II Kleine Beiträge Pro scientia, competentia et praestantia - Brill

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Archiv für Katholisches Kirchenrecht
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                               II Kleine Beiträge

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Pro scientia, competentia et praestantia
         von Heribert Hallermann

Die Veröffentlichung des Nachsynodalen Apostolischen Schreibens “Querida
Amazonia“ durch Franziskus am 02. Februar 20201 hat – auch im deutsch-
sprachigen theologischen Bereich – vielfältige Reaktionen hervorgerufen.
Einige dieser Reaktionen sind ein beredtes Beispiel dafür, dass lehramtliche
Schreiben eines Papstes gerne durch eine Brille betrachtet werden, die im
Sinne eigener Interessen durchgefärbt ist. Entsprechend der etwa aufgrund
von Veröffentlichungen oder anderen öffentlichen Stellungnahmen bekannten
jeweiligen Grundeinstellung fallen die Kommentare und Beurteilungen hierzu
ganz unterschiedlich aus. So stellt etwa der katholische Dogmatiker Michael
Seewald, Münster, der jüngst das Buch „Reform – Dieselbe Kirche anders
denken“2 veröffentlicht hatte, im Interview mit dem “Kölner Stadt-Anzeiger“

  Vgl. c. 212 § 3 CIC: „Pro scientia, competentia et praestantia quibus pollent, ipsis ius est,
  immo et aliquando officium, ut sententiam suam de his quae ad bonum Ecclesiae pertinent
  sacris Pastoribus manifestent eamque, salva fidei morumque integritate ac reverentia erga
  Pastores, attentisque communi utilitate et personarum dignitate, ceteris christifidelibus
  notam faciant.“ – „Entsprechend ihrem Wissen, ihrer Zuständigkeit und ihrer hervor-
  ragenden Stellung haben sie das Recht und bisweilen sogar die Pflicht, ihre Meinung in dem,
  was das Wohl der Kirche angeht, den geistlichen Hirten mitzuteilen und sie unter Wahrung
  der Unversehrtheit des Glaubens und der Sitten und der Ehrfurcht gegenüber den Hirten
  und unter Beachtung des allgemeinen Nutzens und der Würde der Personen den übrigen
  Gläubigen kundzutun.“
1 Vgl. Franziskus, Esortazione Apostolica Postsinodale “Querida Amazonia“ vom 02.02.2020:
  http://w2.vatican.va/content/francesco/it/apost_exhortations/documents/papa-francesco_
  esortazione-ap_20200202_querida-amazonia.html [Zugriff: 23.02.2020]. – Bei der Zitation
  von “Querida Amazonia“ wird im Folgenden die Abkürzung QA verwendet.
2 Vgl. Seewald, Michael, Reform – Dieselbe Kirche anders denken, Freiburg i. Br. 2019.

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am 18. Februar 2020 fest, dass der von DBK und ZdK initiierte Synodale Weg
wegen des Papstschreibens in Teilen hinfällig sei: „Für Frauen wird sich in der
Kirche nichts zum Besseren wenden, und Veränderungen an der ehelosen
Lebensform der Priester wird es auf absehbare Zeit nicht geben.“3 Auch der
Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke sieht in einem Beitrag für “Die Tages-
post“ vom 14. Februar 2020 aufgrund des Papstschreibens kaum Spielraum für
Reformen. Das Vorhaben, beim Synodalen Weg bis zum Herbst 2021 zu ver-
bindlichen Beschlüssen zu kommen, hält er für Augenwischerei, und in der
ihm eigenen zynischen Art wiederholt er beinahe gebetsmühlenartig seine
zentrale These von der inferioren Stellung der Laien in der Kirche,4 die vor
allem „gemeingehorsam zu sein“5 hätten. Kardinal Gerhard Ludwig Müller
hingegen, der frühere Präfekt der Römischen Glaubenskongregation, der
sich zum “Instrumentum Laboris“ der Amazonas-Synode besonders kritisch
geäußert und eine kirchenpolitische Vernetzung zwischen der Bischofssynode
und dem synodalen Prozess im Bereich der DBK mit dem Ziel eines Umbaus
der Weltkirche vermutet hatte,6 kommt demgegenüber zu einer vollkommen
anderen Einschätzung: Er sieht in “Querida Amazonia“ ein „Dokument der
Versöhnung“ und ein „pastorales Schreiben von prophetischer Kraft“.7 Offen-
sichtlich fand sich Franziskus in dieser Einschätzung wider, denn er bedankte
sich bei seinem “lieben Mitbruder“ in einem handschriftlichen Brief für dessen
Kommentar zu “Querida Amazonia“.8 Nachdem das Verhältnis zwischen
Franziskus und Kardinal Müller aufgrund der wiederholt vorgetragenen Kritik

3 Ders., Synodaler Weg wegen Papstschreiben in Teilen hinfällig, 18.02.2020: https://www.
  katholisch.de/artikel/24566-seewald-synodaler-weg-wegen-papstschreiben-in-teilen
  -hinfaellig [Zugriff: 23.02.2020].
4 Vgl. Lutz, Maximilian (DT), Kirchenrechtler Lüdecke: Kaum Spielraum für Reformen,
  14.02.2020: https://www.die-tagespost.de/kirche-aktuell/aktuell/Kirchenrechtler-Luedecke
  -Kaum-Spielraum-fuer-Reformen;art4874,205535 [Zugriff: 23.02.2020]. – Vgl. auch Lüdecke,
  Norbert – Bier, Georg, Das römisch-katholische Kirchenrecht. Eine Einführung, unter Mit-
  arbeit von Anuth, Bernhard Sven, Stuttgart 2012, insbes. 97–112.
5 Lüdecke – Bier, Das römisch-katholische Kirchenrecht (Anm. 5), 93.
6 Vgl. Lutz, Maximilian (DT), Müller wiederholt Kritik an DBK und Amazonas-Synode,
  26.07.2019: https://www.die-tagespost.de/kirche-aktuell/Mueller-wiederholt-Kritik-an-DBK-
  und-Amazonas-Synode;art312,200009 [Zugriff: 23.02.2020].
7 Müller, Gerhard Ludwig, Ein Dokument der Versöhnung, 12.02.2020: https://www.die
  -tagespost.de/kirche-aktuell/aktuell/Ein-Dokument-der-Versoehnung;art4874,205422
  [Zugriff: 23.02.2020].
8 Vgl. cbr/KNA, Papst dankt Kardinal Müller für Kommentar zu “Querida Amazonia“, 16.02.2020:
  https://www.katholisch.de/artikel/24550-papst-dankt-kardinal-mueller-fuer-kommentar
  -zu-querida-amazonia [Zugriff: 23.02.2020].

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des Kardinals9 in den vergangen Jahren eher belastet war, dürfte sich Müller
über dieses päpstliche Lob gefreut haben wie das früher eifrige Schülerinnen
und Schüler bei einem Fleißbildchen getan haben.
   Dass nur noch zwölf Prozent der Deutschen einer Umfrage der Zeitung
“Die Tagespost“ zufolge in Franziskus einen Reformpapst sehen, 48 Prozent
diese Bezeichnung aber explizit ablehnen und 32 Prozent nicht wissen, wie sie
Franziskus diesbezüglich einschätzen sollen,10 wird angesichts der disparaten
öffentlichen Einschätzungen zu “Querida Amazonia“ nicht verwundern,
allerdings wird für die meisten Befragten auch nicht recht klar gewesen sein,
welche Inhalte sie mit dem Begriff “Reform“ eigentlich verbinden sollten. Bei
den Stimmen aus dem Bereich der deutschsprachigen Theologie allerdings
wird ersichtlich, dass deren Beurteilung der päpstlichen Reform(un-)willig-
keit nicht von einem allgemeinen “Wünsch Dir was“ getragen ist. Unaus-
gesprochener Beurteilungsmaßstab ist vielmehr die Frage, ob und inwieweit
die kirchenpolitische Agenda des Synodalen Weges durch “Querida Amazonia“
befördert wird oder nicht. Dabei liegt auf der Hand, dass Zielsetzung und
Beratungsgegenstand der Amazonas-Synode “Neue Wege für die Kirche und
eine ganzheitliche Ökologie“11 waren und nicht die Tagesordnungspunkte der
Frankfurter Synodalversammlung.

1         “Querida Amazonia“ und die Gemeindeleitung

Auch die angebliche erstaunliche Entdeckung des systematischen Theologen
Michael Böhnke, Wuppertal, wonach Franziskus mit “Querida Amazonia“ ein
klerikales Monopol beende,12 scheint weniger vom Interesse für Amazonien
als von der kirchenpolitischen Agenda des Synodalen Wegs bestimmt zu sein13
und verdient gerade deshalb nähere Aufmerksamkeit.

9		    Vgl. ebd.
10		   Vgl. Umfrage: Viele Deutsche sehen Franziskus nicht als Reformpapst, 20.02.2020: https://
       www.katholisch.de/artikel/24594-umfrage-viele-deutsche-sehen-franziskus-nicht-als
       -reformpapst [Zugriff: 23.02.2020].
11		   Vgl. Segreteria Generale del Sinodo dei Vescovi, Instrumentum Laboris “Amazzonia: Nuovi
       Cammini per la Chiesa e per una Ecologia Integrale“: http://www.sinodoamazonico.
       va/content/sinodoamazonico/it/documenti/l-instrumentum-laboris-per-il-sinodo-sull
       -amazzonia1.html [Zugriff: 23.02.2020].
12		   Vgl. Böhnke, Michael, “Querida Amazonia“ ist das Ende eines klerikalen Monopols, 21.02.2020:
       https://www.katholisch.de/artikel/24597-querida-amazonia-ist-das-ende-eines-klerikalen
       -monopols [Zugriff: 23.02.2020].
13		   So behauptet etwa das Vorbereitende Forum III: Frauen in Diensten und Ämtern in der
       Kirche im Abschlussbericht der Arbeitsgruppe zur Vorbereitung des Synodalforums,

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   Böhnke äußert sich in seinem Beitrag in “katholisch.de“ als Kirchenrechtler
und verweist insofern implizit auf seine frühere Tätigkeit als Leiter der Abteilung
für Grundsatzfragen und Kirchliches Recht im Bischöflichen Generalvikariat
Aachen sowie auf seine mit knapp neunzig Druckseiten übersichtliche Dis-
sertation “Pastoral in Gemeinden ohne Pfarrer. Interpretation von c. 517 § 2
CIC/1983“ zurück.14 In seiner Dissertation hatte Böhnke zutreffend festgestellt,
dass der Diözesanbischof im Fall des Priestermangels „das pastorale Handeln
unmittelbar und verantwortlich insgesamt Personen anvertrauen [kann], die
nicht die Priesterweihe empfangen haben. Aus den Personen werden durch
die Anvertrauung der Teilhabe an der Wahrnehmung der Pastoral keine
‘Ersatzpriester‘. Implizit wird ihnen zusammen mit der Beauftragung die Voll-
macht übertragen, im Namen und Auftrag der Kirche in einer Pfarrei pastoral
zu handeln. Von Rechts wegen haben sie nicht das Pfarramt inne, und es
werden keine neuen kirchlichen Ämter begründet… . Der Codex knüpft ein
solches Vorgehen des Diözesanbischofs an die Bedingung, dass er gleichzeitig
einen Priester zu bestimmen habe, der die Hirtensorge moderiert.“15 Ebenso
zutreffend hatte er als eine der offenen Fragen festgehalten: „Die Diskussion
der Norm unter dem Aspekt der ‘Gemeindeleitung‘ – was man sich darunter
vorzustellen hat, müsste wohl zunächst einmal definiert werden – schafft
der Canon kein Sonderrecht, weil er davon nicht handelt.“16 Tatsächlich ist in
c. 517 § 2 CIC nicht von einer Gemeindeleitung durch Laien die Rede; hinzu
kommt, dass der Begriff der “Gemeindeleitung“, der dem universalkirchlichen
katholischen Kirchenrecht unbekannt ist und ursprünglich aus dem Bereich
des Verfassungsrechts der evangelischen Kirchen stammt, nach wie vor inter-
pretationsbedürftig ist und im Verfassungsrecht der katholischen Kirche sinn-
voll nur dort angewendet werden kann, wo zwischen der “Pfarrei“ und der

     Stand 23.10.2019: https://www.synodalerweg.de/fileadmin/Synodalerweg/Dokumente_
     Reden_Beitraege/SW-Vorlage-Forum-III.pdf [Zugriff: 23.02.2020] fälschlicherweise:
     „Can. 517 § 2/CIC 1983 ermöglicht die Leitung von Gemeinden und Pfarreien (auch)
     durch Laien, Frauen und Männer.“
14		 Vgl. Böhnke, Michael, Pastoral in Gemeinden ohne Pfarrer. Interpretation von c. 517 § 2
     CIC/1983, Essen 1994 (= Beiheft 12 zum MKCIC). Der Autor kam in Folge wiederholt auf
     dieses Thema zurück etwa in ders. – Schüller, Thomas (Hg.), Gemeindeleitung durch
     Laien?: Internationale Erfahrungen und Erkenntnisse, Regensburg 2011 oder in Böhnke,
     Michael, Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten des Diözesanbischofs bei Priestermangel:
     KuR 1997, 227–232.
15		 Böhnke, Pastoral in Gemeinden ohne Pfarrer (Anm. 14), 69. – Vgl. übereinstimmend
     Hallermann, Heribert, Pfarrei und pfarrliche Seelsorge. Ein kirchenrechtliches Handbuch
     für Studium und Praxis, Paderborn – München – Wien – Zürich 2004 (= KStKR 4), 125–141.
16		 Böhnke, Pastoral in Gemeinden ohne Pfarrer (Anm. 14), 71.

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“Gemeinde“ als einer Substruktur der Pfarrei unterschieden wird.17 Sofern
diese Unterscheidung gewahrt wird, bietet allerdings bereits das geltende
Kirchenrecht auf der Grundlage von c. 228 § 1 CIC die Möglichkeit, die Leitung
von Gemeinden im Sinne von Substrukturen einer Pfarrei, denen zwar die
Verwirklichung bestimmter pastoraler Aufgaben, nicht aber der umfassenden
Hirtensorge im Sinne der cc. 528–529 CIC aufgetragen ist, vollumfänglich
Nicht-Priestern anzuvertrauen und zu diesem Zweck auch entsprechende
Kirchenämter wie das einer “Gemeindeleiterin“ oder eines “Gemeindeleiters“
im Sinne des c. 145 CIC einzurichten.18 Ein Widerspruch zu cc. 150 und 521 § 1
CIC ergibt sich daraus nicht.
    Böhnke macht im genannten Beitrag in “katholisch.de“ darauf aufmerk-
sam, dass Franziskus in der Fußnote 136 auf c. 517 § 2 CIC Bezug genommen
habe.19 In diesem Zusammenhang habe er „von Laien als Gemeindeleitern
gesprochen und zudem daran erinnert, dass die Gemeindeleiter*innen auf
Dauer eingesetzt, öffentlich anerkannt und mit entsprechenden Vollmachten
ausgestattet werden müssen.“20 Diese zitierte Aussage von Böhnke, die er
fälschlicherweise Franziskus zuschreibt, ist schon insofern unzutreffend, als
im gesamten Dokument “Querida Amazonia“ der Begriff “Gemeindeleiter“
oder “Gemeindeleiterin“ nicht verwendet wird; es handelt sich folglich nicht
um eine Aussage des Papstes, sondern um eine Interpretation Böhnke’s, die er
möglicherweise aus dem zitierten c. 517 § 2 CIC ableitet. Allerdings ist auch in
diesem Gesetzestext weder sachlich noch begrifflich von dem die Rede, was
gewöhnlich mit “Gemeindeleitung“ bezeichnet wird: Die Leitung einer Pfarrei.
Hinzu kommt, dass Böhnke selbst in seiner Dissertation festgestellt hatte, dass
c. 517 § 2 CIC nicht von der Gemeindeleitung handle.21

2         Eine von Laien geprägte kirchliche Kultur

QA Nr. 94, der Abschnitt also, in dem sich die Fußnote 136 findet, steht unter
der Überschrift „Gemeinschaften voller Leben“.22 Im Zusammenhang von
QA Nr. 91–98 geht es Franziskus offensichtlich darum, angesichts des ver-
breiteten Priestermangels und der daraus resultierenden nur selten möglichen

17		   Vgl. Hallermann, Heribert, Art. Gemeindeleitung – Katholisch: LKRR Bd. 2, 170–172 sowie
       Hübner, Hans-Peter, Art. Gemeindeleitung – Evangelisch: LKRR Bd. 2, 172–173.
18		   Vgl. in diesem Zusammenhang auch c. 228 § 1 CIC.
19		   Vgl. QA Nr. 94.
20		   Böhnke, “Querida Amazonia“ (Anm. 13).
21		   Vgl. Anm. 16.
22		   Vgl. Überschrift vor QA Nr. 91.

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Feier der Eucharistie die kleinen örtlichen Gemeinschaften von Gläubigen
nicht nur unter dem Vorzeichen des Mangels zu betrachten, sondern er betont,
dass „die Ordensfrauen und die Laien selbst wichtige Verantwortung für das
Wachstum der Gemeinschaften übernehmen“23 sollen. Insofern, so fährt
Franziskus in QA Nr. 93 fort, geht es „also nicht nur darum, eine größere Präsenz
der geweihten Amtsträger zu ermöglichen, die die Eucharistie feiern können.
Dies wäre ein sehr begrenztes Ziel, wenn wir nicht auch versuchen würden,
neues Leben in den Gemeinden zu wecken. Wir müssen die Begegnung mit
dem Wort und das Wachstum in der Heiligkeit durch verschiedene Laien-
dienste fördern …“. Deswegen befürwortet er, „die Entwicklung einer eigenen
kirchlichen Kultur zu ermöglichen, die von Laien geprägt ist.“24 Es geht
Franziskus offenkundig um die Entwicklung einer eigenen kirchlichen Kultur,
die an der Existenz und den Handlungsmöglichkeiten der Laien Maß nimmt
und die sich nicht als bloße Nachahmung priesterlichen Handelns und somit
stets defizitär versteht. Die Forderung nach einer dauerhaften Präsenz reifer
verantwortlicher Laien, die über Autorität verfügen, will der Entwicklung einer
eigenen, von Laien geprägten kirchlichen Kultur dienen.25
   Die Gemeinschaften, um die es in diesen Abschnitten geht, werden im
wohl ursprünglichen italienischen Text stets mit dem unspezifischen Begriff
“comunità“ bezeichnet, im spanischen Text, der möglicherweise auch in Ent-
würfen verwendet wurde, als “comunidades“. Die deutsche Übersetzung mit
“Gemeinschaft“ ist insofern zutreffend.26 Ausdrücklich weist QA Nr. 103 „Frauen
einen echten und effektiven Einfluss in der Organisation, bei den wichtigsten
Entscheidungen und bei der Leitung von Gemeinschaften“ zu. In QA Nr. 96
werden explizit “Basisgemeinden“ (“comunità di base“ – “comunidades de
base“) erwähnt. Diese sind gemäß dem Direktorium für den Hirtendienst der

23		 QA Nr. 92: „C’è necessità di sacerdoti, ma ciò non esclude che ordinariamente i diaconi
     permanenti – che dovrebbero essere molti di più in Amazzonia –, le religiose e i laici
     stessi assumano responsabilità importanti per la crescita delle comunità e che maturino
     nell’esercizio di tali funzioni grazie ad un adeguato accompagnamento.“
24		 QA Nr. 94 (kursive Hervorhebung im Original). – Im Italienischen lautet die ent-
     sprechende Wendung „permettere lo sviluppo di una cultura ecclesiale propria, marcata-
     mente laicale.“
25		 Vgl. ebd. – Bei aller verständlichen Kritik an der Formulierung ließe sich aus dieser
     Perspektive einer von Laien geprägten Kirche auch die Aussage in QA Nr. 100 deuten,
     wonach Frauen nicht nur dann ein Status in der Kirche und eine größere Beteiligung ein-
     geräumt werden müsste, wenn sie zu den heiligen Weihen zugelassen würden.
26		 Der Vorschlag von Böhnke, “Querida Amazonia“ (Anm. 13), stattdessen den Begriff
     “Gemeinde“ zu verwenden, entspringt wohl eher seinem Wunsch, Frauen in der Funktion
     einer nicht näher definierten, aber gern mit der Leitung einer Pfarrei verwechselten
     “Gemeindeleitung“ zu sehen. Vgl. hierzu auch Anm. 14.

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Bischöfe zu verstehen als Untergliederungen von Pfarreien, wo sich Menschen
„treffen, um sich gegenseitig im christlichen Leben und in der christlichen
Bildung zu helfen und um die menschlichen und kirchlichen Probleme im
Hinblick auf ein gemeinsames Engagement zu teilen.“27
   Auch wenn gemäß QA Nr. 3 zitierende Bezugnahmen auf die in ihrem
Schlussdokument zusammengefassten Propositiones der Bischofssynode
fehlen, liegt es doch nahe, einen sachlichen Zusammenhang zwischen
den in QA erwähnten “Gemeinschaften“ oder “Basisgemeinden“ und den
kleinen missionarischen kirchlichen Gemeinschaften herzustellen, die in der
Propositio Nr. 95 erwähnt werden: Demnach erscheine es als dringend für die
Kirche Amazoniens, dass Dienste oder Ämter gefördert werden, die in gleicher
Weise Frauen und Männern zu übertragen sind. Das Netz der Ortskirche werde
nämlich auch in Amazonien von den kleinen missionarischen kirchlichen
Gemeinschaften zusammengehalten, die den Glauben pflegen, das Wort
hören und gemeinsam feiern und die dem Leben der Menschen nahe sind. Die
Kirche der getauften Männer und Frauen müsse gestärkt werden, indem das
Bewusstsein der Taufwürde und die darauf beruhende Fähigkeit, kirchliche
Dienste oder Ämter auszuüben, gefördert wird.28
   Was Böhnke als eine „erstaunliche Entdeckung“29 herausheben will, ist
eine altbekannte Tatsache: Frauen und Männer können gemäß c. 517 § 2 CIC
in Pfarreien, die keinen Pfarrer haben, innerhalb der ihnen übertragenen
Zuständigkeit verantwortlich an der Verwirklichung der pfarrlichen Hirten-
sorge mitarbeiten. Sie werden dadurch aber weder Pfarrer noch Ersatzpfarrer,
sondern sie üben einen originären Laiendienst im Sinne des c. 228 § 1 CIC
aus. Dabei arbeiten sie mit einem Priester zusammen, der die Hirtensorge
leitet und der dem Bischof gegenüber insbesondere für das Gelingen der
Zusammenarbeit aller Beteiligten verantwortlich ist. Diese mit der Revision des

27		 Kongregation für die Bischöfe, Direktorium für den Hirtendienst der Bischöfe. Über-
     setzung und Kommentar von Heribert Hallermann, Paderborn 2006 (= KStKR 7), 281
     Nr. 215 e). – Bei der Zitation aus dem Direktorium wird im Folgenden die Abkürzung DirH
     verwendet.
28		 Vgl. Sinodo dei Vescovi, Amazzonia: Nuovi Cammini per la Chiesa e per un’Ecologia
     integrale. Documento finale, 26.10.2019: http://www.vatican.va/roman_curia/synod/
     documents/rc_synod_doc_20191026_sinodo-amazzonia_it.html#Nuovi_cammini
     [Zugriff: 23.02.2020]: „Per la Chiesa amazzonica è urgente che si promuovano e si con-
     feriscano ministeri a uomini e donne in modo equo. Il tessuto della Chiesa locale, anche
     in Amazzonia, è garantito dalle piccole comunità ecclesiali missionarie che coltivano
     la fede, ascoltano la Parola e celebrano insieme, essendo vicine alla vita della gente. È la
     Chiesa degli uomini e delle donne battezzati che dobbiamo consolidare promuovendo
     la ministerialità e, soprattutto, la consapevolezza della dignità battesimale.“
29		 Böhnke, “Querida Amazonia“ (Anm. 13).

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CIC eröffnete Möglichkeit wird im Übrigen auf eine seit langem bestehende
Praxis in südamerikanischen Kirchen zurückgeführt.30 Auch ganz allgemein
scheinen sich die Vorschläge der Bischofssynode sowie die Ausführungen von
Franziskus über die Inkulturation der kirchlichen Dienststruktur in Amazonien
auf c. 228 § 1 CIC zu stützen. Gemeinsam fordern sie eine entsprechende Fort-
entwicklung kirchlicher Ämter und Dienste für Laien, für Frauen und Männer
gleichermaßen.

3        Verlässliche und dauerhafte Präsenz

Böhnke behauptet in seinem Beitrag in “katholisch.de“, dass in QA Nr. 94 und 103
„von c. 517 § 2 als einer ‘Lösung‘ auf Dauer“ die Rede sei. Dass diese Behauptung
unzutreffend ist, kann man bei aufmerksamer Lektüre der genannten Text-
stellen zweifelsfrei feststellen. Offensichtlich ist hier der Wunsch der Vater
des Gedankens, hinter dem die Auseinandersetzung steht, ob vom Gesetz-
geber mit c. 517 § 2 CIC eine befristete Ausnahmeregelung oder ein dauer-
haftes Modell eingeführt werden sollte.31 Der universalkirchliche Gesetzgeber
äußert sich zu dieser Frage ganz unmissverständlich. Weil im Fall des c. 517 § 2
CIC die betreffende Pfarrei vakant ist und bleibt, ist um der Verwirklichung
der Hirtensorge willen, auf die alle Gläubigen gemäß c. 213 CIC einen Rechts-
anspruch haben, die Norm des c. 151 CIC zu beachten, die eine zügige Wieder-
besetzung von Kirchenämtern fordert, die mit Seelsorge verbunden sind,
so dass sich daraus die Konsequenz ergibt, dass Vakanzen nicht strukturell
verfestigt werden dürfen. DirH Nr. 215 b) unterstreicht den diesbezüglichen
Willen des Gesetzgebers, wenn es sich im Zusammenhang der Erörterung
des c. 517 § 2 CIC an den zuständigen Diözesanbischof wendet: „Der Bischof
soll die Gläubigen dahingehend unterrichten, dass es sich um eine Notlösung
handelt, weil wegen des Priestermangels kein Pfarrer ernannt werden kann,
und er soll darum besorgt sein, diese Situation so bald als möglich zu beenden.“
Wer hingegen anstatt von der Hirtensorge her aus der Perspektive eines mög-
lichen beruflichen Aufstiegs von Pastoralreferentinnen oder -referenten hin zu
einer selbständigen beruflichen Stellung auf den c. 517 § 2 CIC schaut, der wird
natürlich größtes Interesse an einer dauerhaften und möglichst gesicherten
Stellung dieser hauptamtlichen Laien haben. Es liegt allerdings auf der Hand,
dass diese Perspektive sowohl dem universalkirchlichen Gesetzgeber als auch

30		 Vgl. Com 24 (1992), 110 und 13 (1981), 149.
31		 Vgl. Demel, Sabine, Handbuch Kirchenrecht. Grundbegriffe für Studium und Praxis.
     Zweite, durchgesehene und aktualisierte Auflage, Freiburg i. Br. – Darmstadt 2013, 492.

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der Bischofssynode über Amazonien wie auch “Querida Amazonia“ völlig
fremd ist. Ebenso wenig ist zu erkennen, dass “Querida Amazonia“ die Absicht
hätte, verfassungsrechtliche Strukturen der Kirche zu verändern oder neu zu
definieren; dies müsste nämlich explizit und unmissverständlich geschehen.
   Was meint aber dann „die stabile Präsenz reifer und mit Autorität begabter
verantwortlicher Laien, die die Sprachen, Kulturen, geistlichen Erfahrungen
sowie die Lebensweise der jeweiligen Gegend kennen und zugleich Raum
lassen für die Vielfalt der Gaben, die der Heilige Geist in uns sät“32 oder mit
den Frauen, die „einen echten und effektiven Einfluss in der Organisation, bei
den wichtigsten Entscheidungen und bei der Leitung von Gemeinschaften
haben, ohne dabei jedoch ihren eigenen weiblichen Stil aufzugeben“,33 wobei
QA Nr. 103 „daran erinnert, dass ein solcher Dienst Dauerhaftigkeit, öffentliche
Anerkennung und eine Beauftragung durch den Bischof voraussetzt.“? Die
Antwort ist womöglich in QA Nr. 99 zu finden. Dort ist einerseits von Priestern
die Rede, die nur gelegentlich in Gemeinschaften vorbeikommen,34 anderer-
seits ist dort von „der Präsenz von starken und engagierten Frauen“35 die Rede,
denen die betreffenden Gemeinschaften, trotz der nur punktuellen Besuche
von Priestern, ihre Dauerhaftigkeit und ihre Lebendigkeit sowie die kontinuier-
liche Weitergabe des Glaubens verdanken. Offenkundig geht es Franziskus um
diesen Kontrast: Die vielen kleinen Gemeinschaften in Amazonien bestehen
und überleben nicht aufgrund gelegentlicher Besuche von Priestern, die oft
genug von außen kommen, sondern aufgrund der verlässlichen und dauer-
haften Präsenz von Laien, die zudem mit den „Sprachen, Kulturen, geistlichen
Erfahrungen sowie der Lebensweise der jeweiligen Gegend“36 vertraut sind.
Und so kommt QA Nr. 94 zu dem Schluss: „Die Herausforderungen Amazoniens
verlangen von der Kirche eine besondere Anstrengung, um Präsenz in der
Fläche zu erreichen, was nur zu verwirklichen ist, wenn die Laien eine wirk-
same zentrale Rolle innehaben.“ Offensichtlich besteht genau darin die „Kirche
mit amazonischen Gesichtszügen“.37

32		 QA Nr. 94. – Von dieser Stelle aus wird mit Fußnote 136 auf c. 527 § 2 CIC verwiesen.
33		 QA Nr. 103.
34		 Vgl. Propositio Nr. 111 (Anm. 29): „Molte delle comunità ecclesiali del territorio amazzo-
     nico hanno enormi difficoltà di accesso all’Eucaristia. A volte trascorrono non solo mesi,
     ma addirittura diversi anni prima che un sacerdote possa tornare in una comunità per
     celebrare l’Eucaristia, offrire il sacramento della Riconciliazione o celebrare l’Unzione
     degli Infermi per i malati della comunità.“
35		 QA Nr. 99.
36		 QA Nr. 94.
37		 Ebd.

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4        Autorität, nicht Vollmacht

Wenn Laien die Kirche Amazoniens wesentlich mittragen und verantworten
sollen – und dies dauerhaft, öffentlich anerkannt und durch den Bischof
beauftragt38 – dann müssen sie auch mit den entsprechenden Handlungs-
möglichkeiten und Befugnissen ausgestattet sein, die für die entsprechenden
Kirchenämter oder Dienste erforderlich sind. Darauf weist bereits c. 145 § 2 CIC
in allgemeiner Form hin. Die von Franziskus geäußerte Überzeugung, dass „die
Frauen, die in der Tat eine zentrale Rolle in den Amazonasgemeinden spielen,
Zugang zu Aufgaben und auch kirchlichen Diensten haben [sollen], die nicht
die heiligen Weihen erfordern und es ihnen ermöglichen, ihren eigenen Platz
besser zum Ausdruck zu bringen“39 weist in dieselbe Richtung. QA Nr. 94
spricht von reifen und mit entsprechenden Vollmachten ausgestatteten ver-
antwortlichen Laien.
   Böhnke scheint, wie in diesem Zusammenhang sein Hinweis auf c. 274 § 1
CIC ergibt, den Begriff “Vollmacht“ nur verkürzt und lediglich im Sinne der
“potestas regiminis“, also der Leitungsvollmacht verstehen zu können, die
im Übrigen kraft der Weihe nur den Bischöfen, nicht aber anderen Klerikern
und auch nicht Laien zukommt. In diesem Sinn kann folglich der Begriff
“Vollmacht“ in QA Nr. 94 nicht gemeint sein. Zum einen könnte man darauf
hinweisen, dass auch die Begriffe “facultas“, also Befugnis, sowie “facultas
habitualis“ im Deutschen gerne mit “Vollmacht“ wiedergegeben werden;
der deutschsprachige Begriff “Vollmacht“ umfasst also weit mehr als die
Leitungs- oder Jurisdiktionsvollmacht: Es geht generell um die rechtliche
Möglichkeit, bestimmte Handlungen vorzunehmen.40 Allerdings werden die
Begriffe “facultas“ und “facultas habitualis“ in “Querida Amazonia“ nicht ver-
wendet. Zum anderen ist jedoch viel näher liegend daran zu denken, dass
sich mit dem Begriff “Vollmacht“ ein Übersetzungsproblem andeutet: In der
deutschen Übersetzung von QA Nr. 94 ist die Rede von „mit entsprechenden
Vollmachten ausgestatteter“ Laien. Diese Ausdrucksweise insinuiert, dass
jemandem – etwa mittels eines Amtes oder eines Dienstes – bestimmte Voll-
machten übertragen werden, die er vorher nicht hatte. Die italienische Version
hingegen lässt diesen Schluss nicht zu, denn sie spricht von „laici maturi e
dotati di autorità“, also von Laien, die mit Autorität ausgestattet oder begabt
sind. Im selben Sinn spricht die spanische Version von „líderes laicos maduros

38		 Vgl. QA Nr. 103.
39		 QA Nr. 103.
40		 Vgl. Rhode, Ulrich, Art. Befugnis – Katholisch: LKRR Bd. 1, 315–317 sowie ders. Art.
     Facultas habitualis – Katholisch: LKRR Bd. 2, 4–5.

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y dotados de autoridad.“ Reife und natürliche oder anerkannte Autorität wären
demnach die notwendige Voraussetzung dafür, dass die betreffenden Laien
verantwortliche Dienste oder Ämter in kirchlichen Gemeinschaften über-
nehmen können. Diese Perspektive wird bestätigt durch die Propositio Nr. 111,
wo die Rede ist von „uomini idonei e riconosciuti dalla comunità“, also von
geeigneten Männern, die von der Gemeinschaft anerkannt sind.41 QA Nr. 102
weist in dieselbe Richtung, wenn dort im Blick auf engagierte Frauen gesagt
wird, dass sie über „die vom Volk geschätzten Fähigkeiten“ verfügen.
   In den zitierten Textstellen geht es offenkundig darum, dass Frauen und
Männer, die besondere Aufgaben in kirchlichen Gemeinschaften übernehmen
sollen, über eine von Seiten der betreffenden Gemeinschaft anerkannte Autori-
tät verfügen, die ihnen in der Konsequenz Handlungsmöglichkeiten eröffnet.
Dies ist die notwendige Voraussetzung dafür, dass sie vom Bischof im Sinne
von QA Nr. 103 mit kirchlichen Diensten oder Ämtern beauftragt werden. Inso-
fern wird mit dem Verweis auf die anerkannte Autorität das Eignungskriterium
“idoneus“ (geeignet) im Sinne des c. 228 § 1 CIC spezifiziert. Mit seinem Ver-
weis auf c. 274 § 1 CIC, der in “Querida Amazonia“ weder im Fließtext noch in
einer der Fußnoten vorgenommen wird, ist Böhnke offenkundig einer stark
interpretierenden Übersetzung auf den Leim gegangen.42 Es ist in “Querida
Amazonia“ folglich nicht von „Laien als Trägern von Vollmachten die Rede“43.

5        Ein Lehrschreiben und kein Gesetz

Wie Böhnke in seinem Beitrag auf “katholisch.de“ schreibt, habe Franziskus
„sich für die Abschaffung des ‘Soli‘ entschieden. Er hat im Gegensatz zur wenig
stimmigen Norm von c. 274 § 1 CIC … festgelegt, dass Laien Ämter mit Voll-
macht zum sakramentalen Handeln und Leitungsgewalt übertragen werden
können.“ Eine solche Abschaffung beziehungsweise Änderung des c. 274 § 1
CIC wäre eine Gesetzesänderung oder Derogation geltenden Rechts durch
den Papst.44 Diese Möglichkeit ist ihm als dem universalkirchlichen Gesetz-
geber eröffnet, allerdings wäre dafür der Erlass eines päpstlichen Gesetzes

41		 Die Einschränkung auf Männer ist an dieser Stelle gegeben, weil im Textzusammenhang
     von der möglichen Weihe geeigneter, anerkannter und verheirateter Männer die Rede ist.
42		 Dass die deutsche Übersetzung insgesamt kritisch zu lesen ist, wird schon aus der Tat-
     sache ersichtlich, dass in Fußnote 136 die deutsche Übersetzung des c. 517 § 2 CIC sinn-
     verfälschend nach der längst überholten 1. Auflage des CIC lateinisch-deutsch und nicht
     nach der aktuellen 8. Auflage zitiert wird.
43		 So Böhnke, “Querida Amazonia“ (Anm. 13).
44		 Vgl. Wächter, Lothar, Art. Derogation – Katholisch: LKRR Bd. 1, 583.

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erforderlich, das die Gesetzesänderung mit der notwendigen Klarheit zum
Ausdruck bringt. Zudem müsste ein solches Gesetz gemäß c. 7 CIC promulgiert
werden.45
   “Querida Amazonia“ ist aber kein Gesetzestext, sondern ein Lehrschreiben,
mit dem Franziskus gemäß QA Nr. 3 das Schlussdokument der Amazonas-
Synode vorstellen und zu dessen vollständiger Lektüre einladen will. Bei
“Querida Amazonia“ handelt es sich um ein nachsynodales Apostolisches
Schreiben, nicht aber um ein Motu proprio oder ein Dekret, die üblichen
Formen päpstlicher Gesetzgebung.46 Allerdings gilt für alle Arten von
Apostolischen Schreiben, dass nicht allein aufgrund der Bezeichnung eines
Dokuments auf seinen Rechtscharakter geschlossen werden kann. Vielmehr
ist der Inhalt maßgeblich dafür, ob es sich bei einem Dokument tatsächlich
um eine Rechtsquelle handelt oder nicht.47 Nachdem im Text von “Querida
Amazonia“ aber an keiner Stelle der ausdrückliche Wille des Papstes zum
Ausdruck kommt, bestehendes Recht ändern oder neues Recht einführen zu
wollen, muss jede diesbezügliche Äußerung als irreführend zurückgewiesen
werden, weil feststeht: Mit “Querida Amazonia“ wird weder bestehendes Recht
geändert noch wird es im Sinn des c. 16 CIC authentisch interpretiert noch
wird neues Recht eingeführt.

6         Entsprechend dem Wissen und der Zuständigkeit

Alle Gläubigen haben gemäß c. 212 § 3 CIC das grundlegende Recht, manchmal
sogar die strenge Pflicht, den Hirten der Kirche und den übrigen Gläubigen
ihre Meinung zu dem, was das Wohl der Kirche angeht, mitzuteilen. Diese
Rechtspflicht ist an bestimmte Bedingungen gebunden wie die Wahrung der
Unversehrtheit von Glauben und Sitten, die Ehrfurcht gegenüber den Hirten
der Kirche, die Beachtung des allgemeinen Nutzens sowie der Schutz der
Würde der Personen. Den wissenschaftlich in der Theologie Tätigen wird mit
c. 218 CIC zudem Forschungsfreiheit und die Freiheit der klugen Meinungs-
äußerung in den Bereichen zugesprochen, in denen sie über Sachkenntnis
verfügen. Kritische Äußerungen, wie sie etwa zu “Querida Amazonia“ zu lesen
waren und sind, sind damit keinesfalls ausgeschlossen. Die kluge Meinungs-
äußerung setzt in Verbindung mit der geforderten Sachkenntnis aber voraus,
dass die geäußerte Meinung sachlich zutreffend und nachvollziehbar ist und

45		   Vgl. ders., Art. Gesetzgebung – Katholisch: LKRR Bd. 2, 334–336.
46		   Vgl. Meckel, Thomas, Art. Apostolisches Schreiben – Katholisch: LKRR Bd. 1, 212.
47		   Vgl. ebd.

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nicht durch eigene Interessen verfälscht wird. Diese wissenschaftsethische
Anforderung wäre eines vertieften Nachdenkens wert.
   Böhnke schreibt in seinem Beitrag auf “katholisch.de“ abschließend:
„Franziskus ist sich treu geblieben. Er denkt das Amt vom Volk her.“ Dem ist
eigentlich nichts hinzuzufügen, außer: Er denkt das Amt nicht von der Agenda
des Synodalen Weges her. Und das scheint für manche ein Problem zu sein.

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