Männer glauben anders - Markus Hofer
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Männer glauben anders – Markus Hofer 1 Vorwort gen Gemeinden wurde das Vorsteheramt vom Markus Hofer ist Männerreferent der Katholi- Vater auf den Sohn weitervererbt. So entstan- schen Kirche Vorarlberg. den Familienclans, denen es vor allem um den Machterhalt ging. Zudem gab es neben den Brief an Josef bestandenen Familienvätern auch die frei- Auf den Weihnachtsbildern stehst du am schwebenden, ehelosen Wanderprediger. Die Rande. Lieber Josef, wenn wir ehrlich sind, Abwertung dessen, der sich abrackert für Frau warst du in unserer kirchlichen Tradition nur und Kind, scheint schon sehr früh begonnen wichtig, wenn es um das Arbeiten und Nähren zu haben. ging Ist das nicht ein Bild, das heute noch in Kirche und Gesellschaft am Werk ist? Wüstenväter „Wortlos“ oder zumindest wortkarg sind die Bevor aus dem Gott der Väter der Gott der Männer in Glaubenssachen heute noch. Män- Priester und Frauen wird, schiebt sich noch ner sind gerne Teil eines „grossen Plans“. Das eine Phase abenteuerlichen Christentums ein, gibt ihnen Aufgabe und Bedeutung. Männer die vorwiegend von Männern getragen wird. schätzen das Gefühl, wichtig zu sein, und In Ägypten im Jahre 271 zieht sich Antonius haben deshalb Probleme, wenn sie nur gehor- in die Wüste zurück. er predigt nicht, betreut chen dürfen. Sie hoffen insgeheim, dass Gott keine Gemeinde und gründet keine Klöster. sie liebt, auch wenn sie nicht nur „klein“ und Er löste eine unvorstellbare Bewegung aus. „gering“ sind und möglichst auf Sex verzich- ten wie der gute (arme) Josef. Fromme Frauen Zur gleichen Zeit entdeckten in Rom reiche Männerkirche ohne Männer Witwen das zölibatäre Leben. Obwohl das Alle wesentlichen Leitungsfunktionen sind Pflichtzölibat für Priester erst 1139 durch von Männern besetzt. Aber der Sonntagsgot- Papst Innozenz II. erlassen wurde, bildete sich tesdienst lässt weniger an eine Männerkirche in der Spätantike (4/5 Jahrh.) eine Phase her- denke. Männer sind aus der Kirche ver- aus in der die fromme Elite nicht mehr einem schwunden. Hausstand vorstand. Seit damals ist das ehelo- Die katholische Kirche ist im Grunde eine se Priestertum zur Gewohnheit geworden. von Frauen getragene und von Männern in Denn durch das Erbrecht gingen der Kirche Frauenkleidern geleitete Institution, aber nur viele Pfründe verloren. Das Zölibat setzte sich von solchen, die auf ihre Sexualität verzich- aber erst in der Zeit nach dem Konzil von ten. Trient (1545-1563) endgültig durch. Religion der Väter Religion der Mütter Es gab eine Zeit, da wurde noch von der Reli- Im Zuge der Industrialisierung wurde aus dem gion der Väter geredet. Die Väter spielten im Vater, der für die religiöse Erziehung zustän- religiösen Kontext eine Rolle (Israeliten). Sie dig war ein Vater, der morgens aus dem Haus waren im eigenen Haus Priester, und die Wei- geht und abends müde heimkommt. Seine tergabe des Glaubens war eine spezifisch vä- Bedeutung in der Familie schrumpft. Die terliche Aufgabe. Kindererziehung geht an die Mutter über und Aber schon früh wurde die tragende Rolle der Religion wird zunehmend zur Frauensache. Väter professionalisiert – die Priester im Gelingt den Söhnen die Ablösung von der Tempel übernahmen diese Rolle. Das waren Mutter nicht und fehlen die männlichen Vor- aber noch keine zölibatäre Priester – im Ge- bilder, kann der Junge keine reife Männlich- genteil. Auch Paulus war es noch klar, dass keit entwickeln. in seiner Not glaubt er Männ- der Vorsteher einer Gemeinde verheiratet und lichkeit sei das Gegenteil dessen, was die ein guter Familienvater sein musste (1. Tim Mutter macht. Wenn die Mutter religiös ist, 3,1f). Schon gegen Ende des ersten Jahrhun- dann ist es der Sohn nicht mehr. Der Mann derts kam es zum Machtmissbrauch. In eini-
Männer glauben anders – Markus Hofer 2 geht auch gegenüber der „Mutter Kirche“ auf sieht und gefragt wird: Und jetzt drück einmal Distanz. aus, wie es dir so geht.“ Es geht um handfes- Die Vaterentbehrung ist das eigentliche Di- tes Tun, im Gehen, Singen und Werken. lemma der Männer heute, denn als Mutter- Der Archetyp des Kriegers scheint in der Kir- sohn nehmen sie oft die Rolle als Partnerer- che verloren gegangen zu sein. satz ein. In dieser Rolle erleben sie sich aber Der Glaube enthält das Tremendum (Erschre- immer unvollständig, abhängig und klein. Die ckende) und das Fascinosum (Faszinierende). Selbstwertproblematik hat viel mit den Erfah- Die Männer scheinen mehr auf der Seite des rungen mit den Müttern zu tun. Und wenn Tremendum zu stehen, denn die männliche man die Mutter verlässt, dann kommen Kraft und Aggression weiss um schreckliche Schuldgefühle auf, diese machen klein, ab- Gratwanderungen und Abgründe und um die hängig und ohnmächtig. Dabei hätte gerade Schatten des Lebens. In den heutigen Kirchen der Blick auf den Vater sein Heilsames. scheint vieles den Männern aber zu harmo- nisch, zu heil und schön, letztlich zu fromm. Kein Platz für Männer Ihre Lebensrealität kommt darin nicht mehr Männer ziehen sich schnell zurück oder gehen vor. Die Juden durften in den Psalmen noch zumindest auf Distanz, wenn sie sich nicht fluchen und klagen, den heutigen Männern ist ganz ernst genommen fühlen, wenn eine um- das kaum mehr gestattet oder es wird zur fassende männliche Perspektive keinen Platz männlichen Unart degradiert. Wenn ihnen hat. Angesichts der Allianz der Frauen und dann noch das Weiblich-Harmonische als Priester werfen Männer schnell das Handtuch. moralisches Vorbild entgegengehalten wird, Auch sind Arbeit, Politik, Geldverdienen oft sind die Männer endgültig weg, weil sie sich keine positiven kirchlichen Themen. Geld zu nicht mehr ernst genommen fühlen. es ist verdienen war etwas Profanes, wenn nicht gar eben auch eine Tatsache, dass das Leben mit Sündhaftes. Und die Sexualität sah man als Sanft- und Langmut nicht bestritten werden notwendiges Übel an. Wer Männer nicht mit kann. ihrer Sexualität ernst nimmt, nimmt die Män- ner nicht ernst, denn sie erleben Sexualität als Phallisch versus utural einen wichtigen und starken Teil ihrer selbst. Das phallische Muster sucht mehr das Drauf- Das Judentum hatte da noch einen ganz ande- gängerische, Eindringliche und Vordrängen- ren Bezug – jüdischer Spruch: „Drei Dinge de. Kraft und Aggression, kirchlich eher als gibt es, die den Vorgeschmack auf das andere destruktiv gesehen, können etwas weiterbrin- Leben geben: die Sonne, der Sabbat und der gen, Klarheit schaffen und für Grenzen sor- Beischlaf.“ gen. Das uturale Muster setzt hingegen mehr auf Mann- Frau – Priester. Eine Aufstellung Gemeinsamkeit, auf Beziehungen und Har- Ausgehend von der systemischen Theorie monie, auf Geborgenheit. nach Bert Hellinger wird das System Mann, Phallische Energie allein führt in unkontrol- Frau, Priester diskutiert. lierte Tätigkeit, zu Verausgabung und Herzin- farkt, zu einsamem und unsinnigem Helden- Männer glauben anders tum. Uturale Energie allein führt zum Ver- Rituale sprechen Männer an – eine Verbin- schlungen-werden, zur Vereinnahmung, zum dung zwischen Liturgie und Indianerspiel. Sie lächelnden Korsett, zur Pseudoharmonie, die sollten möglichst draussen stattfinden. Die letztlich Orientierung verliert. Männer sollten in Bewegung sein. Es muss Männer suchen weniger die Beheimatung im etwas los sein und etwas zu tun geben. Nicht Schoss der Mutter Kirche als vielmehr die unwichtig ist, dass Männer unter sich sein Herausforderung. Es geht ihnen weniger um können, denn Männer bilden gerne Seilschaf- Geborgenheit als vielmehr um eine Aufgabe ten oder Rudel. Das sind aber keine Gemein- und sie wollen als Männer wahrgenommen, schaften, bei denen man sich in die Augen akzeptiert und herausgefordert sein.
Männer glauben anders – Markus Hofer 3 Mythen versus Psychologie Orte und Formen ein, und Männer können mit „Männer können einfach nicht so gut ihre diesen Regeln gut umgehen. Im Ritual möch- Gefühle ausdrücken.“ Wenn nun das Glau- ten Männer ganz genau wissen, was man von bensleben mit dem Ausmass von Gefühlsaus- ihnen erwartet. Die Religion hilft den Män- drücken gleichgesetzt wird, haben Männer nern, wenn sie ihnen klare, redliche und er- vermutlich nie eine Chance. Männerglaube reichbare Ziele bietet. erscheint dann immer karg, einsilbig, stumm. Ex 15,20: Die Prophetin Mirjam nahm die Allan Guggenbühl meint dagegen: „Männer Pauke in die Hand, und alle Frauen zogen mit dürfen nicht in das Korsett der Psychologie Paukenschlag und Tanz hinter ihr her.“ Da- gezwungen werden, sondern wir müssen von, dass Moses oder andere Männer mitge- ihnen ihre Suche nach den Mythen erlauben, tanzt hätten, steht allerding nichts im Text. damit sie ihre Energien in die Zivilisation Frauen berichten oft, dass sie in ihren spiritu- einbringen können.“ (in Männer Mythen, ellen Treffen auch malen und tanzen – das Mächte) Nur aus der Sicht der Psychologie ist verscheucht die Männer. Männer sollen auch der Mann ein Seelenkrüppel, weil eine Psy- weiterhin nicht mittanzen dürfen, wenn ihnen chologie, die ihre Akzente auf Beziehung, nicht danach ist. Doch viele Männer wissen Gefühle und das Persönliche setzt, den Mann zwar, was sie nicht wollen, aber umgekehrt nur unvollständig erfassen kann. Für Männer herrscht Ratlosigkeit. Männer müssen auch braucht es eine andere Seelenbrille. selber Schritte tun. Man kann eben den Menschen aus der Psy- chologie heraus zu verstehen suchen, von Jesus für Männer einer Innenschau auf das Umfeld und Verhal- Eine Ordensfrau schrieb: „Der Begriff König ten schliessen, oder aber das Aussen ins Vi- scheint hohl geworden zu sein. Von einem sier nehmen, die Mythen betrachten, zu denen alleinigen Herrscher wollen die meisten heute der Mensch sich hingezogen fühlt. Männer nichts mehr wissen. Unsere Zeit hat andere wollen sich am mythischen Wesen realisieren, Namen für Christus. Ich nenne ihn Freund, Frauen orientieren sich am Psychischen. Für Bruder, Erlöser und Begleiter. Er ist mein den Mann sind Mythen numinose, archaische Du.“ Erklärungsgeschichten, an denen Menschen Aber wie viele Männer können das sagen? sich orientieren können, an denen sie teilha- Männern tut eine gewisse respektvolle Dis- ben können und die ihnen damit auch das tanz besser als ein Jesus im Pocketformat zum Gefühl von Sinn vermitteln. Mythen kommen Einstecken, so ganz Du auf Du. nicht von innen, sondern von aussen. Sie zie- Das heute verbreitete Jesusbild scheint, ge- hen und lenken, sie geben die Richtung, hel- messen an einem Blick in die Evangelien, fen das Leben zu verstehen und zu bewälti- gesoftet, weichgespült und gehübscht – Jesus gen. light. dagegen sagte Richard Rohr: „Jesus war Wenn nun die Kirche vorrangig zum Ort von keine Frau mit Bart.“ Jesus hat den Menschen Trost und Besinnung wird, verliert sie einiges eben nicht nur die Füsse, sondern auch den an mythologischer Ausstrahlung. Kopf gewaschen. Männliche Spiritualität ist eben wortkarger, Jesus breitet uns keinen Teppich aus, damit aber auch archaischer, erdiger, mehr ins Han- wir gut durchs Leben kommen: „Geht durch deln orientiert, zweifellos ritualisierter und das enge Tor!“ (Mt 7,13) Aus ist es bei ihm sicher pathetischer. Männer schätzen im All- mit jeder Bequemlichkeit: „Wer mein Jünger gemeinen die moderne Eventkultur weniger. sein will, der verleugne sich selbst, nehme das Stille, Ruhe, Regelmässiges, Vorgegebenes Kreuz auf sich und folge mir nach.“ (Mt und Ritualisiertes spricht Männer im religiö- 16,24) Für Jesus gibt es nicht das sowohl – als sen Bereich mehr an als Spontaneität, Kreati- auch, denn er kennt nur das radikale entweder ves und freie Formen. Die populären männli- – oder: „Wer nicht für mich ist, der ist gegen chen Traditionen von Judentum und Islam mich.“ (Mt 12,30) usw. halten für das tägliche Gebet feste Zeiten,
Männer glauben anders – Markus Hofer 4 Jesus und die Archetypen Was bedeutet es, wenn Jesus sagt: „Niemand König, Krieger, Magier, Liebhaber. kennt den Sohn, nur der Vater?“ Kraftvolle Bilder können oft mehr bewirken als theoretische Überlegungen, können Orien- Ablösung von der Mutter tierung und Vision geben, tief greifende Ver- Jesus war sicher kein Muttersohn. Die Belege änderungen bewirken, manchmal eine fast für seine Ablösung von der Mutter beginnen erleuchtende Wirkung zeigen. mit dem Bericht des 12-Jährigen im Tempel. Der König ist der, der den Überblick hat und Seine dortige Antwort besagt: „Ich bin jetzt seinen Platz einnimmt. Er hat Verantwortung erwachsen. Ich gehöre jetzt nicht mehr zu dir, für andere und nimmt sie wahr mit dem Ziel, Mutter.“ Ein Sohn löst sich von der Mutter dass es allen Anvertrauten gut geht. Er weiss, und bekennt sich zum ‚Vater’. Dann auch die was nötig ist, und trägt dafür Sorge (unreife: Berichte in Mt 12,48; Mk 3,33 und Lk 8,19. Diktatoren). Lk 11,27: „Als er das sagte, rief eine Frau aus Der Krieger weiss, dass man für etwas einste- der Menge: Selig die Frau, deren Leib dich hen muss. er kennt nur das Ja und das Nein, getragen ... Er aber antwortete: Selig vielmehr aber er kämpft für Ziele und schützt die Gren- die, die das Wort Gottes hören und es befol- zen (unreife: Gewalttäter). gen.“ Es war ein Versuch, die Bedeutung der Der Magier ist wie der Hofnarr eine Art Ge- Mütter ins Spiel zu bringen, letztlich auch ein genspieler, der schaut, dass nichts in den Versuch der mütterlichen Vereinnahmung. Himmel wächst. Seine innere Weisheit, die Jesu Antwort ist nicht die Anbiederung eines getragen ist von einem ‚sowohl – als auch’, Muttersohns, sondern eine Form der Ablö- weiss, dass alle nur mit Wasser kochen, setzt sung von der Mutter, die sich kaum radikaler einen Gegenpol zur Klarheit des Kriegers denken lässt. oder manchmal auch des Königs (unreife: Scharlatan). Initiation und Berufung Der Liebhaber sorgt dafür, dass das Ganze Taufe: Berufung kann nicht nur innerer Akt auch Farbe hat. Er weiss, dass es nicht nur sein. Sich berufen zu fühlen macht es nicht den Kopf gibt, sondern auch das Herz, dass es aus. Johannes spricht die Berufung objektiv nicht nur die Zweckmässigkeit gibt, sondern aus, und damit wird sie zum Auftrag, den auch die Schönheit. er macht das Leben erst Jesus sich nicht selber geben kann. Selbst eigentlich geniessbar und er hat eine grosse ernannte Wanderprediger werden gerne zy- Lust auf das Leben (unreif: reiner Konsu- nisch oder totalitär, weil sie sich selbst an den ment). Platz gestellt haben und damit ständig angrei- Und Jesus? Das Element des Königs kommt fen oder verteidigen müssen. bei ihm eher nicht vor. Es ist bei Gott dem Der Höhepunkt der Taufszene ist aber der Vater. Archetypisch gesehen war Jesus vor Segen des Vaters. Wie gut würde es jedem allem Krieger und Liebhaber in einer unver- Mann tun solche Worte von seinem Vater zu gleichlichen Kombination: Er wäscht den hören: Du bist mein geliebter Sohn. Es wäre Kopf und die Füsse. Faszinierend ist, in wel- uns und der Welt vieles erspart geblieben, cher Weise er beides gleichzeitig bzw. kurz hätten bestimmte Männer diese väterliche hintereinander sein konnte, wie er wechselte Anerkennung bekommen und nichts mehr zwischen Liebhaber und Krieger. beweisen müssen. Die mütterlich-frauliche Bewunderung tut gut, aber sie allein macht Stationen eines Mannes süchtig und abhängig wie beim klassischen In der Geschichte des Abendlandes gibt es Macho, der sein Mannsein ständig demonst- niemanden, der so viel und so bedeutsam von rieren muss und nicht zur Ruhe kommt. Erst seinem Vater redet, zumal er nicht greifbar da der Segen des Vaters, erst seine Anerkennung ist. Jesus der Vaterlose, der deshalb eine schafft eine ruhige, kraftvolle Bestätigung als übergrosse Sehnsucht nach dem Vater hat und Mann: Du bist in Ordnung, du brauchst es mit gleichsam von Gott Vater adoptiert wurde. nicht mehr zu beweisen.
Männer glauben anders – Markus Hofer 5 Vater unser Der souveräne Liebhaber Die Vaterwunde ist universal. Wir finden es Jesus hat sich berühren lassen, körperlich in allen Kulturen, dass Menschen zu wenig (auch von Frauen) emotionell (weint über Zuwendung und Liebe vom Vater erfahren Jerusalem usw.). Dabei hat er sich nicht nur haben. Dass uns eine Mutter liebt, das kennen die ,schönen’ Gefühle, sondern genauso ‚ne- wir, das haben die meisten von uns erfahren. gative’ Emotionen geleistet: Wut, Zorn, Darum beten viele Katholiken lieber zu Ma- Angst. Er ist zu allen seinen Gefühlen gestan- ria. Aber von einem Mann, von einem Vater den und dabei von anderen unabhängig ge- geliebt zu werden, das ist uns schon viel we- blieben. Jesus hat sich zärtlich den Kindern niger vertraut. Es ist aber nicht weniger wich- zugewandt und war doch nicht nur zärtlich. Er tig. Darum beten wir jetzt: Vater unser ... war von anderen unabhängig, im guten Sinne Was Macht Jesus nach dieser grossartigen souverän und hat sich nicht auffressen lassen. Bestätigung? Er geht in die Wüste. Initiation Jesus hat sich immer wieder zurückgezogen. ist keine Auszeichnung, kein Lob für etwas, Er war nicht nur für die Menge, nicht nur für das noch nicht geleistet wurde. Initiation hat die anderen da, sondern hat ebenso Grenzen viel mehr mit dem Lernen von Demut zu tun, gesetzt und war gerne allein. Wenn es nicht auch wenn sie eine Bestätigung ist. Die Wüste mehr anders ging, hat er sich auch abgewandt und die Versuchung stehen für den oft müh- wie von seiner Heimat Galiläa. samen Weg der Reifung, der den Mann befä- Jesus hat Menschen geheilt, aber er hat es so higt, seinen Auftrag wahr zu nehmen. getan, dass er sich damit nicht selbst in den Mittelpunkt gestellt hat. Er hat die Heilungen Jesus und die Männer und Frauen nicht auf sich, das eigene Können, die eigene Jesus hat sich nicht mit anderen Männern zu- Grossartigkeit bezogen, sondern auf den sammengetan, um sich stark zu fühlen oder Glauben der Geheilten selber („Dein Glaube gar über Frauen herzuziehen. Trotzdem – und hat dir geholfen“). Er hat geheilt, ohne dass er das ist nicht unwichtig – hat sich Jesus mit sich damit über die Geheilten gestellt oder sie Männern umgeben. Aber auch wenn sie im durch die Erwartung von Dankbarkeit ent- Probleme machten hat er nicht die Seiten ge- mündigt hätte. Jesus hat sich selbst ernst ge- wechselt und ist nicht zu den Frauen überge- nommen, aber nicht wichtig. Er hat in einem laufen, weil die netter und pflegeleichter sind. Auftrag gehandelt in einer Berufung, die nicht Jesus hat nichts getan um seine Männlichkeit aus ihm selbst kam. Diese Berufung hat ihm zu beweisen, weil er darin ganz klar war; was die nötige Kraft gegeben, die Liebe und die mit dem Thema Vater zusammenhängt. er ist Distanz und hat ihn vor jeder eitlen Selbstver- seinen Weg gegangen, ohne nach dem Erfolg herrlichung bewahrt. zu schielen. Er hat sich nie bewundern lassen. Und wenn er Erfolg hat, hat er auf den Vater Das Ende verwiesen. Es kommt im Leben oft anders, als man(n) Gegen alle gesellschaftliche Realität war Je- denkt, und auch die Karriereleiter führt be- sus den Frauen gegenüber fair du solidarisch. kanntlich nicht in den Himmel, sondern an die Am Brunnen (Lk 8) lässt er sich auch von Decke. Jesus hat „Karriere“ gemacht. Der einer Frau etwas sagen. Jesus hat sich von Einzug in Jerusalem war gewissermassen der Frauen aushalten und sich von ihnen zärtlich Höhepunkt. Und dann kommt alles anders ... pflegen lassen, aber er hat sich nicht mit den Viele Männer in der Lebensmitte erleben ge- Frauen verbündet, sich ihnen nicht angepasst, nau das. Sie mühen sich ab, machen Karriere, sich nicht vereinnahmen lassen. Er war ge- setzen sich ein und irgendwann macht die genüber Frauen in jedem Sinne frei und sou- Lebenskurve unweigerlich einen Knicks. verän. Es ging ihm auch nie um ihre Bewun- Plötzlich stellt sich die schicksalhafte Frage: derung oder Zuneigung. War es das? Das ungelebte Leben, das Uner- reichte und das fragmenthaft Gebliebene taucht mit grosser Wucht auf und ist unwei-
Männer glauben anders – Markus Hofer 6 gerlich verbunden mit der Erkenntnis, dass Wert klar ist, und das ist Gott selber. „ In das Leben nicht mehr zurückgedreht werden Umkehr und Ruhe ... (Jes 30,15). kann. In diesem Sinn darf der Ölberg durch- aus symbolisch genommen werden für das Haschen nach Wind (Kohelet - Prediger) Erleben von Grenzen und Scheitern, für die Kohelet macht klar, dass der Mensch nicht Depressionen vieler Männer in der Lebens- nur vom Job allein lebt, dass unser Leben mitte: „Da ergriff ihn Angst und Traurigkeit.“ begrenzt ist und das Anhäufen von Besitz und Jesus folgt seiner Berufung, auch wenn er sie Ehre nicht dessen Sinn sein kann. Das Motto sich vielleicht anders vorgestellt hat. Er ringt, kann nicht lauten: Je mehr, umso besser. Das klagt, verzweifelt, weint, aber er weicht nicht Kriterium lautet: Führen sie zu Freude und aus, er geht hindurch. Genau darin aber bleibt Glück? Denn Kohelet versteht sich als Anlei- Jesus sich selber treu, erlebt zwar ein schreck- tung zum Glücklichsein (3,22). Ein erster liches Ende, das aber kein Ende ist. Ratschlag, der für viele Männer eine heilvolle Er durchlebt alle denkbaren Höllen bis hin zur Perspektive sein könnte: „Besser eine Hand grössten Verzweiflung: „Mein Gott, warum voll und Ruhe, als beide Hände voll und Ar- hat du mich verlassen?“ Er, der wie kein an- beit und Luftgespinst“ (4,6). Weniger kann derer vom Vater gesprochen hat, sich von ihm also in jeder Beziehung mehr sein. getragen wusste, von ihm auserwählt war, erlebt sich nun als von ihm verlassen. Er redet Ein lebender Hund ist besser als ein toter Lö- angesichts seines Todes nicht von Auferste- we (9,4) hung, sondern von Verzweiflung. Erlösung Kohlelets Perspektive wendet sich nicht beginnt dort, wo er selber loslässt und damit grundsätzlich gegen Arbeit, Anstrengung und getragen wird: „Vater in deine Hände emp- Besitz, doch manche Männer wissen gar nicht fehle ich meinen Geist.“ Es würde Männern mehr, wofür sie sich anstrengen. „Ich weiss gut tun, wenn sie nicht erst angesichts des zwar nicht, wohin ich will, dafür bin ich aber Todes diese Worte mitsprechen könnten. schneller dort.“ Auf dem Friedhof gibt es vie- le unersetzliche Männer – tote Löwen. Aber Gott und seine Männer eben, man(n) lebt nicht um zu arbeiten, son- „Religion ist etwas für die, die es brauchen, dern arbeitet um zu leben. Auf dem Grabstein aber nicht für richtige Männer.“ Im alleinigen von Marie Luise Kaschnitz steht: „Selig, die Glauben an sich selbst überfordern sich Män- gelebt, bevor sie starben. ner und manch einer macht sich in diesem männlichen Grössenwahn selbst kaputt, und Gott fürchten (5,6) letztlich machen kaputte Männer auch die Viele haben in ihrer Geschichte Gott nicht als Welt kaputt. einen Liebhaber des Lebens erfahren, sondern Mit der Verdrängung der Religion verbunden eher als Spielverderber. „Gott fürchten“, wie ist auch die Verleugnung des Todes und der es bei Kohelet immer wieder heisst, bedeutet eigenen Begrenztheit. Das Leben wird dann nicht vor ihm Angst haben, sondern es geht zur letzten Gelegenheit. Ist mit dem Tode dabei um die Achtung und den Respekt vor alles aus, entsteht ein Lebensstau. Was noch dem noch Grösseren. Das heisst gerade für erlebt und getan werden muss, staut sich auf Männer, dass ich nicht alles überblicken kann, diese immer kürzer werdende Zeit. Lebens- dass ich nicht allmächtig bin und niemals al- freude wird zum Lebensstress. Männer ohne les im Griff haben kann, dass es eine Ver- Lebensorientierung drohen zu ertrinken, sei es schwendung des Lebens ist, alles kontrollie- in Arbeit und Verantwortung, im Ehrgeiz ren zu wollen, dass ich vielleicht gar nicht so oder Alkohol. Wenn das Vorletzte mit dem wichtig bin, wie ich meine, dass sich das Le- Letzten verwechselt wird geraten die Werte ben nicht um mich dreht, sondern dass ich durcheinander. Ruhe kommt erst wieder in die Teil von etwas bin, das viel grösser als ich Rangordnung der Werte, wenn der oberste bin. Das heisst auch, dass ich vor ihm ver- stummen, auf ihn hören, zu ihm beten kann.
Männer glauben anders – Markus Hofer 7 Beten für Männer lässt sich von ihnen etwas sagen; er haftet Beten fordert Haltungen, die der traditionellen nicht an Status und Macht und ist genau des- Männerrolle widersprechen. Denn der Beter halb stark und mächtig; Er weiss, dass er nicht macht sich ganz klein und sagt: Ich weiss perfekt ist und es auch nicht sein muss. Und nicht mehr weiter, bitte hilf mir. Der Beter David steht wie ein Mann zu dem, was er kapituliert. Unausgesprochen gilt: Der Mann getan hat. Er übernimmt die Verantwortung hat keine Probleme und wenn, dann weiss er für seinen Taten. David ist aber nicht nur Kö- selber, was zu tun ist. Der Beter hingegen nig und Krieger, er ist auch ein Liebhaber, nimmt die umgekehrte Haltung ein: Ich weiss Musiker, Dichter und Tänzer. nicht mehr weiter. Gerade darum wäre Beten Solche Davids bräuchten wir, braucht Gott eine hervorragende Übung, um aus dem auch heute: Männer, die von leidenschaftli- männlichen Grössenwahn herauszukommen. chen Überzeugungen getragen sind, von Ein- Statt der Haltung „Ich muss alles machen!“ stellungen, die das Leben prägen und Ziele sagt der Beter: „Jetzt muss du!“ Man kann es vorgeben können, Männer, die berufen sind, auch ihm überlassen. die glauben, dass hinter ihnen noch einmal ein Wenn es heisst: Wenn ihr bittet, wird euch grösserer Vater steht, der sie liebt. Ein solcher gegeben, dann geht das nur, wenn wir offen Glaube kann Männer entlasten, sie befreien und frei sind für Neues. und ihnen die Kraft für ihre Aufgabe geben. Häufig scheitern Männer daran, dass sie sich Der Glaube an einen noch Grösseren kann sie nicht vergegenwärtigen, was sie selber wol- vor männlichem Grössenwahn bewahren und len. Sie lassen sich von Frau, Kinder, Chef zu wahrer männlicher Grösse führen. Erlöste und Gesellschaft vorschreiben, was sie tun Männer können viel zur Erlösung der Welt sollen, sind ständig beschäftigt und kommen beitragen. gar nicht dazu innezuhalten. Beten wäre eine solche Form des Innehaltens, um zu sehen: Wo stehe ich eigentlich? Was will ich eigent- lich? Was will Gott von mir? Aber das Entscheidende beim Beten ist: Man muss es tun! Und es braucht ein wenig Übung, wie das Fussballspiel. Man fängt ein- fach an, entwickelt immer mehr Freude dabei und findet im Tun auch der eigenen Stil, die Form, die einem passt und liegt. Stark und Sündig Die biblischen Männerfiguren sind keine Frömmler, sondern viel eher Heilige mit Dreck am Stecken. Aber sie machen nicht nur einen Job, sondern sie folgen ihrer Berufung mit allen Sackgassen. Z.B. Handelt David nicht für sich, sondern dient einem höheren Auftrag. Er weiss sich getragen und geliebt von Gott und handelt aus dieser Haltung her- aus. So glaubt er an sich, weil er gewiss ist, dass Gott an ihn glaubt. Er kennt seinen eige- nen Willen, ist aber auch offen für den Willen Gottes. Er steht zu seinen Gefühlen; redet mit Gott; ist fähig, Situationen anzunehmen, wie sie eben sind – und weiss auch, was nicht zu ändern ist; er schätzt und achtet seine Berater,
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