Lieber die Taube auf dem Dach! - Originalbeitrag

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Zeitschrift für Sozialpsychologie, 37 (4), 2006, 233–243

                                                                                                                                      R. Greifeneder & C. Z.
                                                                                                                                                          Betsch:  Skala zur
                                                                                                                                                             Soz. psychol. 37 Erf
                                                                                                                                                                              (4) assung
                                                                                                                                                                                  © 2006 der
                                                                                                                                                                                         by Vindividuellen Maximierungstend
                                                                                                                                                                                              erlag Hans Huber,               enz
                                                                                                                                                                                                                Hogrefe AG , Bern

                                                                                                         Originalbeitrag

                         Lieber die Taube auf dem Dach!
                                  Eine Skala zur Erfassung interindividueller
                                 Unterschiede in der Maximierungstendenz
                                                                       Rainer Greifeneder1 und Cornelia Betsch2
                                                                             1
                                                                              Universität Mannheim, 2Universität Heidelberg

   Zusammenfassung: Menschen unterscheiden sich in ihrer individuellen Maximierungstendenz, dem Streben nach optimalen versus
   zufrieden stellenden Entscheidungen. Die hier vorgestellte Skala zur Erfassung der Maximierungstendenz stellt eine Übersetzung der
   maximizing scale dar, welche von Schwartz et al. (2002) für den angloamerikanischen Raum entwickelt wurde. Ebenfalls berichtet wird
   die Übersetzung einer Skala zur Erfassung von dispositionellem Bedauern, die zusammen mit der Maximierungsskala veröffentlicht
   wurde. In zwei Studien (N = 317, 219) wurden die Faktorenstruktur, die Reliabilität sowie die Validität der deutschen Version der
   Maximierungsskala untersucht. Erstmals konnte gezeigt werden, dass Maximierer im Vergleich zu Satisfizierern eher das Optimum
   anstreben und intensiver nach passenden Optionen suchen.

   Schlüsselwörter: Maximierung, Satisfizierung, Bedauern, Entscheidung, interindividuelle Unterschiede

   Validation and German Translation of the Maximizing Scale

   Abstract: The current paper provides a German translation of the maximizing scale, originally presented by Schwartz et al. (2002). The
   maximizing scale assesses the individual tendency to strive for optimal versus satisfactory decisions. A translation of the regret scale is
   also provided, as this scale was initially introduced along with the maximizing scale. Two studies (N = 317, 219) investigated the factor
   structure, reliability and validity of the German translation of the maximizing scale. For the first time, it is shown that maximizers
   compared to satisficers strive more for optimal decisions and exhibit a more intensive search for alternatives.

   Keywords: maximizing, satisficing, regret, decision making, interindividual differences

In westlichen Kulturen ist die Überzeugung fest verwur-                   lediglich eine ausreichend gute (jedoch nicht unbedingt op-
zelt, dass mehr Auswahl besser sei (z. B. Iyengar & Lepper,               timale) Entscheidung anvisiert, so führt eine größere An-
1999). Entgegen dieser Annahme hat eine Reihe jüngerer                    zahl an Alternativen nicht unweigerlich zu einem aufwän-
Forschungsarbeiten gezeigt, dass eine große Anzahl an Al-                 digeren Entscheidungsprozess, da der Suchvorgang bei
ternativen mit negativen Konsequenzen wie beispielsweise                  Zielerreichung abgebrochen werden kann.
verringerter Zufriedenheit oder niedrigerer Motivation ein-                  Eine Gruppe US-amerikanischer Autor/-innen hat inter-
hergehen kann (z. B. Iyengar & Lepper, 2000). So scheint                  individuelle Unterschiede in der Ausprägung dieser Di-
mit der Wahl auch die sprichwörtliche Qual einherzugehen,                 mension – dem Ziel optimale Entscheidungen zu treffen,
die mit steigender Alternativenzahl größer wird. Denn je                  kurz: Maximierungstendenz – postuliert und empirisch
mehr Alternativen vorhanden sind, desto mehr Alternati-                   nachgewiesen (Schwartz et al., 2002). Zur Erfassung der
ven müssen miteinander verglichen werden. Doch führt ein                  Maximierungstendenz entwickelten die Autor/-innen eine
Mehr an Optionen immer zu einem schwierigeren Ent-                        Skala, anhand derer individuelle Ausprägungen bestimmt
scheidungsprozess? Eine Voraussetzung dafür, dass der Zu-                 werden können. Personen mit niedrigen Maximierungs-
sammenhang zwischen Wahl und Qual so direkt wie im                        werten wurden als Satisfizierer bezeichnet: Sie streben
Volksmund beschrieben ist, besteht in dem Ziel einer opti-                nach Zufriedenstellung ihrer Bedürfnisse und wollen hin-
malen Entscheidung. Nur wer eine optimale Entscheidung                    reichend gute Lösungen finden. Ihnen genügt der sprich-
treffen möchte, muss alle Alternativen in Betracht ziehen,                wörtliche Spatz in der Hand, während sie auf die Taube auf
was mit steigender Anzahl an Optionen ein zunehmend                       dem Dach im Allgemeinen verzichten. Personen mit hohen
‹quälendes› Unterfangen sein kann. Wird demgegenüber                      Maximierungswerten wurden demgegenüber als Maximie-

DOI 10.1024/0044-3514.37.4.233                                            Z. Soz. psychol. 37 (4) © 2006 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
234               R. Greifeneder & C. Betsch: Skala zur Erfassung der individuellen Maximierungstendenz

rer bezeichnet; sie wollen im Allgemeinen das Optimum.                     Zweitens können sich Maximierer nur des Erreichens
Das Ziel der vorliegenden Arbeit bestand in der Überset-                lokaler (innerhalb der berücksichtigten Alternativen), nie
zung und Validierung dieser bislang nur im angloamerika-                jedoch globaler Maxima (innerhalb des vollständigen Al-
nischen Raum zur Verfügung stehenden Skala.                             ternativenraums) sicher sein, da bei eingeschränkter Infor-
                                                                        mationslage und -verarbeitung der vollständige Alternati-
                                                                        venraum nie bekannt ist. Infolge dieser Beschränkung be-
Maximieren und Satisfizieren: Zwei                                      steht für Maximierer stets eine (mehr oder minder saliente)
Grundpositionen in der                                                  Unsicherheit über die Güte des eigenen Entscheidungser-
                                                                        gebnisses, woraus ein verstärktes Maß an Grübeln und Be-
Entscheidungsforschung                                                  dauern resultiert. Denn je mehr Unsicherheit eine Person
                                                                        bezüglich einer gewählten Alternative erlebt, desto eher
Die Unterscheidung zwischen Maximierern und Satisfizie-                 wird sie über andere Alternativen nachdenken und deren
rern spiegelt zwei klassische Positionen der Entschei-                  Nicht-Wahl bereuen. Empirische Evidenz für diese Zusam-
dungsforschung wider und vereint diese erstmals entlang                 menhänge wurde von Schwartz und KollegInnen (2002)
einer Persönlichkeitsdimension. Auf der einen Seite be-                 berichtet. Über mehrere Studien hinweg fanden die Autor/-
gründeten von Neumann und Morgenstern (1944) die Tra-                   innen eine positive Korrelation zwischen der Maximie-
dition der präskriptiven Optimierungsmodelle (Maximie-                  rungstendenz und der Tendenz zum Bedauern.1
rungsmodelle), wonach Menschen stets uneingeschränkt
                                                                           Drittens steigen mit der Anzahl der Alternativen auch die
rational handeln und diejenigen Entscheidungen treffen
                                                                        Opportunitätskosten nicht realisierter Optionen (durch die
sollten, welche den eigenen Nutzen maximieren. Der homo
                                                                        Ablehnung einer Alternative entgangener Nutzen). So mag
oeconomicus stellt eine personifizierte Idealform dieser
                                                                        zwar die gefundene Alternative die beste hinsichtlich der re-
Theorie dar. Er verfügt über alle notwendigen Informatio-
                                                                        levanten Kriterien sein, jedoch werden durch den Vergleich
nen zur Entscheidungsfindung, kann diese fehlerlos verar-
                                                                        verschiedener Alternativen neue Vergleichsdimensionen sa-
beiten und kommt zu einer optimalen Entscheidung.
                                                                        lient, auf denen die gewählte Option potenziell schlechter
   Simon (1955) kritisierte diese idealtypische Vorstellung
                                                                        abschneidet. Zieht man beispielsweise bei der Wahl des Ur-
der Ökonomie als realitätsfern und setzte ihr die Theorie
                                                                        laubsziels neben der Schweiz und Österreich auch Frankreich
der bounded rationality entgegen. Insbesondere zog Simon
                                                                        als Alternative in Betracht, so wird die Möglichkeit eines
Einschränkungen der zur Verfügung stehenden Informa-
                                                                        Urlaubs am Meer zu einer zusätzlichen Dimension, auf der
tionsbasis sowie der menschlichen Informationsverarbei-
                                                                        jedoch die beiden Alpenstaaten schlecht abschneiden. Das
tung in Betracht und schlug als Konsequenz daraus vor,
                                                                        Hinzunehmen Frankreichs als Entscheidungsoption vergrö-
dass Menschen im Allgemeinen satisfizieren, das heißt ei-
                                                                        ßert damit die Opportunitätskosten für die Alternativen
ne zufrieden stellende Lösung suchen, ohne dass diese die
                                                                        Schweiz und Österreich, selbst wenn das relevante Entschei-
bestmögliche sein muss. Aus dieser Perspektive sind zum
                                                                        dungskriterium nicht ‹Urlaub am Meer› lautet. Folglich sinkt
Zeitpunkt der Entscheidung nicht alle der für eine optimale
                                                                        die Gesamtattraktivität der beiden Alpenstaaten. Allgemein
Entscheidung notwendigen Informationen vorhanden und
                                                                        gilt, dass eine Vergrößerung der Anzahl der Alternativen so-
könnten auch nicht gleichzeitig verarbeitet werden.
                                                                        wohl zu einer Nutzensteigerung (durch Verbesserung der
                                                                        Auswahl) als auch zu einer Verluststeigerung (durch Erhö-
                                                                        hung der Opportunitätskosten) führen kann. Die Verluststei-
Der Zusammenhang zwischen der                                           gerung wird zudem durch einen in der Prospect Theory (z. B.
Maximierungstendenz und anderen                                         Kahneman & Tversky, 1979) beschriebenen Mechanismus
psychologischen Konstrukten                                             verstärkt, wonach Verluste subjektiv stärker ins Gewicht fal-
                                                                        len als Gewinne. Das Hinzunehmen von Alternativen erhöht
Akzeptiert man die von Simon (1955) beschriebenen Ein-                  damit nicht nur die Opportunitätskosten, sondern diese Kos-
schränkungen der Informationslage sowie der menschli-                   ten schlagen auch noch stärker zu Buche als der durch die
chen Informationsverarbeitung, so kann Maximieren vor                   Erweiterung der Auswahl realisierte Gewinn. Aus einer Er-
allem in einer komplexen Umwelt nur schwer gelingen.                    höhung der insgesamt zur Verfügung stehenden Anzahl an
Menschen, die sich diesem Ziel dennoch verschreiben, be-                Alternativen folgt somit potenziell eine Verschlechterung der
zahlen dafür oft einen hohen Preis. Erstens müssen sie auf-             Gesamtbewertung der gewählten Option. Maximieren führt
grund der größeren Anzahl an Alternativen und der damit                 auf diese Weise zu einer Reduktion der Zufriedenheit mit der
häufig einhergehenden größeren Anzahl an zu vergleichen-                jeweils gewählten Alternative und – auf dispositioneller Ebe-
den Dimensionen mehr Zeit in die Entscheidungsfindung                   ne – zur Verringerung der allgemeinen Lebenszufriedenheit.
investieren.                                                            Erste Belege für diese These wurden von Schwartz und Kol-

1 Neben der von Schwartz und Kolleg/-innen (2002) favorisierten Wirkrichtung von Maximierung auf Bedauern diskutierten die Autor/-innen
  auch die Möglichkeit, dass die chronische Antizipation von Bedauern zu einer verstärkten Maximierungstendenz führen könnte. Die zu
  dieser Frage berichtete Mediationsanalyse kann in beide Kausalrichtungen interpretiert werden, so dass weitere Forschung zur kausalen
  Beziehung zwischen der Maximierungstendenz und Bedauern notwendig ist.

Z. Soz. psychol. 37 (4) © 2006 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
R. Greifeneder & C. Betsch: Skala zur Erfassung der individuellen Maximierungstendenz                                   235

leg/-innen (2002) vorgelegt, wonach die Maximierungsten-                   rallelität zum Original beide Skalen ins Deutsche übertra-
denz mit einer Verringerung der Lebenszufriedenheit, des                   gen und von einer bilingualen Beurteilerin auf Überein-
subjektiven Glücksempfindens und des allgemeinen Opti-                     stimmung mit dem Original überprüft. Mangelnde Über-
mismus einhergeht. Ebenso bestand ein positiver Zusammen-                  einstimmungen in der pragmatischen Bedeutung wurden
hang zwischen Maximierungstendenz, erhöhtem Depressivi-                    korrigiert und die Skala erneut geprüft. Dies resultierte in
tätsniveau und emotionaler Instabilität.                                   deutschen Fassungen der Maximierungsskala sowie der
   Insgesamt liegen mit den von Schwartz et al. (2002) be-                 Bedauernskala (s. Tabellen 1 und 2).
richteten Befunden erste Belege für die Validität der Maxi-
mierungsskala vor. Gleichzeitig blieben zentrale Charakte-
ristika der Maximierungskonzeption ungeprüft. Beispiels-                   Studie 1
weise fehlte bislang Evidenz dafür, dass Maximierer
tatsächlich mehr Optionen prüfen als Satisfizierer. Die vor-               Im Fokus von Studie 1 stand die Überprüfung von Relia-
liegende Arbeit liefert erstmals entsprechende Evidenz und                 bilität und Validität der deutschen Maximierungsskala.
stellt eine auf psychometrische Güte geprüfte deutsche Ver-                Gleichzeitig sollte die Faktorenstruktur der Skala unter-
sion der Maximierungsskala vor.                                            sucht werden, da die Originalskala zwar als einfaktoriell
                                                                           konzipiert und entsprechend verwendet wurde, empirisch
                                                                           jedoch drei orthogonale Faktoren aufwies.
Übersetzung und empirische
Überprüfung der Maximierungsskala                                          Methode

Schwartz und Kolleg/-innen (2002) haben eine aus                           Die Studie umfasste zwei Erhebungszeitpunkte und wurde
13 Items bestehende Maximierungsskala zusammen mit                         online über das Internet erhoben. Die Startseite der Unter-
einer 5 Items umfassenden Skala zur Erfassung von Bedau-                   suchung wurde von 380 Personen aufgerufen, nachdem sie
ern vorgestellt. Obwohl im Fokus der vorliegenden Arbeit                   per E-Mail (Proband/-innenpool), Nachrichtengruppen
die Maximierungsskala steht, wurden aus Gründen der Pa-                    oder Internetseiten (Universität Mannheim) über die Studie

Tabelle 1
Faktorenanalyse (Hauptkomponenten) der Maximierungsskala (Studie 1)
Item     Wortlaut                                                                                                          F1     Trennschärfe
Maxi1    Wenn ich fernsehe, zappe ich durch die Programme und überfliege oft die zur Verfügung stehenden Alternati-        .43    .30
         ven, sogar wenn ich eigentlich eine bestimmte Sendung sehen möchte.
Maxi2    Wenn ich im Auto Radio höre, prüfe ich oft die anderen Radiosender daraufhin, ob etwas Besseres gespielt          .35    .23
         wird, sogar wenn ich relativ zufrieden mit dem bin, was ich gerade höre.
Maxi3    Mit Beziehungen ist es wie mit Kleidungsstücken: Ich gehe davon aus, dass ich viele ausprobieren muss, be-        .37    .25
         vor ich die perfekte Passung finde.
Maxi4    Egal wie zufrieden ich mit meinem Beruf bin, es ist immer sinnvoll, nach besseren Optionen Ausschau zu hal- .47          .32
         ten.
Maxi5    Ich fantasiere oft darüber, ein Leben zu leben, das sich sehr von meinem jetzigen unterscheidet.                  .45    .30
Maxi6    Ich bin ein großer Freund von Ranglisten (die besten Filme, die besten Sänger, die besten Sportler, die besten    .45    .32
         Bücher, etc.).
Maxi7    Es fällt mir häufig schwer, ein Geschenk für einen Freund zu kaufen.                                              .38    .27
Maxi8    Wenn ich einkaufen gehe, fällt es mir schwer, Kleidungsstücke zu finden, die ich richtig gut finde.               .34    .23
Maxi9    Videos auszuleihen ist sehr schwierig. Ich mühe mich stets damit ab, das Beste auszusuchen.                       .36    .25
Maxi10 Ich finde Schreiben schwierig, sogar wenn es nur darum geht, einem Freund einen Brief zu schreiben. Es ist          .47    .32
       so schwer, die richtigen Worte zu finden. Auch von einfachen Sachen mache ich oft mehrere Entwürfe.
Maxi11 Egal was ich tue: Ich messe mich am höchsten Standard.                                                              .59    .37
Maxi12 Ich gebe mich nie mit dem Zweitbesten zufrieden.                                                                    .54    .32
Maxi13 Wenn ich eine Entscheidung treffen soll, versuche ich mir alle anderen Möglichkeiten vorzustellen, sogar die,       .60    .40
       die momentan gar nicht zur Verfügung stehen.
          Eigenwert (λ)                                                                                                    2.68
Anmerkungen: N = 317. Ergebnis der Faktorenanalyse der Maximierungsskala bei planmäßiger Extraktion eines Faktors. In der vorletzten Spalte
sind die Faktorladungen, in der letzten Spalte die korrigierten Item-Total-Korrelationen (Trennschärfe) angegeben. Die Items waren 9-stufig
skaliert, mit den Ankern 1, ‹trifft nicht zu›, und 9, ‹trifft zu›. Der individuelle Maximierungswert wird durch die Berechnung des arithmetischen
Mittels über die gleichgewichteten Maximierungsitems bestimmt – die Einteilung in Satisfizierer versus Maximierer erfolgt anhand eines
Mediansplits.

                                                                          Z. Soz. psychol. 37 (4) © 2006 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
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Tabelle 2
Faktorenanalyse (Hauptkomponenten) der Bedauernskala (Studie 1)
Item          Wortlaut                                                                                                     F1    Trennschärfe
Bedauern1     Nach jeder Entscheidung, die ich getroffen habe, frage ich mich, was passiert wäre, wenn ich mich anders     .84   .68
              entschieden hätte.
Bedauern2     Wenn ich eine Entscheidung treffe, versuche ich hinterher herauszufinden, zu welchem Ergebnis die ande- .83        .67
              ren Alternativen geführt hätten.
Bedauern3     Selbst eine gute Entscheidung empfinde ich als Misserfolg, wenn sich herausstellt, dass eine andere Mög-     .68   .50
              lichkeit besser gewesen wäre.
Bedauern4     Wenn ich über mein Leben nachdenke, kommen mir oft verpasste Chancen in den Sinn.                            .66   .48
Bedauern5     Wenn ich mich einmal entschieden habe, hinterfrage ich diese Entscheidung nicht. (R)                         .61   .43
               Eigenwert (λ)                                                                                                2.67
Anmerkungen: N = 317. Ergebnis der Faktorenanalyse der Bedauernskala (nur ein Faktor mit Eigenwert größer 1, aufgeklärte Varianz 53.3 %).
In der vorletzten Spalte sind die Faktorladungen, in der letzten Spalte die korrigierten Item-Total-Korrelationen (Trennschärfe) angegeben. Die
Items waren 9-stufig skaliert, mit den Ankern 1, ‹trifft nicht zu›, und 9, ‹trifft zu›. Der individuelle Bedauernwert wird durch die Berechnung
des arithmetischen Mittels über die gleichgewichteten Bedauernitems bestimmt, wobei das Item Bedauern5 umgepolt werden muss (R).

informiert worden waren. 83 Prozent aller Interessent/-in-                Scale (SHS, Lyubomirsky & Lepper, 1999; 4 Items). Den
nen bearbeiteten die Studie vollständig. Die Teilnehmer/-                 Abschluss der Untersuchung bildeten demographische An-
innen waren im Durchschnitt 27.2 Jahre (SD = 7.96) alt,                   gaben inklusive Alter und Geschlecht.
53 Prozent der Proband/-innen waren weiblich. Als Anreiz
zur Teilnahme wurden fünf Gutscheine eines Online-Wa-
renhauses im Wert von je EUR 15 verlost. Die Studie                       Ergebnisse und Diskussion
schloss mit einer kurzen Aufklärung über den Zweck der
Untersuchung sowie einer Bitte zur erneuten Teilnahme                     Die Antworten auf die 13 Maximierungsitems zum ersten
zum zweiten Erhebungszeitpunkt. Dafür wurde die E-Mail-                   Erhebungszeitpunkt wurden faktoranalytisch (Hauptkom-
Adresse der Teilnehmer/-innen erfragt.                                    ponenten, Varimax-Rotation) untersucht. Diese Analyse er-
   Alle 297 Proband/-innen, die ihre E-Mail-Adresse zur                   gab vier Faktoren mit Eigenwerten größer als eins (2.68,
Verfügung gestellt hatten, wurden vier Wochen nach Ab-                    1.57, 1.43, 1.09), welche insgesamt 52.1 Prozent der Va-
schluss der ersten Studie zum zweiten Teil eingeladen. 225                rianz aufklärten. Demgegenüber lag auf Basis einer visuel-
Personen dieser Gruppe riefen innerhalb von zwei weiteren                 len Inspektion des Eigenwertverlaufs (Scree-Test) die In-
Wochen die Startseite der Studie auf, wovon fünf Personen                 terpretation einer einfaktoriellen Lösung nahe, was statis-
die Untersuchung nicht zu Ende führten. Insgesamt lagen                   tisch durch das Ergebnis des Velicers Minimum Average
damit von 69.4 Prozent aller Proband/-innen Daten für bei-                Partial Tests (MAP-Test, Velicer, 1976; zur Überlegenheit
de Erhebungszeitpunkte vor. Erneut wurden fünf Gutschei-                  des MAP-Tests s. Zwick & Velicer, 1986) gestützt wurde.3
ne im Wert von je Euro10 verlost. Alle Items waren 9-stufig                  Vor diesem Hintergrund wurden die 13 Items einer er-
skaliert und, falls nicht anders angeben, mit den Ankern 1,               neuten Faktorenanalyse (Hauptkomponenten) mit planmä-
‹trifft nicht zu›, und 9, ‹trifft zu›, versehen.                          ßiger Extraktion eines Faktors unterzogen, der 20.6 Pro-
   Nach einer kurzen Einführung wurden die 13 Items der                   zent der Gesamtvarianz aufklärte. Alle 13 Items wiesen
Maximierungs- sowie die 5 Items der Bedauernskala er-                     Faktorenladungen größer .3 auf (s. Tabelle 1), was erneut
fasst.2 Es folgte die deutsche Übersetzung des Life-Orien-                für die Eindimensionalität der Skala spricht. Zusätzlich
tation-Tests (LOT, adaptiert von Wieland-Eckelmann &                      wurde entsprechend der von Schwartz und Kolleg/-innen
Carver, 1990; zwölf Items inklusive vier Füllitems) zur Er-               (2002) berichteten Ergebnisse eine dreifaktorielle Haupt-
fassung von dispositionellem Optimismus. Anschließend                     komponentenanalyse mit Varimax-Rotation berechnet.
schätzten die Proband/-innen ihre aktuelle Stimmung auf                   Diese Analyse ergab zwar ein der Originalskala entspre-
drei bipolaren Items (traurig versus froh, positiv versus ne-             chendes Faktorladungsmuster, jedoch korrelierten die Sub-
gativ und eher gut versus eher schlecht) ein und bearbeite-               skalen (ungewichtete Mittelung der Items) signifikant un-
ten eine deutsche Übersetzung der Subjective Happiness                    tereinander (rF1,F2 = .25, rF1,F3 = .18, rF2,F3 = .21, alle ps <

2 Zusätzlich zu den Items von Schwartz und Kolleg/-innen (2002) wurden im Anschluss an die Maximierungsitems 24 neu formulierte Ma-
  ximierungs- und Bedauernitems erfasst, um die methodische Güte beider Skalen zu verbessern. Da insbesondere nach der Korrektur von
  Testlängeneffekten (Spearman-Brown) dieses Ziel nicht erreicht werden konnte, wurden die neuen Items nicht in die Skalendarstellung
  aufgenommen.
3 Beim MAP-Test wird das Verhältnis systematischer zu unsystematischer Varianz in der Korrelationsmatrix ausgewertet. Dafür wird eine
  ansteigende Anzahl an Faktoren jeweils aus der ursprünglichen Korrelationsmatrix auspartialisiert und anschließend die durchschnittliche
  quadrierte Korrelation in der Offdiagonalen berechnet. Extrahiert wird diejenige Anzahl an Faktoren, bei der die durchschnittliche quadrierte
  Korrelation in der Offdiagonalen am geringsten ist (hier r = .02).

Z. Soz. psychol. 37 (4) © 2006 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
R. Greifeneder & C. Betsch: Skala zur Erfassung der individuellen Maximierungstendenz                                    237

.01; Cronbachs αF1 = .72, Cronbachs αF2 = .57, Cronbachs                  Tabelle 3
αF3 = .55). Diese Interkorrelation der Faktoren ist zusam-                Interkorrelationen zwischen der Maximierungsskala und
men mit den niedrigen Reliabilitäten der einzelnen Subska-                Validierungskonstrukten in Studie 1
len erneut ein Hinweis darauf, dass die Maximierungsskala
                                                                                             Bedauern     LOT          Stimmung SHS
als eindimensional betrachtet werden kann.
                                                                          Maximierungs-      .36 (**)     –.18 (**)    –.23 (**)   –.29 (**)
   Zusammengenommen sprechen damit das Ergebnis des
                                                                          tendenz
MAP-Tests sowie drei Indizien (Verlauf des Scree-Test,
                                                                          Bedauern                        –.47 (**)    –.34 (**)   –.46 (**)
ausreichend hohe Faktorladungen bei einem extrahierten
Faktor und signifikante Faktoreninterkorrelationen bei ei-                LOT                                           .46 (**)     .75 (**)
ner dreifaktoriellen Lösung) für die Eindimensionalität der               Stimmung                                                 –.57 (**)
Maximierungsskala. Diese Interpretation stimmt mit der                    SHS
theoretischen Fundierung des Maximierungskonstrukts als                   Cronbachs α                     .86           .92          .90
unidimensionalem Generalfaktor überein. Für alle weiteren                 Anmerkungen: N = 317. LOT = Life Orientation Test, SHS = Subjec-
hier berichteten Analysen wurden daher die 13 Maximie-                    tive Happiness Scale. Alle Skalen sind positiv gepolt, so dass ein ho-
rungsitems ungewichtet zu einem Gesamtwert addiert.4                      her Wert einer hohen Ausprägung des jeweiligen Konstrukts ent-
                                                                          spricht. Bei der Stimmungsskala entspricht ein höherer Wert einer po-
   Die interne Konsistenz der Maximierungsskala zum ers-
                                                                          sitiveren Stimmung. Cronbachs α dient als Indikator für die interne
ten Erhebungszeitpunkt war mit Cronbachs α = .67 akzep-                   Konsistenz der jeweiligen Skala in der berichteten Stichprobe.
tabel und mit der des Originals (Cronbachs α = .71) ver-                  **p < .01, *p < .05
gleichbar. Über die zwei Testzeitpunkte hinweg (durch-
schnittliche Zeitdauer zwischen den beiden Erhebungen in
Tagen, M = 47.7, SD = 8.12) ergab sich für die Maximie-                   4.14), t(315) = 3.82, p < .01. Dieses Ergebnis lässt sich
rungsskala eine akzeptable Stabilität von rtt = .73 (neun-                möglicherweise auf Unterschiede im gesellschaftlichen
Monats-Stabilität der Originalskala, rtt = .73).                          Idealbild von Frauen und Männern zurückführen. Dem-
   Die interne Konsistenz der im Anschluss erhobenen Be-                  nach ist bei Frauen bescheidenes Verhalten sozial er-
dauernskala war zufrieden stellend (Cronbachs α = .77)                    wünscht, während bei Männern das Streben nach dem Op-
und mit dem Kennwert des Originals (Cronbachs α = .67)                    timum als gesellschaftlich anerkanntes Verhaltensmuster
vergleichbar; auch die Stabilität (rtt = .72) der Skala war               gilt. Eine stringente Prüfung dieser post-hoc Erklärung
zufrieden stellend. Der Wortlaut der Bedauernitems sowie                  steht jedoch aus.
die Ergebnisse einer eigenständigen Faktorenanalyse sind                     Studie 1 diente der psychometrischen Prüfung der Über-
in Tabelle 2 berichtet.                                                   setzung der Maximierungsskala. Insgesamt belegen die be-
   Aufgrund der theoretischen Konzeptualisierung der Ma-                  richteten Ergebnisse eindrücklich, dass mit Hilfe der vor-
ximierungsskala wurden einerseits eine hohe Korrelation                   gestellten Skala das Konstrukt Maximierungstendenz relia-
mit der Bedauernskala, andererseits jeweils starke Zusam-                 bel und valide erfasst werden kann. Die deutsche Version
menhänge mit den Konstrukten Optimismus, Stimmung                         der Maximierungsskala ist einfaktoriell bipolar mit den
und subjektives Glücksempfinden vorhergesagt. Insbeson-                   Ankern Satisfizierung (niedrige Werte) versus Maximie-
dere wurde vorhergesagt, dass eine hohe Maximierungs-                     rung (hohe Werte).
tendenz mit Bedauern, verringertem Optimismus, schlech-
terer aktueller Stimmungslage und niedrigerem subjekti-
ven Glücksempfinden einhergeht. Diese Hypothesen                          Studie 2
wurden allesamt gestützt – die entsprechenden Korrela-
tionskoeffizienten erwiesen sich durchweg als signifikant                 Im Fokus von Studie 2 stand die Fortsetzung der Kon-
und sind in Tabelle 3 zusammen mit den internen Konsis-                   struktvalidierung der Maximierungsskala. Zum einen wur-
tenzen der Validierungsskalen aufgeführt.                                 den zwei Kernaspekte der Maximierungskonzeption an-
   Interessanterweise fand sich wie bei den von Schwartz                  hand hypothetischer und realer Verhaltensdaten überprüft.
und Kolleg/-innen (2002) untersuchten Stichproben ein                     Zum anderen wurde der Zusammenhang zwischen der Ma-
signifikanter Geschlechtsunterschied in der Ausprägung                    ximierungstendenz und weiteren Eigenschaftskonzeptio-
der Maximierungstendenz: Männer (M = 4.60) neigten                        nen untersucht.
durchschnittlich mehr zu Maximierung als Frauen (M =                         Aus der von Schwartz und Kolleg/-innen (2002) vorge-

4   Trotz einer theoretisch begründeten Entscheidung für die Eindimensionalität der Maximierungsskala ist das berichtete faktorielle Muster
    nicht optimal, da sich auch Hinweise auf die von Schwartz und Kolleg/-innen (2002) favorisierte dreifaktorielle Lösung fanden (drei Faktoren
    mit Eigenwert größer eins und geringe Varianzaufklärung bei einfaktorieller Lösung). Mehrere Erklärungen für dieses nicht perfekte Ergeb-
    nis erscheinen plausibel. Einerseits könnte es sein, dass die Maximierungstendenz zwar ein eindimensionales Konstrukt ist, die gewählten
    Itemformulierungen jedoch unscharf sind (Faktoren 2 und 3 würden durch Fehlervarianz zustande kommen). Andererseits erscheint es
    möglich, dass die Maximierungstendenz tatsächlich mehrdimensional ist und damit Faktor 2 und Faktor 3 substanzieller Natur wären (so
    könnte die Maximierungskonzeption beispielsweise bereichsspezifische Subkomponenten umfassen). In beiden Fällen wären die Itemfor-
    mulierungen zu verändern beziehungsweise neue Items zu generieren, bevor sowohl die Faktorenstruktur als auch die Validität der Skala
    neu geprüft werden. Bis zu diesem Zeitpunkt stellt die bestehende Version ein reliables und valides Instrument dar.

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stellten Konzeption der Maximierungstendenz lassen sich                 Need for Closure, die beide auf den Umgang mit Unsicher-
konkrete Vorhersagen über das Entscheidungsverhalten                    heit fokussieren, von besonderem Interesse.
von Maximierern versus Satisfizierern ableiten. Zwei die-                  Perfektionismus und die Tendenz zur Maximierung be-
ser Vorhersagen wurden in der vorliegenden Studie geprüft.              tonen gleichsam das Streben nach exzessiv hohen Stan-
Erstens streben Maximierer im Vergleich zu Satisfizierern               dards (Optima) und die Angst vor Fehlern (z. B. Hewitt &
eher nach dem Optimum. Eine von den Proband/-innen ex-                  Flett, 1991). Unterschiede ergeben sich in Bezug auf die
plizit erfragte Präferenz für gute versus optimale Entschei-            Komponenten Ordnungsstreben und die normativ wirken-
dungen sollte daher mit der individuellen Maximierungs-                 de Rolle anderer Menschen, die beide inhärenter Bestand-
tendenz variieren. Um das Optimum zu erreichen, ist es für              teil von Perfektionismus (z. B. Frost, Marten, Lahart & Ro-
Maximierer zweitens notwendig, mehr Informationen als                   senblate, 1990), jedoch unbedeutend für die Maximie-
Satisfizierer zur Entscheidungsfindung heranzuziehen.                   rungskonzeption sind. So ist es durchaus vorstellbar, dass
Folglich sollte die Intensität oder Ausdauer des Suchver-               Maximierer ein ungeordnetes Chaos pflegen oder es für
haltens ebenfalls mit der Maximierungstendenz korreliert                akzeptabel halten, sich den Wünschen von Freunden und
sein. Erstaunlicherweise lagen zu beiden, für die Validität             Verwandten zu widersetzen. Während damit zwei Subkom-
der Maximierungskonzeption zentralen, Vorhersagen bis-                  ponenten von Perfektionismus (exzessiv hohe Standards
lang keine Forschungsergebnisse vor.                                    und Angst vor Fehlern) einen positiven Zusammenhang zur
   Neben der Prüfung dieser Vorhersagen wurde der Zu-                   Maximierungstendenz erwarten ließen, war dies a priori für
sammenhang zwischen der Maximierungstendenz und ei-                     die Subkomponenten Ordnungsstreben und Kritik/Erwar-
ner Reihe von theoretisch interessanten Eigenschaftsdi-                 tungen der Eltern nicht zu erwarten.
mensionen untersucht. Besonderes Augenmerk wurde auf                       Zur Untersuchung der motivationalen Fundierung der
den Zusammenhang zur subjektiv erlebten Unsicherheit                    Maximierungstendenz wurden die beiden von Higgins
gelegt, da Maximieren bei eingeschränkter Informationsla-               (z. B. 1997) vorgestellten motivationalen Orientierungen
ge stets ein mit Unsicherheit verbundenes Ziel ist. Folglich            Promotion- und Prevention-Fokus erfasst. Promotion-Fo-
wurden neben der Maximierungsskala mehrere Konstrukte                   kus bezeichnet das Streben nach positiven beziehungswei-
erfasst, bei denen die in einer Situation erlebte Unsicherheit          se die Vermeidung nicht-positiver Zustände; das Erreichen
eine Rolle spielt. Dazu zählten Ambiguitätstoleranz (z. B.              von Idealen steht im Vordergrund. Prevention-Fokus hin-
Dalbert, 1999), Need for Closure (Webster & Kruglanski,                 gegen meint die Vermeidung negativer beziehungsweise
1994) und Angst vor Festlegung (Fear of invalidity, z. B.               das Erreichen nicht-negativer Zustände. Die Erledigung
Hänze, 2002). Ambiguitätstoleranz bezeichnet die Ten-                   von Pflichten und Verantwortlichkeiten ist das treibende
denz, eine gegebene Unsicherheit als Herausforderung zu                 Moment im Prevention-Fokus. Interessanterweise sind Pa-
bewerten und bezieht sich auf den Umgang mit Unsicher-                  rallelen zwischen der Maximierungskonzeption und beiden
heit. Need for Closure wurde als «das Streben einer Person              regulatorischen Foki erkennbar. Sowohl bei der Maximie-
nach festen und entschlossenen Antworten auf Fragen und                 rungskonzeption als auch beim Promotion-Fokus geht es
eine Abneigung gegen Ambiguität» (Hänze, 2002, S. 328)                  um das Streben nach Idealen und nicht um die Erfüllung
definiert und bezieht sich damit ebenso auf den Umgang                  von Pflichten. Allerdings scheint bei Maximierern die Su-
mit Unsicherheit. Die Angst vor Festlegung hingegen ist                 che nach dem Optimum nicht um ihrer selbst willen, im
primär auf das Ausmaß der erlebten Unsicherheit ausge-                  Sinne eines Strebens nach Idealen, sondern zur Vermei-
richtet. So wird die Angst, sich fälschlicherweise festgelegt           dung von potenziell schlechteren Entscheidungen zu ge-
zu haben, umso größer, je größer die Unsicherheit bezüg-                schehen, wie der stabil hohe Zusammenhang zu Bedauern
lich der getroffenen Entscheidung ausgeprägt ist.                       vermuten lässt (s. Ergebnisse Studie 1 und Schwartz et al.,
   In der Maximierungskonzeption wird das Ausmaß der                    2002; s. a. Fußnote 1). Vor diesem Hintergrund schienen
erlebten Unsicherheit betont, da Maximieren mit einer grö-              substanzielle Zusammenhänge zwischen der Maximie-
ßeren Unsicherheit bezüglich der Güte der gewählten Op-                 rungstendenz und beiden motivationalen Orientierungen
tion einhergeht. Folglich sollten Maximierungstendenz und               möglich, wenn auch für den Prevention-Fokus aufgrund
die Angst vor Festlegung positiv korreliert sein. Zur Art des           der bestehenden Datenlage wahrscheinlicher.
Umgangs mit der Unsicherheit werden demgegenüber kei-
ne spezifischen Aussagen gemacht. Tatsächlich ist es einer-
seits vorstellbar, dass Maximierer und Satisfizierer ähnli-             Methode
che Strategien zum Umgang mit Unsicherheit aufweisen
(dennoch könnte die Häufigkeit der Strategienanwendung                  Die Einladung zur Studie wurde über den Proband/-innen-
zwischen den Gruppen variieren, s. o.). Andererseits                    pool des Sonderforschungsbereichs 504 an der Universität
scheint es auch denkbar, dass die Maximierungstendenz                   Mannheim verschickt. 224 der 415 Personen, die innerhalb
mit der Umgangsart direkt variiert, Maximierer also die er-             von zehn Tagen die Startseite der Untersuchung aufriefen,
lebte Unsicherheit anders reduzieren als Satisfizierer. Vor             schlossen die Untersuchung ab (Ausschöpfungsquote
diesem Hintergrund schien eine explorative Prüfung des                  54 Prozent). Fünf Personen dieser Gruppe gaben am
Zusammenhangs zwischen der Maximierungstendenz und                      Schluss der Untersuchung auf einem dichotomen Item an,
den Eigenschaftskomponenten Ambiguitätstoleranz sowie                   nicht sorgfältig gearbeitet zu haben; ihre Daten wurden von

Z. Soz. psychol. 37 (4) © 2006 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
R. Greifeneder & C. Betsch: Skala zur Erfassung der individuellen Maximierungstendenz                            239

den weiteren Analysen ausgeschlossen. 66.2 Prozent der           satz zum hypothetischen Szenario zu Beginn der Studie
Proband/-innen waren männlich, das durchschnittliche Al-         wurde jedoch nun das reale Verhalten der Proband/-innen
ter lag bei 23.85 Jahren (SD = 4.06). Die Entlohnung der         erfasst. Dafür wurde den Proband/-innen mitgeteilt, dass
Teilnehmer/-innen erfolgte durch Verlosung von fünf Gut-         sie mit mehreren Losen an der Verlosung der Warengut-
scheinen eines Online-Warenhauses im Wert von jeweils            scheine teilnehmen könnten. Die Anzahl der Lose wurde
EUR 15.                                                          über die Simulation einer Lotterie determiniert, wobei die
    Zur Prüfung der These, dass die Maximierungstendenz          Proband/-innen sich zwischen zwei verschiedenen Lotteri-
mit der Intensität des Suchvorgangs korreliert ist, wurde die    en (mit jeweils zwei Optionen) entscheiden sollten. Die
Informationssuche der Proband/-innen anhand eines hypo-          erste Lotterie sah zu 50 Prozent vier Lose und zu 50 Pro-
thetischen Szenarios erfasst. Eingebettet in weitere Items       zent zwei Lose vor. Bei der zweiten Lotterie gab es zu
wurden die Proband/-innen gefragt, wie viele aus maximal         50 Prozent fünf Lose und zu 50 Prozent Null Lose. Die
zwölf Rezensionen sie lesen würden, wenn sie online ein          Lotterien 1 und 2 unterschieden sich damit im Erwartungs-
Buch für einen/e Freund/-in kaufen wollten und sich zwi-         wert, der im ersten Fall drei Lose (0.50 × 4 + 0.50 × 2 = 3),
schen zwei gleichwertigen Büchern entscheiden müssten            im zweiten Fall 2.5 Lose (0.50 × 5 + 0.50 × 0 = 2.5) betrug.
(freies Eingabefeld). Explizit wurde um die Abgabe eines         Anschließend gaben die Proband/-innen die von ihnen
möglichst realistischen Urteils gebeten, das dem tatsächli-      empfundene Schwierigkeit bei der Entscheidungsfindung
chen Kaufverhalten entspricht.                                   an (ein Item, Antwortskala von 1, ‹gar nicht schwer›, bis
    Um ein mögliches Priming des Rezensionen-Szenarios           9, ‹sehr schwer›). Es folgte die für die zu prüfende These
auf die Bearbeitung der folgenden Skalen abzuschwächen,          entscheidende Frage, ob die Proband/-innen erneut eine
wurden an dieser Stelle demographische Angaben wie Al-           Auswahl treffen wollten, wobei die Lotterien 1 und 2 durch
ter und Geschlecht erfasst. Erst dann bearbeiteten die Pro-      eine dritte ergänzt werden würden (Neuwahl). Auf diese
band/-innen die Skalen zur Erfassung der Maximierungs-           Weise wurde den Proband/-innen die Möglichkeit eröffnet,
beziehungsweise Bedauerntendenz (Skalierung s. Studie            ihre Suche fortzusetzen und aus einer größeren Anzahl an
1).                                                              Alternativen auszuwählen, um potenziell die Chancen bei
    Zur Prüfung der These, dass die individuelle Maximie-        der Verlosung zu verbessern. Damit konnten die Proband/-
rungstendenz mit der Präferenz für gute versus optimale          innen reales Maximierungsverhalten demonstrieren. Pro-
Entscheidungen kovariiert, beantworteten die Proband/-in-        band/-innen, die sich für eine Neuwahl entschieden, wähl-
nen zwei Items: ‹Das Treffen guter Entscheidungen ist mir        ten anschließend aus drei Lotterien aus (die beiden bereits
wichtig› und ‹Das Treffen optimaler Entscheidungen ist           bekannten plus eine dritte mit dem Erwartungswert 3.5)
mir wichtig›. Beide Items waren 9-stufig skaliert, mit den       und gaben erneut an, als wie schwierig sie die Entschei-
Endpunkten 1, ‹trifft nicht zu›, bis 9, ‹trifft genau zu›. Ein   dung empfanden. Die Verlosung der Belohnungen erfolgte
differenzielles Zusammenhangsmuster dieser beiden Items          nach Abschluss der Studie durch Simulation der gewählten
zur Maximierungstendenz wäre Evidenz dafür, dass Maxi-           Lotterien.
mierer im Vergleich zu Satisfizierern tatsächlich unter-
schiedliche, nämlich stärker auf Maximierung ausgerichte-
te Entscheidungsziele aufweisen.                                 Ergebnisse und Diskussion
    Es folgten vier Skalen zur Erfassung weiterer Eigen-
schaftskonstrukte. Zuerst bearbeiteten die Proband/-innen        Aus Gründen der Anschaulichkeit werden im Folgenden
die Ambiguitätstoleranzskala von Dalbert (1999; 8 Items,         korrelative Analysen durch weitere Verfahren ergänzt. Da-
Skalierung von 1, ‹stimmt überhaupt nicht›, bis 6, ‹stimmt       für wurden die Proband/-innen gemäß des Vorgehens bei
genau›) sowie eine kombinierte Skala zur Erfassung von           Schwartz und Kolleg/-innen (2002) anhand eines Median-
Need for Closure und Angst vor Festlegung (Hänze, 2002;          splits (Md = 4.77) in Maximierer (M = 5.60) versus Satis-
15 Items, Skala von 1, ‹trifft nicht zu›, bis 7, ‹trifft genau   fizierer (M = 3.87) eingeteilt.
zu›). Dann wurde die Perfektionismus-Skala von Stöber               Im Zentrum der Maximierungskonzeption steht die An-
(1998; 35 Items, Skalierung von 1, ‹trifft überhaupt nicht       nahme, dass die individuelle Maximierungstendenz mit der
zu›, bis 5, ‹trifft ganz genau zu›) sowie die von Keller         Präferenz für gute versus optimale Entscheidungen variiert.
(2005) entwickelte Skala zur Erfassung des chronischen re-       Zur Prüfung dieser These wurde die Wichtigkeit guter be-
gulatorischen Fokus (18 Items, Skala von 1, ‹überhaupt           ziehungsweise optimaler Entscheidungen mit der indivi-
nicht zutreffend›, bis 7, ‹vollkommen zutreffend›) mit Items     duellen Maximierungstendenz korreliert. Beide Items zeig-
wie ‹Wenn ich ein Ziel erreiche, auf das ich lange hingear-      ten einen positiven Zusammenhang mit der Maximierungs-
beitet habe, dann erlebe ich einen Zustand der Euphorie›         tendenz (r = .17, p < .02 und r = .26, p < .01), das heißt,
(Promotion) oder ‹Mein Leben ist häufig geprägt durch            dass beide Ergebnisarten mit steigender Maximierungsten-
Furcht vor Misserfolg und negativen Ereignissen› (Preven-        denz wichtiger werden. Zentral für die hier zu prüfende
tion) erfasst.                                                   These ist jedoch der Vergleich der beiden Korrelationsko-
    Abschließend sollte anhand eines zweiten Maßes die           effizienten. Dieser Vergleich ergab einen stärkeren Zusam-
These geprüft werden, dass die Maximierungstendenz mit           menhang zwischen der Bedeutung optimaler versus guter
der Intensität des Suchvorgangs korreliert ist. Im Gegen-        Entscheidungen und der Maximierungstendenz, Steiger’s

                                                                 Z. Soz. psychol. 37 (4) © 2006 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
240               R. Greifeneder & C. Betsch: Skala zur Erfassung der individuellen Maximierungstendenz

Tabelle 4
Interkorrelationen zwischen der Maximierungsskala und Validierungskonstrukten in Studie 2
                   Bedauern      AmbiT        NfC        PFI         P-PS           P-CMD        P-O          P-PEPC      Promotion Prevention
Maximierung        .55 (**)      –.05         –.06        .41 (**)      .18 (**) (b) .45 (**) (b) –.02 (b)     .03 (b)     .08 (a)     .33 (**) (a)
Bedauern                         –.17 (*)     –.04        .63 (**)      .24 (**)      .53 (**)   –.05          .12         .07         .40 (**)
AmbiT                                         –.48 (**) –.15 (*)     –.11           –.19 (**)    –.29 (**) –.13            .03        –.33 (**)
NfC                                                      –.23 (**)      .14 (*)       .10          .44 (**)    .01         .06         .17 (*)
PFI                                                                     .05           .45 (**)   –.15 (*)      .09        –.01         .43 (**)
P-PS                                                                                  .54 (**)     .30 (**)    .24 (**)    .42 (**)    .32 (**)
P-CMD                                                                                              .00        –.07         .15 (*)     .04
P-O                                                                                                            .39 (**)    .20 (**)    .66 (**)
P-PEPC                                                                                                                    –.05         .27 (**)
Promotion                                                                                                                              .15 (*)
Cronbachs α         .83            .74          .55        .87        .80          .88           .91       .89       .82        .84
Anmerkungen: N = 219. AmbiT = Ambiguitätstoleranz, NfC = Need for Closure, PFI = Personal Fear of Invalidity/Angst vor Festlegung, P-PS =
Perfektionismus-Hohe Standards, P-CMD = Perfektionismus-Angst vor Fehlern, P-O = Perfektionismus-Ordnungsstreben, P-PEPC = Perfek-
tionismus-Kritik/Erwartungen der Eltern. Alle Skalen sind positiv gepolt, so dass ein hoher Wert einer hohen Ausprägung des jeweiligen
Konstrukts entspricht. Die mit (a, b) gekennzeichneten Korrelationen sind Partialkorrelationen zur Maximierungstendenz, unter Auspartialisie-
rung der jeweils zugehörigen Konstrukte (a: Promotion/Prevention, b: Subskalen von Perfektionismus). Cronbachs α dient als Indikator für die
interne Konsistenz der jeweiligen Skala in der berichteten Stichprobe.
**p < .01, *p < .05

Z = 1.73, p < .10 (zum Vergleich korrelierter Korrelations-                   ten würden, bevor sie sich zwischen zwei scheinbar gleich-
koeffizienten s. Meng, Rosenthal & Rubin, 1992). Dieser                       wertigen Alternativen entschieden. Wie erwartet fand sich
Befund lässt sich anhand einer varianzanalytischen Aus-                       ein positiver Zusammenhang zwischen der Maximierungs-
wertung verdeutlichen. Eine 2 (Wichtigkeit guter versus                       tendenz und der Anzahl der betrachteten Rezensionen (r =
optimaler Entscheidung, within-subjects) × 2 (Maximierer                      .13, p < .06): Maximierer im Vergleich zu Satisfizierern
versus Satisfizierer, between-subjects) gemischte ANOVA                       wollten vor der Entscheidungsfindung mehr Informationen
ergab zwei signifikante Haupteffekte: Gute Entscheidun-                       einholen (M = 5.25 versus M = 4.52, t(217) = 1.91, p <
gen waren für alle Proband/-innen wichtiger als optimale                      .06). Dieser Befund wurde durch das reale Entscheidungs-
Entscheidungen (F(1, 217) = 39.89, p < .01) und für Ma-                       verhalten der Proband/-innen in Bezug auf die Lotterieent-
ximierer war die Güte von Entscheidungen generell wich-                       scheidungen am Ende der Studie gestützt: Erstens war die
tiger als für Satisfizierer (F(1, 217) = 8.37, p < .01). Die                  Maximierungstendenz positiv mit der Häufigkeit der Neu-
beiden Haupteffekte wurden von einer Interaktion                              wahl korreliert (punkt-biseriale Korrelation, r = .15, p <
(F(1, 217) = 8.04, p < .01) dahingehend qualifiziert, dass                    .03). Zweitens zeigte sich, dass die Entscheidung zwischen
Maximierer und Satisfizierer sich nicht in Bezug auf die                      den ersten beiden Lotterien als tendenziell um so schwie-
Wichtigkeit guter Entscheidungen (M = 7.56 versus M =                         riger bewertet wurde, je größer die individuelle Maximie-
7.29, t(217) = 1.56, p > .12), sondern nur in Bezug auf die                   rungstendenz ausgeprägt war (r = .12, p < .08).5 Schließ-
Bedeutung optimaler Entscheidungen (M = 7.26 versus                           lich war der Erwartungswert der endgültig gewählten Lot-
M = 6.51, t(217) = 3.46, p < .01) unterschieden. Die Ergeb-                   terie tendenziell umso höher, je mehr die Proband/-innen
nisse deuten somit darauf hin, dass Maximierer stärker                        zur Maximierung neigten (r = .12, p < .10). Dieser letzte
nach dem Optimum streben als Satisfizierer.                                   Befund entspricht zwar der Theorie, könnte jedoch durch
   Mit dem Streben nach dem Optimum geht einher, dass                         die spezifische Gestaltung der vorliegenden Untersuchung
Maximierer intensiver und länger nach Informationen su-                       bedingt gewesen sein. Tatsächlich hatte die dritte Lotterie
chen. Evidenz für dieses zweite Charakteristikum der Ma-                      stets einen höheren Erwartungswert als die ersten beiden,
ximierungskonzeption konnte mit Hilfe zweier Maße (hy-                        so dass die Fortsetzung der Informationssuche in jedem
pothetisches Szenario und reales Entscheidungsverhalten                       Fall belohnt wurde. Interessanterweise scheinen jedoch
bei den Lotterien) gefunden werden. Bei der Szenario-Ent-                     auch viele alltägliche Entscheidungen so strukturiert zu
scheidung wurden die Proband/-innen gefragt, wie viele                        sein, dass bei niedriger Alternativenzahl die Fortsetzung
Rezensionen sie beim Online-Kauf eines Buches betrach-                        der Suche fast zwangsläufig zu einem besseren Ergebnis

5 Die Maximierungstendenz war dagegen unkorreliert mit der erlebten Schwierigkeit bei der Neuwahl, was der Annahme eines positiven
  Zusammenhangs zwischen Maximierungstendenz und erlebter Schwierigkeit widerspricht. Dieser Nullbefund könnte jedoch ein Artefakt
  der gewählten Operationalisierung sein, da zwei der drei präsentierten Lotterien identisch zu den Lotterien bei der ersten Entscheidung
  waren. Somit waren möglicherweise alle Proband/-innen zu vertraut mit der Entscheidungsaufgabe, als dass sich der erwartete Zusammen-
  hang zwischen Maximierungstendenz und Schwierigkeit hätte zeigen können.

Z. Soz. psychol. 37 (4) © 2006 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
R. Greifeneder & C. Betsch: Skala zur Erfassung der individuellen Maximierungstendenz                           241

führt. Insgesamt zeigte sich damit anhand eines hypotheti-      fügenden Maximierer, der stets die besten Entscheidungen
schen und eines Verhaltensmaßes, dass eine ausgeprägtere        treffen will (von Neumann & Morgenstern, 1944). Die an-
Maximierungstendenz mit einem intensiveren Suchprozess          dere Position zieht Einschränkungen der Informationslage
einhergeht.                                                     und der menschlichen Verarbeitungskapazität in Betracht
   Weiterhin wurde der Zusammenhang zwischen der Ma-            und geht daher davon aus, dass Menschen generell zur Su-
ximierungstendenz und mehreren Eigenschaftsdimensio-            che nach zufrieden stellenden Lösungen, kurz zu Satisfizie-
nen geprüft (s. Tab. 4). Zwischen der Maximierungsten-          rung neigen (Simon, 1955).
denz und Ambiguitätstoleranz (r = –.05, ns) beziehungs-            Eine Gruppe US-amerikanischer Forscher/-innen
weise Need for Closure (r = –.06, ns) bestand kein              (Schwartz et al., 2002) hat eine interindividuell variierende
Zusammenhang. Maximierer und Satisfizierer scheinen             Disposition vorgeschlagen, wonach Menschen entweder zu
sich also nicht in der Art des Umgangs mit der erlebten         Maximierung oder zu Satisfizierung tendieren. Zur Erfas-
Unsicherheit zu unterscheiden. Demgegenüber war die             sung dieser Disposition, der Maximierungstendenz, wurde
Korrelation zwischen der Maximierungstendenz und der            eine 13 Items umfassende Skala vorgestellt, die im Rahmen
Furcht vor Festlegung bedeutsam positiv (r = .41, p < .01).     der vorliegenden Arbeit übersetzt und in zwei Studien be-
Offensichtlich sorgen sich Maximierer mehr um eine              züglich ihrer psychometrischen Güte überprüft wurde. Die
fälschliche Festlegung als Satisfizierer. Insgesamt sprechen    Ergebnisse bescheinigen der deutschen Maximierungsska-
die vorliegenden Daten dafür, dass die Maximierungsten-         la eine akzeptable interne Konsistenz und Stabilität. Entge-
denz nur mit dem Ausmaß, nicht jedoch mit der Art des           gen dem Original wird sowohl auf theoretischer wie auf
Umgangs der erlebten Unsicherheit variiert. Weitere Stu-        empirischer Basis vorgeschlagen, die Maximierungsten-
dien zur konfirmatorischen Prüfung dieser explorativen Er-      denz als eindimensionales Konstrukt zu begreifen, dessen
gebnisse sind wünschenswert.                                    Endpunkte Satisfizierer versus Maximierer darstellen. Für
   Aufgrund der hohen Interkorrelationen der Perfektionis-      die Güte der deutschen Übersetzung spricht eine Vielzahl
mus-Subskalen (hohe Standards, Unsicherheit/Angst vor           konvergenter und diskriminanter Validierungsbefunde.
Fehlern, Ordnungsstreben und Kritik/Erwartungen der El-         Insbesondere korrelierte die Skala hypothesenkonform po-
tern) wurde der Zusammenhang zwischen jeweils einer             sitiv mit Bedauern, chronischem Prevention-Fokus und
Subskala und dem Maximierungskonstrukt unter Auspar-            Subkomponenten von Perfektionismus sowie negativ mit
tialisierung der anderen Subskalen berechnet. Erwartungs-       subjektivem Glücksempfinden und Optimismus. Kein Zu-
gemäß waren nur die Partialkorrelationen zwischen der           sammenhang fand sich zu Konstrukten wie Ambiguitätsto-
Maximierungstendenz und hohen Standards (r = .18, p <           leranz, Need for Closure oder einer chronischen Promo-
.01) sowie der Maximierungstendenz und Unsicher-                tion-Orientierung, was das Maximierungskonstrukt gegen-
heit/Angst vor Fehlern (r = .45, p < .01) bedeutsam von         über anderen entscheidungsrelevanten Konstrukten
Null verschieden. Die Maximierungstendenz variiert also         abgrenzt. Schließlich konnte erstmals Evidenz für zwei
theoriekonform mit Subskalen des Perfektionismuskon-            zentrale Charakteristika des Maximierungskonstrukts be-
strukts, ist jedoch nicht identisch damit.                      richtet werden, nämlich dass für Maximierer das Streben
   Ebenfalls mit Hilfe von Partialkorrelationen wurde der       nach optimalen Lösungen wichtiger als für Satisfizierer ist
Zusammenhang zwischen der Maximierungstendenz und               und dass Maximierer intensiver nach entscheidungsrele-
den (leicht positiv interkorrelierten, r = .15, p < .05) Kon-   vanten Informationen und Alternativen suchen.
strukten Promotion-Fokus und Prevention-Fokus analy-               Aus der Annahme einer interindividuell variierenden
siert. Nur der Zusammenhang zwischen der Maximie-               Disposition, eher zu Maximierung oder zu Satisfizierung
rungstendenz und Prevention-Fokus war signifikant von           zu neigen, ergibt sich eine Reihe von Implikationen. Ers-
Null verschieden (r = .33, p < .01), während der Zusam-         tens wird damit die Existenz der beiden klassischen Posi-
menhang zwischen der Maximierungstendenz und Promo-             tionen der Entscheidungsforschung gerechtfertigt. Da bei-
tion-Fokus nicht statistisch bedeutsam war (r = .08, p > .2).   de Forschungspositionen auch heute noch von großer Be-
Dieses Ergebnismuster könnte darauf zurückzuführen sein,        deutung für die Entscheidungsforschung im Speziellen und
dass Maximierer zwar nach Optima streben, diese jedoch          die Wirtschaftswissenschaften im Allgemeinen sind,
nicht um ihrer selbst willen, sondern zur Vermeidung ne-        kommt der Maximierungskonzeption als Persönlichkeits-
gativer Zustände (wie beispielsweise Bedauern) erreichen        variable eine versöhnende Funktion zu.
wollen.                                                            Zweitens eröffnet die Maximierungsskala für eine Viel-
                                                                zahl von Entscheidungstheorien die Option, durch die Auf-
                                                                nahme einer individuellen Disposition ein bislang nicht
                                                                realisiertes Erklärungspotenzial zu erschließen. So gehen
Zusammenfassung und Diskussion                                  beispielsweise Gigerenzer und Kolleg/-innen (1999) davon
                                                                aus, dass Menschen satisfizieren und dafür heuristische Re-
In der ökonomischen und psychologischen Entscheidungs-          geln wie ‹take-the-best› nutzen, die mittels einfacher Prin-
forschung finden sich zwei klassische Grundpositionen.          zipien einen schnellen und sparsamen Entscheidungspro-
Die eine beschreibt den Menschen als einen über alle not-       zess ermöglichen. Empirische Überprüfungen dieser Heu-
wendigen Informationen und kognitiven Ressourcen ver-           ristiken ergaben jedoch, dass nicht alle Proband/-innen

                                                                Z. Soz. psychol. 37 (4) © 2006 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
242               R. Greifeneder & C. Betsch: Skala zur Erfassung der individuellen Maximierungstendenz

davon Gebrauch machen (z. B. Newell, Weston & Shanks,                   ses Aufsatzes. Das Forschungsprojekt wurde unterstützt
2003). Diese Abweichung könnte auf individuelle Unter-                  durch den Sonderforschungsbereich 504 der Universität
schiede in der Maximierungstendenz zurückzuführen sein.                 Mannheim.
Denn während Satisfizierer für ein zufrieden stellendes Er-
gebnis durchaus auf Heuristiken zurückgreifen sollten,
scheint dies für Maximierer auf der Suche nach dem Opti-
mum weniger wahrscheinlich. Die Unterscheidung zwi-                     Literatur
schen Maximierern und Satisfizierern könnte somit die Ab-
weichung eines Teils der Proband/-innen vom prognosti-                  Dalbert, C. (1999). Die Ungewissheitstoleranzskala: Skalenei-
zierten Heuristik-Verhalten erklären und damit bislang                     genschaften und Validierungsbefunde. Hallesche Berichte zur
nicht aufgeklärte Varianz binden.                                          pädagogischen Psychologie, 1, 2–25.
   Drittens erscheint das Konstrukt Maximierungstendenz                 Frost, R. O., Marten, P., Lahart, C. & Rosenblate, R. (1990). The
auch für Bereiche außerhalb der Wissenschaft von großer                    dimensions of perfectionism. Cognitive Therapy and Research,
Bedeutung. So argumentierten Schwartz und Kolleg/-in-                      14, 449–468.
nen, dass für Maximierer eine Erhöhung der Anzahl an                    Gigerenzer, G., Todd, P. M. & ABC-Research-Group. (1999).
ähnlich attraktiven Wahlmöglichkeiten ein zweischneidi-                    Simple heuristics that make us smart. Oxford: Oxford Univer-
ges Schwert sei, das oftmals in einer Verringerung der Zu-                 sity Press.
friedenheit anstatt in einer Erhöhung derselben resultiere.             Hänze, M. (2002). Bedürfnis nach Struktur und Furcht vor Fest-
Spätestens wenn die Wahl tatsächlich zur Qual wird, sollte                 legung: Psychometrische Analysen einer deutschsprachigen
                                                                           Skala zur Erfassung der Konstrukte «Personal Need for Struc-
die Anzahl der Cornflakes-Packungen, der Zahnbürsten
                                                                           ture», «Personal Fear of Invalidity» und «Need for Closure».
und Waschmittel, aber auch der Reiseziele, Fortbildungs-                   Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie,
angebote und Aufstiegsmöglichkeiten reduziert werden.                      23, 327–338.
Wann die Wahl zur Qual wird, hängt unter anderem von der                Hewitt, P. L. & Flett, G. L. (1991). Perfectionism in the self and
Person ab – in der Operationalisierung der Messung dieses                  social contexts: Conceptualization, assessment, and associa-
interindividuell variierenden Faktors liegt das Verdienst                  tion with psychopathology. Journal of Personality and Social
von Schwartz und Kolleg/-innen.                                            Psychology, 60, 456–470.
   Ungeklärt ist bislang, ob die Tendenz zur Maximierung                Higgins, E. T. (1997). Beyond pleasure and pain. American Psy-
versus Satisfizierung von situationalen Faktoren moderiert                 chologist, 52, 1280–1300.
wird. So erscheint es beispielsweise möglich, dass die in-              Iyengar, S. S. & Lepper, M. R. (1999). Rethinking the value of
dividuelle Maximierungstendenz zwar genereller Natur, je-                  choice: A cultural perspective on intrinsic motivation. Journal
doch in Abhängigkeit von persönlichen Präferenzen in                       of Personality and Social Psychology, 76, 349–366.
manchen Bereichen mehr, in anderen dagegen weniger aus-                 Iyengar, S. S. & Lepper, M. R. (2000). When choice is demotivat-
geprägt ist. Eine maximierende Person könnte beispiels-                    ing: Can one desire too much of a good thing?. Journal of
                                                                           Personality and Social Psychology, 79, 995–1006.
weise allgemein mehr Zeit in den Kauf von Schuhen als
                                                                        Kahneman, D. & Tversky, A. (1979). Prospect theory: An analy-
von (anderen) Kleidungsstücken investieren. Das Maxi-
                                                                           sis of decisions under risk. Econometrica, 47, 263–291.
mierungsverhalten würde somit von der jeweiligen Ent-
                                                                        Keller, J. (2005). Development and validation of a self-report
scheidungsdomäne, der empfundenen Wichtigkeit oder                         scale assessing performance-related chronic self-regulatory
ähnlichen Faktoren moderiert. Unabhängig von der absolut                   concerns: The regulatory concerns questionnaire.Unveröf-
investierten Zeit ist für die vorliegende Arbeit jedoch ent-               fentlichtes Manuskript, Universität Mannheim.
scheidend, dass Maximierer relativ zu Satisfizierern stets              Lyubomirsky, S. & Lepper, H. S. (1999). A measure of subjective
mehr Zeit investieren.                                                     happiness: Preliminary reliability and construct validation. So-
   Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass mit                      cial Indicators Research, 46, 137–155.
der vorliegenden Arbeit eine Skala zur Messung eines Kon-               Meng, X.-l., Rosenthal, R. & Rubin, D. B. (1992). Comparing
strukts ins Deutsche übertragen wurde, welches sowohl für                  correlated correlation coefficients. Psychological Bulletin,
den wissenschaftlichen als auch den Bereich der Anwen-                     111(1), 172–175.
dungsfelder von besonderer Bedeutung ist. In der Entschei-              Newell, B. R., Weston, N. J. & Shanks, D. R. (2003). Empirical
dungsforschung ebenso wie im Alltag kann die Differen-                     tests of a fast-and-frugal heuristic: Not everyone «takes-the-
                                                                           best». Organizational Behavior & Human Decision Processes,
zierung zwischen chronischen Maximierern und Satisfizie-
                                                                           91(1), 82–96.
rern zusätzlichen Erkenntnisgewinn bringen.
                                                                        Schwartz, B., Ward, A., Monterosso, J., Lyubomirsky, S., White,
                                                                           K. & Lehman, D. R. (2002). Maximizing versus satisficing:
                                                                           Happiness is a matter of choice. Journal of Personality & So-
Autorenhinweise                                                            cial Psychology, 83, 1178–1197.
                                                                        Simon, H. A. (1955). A behavioral model of rational choice.
Wir danken Jihe Seo und Andreas Glöckner für ihre Hilfe                    Quarterly Journal of Economics, 69, 99–118.
bei der Datensammlung. Unser besonderer Dank gilt Her-                  Stöber, J. (1998). The Frost Multidimensional Perfectionism
bert Bless, Svenja Schattka und zwei Reviewer/-innen für                   Scale revisited: More perfect with four (instead of six) dimen-
ihre konstruktiven Hinweise zu einer früheren Version die-                 sions. Personality and Individual Differences, 24, 481–491.

Z. Soz. psychol. 37 (4) © 2006 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
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