Männer glauben anders - Markus Hofer

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Männer glauben anders – Markus Hofer                                1

Vorwort                                           gen Gemeinden wurde das Vorsteheramt vom
Markus Hofer ist Männerreferent der Katholi-      Vater auf den Sohn weitervererbt. So entstan-
schen Kirche Vorarlberg.                          den Familienclans, denen es vor allem um den
                                                  Machterhalt ging. Zudem gab es neben den
Brief an Josef                                    bestandenen Familienvätern auch die frei-
Auf den Weihnachtsbildern stehst du am            schwebenden, ehelosen Wanderprediger. Die
Rande. Lieber Josef, wenn wir ehrlich sind,       Abwertung dessen, der sich abrackert für Frau
warst du in unserer kirchlichen Tradition nur     und Kind, scheint schon sehr früh begonnen
wichtig, wenn es um das Arbeiten und Nähren       zu haben.
ging Ist das nicht ein Bild, das heute noch in
Kirche und Gesellschaft am Werk ist?              Wüstenväter
„Wortlos“ oder zumindest wortkarg sind die        Bevor aus dem Gott der Väter der Gott der
Männer in Glaubenssachen heute noch. Män-         Priester und Frauen wird, schiebt sich noch
ner sind gerne Teil eines „grossen Plans“. Das    eine Phase abenteuerlichen Christentums ein,
gibt ihnen Aufgabe und Bedeutung. Männer          die vorwiegend von Männern getragen wird.
schätzen das Gefühl, wichtig zu sein, und         In Ägypten im Jahre 271 zieht sich Antonius
haben deshalb Probleme, wenn sie nur gehor-       in die Wüste zurück. er predigt nicht, betreut
chen dürfen. Sie hoffen insgeheim, dass Gott      keine Gemeinde und gründet keine Klöster.
sie liebt, auch wenn sie nicht nur „klein“ und    Er löste eine unvorstellbare Bewegung aus.
„gering“ sind und möglichst auf Sex verzich-
ten wie der gute (arme) Josef.                    Fromme Frauen
                                                  Zur gleichen Zeit entdeckten in Rom reiche
Männerkirche ohne Männer                          Witwen das zölibatäre Leben. Obwohl das
Alle wesentlichen Leitungsfunktionen sind         Pflichtzölibat für Priester erst 1139 durch
von Männern besetzt. Aber der Sonntagsgot-        Papst Innozenz II. erlassen wurde, bildete sich
tesdienst lässt weniger an eine Männerkirche      in der Spätantike (4/5 Jahrh.) eine Phase her-
denke. Männer sind aus der Kirche ver-            aus in der die fromme Elite nicht mehr einem
schwunden.                                        Hausstand vorstand. Seit damals ist das ehelo-
Die katholische Kirche ist im Grunde eine         se Priestertum zur Gewohnheit geworden.
von Frauen getragene und von Männern in           Denn durch das Erbrecht gingen der Kirche
Frauenkleidern geleitete Institution, aber nur    viele Pfründe verloren. Das Zölibat setzte sich
von solchen, die auf ihre Sexualität verzich-     aber erst in der Zeit nach dem Konzil von
ten.                                              Trient (1545-1563) endgültig durch.

Religion der Väter                                Religion der Mütter
Es gab eine Zeit, da wurde noch von der Reli-     Im Zuge der Industrialisierung wurde aus dem
gion der Väter geredet. Die Väter spielten im     Vater, der für die religiöse Erziehung zustän-
religiösen Kontext eine Rolle (Israeliten). Sie   dig war ein Vater, der morgens aus dem Haus
waren im eigenen Haus Priester, und die Wei-      geht und abends müde heimkommt. Seine
tergabe des Glaubens war eine spezifisch vä-      Bedeutung in der Familie schrumpft. Die
terliche Aufgabe.                                 Kindererziehung geht an die Mutter über und
Aber schon früh wurde die tragende Rolle der      Religion wird zunehmend zur Frauensache.
Väter professionalisiert – die Priester im        Gelingt den Söhnen die Ablösung von der
Tempel übernahmen diese Rolle. Das waren          Mutter nicht und fehlen die männlichen Vor-
aber noch keine zölibatäre Priester – im Ge-      bilder, kann der Junge keine reife Männlich-
genteil. Auch Paulus war es noch klar, dass       keit entwickeln. in seiner Not glaubt er Männ-
der Vorsteher einer Gemeinde verheiratet und      lichkeit sei das Gegenteil dessen, was die
ein guter Familienvater sein musste (1. Tim       Mutter macht. Wenn die Mutter religiös ist,
3,1f). Schon gegen Ende des ersten Jahrhun-       dann ist es der Sohn nicht mehr. Der Mann
derts kam es zum Machtmissbrauch. In eini-
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geht auch gegenüber der „Mutter Kirche“ auf        sieht und gefragt wird: Und jetzt drück einmal
Distanz.                                           aus, wie es dir so geht.“ Es geht um handfes-
Die Vaterentbehrung ist das eigentliche Di-        tes Tun, im Gehen, Singen und Werken.
lemma der Männer heute, denn als Mutter-           Der Archetyp des Kriegers scheint in der Kir-
sohn nehmen sie oft die Rolle als Partnerer-       che verloren gegangen zu sein.
satz ein. In dieser Rolle erleben sie sich aber    Der Glaube enthält das Tremendum (Erschre-
immer unvollständig, abhängig und klein. Die       ckende) und das Fascinosum (Faszinierende).
Selbstwertproblematik hat viel mit den Erfah-      Die Männer scheinen mehr auf der Seite des
rungen mit den Müttern zu tun. Und wenn            Tremendum zu stehen, denn die männliche
man die Mutter verlässt, dann kommen               Kraft und Aggression weiss um schreckliche
Schuldgefühle auf, diese machen klein, ab-         Gratwanderungen und Abgründe und um die
hängig und ohnmächtig. Dabei hätte gerade          Schatten des Lebens. In den heutigen Kirchen
der Blick auf den Vater sein Heilsames.            scheint vieles den Männern aber zu harmo-
                                                   nisch, zu heil und schön, letztlich zu fromm.
Kein Platz für Männer                              Ihre Lebensrealität kommt darin nicht mehr
Männer ziehen sich schnell zurück oder gehen       vor. Die Juden durften in den Psalmen noch
zumindest auf Distanz, wenn sie sich nicht         fluchen und klagen, den heutigen Männern ist
ganz ernst genommen fühlen, wenn eine um-          das kaum mehr gestattet oder es wird zur
fassende männliche Perspektive keinen Platz        männlichen Unart degradiert. Wenn ihnen
hat. Angesichts der Allianz der Frauen und         dann noch das Weiblich-Harmonische als
Priester werfen Männer schnell das Handtuch.       moralisches Vorbild entgegengehalten wird,
Auch sind Arbeit, Politik, Geldverdienen oft       sind die Männer endgültig weg, weil sie sich
keine positiven kirchlichen Themen. Geld zu        nicht mehr ernst genommen fühlen. es ist
verdienen war etwas Profanes, wenn nicht gar       eben auch eine Tatsache, dass das Leben mit
Sündhaftes. Und die Sexualität sah man als         Sanft- und Langmut nicht bestritten werden
notwendiges Übel an. Wer Männer nicht mit          kann.
ihrer Sexualität ernst nimmt, nimmt die Män-
ner nicht ernst, denn sie erleben Sexualität als   Phallisch versus utural
einen wichtigen und starken Teil ihrer selbst.     Das phallische Muster sucht mehr das Drauf-
Das Judentum hatte da noch einen ganz ande-        gängerische, Eindringliche und Vordrängen-
ren Bezug – jüdischer Spruch: „Drei Dinge          de. Kraft und Aggression, kirchlich eher als
gibt es, die den Vorgeschmack auf das andere       destruktiv gesehen, können etwas weiterbrin-
Leben geben: die Sonne, der Sabbat und der         gen, Klarheit schaffen und für Grenzen sor-
Beischlaf.“                                        gen.
                                                   Das uturale Muster setzt hingegen mehr auf
Mann- Frau – Priester. Eine Aufstellung            Gemeinsamkeit, auf Beziehungen und Har-
Ausgehend von der systemischen Theorie             monie, auf Geborgenheit.
nach Bert Hellinger wird das System Mann,          Phallische Energie allein führt in unkontrol-
Frau, Priester diskutiert.                         lierte Tätigkeit, zu Verausgabung und Herzin-
                                                   farkt, zu einsamem und unsinnigem Helden-
Männer glauben anders                              tum. Uturale Energie allein führt zum Ver-
Rituale sprechen Männer an – eine Verbin-          schlungen-werden, zur Vereinnahmung, zum
dung zwischen Liturgie und Indianerspiel. Sie      lächelnden Korsett, zur Pseudoharmonie, die
sollten möglichst draussen stattfinden. Die        letztlich Orientierung verliert.
Männer sollten in Bewegung sein. Es muss           Männer suchen weniger die Beheimatung im
etwas los sein und etwas zu tun geben. Nicht       Schoss der Mutter Kirche als vielmehr die
unwichtig ist, dass Männer unter sich sein         Herausforderung. Es geht ihnen weniger um
können, denn Männer bilden gerne Seilschaf-        Geborgenheit als vielmehr um eine Aufgabe
ten oder Rudel. Das sind aber keine Gemein-        und sie wollen als Männer wahrgenommen,
schaften, bei denen man sich in die Augen          akzeptiert und herausgefordert sein.
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Mythen versus Psychologie                        Orte und Formen ein, und Männer können mit
„Männer können einfach nicht so gut ihre         diesen Regeln gut umgehen. Im Ritual möch-
Gefühle ausdrücken.“ Wenn nun das Glau-          ten Männer ganz genau wissen, was man von
bensleben mit dem Ausmass von Gefühlsaus-        ihnen erwartet. Die Religion hilft den Män-
drücken gleichgesetzt wird, haben Männer         nern, wenn sie ihnen klare, redliche und er-
vermutlich nie eine Chance. Männerglaube         reichbare Ziele bietet.
erscheint dann immer karg, einsilbig, stumm.     Ex 15,20: Die Prophetin Mirjam nahm die
Allan Guggenbühl meint dagegen: „Männer          Pauke in die Hand, und alle Frauen zogen mit
dürfen nicht in das Korsett der Psychologie      Paukenschlag und Tanz hinter ihr her.“ Da-
gezwungen werden, sondern wir müssen             von, dass Moses oder andere Männer mitge-
ihnen ihre Suche nach den Mythen erlauben,       tanzt hätten, steht allerding nichts im Text.
damit sie ihre Energien in die Zivilisation      Frauen berichten oft, dass sie in ihren spiritu-
einbringen können.“ (in Männer Mythen,           ellen Treffen auch malen und tanzen – das
Mächte) Nur aus der Sicht der Psychologie ist    verscheucht die Männer. Männer sollen auch
der Mann ein Seelenkrüppel, weil eine Psy-       weiterhin nicht mittanzen dürfen, wenn ihnen
chologie, die ihre Akzente auf Beziehung,        nicht danach ist. Doch viele Männer wissen
Gefühle und das Persönliche setzt, den Mann      zwar, was sie nicht wollen, aber umgekehrt
nur unvollständig erfassen kann. Für Männer      herrscht Ratlosigkeit. Männer müssen auch
braucht es eine andere Seelenbrille.             selber Schritte tun.
Man kann eben den Menschen aus der Psy-
chologie heraus zu verstehen suchen, von         Jesus für Männer
einer Innenschau auf das Umfeld und Verhal-      Eine Ordensfrau schrieb: „Der Begriff König
ten schliessen, oder aber das Aussen ins Vi-     scheint hohl geworden zu sein. Von einem
sier nehmen, die Mythen betrachten, zu denen     alleinigen Herrscher wollen die meisten heute
der Mensch sich hingezogen fühlt. Männer         nichts mehr wissen. Unsere Zeit hat andere
wollen sich am mythischen Wesen realisieren,     Namen für Christus. Ich nenne ihn Freund,
Frauen orientieren sich am Psychischen. Für      Bruder, Erlöser und Begleiter. Er ist mein
den Mann sind Mythen numinose, archaische        Du.“
Erklärungsgeschichten, an denen Menschen         Aber wie viele Männer können das sagen?
sich orientieren können, an denen sie teilha-    Männern tut eine gewisse respektvolle Dis-
ben können und die ihnen damit auch das          tanz besser als ein Jesus im Pocketformat zum
Gefühl von Sinn vermitteln. Mythen kommen        Einstecken, so ganz Du auf Du.
nicht von innen, sondern von aussen. Sie zie-    Das heute verbreitete Jesusbild scheint, ge-
hen und lenken, sie geben die Richtung, hel-     messen an einem Blick in die Evangelien,
fen das Leben zu verstehen und zu bewälti-       gesoftet, weichgespült und gehübscht – Jesus
gen.                                             light. dagegen sagte Richard Rohr: „Jesus war
Wenn nun die Kirche vorrangig zum Ort von        keine Frau mit Bart.“ Jesus hat den Menschen
Trost und Besinnung wird, verliert sie einiges   eben nicht nur die Füsse, sondern auch den
an mythologischer Ausstrahlung.                  Kopf gewaschen.
Männliche Spiritualität ist eben wortkarger,     Jesus breitet uns keinen Teppich aus, damit
aber auch archaischer, erdiger, mehr ins Han-    wir gut durchs Leben kommen: „Geht durch
deln orientiert, zweifellos ritualisierter und   das enge Tor!“ (Mt 7,13) Aus ist es bei ihm
sicher pathetischer. Männer schätzen im All-     mit jeder Bequemlichkeit: „Wer mein Jünger
gemeinen die moderne Eventkultur weniger.        sein will, der verleugne sich selbst, nehme das
Stille, Ruhe, Regelmässiges, Vorgegebenes        Kreuz auf sich und folge mir nach.“ (Mt
und Ritualisiertes spricht Männer im religiö-    16,24) Für Jesus gibt es nicht das sowohl – als
sen Bereich mehr an als Spontaneität, Kreati-    auch, denn er kennt nur das radikale entweder
ves und freie Formen. Die populären männli-      – oder: „Wer nicht für mich ist, der ist gegen
chen Traditionen von Judentum und Islam          mich.“ (Mt 12,30) usw.
halten für das tägliche Gebet feste Zeiten,
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Jesus und die Archetypen                         Was bedeutet es, wenn Jesus sagt: „Niemand
König, Krieger, Magier, Liebhaber.               kennt den Sohn, nur der Vater?“
Kraftvolle Bilder können oft mehr bewirken
als theoretische Überlegungen, können Orien-     Ablösung von der Mutter
tierung und Vision geben, tief greifende Ver-    Jesus war sicher kein Muttersohn. Die Belege
änderungen bewirken, manchmal eine fast          für seine Ablösung von der Mutter beginnen
erleuchtende Wirkung zeigen.                     mit dem Bericht des 12-Jährigen im Tempel.
Der König ist der, der den Überblick hat und     Seine dortige Antwort besagt: „Ich bin jetzt
seinen Platz einnimmt. Er hat Verantwortung      erwachsen. Ich gehöre jetzt nicht mehr zu dir,
für andere und nimmt sie wahr mit dem Ziel,      Mutter.“ Ein Sohn löst sich von der Mutter
dass es allen Anvertrauten gut geht. Er weiss,   und bekennt sich zum ‚Vater’. Dann auch die
was nötig ist, und trägt dafür Sorge (unreife:   Berichte in Mt 12,48; Mk 3,33 und Lk 8,19.
Diktatoren).                                     Lk 11,27: „Als er das sagte, rief eine Frau aus
Der Krieger weiss, dass man für etwas einste-    der Menge: Selig die Frau, deren Leib dich
hen muss. er kennt nur das Ja und das Nein,      getragen ... Er aber antwortete: Selig vielmehr
aber er kämpft für Ziele und schützt die Gren-   die, die das Wort Gottes hören und es befol-
zen (unreife: Gewalttäter).                      gen.“ Es war ein Versuch, die Bedeutung der
Der Magier ist wie der Hofnarr eine Art Ge-      Mütter ins Spiel zu bringen, letztlich auch ein
genspieler, der schaut, dass nichts in den       Versuch der mütterlichen Vereinnahmung.
Himmel wächst. Seine innere Weisheit, die        Jesu Antwort ist nicht die Anbiederung eines
getragen ist von einem ‚sowohl – als auch’,      Muttersohns, sondern eine Form der Ablö-
weiss, dass alle nur mit Wasser kochen, setzt    sung von der Mutter, die sich kaum radikaler
einen Gegenpol zur Klarheit des Kriegers         denken lässt.
oder manchmal auch des Königs (unreife:
Scharlatan).                                     Initiation und Berufung
Der Liebhaber sorgt dafür, dass das Ganze        Taufe: Berufung kann nicht nur innerer Akt
auch Farbe hat. Er weiss, dass es nicht nur      sein. Sich berufen zu fühlen macht es nicht
den Kopf gibt, sondern auch das Herz, dass es    aus. Johannes spricht die Berufung objektiv
nicht nur die Zweckmässigkeit gibt, sondern      aus, und damit wird sie zum Auftrag, den
auch die Schönheit. er macht das Leben erst      Jesus sich nicht selber geben kann. Selbst
eigentlich geniessbar und er hat eine grosse     ernannte Wanderprediger werden gerne zy-
Lust auf das Leben (unreif: reiner Konsu-        nisch oder totalitär, weil sie sich selbst an den
ment).                                           Platz gestellt haben und damit ständig angrei-
Und Jesus? Das Element des Königs kommt          fen oder verteidigen müssen.
bei ihm eher nicht vor. Es ist bei Gott dem      Der Höhepunkt der Taufszene ist aber der
Vater. Archetypisch gesehen war Jesus vor        Segen des Vaters. Wie gut würde es jedem
allem Krieger und Liebhaber in einer unver-      Mann tun solche Worte von seinem Vater zu
gleichlichen Kombination: Er wäscht den          hören: Du bist mein geliebter Sohn. Es wäre
Kopf und die Füsse. Faszinierend ist, in wel-    uns und der Welt vieles erspart geblieben,
cher Weise er beides gleichzeitig bzw. kurz      hätten bestimmte Männer diese väterliche
hintereinander sein konnte, wie er wechselte     Anerkennung bekommen und nichts mehr
zwischen Liebhaber und Krieger.                  beweisen müssen. Die mütterlich-frauliche
                                                 Bewunderung tut gut, aber sie allein macht
Stationen eines Mannes                           süchtig und abhängig wie beim klassischen
In der Geschichte des Abendlandes gibt es        Macho, der sein Mannsein ständig demonst-
niemanden, der so viel und so bedeutsam von      rieren muss und nicht zur Ruhe kommt. Erst
seinem Vater redet, zumal er nicht greifbar da   der Segen des Vaters, erst seine Anerkennung
ist. Jesus der Vaterlose, der deshalb eine       schafft eine ruhige, kraftvolle Bestätigung als
übergrosse Sehnsucht nach dem Vater hat und      Mann: Du bist in Ordnung, du brauchst es mit
gleichsam von Gott Vater adoptiert wurde.        nicht mehr zu beweisen.
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Vater unser                                        Der souveräne Liebhaber
Die Vaterwunde ist universal. Wir finden es        Jesus hat sich berühren lassen, körperlich
in allen Kulturen, dass Menschen zu wenig          (auch von Frauen) emotionell (weint über
Zuwendung und Liebe vom Vater erfahren             Jerusalem usw.). Dabei hat er sich nicht nur
haben. Dass uns eine Mutter liebt, das kennen      die ,schönen’ Gefühle, sondern genauso ‚ne-
wir, das haben die meisten von uns erfahren.       gative’ Emotionen geleistet: Wut, Zorn,
Darum beten viele Katholiken lieber zu Ma-         Angst. Er ist zu allen seinen Gefühlen gestan-
ria. Aber von einem Mann, von einem Vater          den und dabei von anderen unabhängig ge-
geliebt zu werden, das ist uns schon viel we-      blieben. Jesus hat sich zärtlich den Kindern
niger vertraut. Es ist aber nicht weniger wich-    zugewandt und war doch nicht nur zärtlich. Er
tig. Darum beten wir jetzt: Vater unser ...        war von anderen unabhängig, im guten Sinne
Was Macht Jesus nach dieser grossartigen           souverän und hat sich nicht auffressen lassen.
Bestätigung? Er geht in die Wüste. Initiation      Jesus hat sich immer wieder zurückgezogen.
ist keine Auszeichnung, kein Lob für etwas,        Er war nicht nur für die Menge, nicht nur für
das noch nicht geleistet wurde. Initiation hat     die anderen da, sondern hat ebenso Grenzen
viel mehr mit dem Lernen von Demut zu tun,         gesetzt und war gerne allein. Wenn es nicht
auch wenn sie eine Bestätigung ist. Die Wüste      mehr anders ging, hat er sich auch abgewandt
und die Versuchung stehen für den oft müh-         wie von seiner Heimat Galiläa.
samen Weg der Reifung, der den Mann befä-          Jesus hat Menschen geheilt, aber er hat es so
higt, seinen Auftrag wahr zu nehmen.               getan, dass er sich damit nicht selbst in den
                                                   Mittelpunkt gestellt hat. Er hat die Heilungen
Jesus und die Männer und Frauen                    nicht auf sich, das eigene Können, die eigene
Jesus hat sich nicht mit anderen Männern zu-       Grossartigkeit bezogen, sondern auf den
sammengetan, um sich stark zu fühlen oder          Glauben der Geheilten selber („Dein Glaube
gar über Frauen herzuziehen. Trotzdem – und        hat dir geholfen“). Er hat geheilt, ohne dass er
das ist nicht unwichtig – hat sich Jesus mit       sich damit über die Geheilten gestellt oder sie
Männern umgeben. Aber auch wenn sie im             durch die Erwartung von Dankbarkeit ent-
Probleme machten hat er nicht die Seiten ge-       mündigt hätte. Jesus hat sich selbst ernst ge-
wechselt und ist nicht zu den Frauen überge-       nommen, aber nicht wichtig. Er hat in einem
laufen, weil die netter und pflegeleichter sind.   Auftrag gehandelt in einer Berufung, die nicht
Jesus hat nichts getan um seine Männlichkeit       aus ihm selbst kam. Diese Berufung hat ihm
zu beweisen, weil er darin ganz klar war; was      die nötige Kraft gegeben, die Liebe und die
mit dem Thema Vater zusammenhängt. er ist          Distanz und hat ihn vor jeder eitlen Selbstver-
seinen Weg gegangen, ohne nach dem Erfolg          herrlichung bewahrt.
zu schielen. Er hat sich nie bewundern lassen.
Und wenn er Erfolg hat, hat er auf den Vater       Das Ende
verwiesen.                                         Es kommt im Leben oft anders, als man(n)
Gegen alle gesellschaftliche Realität war Je-      denkt, und auch die Karriereleiter führt be-
sus den Frauen gegenüber fair du solidarisch.      kanntlich nicht in den Himmel, sondern an die
Am Brunnen (Lk 8) lässt er sich auch von           Decke. Jesus hat „Karriere“ gemacht. Der
einer Frau etwas sagen. Jesus hat sich von         Einzug in Jerusalem war gewissermassen der
Frauen aushalten und sich von ihnen zärtlich       Höhepunkt. Und dann kommt alles anders ...
pflegen lassen, aber er hat sich nicht mit den     Viele Männer in der Lebensmitte erleben ge-
Frauen verbündet, sich ihnen nicht angepasst,      nau das. Sie mühen sich ab, machen Karriere,
sich nicht vereinnahmen lassen. Er war ge-         setzen sich ein und irgendwann macht die
genüber Frauen in jedem Sinne frei und sou-        Lebenskurve unweigerlich einen Knicks.
verän. Es ging ihm auch nie um ihre Bewun-         Plötzlich stellt sich die schicksalhafte Frage:
derung oder Zuneigung.                             War es das? Das ungelebte Leben, das Uner-
                                                   reichte und das fragmenthaft Gebliebene
                                                   taucht mit grosser Wucht auf und ist unwei-
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gerlich verbunden mit der Erkenntnis, dass          Wert klar ist, und das ist Gott selber. „ In
das Leben nicht mehr zurückgedreht werden           Umkehr und Ruhe ... (Jes 30,15).
kann. In diesem Sinn darf der Ölberg durch-
aus symbolisch genommen werden für das              Haschen nach Wind (Kohelet - Prediger)
Erleben von Grenzen und Scheitern, für die          Kohelet macht klar, dass der Mensch nicht
Depressionen vieler Männer in der Lebens-           nur vom Job allein lebt, dass unser Leben
mitte: „Da ergriff ihn Angst und Traurigkeit.“      begrenzt ist und das Anhäufen von Besitz und
Jesus folgt seiner Berufung, auch wenn er sie       Ehre nicht dessen Sinn sein kann. Das Motto
sich vielleicht anders vorgestellt hat. Er ringt,   kann nicht lauten: Je mehr, umso besser. Das
klagt, verzweifelt, weint, aber er weicht nicht     Kriterium lautet: Führen sie zu Freude und
aus, er geht hindurch. Genau darin aber bleibt      Glück? Denn Kohelet versteht sich als Anlei-
Jesus sich selber treu, erlebt zwar ein schreck-    tung zum Glücklichsein (3,22). Ein erster
liches Ende, das aber kein Ende ist.                Ratschlag, der für viele Männer eine heilvolle
Er durchlebt alle denkbaren Höllen bis hin zur      Perspektive sein könnte: „Besser eine Hand
grössten Verzweiflung: „Mein Gott, warum            voll und Ruhe, als beide Hände voll und Ar-
hat du mich verlassen?“ Er, der wie kein an-        beit und Luftgespinst“ (4,6). Weniger kann
derer vom Vater gesprochen hat, sich von ihm        also in jeder Beziehung mehr sein.
getragen wusste, von ihm auserwählt war,
erlebt sich nun als von ihm verlassen. Er redet     Ein lebender Hund ist besser als ein toter Lö-
angesichts seines Todes nicht von Auferste-         we (9,4)
hung, sondern von Verzweiflung. Erlösung            Kohlelets Perspektive wendet sich nicht
beginnt dort, wo er selber loslässt und damit       grundsätzlich gegen Arbeit, Anstrengung und
getragen wird: „Vater in deine Hände emp-           Besitz, doch manche Männer wissen gar nicht
fehle ich meinen Geist.“ Es würde Männern           mehr, wofür sie sich anstrengen. „Ich weiss
gut tun, wenn sie nicht erst angesichts des         zwar nicht, wohin ich will, dafür bin ich aber
Todes diese Worte mitsprechen könnten.              schneller dort.“ Auf dem Friedhof gibt es vie-
                                                    le unersetzliche Männer – tote Löwen. Aber
Gott und seine Männer                               eben, man(n) lebt nicht um zu arbeiten, son-
„Religion ist etwas für die, die es brauchen,       dern arbeitet um zu leben. Auf dem Grabstein
aber nicht für richtige Männer.“ Im alleinigen      von Marie Luise Kaschnitz steht: „Selig, die
Glauben an sich selbst überfordern sich Män-        gelebt, bevor sie starben.
ner und manch einer macht sich in diesem
männlichen Grössenwahn selbst kaputt, und           Gott fürchten (5,6)
letztlich machen kaputte Männer auch die            Viele haben in ihrer Geschichte Gott nicht als
Welt kaputt.                                        einen Liebhaber des Lebens erfahren, sondern
Mit der Verdrängung der Religion verbunden          eher als Spielverderber. „Gott fürchten“, wie
ist auch die Verleugnung des Todes und der          es bei Kohelet immer wieder heisst, bedeutet
eigenen Begrenztheit. Das Leben wird dann           nicht vor ihm Angst haben, sondern es geht
zur letzten Gelegenheit. Ist mit dem Tode           dabei um die Achtung und den Respekt vor
alles aus, entsteht ein Lebensstau. Was noch        dem noch Grösseren. Das heisst gerade für
erlebt und getan werden muss, staut sich auf        Männer, dass ich nicht alles überblicken kann,
diese immer kürzer werdende Zeit. Lebens-           dass ich nicht allmächtig bin und niemals al-
freude wird zum Lebensstress. Männer ohne           les im Griff haben kann, dass es eine Ver-
Lebensorientierung drohen zu ertrinken, sei es      schwendung des Lebens ist, alles kontrollie-
in Arbeit und Verantwortung, im Ehrgeiz             ren zu wollen, dass ich vielleicht gar nicht so
oder Alkohol. Wenn das Vorletzte mit dem            wichtig bin, wie ich meine, dass sich das Le-
Letzten verwechselt wird geraten die Werte          ben nicht um mich dreht, sondern dass ich
durcheinander. Ruhe kommt erst wieder in die        Teil von etwas bin, das viel grösser als ich
Rangordnung der Werte, wenn der oberste             bin. Das heisst auch, dass ich vor ihm ver-
                                                    stummen, auf ihn hören, zu ihm beten kann.
Männer glauben anders – Markus Hofer                                  7

Beten für Männer                                   lässt sich von ihnen etwas sagen; er haftet
Beten fordert Haltungen, die der traditionellen    nicht an Status und Macht und ist genau des-
Männerrolle widersprechen. Denn der Beter          halb stark und mächtig; Er weiss, dass er nicht
macht sich ganz klein und sagt: Ich weiss          perfekt ist und es auch nicht sein muss. Und
nicht mehr weiter, bitte hilf mir. Der Beter       David steht wie ein Mann zu dem, was er
kapituliert. Unausgesprochen gilt: Der Mann        getan hat. Er übernimmt die Verantwortung
hat keine Probleme und wenn, dann weiss er         für seinen Taten. David ist aber nicht nur Kö-
selber, was zu tun ist. Der Beter hingegen         nig und Krieger, er ist auch ein Liebhaber,
nimmt die umgekehrte Haltung ein: Ich weiss        Musiker, Dichter und Tänzer.
nicht mehr weiter. Gerade darum wäre Beten         Solche Davids bräuchten wir, braucht Gott
eine hervorragende Übung, um aus dem               auch heute: Männer, die von leidenschaftli-
männlichen Grössenwahn herauszukommen.             chen Überzeugungen getragen sind, von Ein-
Statt der Haltung „Ich muss alles machen!“         stellungen, die das Leben prägen und Ziele
sagt der Beter: „Jetzt muss du!“ Man kann es       vorgeben können, Männer, die berufen sind,
auch ihm überlassen.                               die glauben, dass hinter ihnen noch einmal ein
Wenn es heisst: Wenn ihr bittet, wird euch         grösserer Vater steht, der sie liebt. Ein solcher
gegeben, dann geht das nur, wenn wir offen         Glaube kann Männer entlasten, sie befreien
und frei sind für Neues.                           und ihnen die Kraft für ihre Aufgabe geben.
Häufig scheitern Männer daran, dass sie sich       Der Glaube an einen noch Grösseren kann sie
nicht vergegenwärtigen, was sie selber wol-        vor männlichem Grössenwahn bewahren und
len. Sie lassen sich von Frau, Kinder, Chef        zu wahrer männlicher Grösse führen. Erlöste
und Gesellschaft vorschreiben, was sie tun         Männer können viel zur Erlösung der Welt
sollen, sind ständig beschäftigt und kommen        beitragen.
gar nicht dazu innezuhalten. Beten wäre eine
solche Form des Innehaltens, um zu sehen:
Wo stehe ich eigentlich? Was will ich eigent-
lich? Was will Gott von mir?
Aber das Entscheidende beim Beten ist: Man
muss es tun! Und es braucht ein wenig
Übung, wie das Fussballspiel. Man fängt ein-
fach an, entwickelt immer mehr Freude dabei
und findet im Tun auch der eigenen Stil, die
Form, die einem passt und liegt.

Stark und Sündig
Die biblischen Männerfiguren sind keine
Frömmler, sondern viel eher Heilige mit
Dreck am Stecken. Aber sie machen nicht nur
einen Job, sondern sie folgen ihrer Berufung
mit allen Sackgassen. Z.B. Handelt David
nicht für sich, sondern dient einem höheren
Auftrag. Er weiss sich getragen und geliebt
von Gott und handelt aus dieser Haltung her-
aus. So glaubt er an sich, weil er gewiss ist,
dass Gott an ihn glaubt. Er kennt seinen eige-
nen Willen, ist aber auch offen für den Willen
Gottes. Er steht zu seinen Gefühlen; redet mit
Gott; ist fähig, Situationen anzunehmen, wie
sie eben sind – und weiss auch, was nicht zu
ändern ist; er schätzt und achtet seine Berater,
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