LIBYEN zu Besuch bei Gaddafi
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LIBYEN zu Besuch bei Gaddafi Bereits zum dritten Mal innerhalb eines Jahres stehen wir an einem warmen und sonnigen Spätsommertag im September 2008 im Hafen von Genua und warten auf die Carthage. Es geht wieder nach Tunesien, wie schon das Jahr zuvor, doch dieses Mal nur zum Transit. Unser Ziel heißt jetzt Libyen! Geplant haben wir diese Reise schon fast ein Jahr im Voraus. Wir haben Kontakt zu verschiedenen libyschen Agenturen aufgenommen, eine Reisepass-Übersetzung ins Arabische war erforderlich und auch die Fähre musste frühzeitig gebucht werden. Nun sitzen wir hier im Hafen und warten, dass es endlich losgeht. Fast „pünktlich“ mit nur einer Stunde Verspätung legen wir ab. Am nächsten Tag um 11 Uhr laufen wir im Hafen von La Goulette ein. Den Zoll mit seinen Hürden und Tücken haben wir bereits nach 30 Minuten überwunden. Schnell noch Geld am Automat geholt und voll getankt, dann sind wir auch schon Richtung Tunis-Autobahn unter- wegs. Über Kairouan und Gabes fahren wir bis kurz vor die libysche Grenze. Auf einem kleinen Olivenhain 80 Kilometer vor Ras Adjir schlagen wir unser erstes Nachtlager auf, um am nächsten Morgen schnell am Checkpoint zu sein. In Rekordzeit von nur 45 Minuten haben wir alle Formalitäten erledigt, libysche Kennzeichen am Defender montiert, das Carnet ausgefüllt und stehen jetzt auf libyschen Boden. Auf gehts nach Zuara, um dort bei Medusa Tours unsere Reispartner zu treffen, die bereits eine Woche vor uns in Libyen eingetroffen sind. Unsere einheimischen Begleiter warten auch schon im Büro von Medusa Tours. Mit vollem Tank und ausreichend Wasser an Bord starten wir nun Richtung Süden. Schnell erreichen wir den Stadtrand von Zuara und danach freies Gelände. Und schon sind wir mitten im „NICHTS“. Eine Hürde gibt es aber noch zu meistern: der berüchtigte Dreiecksstempel muss noch in Hun auf der Behörde geholt werden, und das mitten im Ramadan. In Hun angekommen, war der Stempel am heutigen Tag nicht mehr zu bekommen, Ramadan sei dank. Ein Plantagenbesitzer lässt uns auf seinem Palmenhain übernachten, unsere Begleiter haben das so für uns organisiert. Am nächsten Morgen fahren wir wieder zur Behörde, nach nur 1,5 Stunden haben wir endlich unsere Dreiecksstempel mit Briefmarke dazu im Pass kleben. Vollgetankt mit 180 Liter Diesel und 165 Liter Wasser starten wir endlich zum Wau an Namus. Direkt nach dem Ortsende von Zilla biegen wir links auf eine staubige Piste ein. Vor uns liegen nun 850 Kilometer Sahara pur, 850 Kilometer Sand ohne Versorgungsmöglichkeiten und Tankstelle. Der Wau an Namus liegt in einer der trockensten und extremsten Regionen der Sahara! Nach kurzer Zeit erreichen wir eine Ölförderinsel inmitten der Wüste. Schwarz rauchen die Feuer, die überall in Nähe der Bohrtürme brennen. Ein unzähliges Gewirr aus Pipelines, die aus allen Richtungen direkt neben der Piste zusammenlaufen, begleitet uns. Auf unendlich weiten Serirfeldern geht es zügig voran. Immer mit Blick auf das GPS, schließlich fahren wir nur nach Luftlinie von Wegpunkt zu Wegpunkt. Unser Nachtlager schlagen wir an einem großen Dünenrücken auf. Gut, dass wir genügend Wasser mitgenommen haben, so ist am Abend eine erfrischende Dusche unter freiem Himmel möglich.
Grandiose Landschaft begleitet uns immer wieder, wir fahren durch eingeschnittene Täler, durch kleine Fesch-Fesch-Felder und vorbei an einem gewaltigen Gürtel aus schwarzem Vulkangestein. Unser heutiges Tagesziel ist der Wau an Namus! Der Sand wird allmählich immer dunkler bis er schließlich von der schwarzen Asche des Wau an Namus überlagert wird. Alles um uns herum bis zum Horizont ist nun schwarz. Nur die Reifenspuren hinterlassen zwei gelbe, parallele Striche. Die Kulisse wirkt gespenstisch und atemberaubend zugleich. Ohne es spürbar zu merken, fahren wir die ganze Zeit leicht bergauf. Plötzlich öffnet sich vor uns ein gigantisches Loch mit einem riesigen Vulkankegel in der Mitte. Wir stehen direkt am Kraterrand des Wau an Namus! Vor uns, unten in der Tiefe des Kraters funkeln mehrere kleine Seen mit grünen Ufern und Palmenhainen. Direkt am Kraterrand öffnen wir unser Hubdach, kochen Kaffee, sitzen staunend und immer noch überwältigt da und genießen still und schweigend dieses Naturphänomen. Jetzt verstehen wir, weshalb der Wau an Namus als 8. Weltwunder bezeichnet wird! Wir freuen uns jetzt schon auf den Sonnenuntergang und das Frühstück am nächsten morgen, hier oben direkt an der Abbruchkante zum Krater. Das Wasser unten im Vulkankrater schimmert von Rot über Gelb bis Türkisblau in der Abendsonne. Was für ein Anblick. Unvergesslich! Noch vor Sonnenaufgang stehen wir auf, um diese Farbenpracht mit dem schwarzen, harten Kontrast um uns herum noch einmal genießen zu können. Nach einem kräftigen Frühstück müssen wir uns von diesem wunderschönen Ort leider verabschieden. Wir starten weiter in Richtung Thimsa. Vor uns liegen noch einige hundert Kilometer wildes Offroad- Gelände. In Wau el Kelbir, ein kleines Kaff inmitten von „NICHTS“, treffen wir seit Tagen wieder die ersten Menschen, es sind Militärs. Ab hier geht es auf einer mit sehr starkem Wellblech geformten Piste weiter Richtung Thimsa. Kurz vor Thimsa übernachten wir in einem kleinen Taleinschnitt. Die Temperaturen sind unverändert heiß, nach wie vor messen wir 50 °C. Durch den ständig wehenden Wüstenwind sind die Temperaturen jedoch etwas erträglich. Der Wind wurde über Nacht immer stärker und hat sich im Laufe des Morgens zu einem ordentlichen Wüstensturm aufgebaut. Wir beschließen, die Sanddünen vor Thimsa in nördlicher Richtung zu umfahren. Keiner von uns hat Lust, bei solch einem Sandsturm sich im Freien aufzuhalten und ein festgefahrenes Fahrzeug freizuschaufeln. Die Sichtweite wird immer geringer, teilweise können wir weder die Umgebung noch die Geländebeschaffenheit erkennen. Nicht gerade ungefährlich, da wir immer noch jede Menge Sand unter den Rädern haben und den Defender in Schwung halten müssen um nicht einzusanden. Weniger als 20 Meter beträgt jetzt die Sichtweite, nur das GPS und einige Palmen, die sich als Silhouette abzeichnen, zeigen uns, dass wir noch auf Kurs Thimsa sind. Endlich erreichen wir eine Piste, die uns schnell in den Ort und der dazugehörigen Tankstelle bringt. Zum Glück gibt es Diesel! Der Sandsturm bläst immer noch sehr stark, sodass wir nach dem Tanken diesen kleinen, staubigen Ort schnell wieder in Richtung Murzuq verlassen. Bis zum Nachmittag wollen wir noch den Campingplatz in Tekerkiba erreichen. Doch wir kommen nur mit 80 km/h voran obwohl wir auf ebener Strecke fahren. Der Sturm bläst uns jetzt frontal entgegen. Unglaublich, welche Kraft in solch einem Sandsturm stecken kann. Der Dieselverbrauch steigt auf 17 Liter, doch was macht das schon bei einem Preis von nur 0.09 € pro Liter!
Endlich in Murzuq angekommen kaufen wir frisches Obst und Gemüse und fahren weiter nach Tekerkiba. Hier wollen wir einen Tag Pause einlegen. Am Nachmittag stehen wir auf dem Campingplatz „Camp Africa“, der erste bis jetzt. Schön angelegt unter Palmen, mit brauchbaren sanitären Anlagen und einem gigantischen Dünengürtel direkt vor der Tür. Über diesen Dünengürtel kann man von hier aus direkt zu den Mandara Seen fahren. Wir relaxen erst einmal und erholen uns bei einem Glas Rotwein von der ersten Etappe unserer Expedition. Unser Aufenthalt wird hier noch um einen ganzen Tag unfreiwillig verlängert. Alle Tankstellen haben geschlossen und das Risiko nach Al Awaynat zu fahren, ohne zu wissen, ob man dort Diesel bekommt, ist einfach zu groß. Dann lieber noch einen Tag auf dem Campingplatz stehen. Wieder randvoll mit 180 Liter Diesel betankt, starten wir mit einem Tag Verspätung am frühen Morgen nach Al Awaynat, um von hier aus in den Akakus zu fahren. Nach 5 Stunden erreichen wir Al Awaynat und die einzige Tankstelle im Umkreis von 300 Kilometern, die tatsächlich geschlossen hat. Die Bemühungen unserer Begleiter, Diesel zu organisieren, zahlen sich wieder einmal aus. Wir bekommen den Tipp, es bei einer großen Firma in der Nähe, die viele große Bagger und Kipper laufen hat, zu versuchen. Tatsächlich ist das Glück auf unserer Seite, 60 Liter bekommt jeder in den Tank gefüllt. Da hier nur Großgeräte tanken, mit einem Tankvolumen von 1000 Liter aufwärts, haben wir Mühe die Zapfpistole in unseren Tankstutzen zu bekommen. In 50 Sekunden ist der ganze Zauber auch schon vorbei, unser Tank ist voll und mindestens 10 Liter Diesel sind übergelaufen. Hier wird mit Hochdruck getankt! Als wir bezahlen wollen, wird dies vehement abgelehnt, der gute Mann, Freund und Helfer ist nicht zu bewegen, Geld von uns zu nehmen. Für solche Situationen haben wir immer give aways und kleine Geschenke dabei, sodass wir uns wenigstens symbolisch für den Diesel bedanken können. Das ist Libyen, immer freundlich und hilfsbereit, keine Abzocke wie in manch anderen Ländern. Direkt in Al Awaynat biegen wir ab und sind schon nach wenigen Metern wieder Offroad unterwegs. Über kleinere Dünen folgen wir dem Spurenbündel im Zickzack Kurs, bis wir schließlich freies Gelände erreichen. An einer gigantischen, senkrecht stehenden Steinsäule, 50 Kilometer hinter Al Awaynat schlagen wir unser Nachtlager auf. Um uns herum erheben sich bereits Felsformationen und auch erste Felszeichnungen sind zu finden. Es lässt sich bereits erahnen, was uns noch im Akakus an landschaftlichen Höhepunkten erwarten wird. Vorbei geht es an pechschwarzen Felsen, gepudert mit gelbem Sand. Nach einigen Stunden erreichen wir dann die ersten Gebirgszüge. Unsere Begleiter kennen sehr viele, zum Teil noch völlig unbekannte Felszeichnungen. Es ist sehr beeindruckend, zu wissen, dass diese Zeichnungen und Gravuren mehrere tausend Jahre alt sind und aus einer Zeit stammen, in der die Sahara noch grün und voller Leben war.
Umso schlimmer ist es, das diese Zeichnungen bereits mit kleinen Zäunen aus Schilfgras vor den Touristen geschützt werden müssen, weil immer wieder versucht wird, ganze Felsstücke mit Zeichnungen herauszumeißeln, um diese dann als Souvenir mit nach Hause zu nehmen! Wir sind umgeben von gigantischen Felszügen und Monolithen, Felsen groß wie Häuser, die wie versteinerte Pilze aus dem Sand zu wachsen scheinen, Steinsäulen und Torbögen aus Stein - wir befinden uns mitten im Akakus. Der nächste Tag beginnt mit der Fahrt zum Brunnen, um dort Wasser zu tanken. Es dauert nicht lange, da bemerken wir in der Ferne eine sich auf uns zu bewegende Staubwolke, verursacht durch einen Toyota Pick Up mit der Aufschrift „Tourism Security“. Als wir in Libyen einreisten, wurden zeitgleich im Gilf Kebir Touristen entführt. Grund genug für Libyen die Grenzen des Landes hinter uns zu schließen und alle touristischen Ziele zu sperren. Auch der Akakus gehört dazu! Wir verstehen nicht, was unsere Begleiter mit der Tourism Security sprechen, es ist aber scheinbar ein recht entspanntes Palaver. Zum Glück dürfen dann doch noch tiefer in den Akakus hineinfahren. Heute wollen wir den Fozzigiaren erreichen, einen Natursteintorbogen von gigantischer Höhe und Schönheit. Immer wieder Felszeichnungen bestaunend, schlängeln wir uns durch die tiefen Täler. Vorbei an Zeugenbergen und bizarren Felsen dringen wir immer tiefer in den Akakus ein, es ist unbeschreiblich schön hier. Sandgefüllte Täler, skurrile Felsen, wilde freilaufende Kamelherden und das Panorama in der Ferne machen den Akakus so einzigartig. Der Sand unter den Rädern nimmt plötzlich wieder zu und wird tiefer, wir fahren mit Schwung eine große Düne hoch und stehen plötzlich direkt vor dem Fozzigiaren. Was für ein Anblick! Kurzentschlossen machen wir hier eine Stunde Rast, um dieses außergewöhnliche Panorama länger genießen zu können. Gestärkt und ausgeruht brechen wir auf, um nachmittags wieder den Brunnen zu erreichen. Wir surfen noch ein wenig über kleinere Dünen und schlängeln uns dann durch die endlosen Täler. In der Nähe des Brunnens richten wir unser Lager ein. Es wird die letzte Nacht im wunderschönen Akakus sein. Zurück in Al Awaynat ist nun auch der Ramadan beendet und es gibt endlich wieder Diesel an den Tankstellen. Sehr beruhigend! Vor uns liegen nun noch 1500 Kilometer Transit bis Zuara. Es ist ein langer und eintöniger Transit, auf dem es wenig zu bestaunen gibt, außer das allgegenwärtige „NICHTS“, das keine Ende nehmen will. Am Nachmittag erreichen wir den Campingplatz in Sebha. Sehr schön unter Palmen angelegt, mit einem kleinen Zoo, sauberen sanitären Anlagen und einem Pool. Auch ein ordentliches Restaurant gibt es hier. Die ersten und einzigen Touristen auf unserer Reise treffen wir hier ebenfalls. In Sebha frischen wir noch schnell unsere Vorräte auf und sind dann wieder mitten im „NICHTS“. Hunderte Kilometer fahren wir so, ohne auch nur einmal Gegenverkehr zu haben oder Spuren von Zivilisation zu finden. Wenn wir auch keine Menschen treffen, so leisten uns doch sehr viele Kamele Gesellschaft. Sie stehen direkt auf und neben der Straße in größeren Herden. Höchste Vorsicht ist jetzt geboten, ein Kamel- Crash bei Tempo 100 könnte für beide tödlich enden. Auf 300 Kilometer zählen wir über 35 von ihnen tot am Straßenrand liegend.
Nach 2 Tagen Transit erreichen wir dann endlich Zuara. Hier verabschieden wir uns von unseren Begleitern Hamsa und Wolid mit dem Versprechen, das wir ganz sicher wieder kommen werden! Direkt am Sandstrand übernachten wir ein letztes Mal in Libyen. Am nächsten Morgen bringt uns ein Mitarbeiter von Medusa an die Grenze. Wir verabschieden uns herzlich und fahren mit einem lachenden und weinenden Auge nach Tunesien. In Gabes übernachten wir auf dem Campingplatz in der Stadt, um am nächsten Morgen auf dem nahe gelegenen Suq unsere Gewürze zu kaufen. Gleich 2 Kilogramm nehmen wir mit. Weiter geht es hinauf nach Norden und dann über die Autobahn zügig Richtung Tunis. In La Goulette angekommen, erledigen wir die letzten Besorgungen und Einkäufe. Um die Wartezeit im Hafen für alle Passagiere so angenehm wie möglich zu gestalten, haben sich hier eine Menge Keramikhändler niedergelassen, die lautstark ihre Waren anbieten. Wir kaufen nach stundenlangem Feilschen und Handeln noch einige Keramiktöpfe für Freunde und Bekannte zu Hause. Es ist jedes Mal ein unglaubliches Schauspiel der Händler, welches man hier im Hafen geboten bekommt. Zum Schluss wird nicht mehr bezahlt sondern gegen Cola, Bier und Wein getauscht. Einmal in der Woche, wenn die Fähre nach Europa ablegt, machen alle hier ihr Geschäft. Sollen Sie ja auch! Die Carthage legt mit zweistündiger Verspätung ab. Von der Überfahrt bekommen wir nicht viel mit, wir genießen den Schlaf und ruhen uns gründlich aus. Libyen wir kommen wieder! © 2008 Frank Hempel © 2008 Kathrin Becker
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