Lust auf Farbe Stuttgart, Kleiner Schlossplatz - Galerie Schlichtenmaier - Galerie ...
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Platino (1948 – lebt in Stuttgart) Extern 113.8, 1980/2012 Cibachrome, Acrylglas 58,8 × 88,2 cm, signiert, datiert und betitelt Teilnehmende Künstler Bernard Aubertin, Gerlinde Beck, Bernd Berner, Erdmut Bramke, Antonio Calderara, Thomas Deyle, Winfred Gaul, Rupprecht Geiger, Edda Jachens, Camill Leberer, Martinmüller, Georg Karl Pfahler, Platino, Lothar Quinte, Hans Peter Reuter, rosalie
Zur Eröffnung der Ausstellung Lust auf Farbe laden wie Sie am Samstag, 11. Juli, sowie am Sonntag, 12. Juli 2020, jeweils von 11 bis 17 Uhr sehr herzlich in unsere Stuttgarter Galerie ein. Ausstellungsbesuche sind wieder möglich, wenn die Verhaltens- und Hygiene- vorschriften sowie der Abstand eingehalten werden. Um allen Besuchern die Gelegenheit zu geben, die Ausstellung zu sehen, sind die Räume der Galerie über das ganze Eröffnungswochenende hinweg für Sie geöffnet. Die zulässige Besucherzahl richtet sich nach den tagesaktuellen Vorgaben des Ordnungsamtes. Die Neugestaltung des Kleinen Schlossplatzes mit einer Vielzahl exotischer Bäume lädt zum Verweilen ein und hilft, einer Überfüllung der Galerie vorzubeugen. Die Werke der Ausstellung finden Sie ab 4. Juli als OnlineAusstellung auf www.schlichtenmaier.de ➘ Titelbild Bernard Aubertin (1934 Fontenay-aux-Roses – 2015 Reutlingen) ATMUNG No 1, 1991 Öl auf Leinwand 33 × 24 cm, signiert, datiert und betitelt
Jenseits des roten Tuchs »Für den Maler sind nur die Farben wahr. Ein Bild stellt nichts dar, soll zunächst nichts darstellen als Farben.« (Paul Cézanne) Von allen menschlichen Sinnen scheint der Farbensinn am entbehrlichsten. Ohne seine anderen Sinne hätte der Mensch evolutionär kaum überleben kön- nen, doch um auf die Gefahren des Lebens aufmerksam zu werden, war es völlig egal, Farben wahrzunehmen. Selbst höher entwickelte Tiere haben zwar zuweilen einen weiter entwickelten Sehsinn, aber Defizite beim Erkennen von Farben – auch wenn man das heute differenzierter sieht als vor 20 Jahren. Das sprichwört- liche rote Tuch reizt den Stier keineswegs, ist reine Show: was bei ihm ankommt,
Lothar Quinte (1923 Neisse – 2000 Wintzenbach) ZET (5 Teile), 1969 Acryl auf Leinwand 120 × 230 cm, signiert, datiert und betitelt ist wohl allenfalls ein trübes Grün. Allein beim Menschen zeigen Farben ihre Wir- kungen – im emotionalen wie im ästhetischen Sinne. Gerade diese beiden Berei- che sind von jeher subjektiv, dass ein rotes Bild beim einen die Nackenhaare hochstellen lässt, wie es beim anderen ein gespannt wohliges Gefühl hervorruft. Die Wissenschaft bemüht sich seit Jahrhunderten darum, den Farben auf den Grund zu gehen, doch ihre physikalische Bestimmung steht gegen die psychologi- sche Wirkung: Farben halten sich nicht an Regeln. Bezeichnenderweise treten unter den rund 70 konkurrierenden Farbsystemen als prominente Gegenspieler und als Symbolfiguren der Wissenschaftler Isaac Newton und der Dichter Johann Wolfgang Goethe auf. Newton machte uns – vielleicht ernüchternd – klar, dass
Bernd Berner (1930 Hamburg – 2002 Stuttgart) Ohne Titel, 1966 Öl auf Leinwand 80,5 × 70,5 cm, signiert und datiert Farben nichts anderes sind als Licht. Und Goethe beschrieb, was kaum jemand leugnen würde: »Ich habe nichts dagegen, wenn man die Farbe sogar zu fühlen glaubt; ihr eigenes Eigenschaftliche würde nur dadurch noch mehr betätigt.« Aber mit dem Gefühl ist das so eine Sache – Farben zu sehen, ist ein menschliches Erlebnis. So haben sich unzählige Künstler am Diskurs beteiligt, ihre Farbkreise propagiert – und sich selbst oft genug nicht sklavisch daran gehalten. Das hat ihrem Erfolg nicht geschadet. Vorsichtig sei in den Raum gestellt: die Welt wäre weniger schön, weniger reizend ohne Farben. Das heißt: die Gegenständlichkeit in der Welt ist, wie sie ist, ihre Farbigkeit entsteht bei der Betrachtung im mensch- lichen Gehirn. Die Ausstellung in der Galerie Schlichtenmaier konzentriert sich auf
Winfred Gaul (1928 Düsseldorf – 2003 Düsseldorf-Kaiserswerth) 29-94-2, 1994 Mischtechnik auf Karton 76 × 58 cm, signiert und datiert Farbwelten, die nahezu unabhängig vom Gegenstand bestehen, ja: die ohne Form wirken oder diese bestimmen. Dabei geht es nicht um irgendwelche Ismen, sondern um Farbkosmen zwischen Op Art, Konkreter Kunst und Farbfeldmalerei. Es geht auch um ein Selbstverständnis der Maler, das Paul Klee noch angesichts des realen Lichts von Kairuan so beschrieb: »Die Farbe hat mich. Ich brauche nicht nach ihr zu haschen. Sie hat mich für immer. Das ist der glücklichen Stunde Sinn: ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler. Wie existenziell dies gemeint sein kann, zeigt die Arbeit »Atmung« von Bernard Aubertin, die einen lebenserhaltenden Reflex in einer monochrom roten Struktur aus kleinsten erhabenen Farbaufwerfungen assoziiert. Farbe als rhythmische
Thomas Deyle (1957 München – lebt in Köln) Scarabaeus No 1, 2017 Acryl auf Acrylglas 130 × 130 cm, signiert und datiert Formation sucht Gerlinde Beck in ihren Plastiken und ihrer Malerei, bei denen sie sich auf Rot, Orange und Schwarz beschränkt. Wie sehr sie Bewegung und Menschsein verknüpft, macht ihre Beschäftigung mit dem Tanz deutlich. Dass man aus Farbflächenräumen in extremer Modulation Schwingungen erzeugen kann, sieht man im Werk Bernd Berners, dessen Bildsprache zwar absolut redu- ziert ist, aber eine atemberaubende Oberfläche erschafft. Kontemplativ und seis- mografisch nähert sich Erdmut Bramke der Farbe an, die sich mal stofflich, mal fast entmaterialisiert mit dem Papier zu vereinen scheint, im poetisch selbstver- gessenen Fluss. Verläufe anderer Art vermittelt Antonio Calderara, der im Spiel der Pigmentsättigung einen changierenden Reichtum monochromer Bilder erzeugt. Weit mehr als nur Modulationen erschafft Thomas Deyle mit seinen syn-
Edda Jachens (1960 Bremen – lebt in Stuttgart) KREUZUNGEN ROT, 2006 Acryl und Paraffin auf Holz 50 × 50 × 15 cm, signiert und datiert ästhetischen Repliken auf Musik und selbst auf eine konkretere Dinglichkeit, die er in schwebende Klangräume auf Plexiglas verwandelt. Als proteische Figur tritt Winfred Gaul in der Kunstgeschichte auf, der unermüd- lich die Bandbreite der Farbgestaltung auslotet – hier gestisch extrovertiert, da rhythmisch bewegt und dort frei fabulierend. Von bestechender Klarheit ist dage- gen das Werk Rupprecht Geigers bestimmt. Doch weit entfernt von einem bloßen Minimalismus erhöht er die Farbe zu transzendenter Größe. Diesem Ziel ist auch Edda Jachens verpflichtet, die ihre aquarellierten oder durch Wachs und Paraffin angereicherten Farbräume durch Schichtungen und Durchkreuzungen kompo- niert. Die Mittel sind so wichtig wie die Bildträger, was im Werk von Camill Leberer am deutlichsten wird: Seine Farb- und Lackschichten leben über den mit der Flex
Hans Peter Reuter (1942 Schwenningen – lebt in Lauf an der Pegnitz) Alle Würfel haben sich mit Blau gefüllt, 2011 Ultramarin, Wellpappe auf Holz 89 × 89 × 13, signiert und datiert schraffierten Stahlplatten förmlich auf. Verglichen dazu ist Armin Martinmüller im malerischen Auftrag nahezu traditionell, die kühnen Farbdialoge und Farbklänge ordnen ihn jedoch den experimentierfreudigen Maler zu. Georg Karl Pfahler erweist sich unter den Farbmeistern als wichtiger europäischer Vertreter des Hard Edge, das er nicht nur in der Fläche, sondern auch in den Raum hinein umsetzt. Wenn schon von der technischen Vielfalt und radikalen Präsenz der Farbe die Rede ist, darf die Fotografie von Platino nicht fehlen, dessen sogenannte »Red Spaces« bzw. »Externs« die Grenzen des Sichtbaren überschreiten. Nicht minder radikal ist die Malerei Lothar Quintes, die einerseits in durchschneidender Schärfe Farbe in Strahlenbündeln verdichtet oder diese in modulierter Schwingung zu Räumen ausdehnt. Hans Peter Reuter schafft demgegenüber perspektivische
Erdmut Bramke (1940 Kiel – 2002 Stuttgart) Ohne Titel, 2002 Acryl, Farbstifte auf Bütten 80 × 70 cm, WVZ Gauß, Grötz, Jörg P2 2002 Illusionsräume durch den Einsatz von Ultramarinblau in dezenten Farbabstufungen und teilweise plastisch-reliefierter Formen, die vor konstruktivem Chaos nicht Halt machen. Phantasie und Konstruktion sind auch die Parameter der Bühnen- und Lichtkünstlerin rosalie, die in ihren farblichen Interventionen eine von der Pop Art inspirierte taktile Malerei anstrebt. Wenn wir in dieser Rundschau von rund 60 Jahren nicht nur die Farbe in der Kunst, sondern die Farbe als Kunst abbilden, fällt über die wahrnehmungspsycho- logischen oder symbolischen Aspekte hinweg die pure Lust an der Darstellung von Farbe auf. Hier sei an das Diktum Goethes erinnert, der »Zur Farbenlehre« schrieb: »Die Farben sind Taten des Lichts, Taten und Leiden« – und mithin immer auch Leidenschaft, die für uns Menschen unentbehrlich ist. Günter Baumann
Rupprecht Geiger (1908 München – 2009 München) Color in the round, 1969 Serigrafie auf Halbkarton, 67 × 62,2 cm, signiert und nummeriert Galerie Schlichtenmaier Kleiner Schlossplatz 11 70173 Stuttgart Telefon 0711 / 120 41 51 Telefax 120 42 80 www.schlichtenmaier.de auf Facebook und Instagram Lust auf Farbe Ausstellungsdauer: 11. Juli bis 5. September 2020 Öffnungszeiten Dienstag bis Freitag 11–19 Uhr Samstag 11–17 Uhr und nach Vereinbarung. Sonn- und Feiertag geschlossen. Die Galerie befindet sich im Zentrum von Stuttgart hinter dem Kunstmuseum am Schlossplatz.
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