Lehrhilfen Unterrichtsanregungen für die Alltagspraxis Sport
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Monatsschrift zur Wissenschaft und Praxis des Sports mit Lehrhilfen Offizielles Organ des Deutschen Sportlehrerverbandes e.V. (DSLV) Lehrhilfen Unterrichtsanregungen für die Alltagspraxis Sport aus: Lehrhilfen für den Sportunterricht, Schorndorf, 57 (2008), Heft 10 Steinwasenstraße 6–8 • 73614 Schorndorf www.hofmann-verlag.de Telefon (0 71 81) 402-0 • Fax (0 71 81) 402-111 sportunterricht@hofmann-verlag.de
Ringen und Kämpfen – Zweikampfsport Ringen und Raufen im Schulalltag Frank Bächle Eine reale Situation in der Sport AG pekt vor der praktischen Umset „Ringen und Raufen“: 15 Schülerin zung. Dieser Artikel soll dazu bei Die wichtigste Regel: Bei einem nen und 6 Schüler aus einer sechs tragen, die eventuell vorhandene verbalen „Stopp“ der Schüler ten Klasse messen jede Woche ihre Unsicherheit zu minimieren und er oder des Lehrers oder bei Kräfte bei Kampfspielen und im soll mit den vorgestellten Übungen einem Abschlagen auf der Mat Zweikampf. Die fairen Auseinander und Spielen Mut machen, den an te oder am Körper des Partners setzungen werden mit vollem Elan sprechenden Inhalt zum Thema im muss der Kampf/das Spiel so und Engagement geführt. Der di Sportunterricht zu machen. fort unterbrochen werden. rekte Körperkontakt während des Kämpfens wird als normal empfun Weitere Regeln: Gelenke dürfen nur den – ganz im Gegensatz z. B. zu ei physiologisch belastet werden (kein ner Unterrichtseinheit im Rock ’n’ Was zu beachten ist – Hebeln). Kratzen, Beißen, Kitzeln, Roll, wenn sich die selben Schüle Tipps für die Praxis Würgen und Schläge jeglicher Art rinnen und Schüler gegen die Be dürfen nicht angewandt werden. rührung bei der geforderten Hand Allgemein ist zu beachten, dass alle haltung wehren – obwohl sich da Lediglich ein paar Punkte sollten Griffe, die dem Partner Schmerzen bei lediglich die Handflächen einer beachtet werden, damit die Unter bereiten, zu unterlassen sind. Hand berühren! richtseinheit ein Erfolg werden kann: Allgemeine Tipps Positive Eigenschaften wie das not wendige Aufeinander-Einlassen, die Regeln müssen eingeführt und Es sollten lange Hosen (keine Glanz Achtung voreinander und die ge eingehalten werden hosen) und möglichst lange Ober waltpräventive Funktion, die dem bekleidung getragen werden. Die Regeln besitzen im Zweikampfsport Kleidung sollte immer sauber sein. Ringen und Raufen zugesprochen eine zentrale Rolle. Sie dienen in al werden, führten zur Aufnahme als Schmuck und Piercings sind ab lererster Linie zur Unfallverhütung zulegen oder abzukleben. Lange weiteren Inhalt in vielen Sport-Bil und zum respektvollen Umgang dungsplänen der Schulen der Bun Haare sollten mit einem Haarband miteinander. Vorteilhaft ist ein ge zusammengebunden werden. desländer. meinsames Erarbeiten der Regeln. Eine Unterrichtseinheit Ringen und Dazu wird ein Plakat an die Wand Kampffläche Raufen ist recht zügig erstellt. Der gehängt, auf dem diese schriftlich Glatte und feste Matten sind zu be Erfolg stellt sich in der Regel sehr fixiert werden. Im Verlauf der vorzugen. Die Mattenhöhe muss schnell ein. Erfahrungsgemäß ha Sportstunden können Regeln von einheitlich sein. Die Matten sind ge ben jedoch viele Lehrpersonen Res den Schülern erweitert werden. gen Verrutschen zu sichern (z. B. Verlegen der Matte im Eckbereich oder an einer Wand, vgl. Abb. 1). Nach jedem Kampf ggf. die Matten wieder zusammenrutschen. Die Umsetzung in der Schule Zu Beginn sollte der modulare Auf bau in der Reihenfolge von 1 nach 4 behandelt werden (vgl. Abb. 2). In Abb. 1: Aufbauvorschlag für die ‚Kampffläche‘ Modul 4.1 wird gemeinsam in der 162 aus: Lehrhilfen für den sportunterricht, Schorndorf, 57 (2008), Heft 10
Ringen und Kämpfen – Zweikampfsport 1 Vertrauensübungen ●● Auftauen: Fangspiel, bei dem die Ziel: Konzentration auf den Partner/die Partnerin Gefangenen erst wieder durch ei nen längeren Körperkontakt (Hand halten, Rücken rubbeln) erlöst wer 2 Gewöhnung: Von wenig zu viel Körperkontakt den können. Ziel: Partner/Partnerin spüren ●● Popoklatschen: Alle befinden sich in einem Innenstirnkreis mit ge 3 Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit, Schnelligkeit, Koordination grätschten Beinen. Zwei befinden sich innerhalb des Kreises. Partner 4.1 Miteinander kämpfen – 4.2 Zweikampfspiele/ 4.3 Zweikampfspiele/ A darf dabei Partner B so lange gegeneinander kämpfen Raufen am Boden Raufen im Stand (sanft!) auf den Hintern klopfen, bis Ziel: Erspüren eines angemessenen Ziel: Dauerhafte Fairness im Um- Ziel: Erweiterung der Bewegungs- dieser durch die gegrätschten Beine Krafteinsatzes gang miteinander und Körpererfahrung eines Spielers aus dem Kreis krab belt. Ab diesem Moment muss der 5 Erproben und Anwenden von Zweikampftechniken Kreisspieler, durch dessen Beine gekrabbelt wurde, dem Spieler B so Abb. 2: Modularer Aufbau für das Ringen und Raufen in der Schule lange auf den Hintern klopfen, bis dieser wieder durch ein paar ge grätschte Beine gekrabbelt ist, etc. Gruppe oder um Geräte gekämpft, ohne jemanden zu berühren herum in den Modulen 4.2 und 4.3 sind geführt. dies vor allem Zweikämpfe. Sind Zu Modul 3 ●● Umgehung: Partner A liegt in Rü die Schülerinnen und Schüler an „Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit, ckenlage mit verschlossenen Augen. den Körperkontakt und an das mit Schnelligkeit, Koordination“ Partner B geht vorsichtig um den einander und gegeneinander Kämp ganzen Körper von Partner A herum. ●● Angewachsen: Partnerin A steht fen gewöhnt, können Übungen aus ●● Donnernde Pferde: Die Hälfte mit leicht gebeugten Knien schul den vorhergehenden Modulen frei der Gruppe legt sich mit geschlos terbreit stabil da. Partnerin B ver eingesetzt oder direkt Zweikampf senen Augen verteilt im Raum auf sucht sie durch leichten Druck und spiele angewandt werden. In halte den Rücken. Die andere Hälfte läuft Zug aus dem Gleichgewicht zu brin aus Modul 5 sollten auf jeden Fall durch die Gruppe, springt darüber gen. am Ende einer Unterrichtseinheit und galoppiert knapp vorbei, ohne ●● Bankkegeln: Zwei Schüler stehen stehen, um den Schülern/Schülerin jemanden zu berühren. sich auf einer jeweils umgedrehten nen die Erfahrung zu ermöglichen, dass selbst einfache Zweikampf ●● Kreisverkehr: Jeweils paarweise Langbank gegenüber. Durch einen techniken zu einem schnellen Er stehen alle Schülerinnen in einem Druckpass auf Brusthöhe versu folg führen. Spiel- und Übungs großen Kreis. Die äußere Partnerin chen sie, den Partner von der Bank formen aus Modul 3 können jeder hat die Augen geschlossen und wird zu stoßen, wenn dieser den Ball zeit auch bei anderen Sportarten von ihrer sehenden Nachbarin im auffängt. zum Einsatz kommen. Kreis geführt. Dabei darf nur der El ●● Ben Hur: Drei Schülerinnen ge lenbogen berührt werden. hen zusammen. Eine steht auf zwei Teppichfliesen und hält mit den Händen die Mitte eines Seiles. Ihre Übungssammlung Zu Modul 2 „Gewöhnung: zwei Partnerinnen ziehen sie eine Von wenig zu viel Körperkontakt“ bestimmte Strecke oder durch ei Die hier vorgestellten Spiele und ●● Namensreihe: Alle stehen in ei nen Parcours. Übungen stellen eine kleine Aus ner Reihe auf einer Linie/auf einer ●● Einstürzende Wände: Eine Grup wahl dar, die lediglich die Möglich Bank. Nun müssen sich alle nach pe steht frontwärts oder rückwärts keiten zur Besetzung der einzelnen dem Anfangsbuchstaben des Vor an einer quer aufgestellten Weich Module widerspiegeln. Sie können namens, nach dem Gewicht, der bodenmatte. Auf ein Signal hin las durch weitere Spielformen aus der Größe etc. aufstellen ohne die Li sen sich alle auf die mit ihnen um Fachliteratur erweitert werden. Alle nie/Bank zu verlassen. stürzende Weichbodenmatte fallen. nachfolgenden Spiele und Übungen ●● Gordischer Knoten: Alle stehen haben sich mehrfach im Schulalltag bewährt. in einem Kreis, machen die Augen Zu Modul 4.1 zu und laufen langsam mit gestreck „Miteinander kämpfen – ten Armen nach vorne. Sobald man gegeneinander kämpfen“ Zu Modul 1 „Vertrauensübungen“ eine andere Hand spürt, wird sie erfasst. Danach versuchen alle den ●● Musikalische Bälle: Es gibt halb ●● Blindenhund: Partnerin A schließt Knoten, ohne die Hände loszulas so viele Bälle wie Teilnehmer. Alle die Augen und wird von Partnerin B sen, wieder zu lösen. laufen frei auf Musik durch den aus: Lehrhilfen für den sportunterricht, Schorndorf, 57 (2008), Heft 10 163
Ringen und Kämpfen – Zweikampfsport Raum. Beim Stopp der Musik ver die Angriffsrichtung (vom Fuß, nelson, Armdurchzug) einzuführen. sucht jeder, sich einen Medizinball Kopf, seitlich) und die Körperpositi Dadurch ist ein „Aha-Erlebnis“ mög zu sichern, den sie ca. 10–15 sec lang on vor (Bank, Kniestand, Bauchlage, lich, da mit einer einfachen Technik verteidigen müssen. Nach einem etc.). Auf ein Signal starten die Bo eine große Wirkung erreicht wird. weiteren Signal darf kein Ball mehr denkämpfe bis in die Rückenlage. erkämpft werden. Die Spieler mit Lernen aus der Bildreihe, Ball erhalten einen Pluspunkt. Technik „Halbnelson“ Zu Modul 4.3 „Zweikampfspiele/ ●● Mattenflucht: Zwei Gruppen be Die folgenden Bilder ohne Text für Raufen im Stand“ finden sich auf der Matte. Auf ein die Schüler kopieren und im Unter Signal hin versucht eine Gruppe ●● Zwiegriff abheben: Zwei Kämpfer richt ohne weitere Anweisungen von der Matte zu fliehen. Schafft es umfassen sich im Zwiegriff (Griff, üben lassen. Dieser Griff kann mit die andere Gruppe, dies zu verhin bei dem beide Partner Brust an Brust den Kampfspielen „Schildkröte rum dern? stehen, jeweils einen Arm einklam ●● Vierfelderkampf: Mit Seilen/Krei mern und ihre Hände hinter dem de werden auf der Matte vier Felder Rücken des Partners verschließen). markiert. In einem Feld stehen vier Beide versuchen, sich gegenseitig Kämpferinnen. Auf ein Zeichen ver vom Boden abzuheben. suchen sie, sich gegenseitig in das ●● Schinkenklatschen: Zwei Partne nächste Feld zu schieben (in oder rinnen reichen sich die rechte oder entgegen dem Uhrzeigersinn). Wer die linke Hand. Partnerin A versucht im Anfangsfeld stehen bleibt, hat die Oberschenkelrückseite (oder Po, gewonnen. Die Anderen kämpfen oder Unterschenkel) von Partnerin weiter, bis alle Felder belegt sind. B zu berühren. Diese verteidigt. Wer schafft mehr Berührungen in der ●● Möhrenziehen: Alle Spieler (bis gleichen Zeit? auf einen) liegen in der Mitte der Matte auf dem Bauch und halten ●● Sumoringen im Stand: Es wird sich gegenseitig an den Händen/Ar versucht, den Partner aus einem be men fest. Der freie Spieler muss als grenzten Feld zu drängen. Verlässt Gärtner versuchen, die Möhren auf der Partner das Feld oder berührt dem Boden herauszuziehen. Alle er mit einem Knie den Boden, hat Möhren, die aus der Mitte entfernt er verloren. wurden, werden auch zu Gärtner ●● Schuhplattler: Zwei Partnerinnen und helfen beim Ernten. Achtung: versuchen, sich gegenseitig an den Nur flach über den Boden ziehen, Füßen zu berühren. Achtung: Es nicht ins Hohlkreuz ziehen! darf nicht mit dem Kopf gestoßen Variation: Alle liegen auf dem Rü werden! cken. Zu Modul 5 „Erproben und Anwen- Zu Modul 4.2 „Zweikampfspiele/ den von Zweikampftechniken“ Raufen am Boden“ Induktive Methode ●● Schildkröte rumdrehen: Partne Vorgaben von Zielen, die von den rin A kniet in der niedrigen Bank Schülern selbst erprobt werden oder liegt auf dem Bauch. Partnerin können. Gute Lösungen werden B versucht, diese Schildkröte herum von den „Erfindern“ für alle vorge zudrehen. macht und von allen geübt. ●● Sumoringen am Boden: Paarwei Mögliche Aufgaben: se befinden sich die Partner auf den –– Griffe bei denen man das/die Knien. Es wird versucht, den Part Bein/e des Partners fasst und ihn ner aus einem begrenzten Feld aus dem Stand zu Boden bringt (z. B. einem Mattenteil) zu drängen. –– Griffe bei denen man das/die ●● Festgenagelt: Partner A liegt auf Bein/e des Partners fasst und ihn dem Rücken. B muss A so am Bo aus der Bank in Rückenlage den fixieren, dass A sich nicht be bringt freien kann. Wettkampf: 30 Sekun –– Wie kann ich meinen Partner in den halten. Rückenlage fixieren? ●● Auf den Rücken!: Die Lehrerin Gute Möglichkeit, um am Ende die (oder eine Schülerin) gibt immer unten aufgeführten Griffe (Halb 164 aus: Lehrhilfen für den sportunterricht, Schorndorf, 57 (2008), Heft 10
Ringen und Kämpfen – Zweikampfsport drehen“ und „Auf den Rücken!“ aus Modul 4 kombiniert werden. ●● Bild 1: Der Partner wird mit mei nem ganzen Gewicht auf dem Bo den fixiert. ●● Bild 2: Sein Kopf wird auf die Matte gedrückt, dabei schiebe ich meinen Arm auf der Seite, auf der ich liege, unter seinen Arm hin durch. Daraufhin lege ich meine Hand in seinen Nacken. Bild 2: Ich fasse mit einem Arm unter ●● Bild 3: Es wird eine Spannung in ihrem Kopf hindurch zum gegen der Schulter des Partners hervorge überliegenden Ellenbogen. Bild 5: Ich schiebe die Partnerin wei rufen, indem ich seinen Kopf nach ter bis in die Rückenlage. Dabei kon unten und den Arm nach oben drü trolliere ich immer ihren Arm und cke. Der andere Arm des Partners behalte immer Körperkontakt. Am wird an seinen Kopf oder an seine Ende liegt mein ganzes Gewicht auf Seite geführt (damit ich ihn leichter ihrem Oberkörper. auf den Rücken drehen kann). ●● Bild 4: Ich bewege mich langsam mit meinen Füßen Richtung Kopf Literatur des Partners. Dabei schiebe ich ihn Bucher, W. (Hrsg.). (2008). 999 Spiel- und Übungsformen im Ringen, Raufen und mit meinem Oberkörper und belas Kämpfen. Schorndorf: Hofmann-Verlag. te ihn dabei die ganze Zeit mit Frommann, B. (2006). Wilde Spiele. Schorn meinem Gewicht. Bild 3: Mit meinem anderen Arm dorf: Hofmann-Verlag. gehe ich unter ihrem Körper eben Hartmann, J. (1993). 100 kleine Zwei- ●● Bild 5: Der Partner wird von mir falls zum gegenüberliegenden Ellen kampfübungen. Frankfort a. M.: Ullstein vollends auf den Rücken gedreht Sport. und ich liege mit meinem gesamten bogen. Gewicht auf ihm. Deduktive Methode der Technik „Armdurchzug“ Technik vormachen und üben las sen. Dr. Frank Bächle unterrichtet die Fächer Sport und Physik an einem Bild 4: Ich ziehe ihren Arm zu mir Gymnasium (Achtung: Bei der hohen Bank nicht mit Sportprofil gegen das Ellenbogengelenk hebeln!). in Baden- Dabei schiebe ich gleichzeitig mit Württemberg. meiner Schulter an ihrer Seite in die Anschrift: Bild 1: Meine Partnerin befindet sich andere Richtung, so dass sie auf die E-Mail: baechle@baechle-online.de in der tiefen (oder hohen) Bank. Seite umfällt. E-Mail: frank.baechle@web.de Aufgeschnappt Was kann also für die künftige Nachkommenschaft heilsamer und nötiger sein, als allen Kindern, die wir zum Studieren verdammen, zugleich eine Kunst, welche eine körperliche Übung erfordert, lernen zu lassen, und ihnen dadurch früh eine Neigung zu dem einzigen Mittel, ihre Gesundheit zu erhalten, beizubringen.“ Justus Möser (1720–1794), Schriftsteller und Historiker aus: Lehrhilfen für den sportunterricht, Schorndorf, 57 (2008), Heft 10 165
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