolie benötigen eine parenterale 9. Miller CS, et al. Meta-analysis of nach einer tiefen Venenthrombose oder Antikoagulation mittels niedermolekularen efficacy and safety of new oral antico- Lungenembolie lebenslang zu antikoagu- Heparin oder Fondaparinux. agulants (dabigatran, rivaroxaban, lieren, aufgrund der hohen Blutungsrisiken apixaban) versus warfarin in patients unter Vitamin-K-Antagonisten. Diese Die NOAK werden als gleichgestellte with atrial fibrillation. Am J Cardiol. Sicherheitslücke kann möglicherweise jetzt Alternative zu Vitamin-K-Antagonisten für 2012; 110(3):453-60. mit den neuen oralen Antikoagulantien die Therapie der Lungenembolie empfoh- 10. Schulman S, et al. Dabigatran versus geschlossen werden. len. Bei Indikation für eine verlängerte warfarin in the treatment of acute ve- Sekundärprophylaxe sollten Dabigatran, nous thromboembolism. N Engl J Med. Dass ASS zur prolongierten VTE-Sekun- Rivaroxaban oder Apixaban als Alternative 2009;361(24):2342-52. därprävention kaum geeignet ist, zeigen zu Vitamin-K-Antagonisten erwogen 11. Schulman S, et al. Extended use of die Ergebnisse einer aktuellen Metaanaly- werden. dabigatran, warfarin or Placebo in ve- se. In den beiden Studien WARFASA und nous thromboembolism. N Engl J Med. ASPIRE waren Patienten mit spontan Eine Prophylaxe mit ASS statt einer 2013; 368(8):709-18. aufgetretener VTE nach Abschluss einer verlängerten Antikoagulation kommt nur initialen Antikoagulation noch mindestens für diejenigen – sehr wenigen – Patienten 12. Bauersachs R, et al. Oral Rivaroxaban 2 Jahre und maximal 4 Jahre lang mit ASS in Frage, die weder VKA noch NOAK for symptomatic venous thromboem- oder Placebo weiterbehandelt worden. Die akzeptieren. bolism. N Engl J Med. 2010; ASS-Prophylaxe reduzierte das Risiko für 363(26):2499-510. erneute VTE signifikant um 32 % im Literatur: 13. Büller HR, et al. Oral Rivaroxaban for Vergleich zu Placebo. Schwere Blutungen the treatment of symptomatic pulmo- traten bei einer jährlichen Rate von 0,5 % 1. Konstantinides SV, et al. 2014 ESC nary embolism. N Engl J Med. unter ASS und 0,4 % unter Placebo in Guidelines on the diagnosis and man- 2012;366(14):1287-97. © CME-Verlag 2015
LEITLINIENGERECHTE BEHANDLUNG DER LUNGENEMBOLIE - ESC-UPDATE 2014 6 14. 13 Agnelli G, et al. Apixaban for ex- 19. Heit JA. Predicting the risk of venous 23. Becattini C, et al. Aspirin for prevent- tended treatment of venous thrombo- thromboembolism recurrence. Am J ing the recurrence of venous thrombo- embolism. N Engl J Med. 2013; Hematol. 2012;87 Suppl 1:S63-7. embolism. N Engl J Med. 368(8):699-708. 20. Zhu T, et al. Venous thromboembo- 2012;366:1959-1967 15. Büller HR, et al. Edoxaban versus lism: risk factors for recurrence. Arteri- 24. Brighton TA, et al. Low-dose aspirin warfarin for the treatment of sympto- oscler Thromb Vasc Biol. for preventing recurrent venous matic venous thromboembolism. N 2009;29(3):298-310. thromboembolism. N Engl J Med. Engl J Med. 2013;369(15):1406-15. 21. Prandoni P, et al. The risk of recurrent 2012;367:1979-1987. 16. Hull RD, et al. Long-term low- venous thromboembolism after dis- 25. Simes J, et al. Aspirin for the preven- molecular-weight heparin versus usual continuing anticoagulation in patients tion of recurrent venous thromboem- care in proximal-vein thrombosis pa- with acute proximal deep vein throm- bolism: The INSPIRE Collaboration. tients with cancer. Am J Med. bosis or pulmonary embolism. A pro- Circulation. 2014;130(13):1062-71. 2006;119(12):1062-72. spective cohort study in 1,626 pa- 17. Prandoni P, et al. The long-term tients. Haematologica. 2007;92(2):199- clinical course of acute deep venous 205. thrombosis. Ann Intern Med. 22. Boutitie F, et al. Influence of preceding Bildnachweis: 1996;125(1):1-7. length of anticoagulant treatment and initial presentation of venous throm- © Minerva Studio, anzebizjan - Fotolia.com 18. Heit JA, et al. Predictors of recurrence after deep vein thrombosis and pul- boembolism on risk of recurrence after monary embolism – a population- stopping treatment: analysis of indi- based cohort study. Arch Intern Med vidual participants’ data from seven 2000; 160: 761-8. trials. BMJ 2011; 24:342:d3036. © CME-Verlag 2015
LEITLINIENGERECHTE BEHANDLUNG DER LUNGENEMBOLIE – ESC-UPDATE 2014 www.cme-kurs.de Bitte beachten Sie: Fragebogen • Die Teilnahme am nachfolgenden CME-Test ist nur online möglich unter: www.cme-kurs.de • Diese Fortbildung ist mit 3 CME Punkten zertifiziert. • Es ist immer nur eine Antwortmöglichkeit richtig (keine Mehrfachnennungen). Was erschwert die Diagnose einer Lungenembolie? Bei welchen Patienten wird eine Antikoagulation empfohlen? Chronische Begleiterkrankungen, wie Asthma oder COPD Bei allen Patienten mit einem Verdacht auf Lungenembolie (LE) Akute Dyspnoe Nur nach positiver D-Dimer-Testung bei Verdacht auf LE Bei alle hämodynamisch instabilen Patienten mit Verdacht auf LE Höheres Alter Bei alle hämodynamisch stabilen Patienten mit Verdacht auf LE Das Fehlen von Symptomen, z.B. Synkopen Nur bei Patienten mit einem „hohen“ und „intermediär hohen“ Antworten a, c und d sind richtig. Risiko Die initiale Risikostratifizierung beruht auf der Einteilung in Welche Substanzen sind zur Behandlung und Sekundär- Patienten mit „Hohem Risiko“ und „Nicht-hohem Risiko“. prophylaxe der Lungenembolie in Europa zugelassen? Welche der Aussagen dazu ist richtig? Dabigatran und Rivaroxaban Das wichtigste Kriterium für die Zuordnung ist akute Atemnot und Edoxaban und Apixaban Husten. Rivaroxaban, Dabigatran und Apixaban Das wichtigste Kriterium für die Zuordnung ist, ob der Patient ASS und Clopidogrel einen Schock oder eine persistierende Hypotension aufweist oder Antworten c und d sind richtig. als normotensiv gilt. Welchen Stellenwert räumen die aktuellen ESC-Leitlinien den Der Großteil der Lungenembolie-Patienten ist hämodynamisch Neuen Oralen Antikoagulanzien (NOAK) in der Behandlung der instabil. Lungenembolie (LE) ein? Bei hämodynamisch instabilen Patienten liegt das Risiko, in der Es gibt noch keine aktuelle Empfehlung zum Einsatz der NOAK bei Klinik bzw. innerhalb der ersten 30 Tage nach dem Akutereignis zu LE versterben, bei über 50 %. Die aktuellen ESC-Leitlinien empfehlen die NOAK für die Therapie Bei hämodynamisch stabilen Patienten wird keine weitere Risi- der LE als gleichgestellte Alternative zu Vitamin-K-Antagonisten kostratifizierung empfohlen. (VKA). Wann soll ein D-Dimer-Test durchgeführt werden? Die aktuellen ESC-Leitlinien empfehlen die NOAK nur für die Dauer Bei allen Patienten mit geringer oder mittlerer Wahrscheinlichkeit von 3 Monaten. für eine Lungenembolie laut Wells oder Genfer Score und „Nicht- Die aktuellen ESC-Leitlinien empfehlen die NOAK nur für die verlän- hohem Risiko“ gerte Sekundärprophylaxe als Alternative zu VKA. Bei allen hospitalisierten Patienten mit Verdacht auf LE Antworten b und c sind richtig. Bei allen älteren Patienten mit Verdacht auf Lungenembolie (LE) Dem Thema „Lungenembolie und Krebs“ wird in den neuen Leit- Bei allen Patienten mit Verdacht auf LE und „Hohem Risiko“ linien ein eigenes Kapitel gewidmet. Was ist der Hintergrund? Bei allen Patienten mit Verdacht auf LE und „Nicht-hohem Risiko“ Tumorpatienten haben ein 4-fach erhöhtes Risiko für venöse Wie ist in den neuen Leitlinien das Vorgehen bei normotensiven Thrombosen und die Rezidivrate beträgt fast 20% innerhalb von 12 Patienten nach klinischem Ausschluss einer hämodynamischen Monaten nach dem ersten Ereignis. Instabilität? In den ersten 6 Wochen nach einer Tumorresektion kann das VTE- Die Patienten werden weiter risikostratifiziert durch Anwendung Risiko um das 90-fache ansteigen und bleibt zwischen 4 und 12 Mo- des (simplifizierten) Pulmonary Embolism Severity Index ([s]PESI) nate nach der OP noch bis zu 30-fach erhöht verglichen mit Gesun- in Patienten mit „niedrigem“ und „intermediärem“ Risiko. den. Liegt weder eine rechtsventrikuläre Dysfunktion noch eine Herz- Heparin kann in der Frühphase das VTE-Rezidiv-Risiko bei Tumorpa- muskelschädigung vor, wird das Risiko als „intermediär niedrig“ tienten signifikant stärker reduzieren als Vitamin-K-Antagonisten eingestuft. Antworten a, b und c sind richtig. Patienten mit „intermediär hohem“ Risiko haben einen sPESI- Antworten a und b sind richtig. Score von ≥ 1 sowie eine Fehlfunktion der rechten Herzkammer, Welche Aussagen zur verlängerten Sekundärprophylaxe sind aber keine Herzmuskelschädigung. richtig? Bei Patienten mit niedrigem Risiko, die einen sPESI-Score von 0, Da wirksamere Medikamente zur Verfügung stehen, raten die aktu- keine Dysfunktion des rechten Ventrikels und keine Myokardschä- ellen Leitlinien dazu, ASS zur Sekundärprophylaxe nur bei Patienten digung aufweisen, kann eine ambulante Antikoagulation erwogen einzusetzen, die VKA und NOAK ablehnen oder nicht vertragen. werden. Bei Indikation für eine verlängerte Sekundärprophylaxe sollten Antworten a, b, und d sind richtig. NOAK als Alternative zu Vitamin-K-Antagonisten erwogen werden. Bei welchen Patienten wird eine routinemäßige systemische Antworten a und b sind richtig. Thrombolyse empfohlen? Die aktuellen ESC-Leitlinien empfehlen ASS 100 mg zur prologierten Bei allen hämodynamisch instabilen Patienten Sekundärprophylaxe. Bei hämodynamisch stabilen Patienten mit „hohem“ Risiko Es gibt keine Indikation für eine lebenslange Antikoagulation. Bei hämodynamisch stabilen Patienten mit „intermediär hohem“ Risiko Antworten a und b sind richtig. Antworten a, b und c sind richtig. © CME-Verlag 2015
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