Mars Guide WERNER E. CELNIK DER PRAXISRATGEBER ZUM ROTEN PLANETEN - K
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E Inhalt 4 MARS IM ÜBERBLICK 66 MARS IM TELESKOP 5 Mythos Mars 67 Teleskopsysteme 8 Frühe Beobachtungen 77 Beobachtungszubehör 13 Die Marsbahn 82 Beobachtungsbedingungen 20 Planet Mars und Monde 86 Mars beobachten 111 Mars zeichnen 24 MARS MIT BLOSSEM AUGE 118 Marsdetails 25 Orientierung am Himmel 127 Das Beobachtungsbuch 31 Die Marsopposition 2018 37 Sichtbarkeiten bis 2035 128 MARSFOTOGRAFIE 49 Technik Astrofotos 129 Fotos mit Teleskop 58 Erste Marsaufnahmen 133 Planetenkameras 63 Die Bildbearbeitung 139 Mars aufnehmen 144 Die Bildverarbeitung 2
148 PROJEKTE FÜR FORTGESCHRITTENE E ONLINE 149 Marsfotos auswerten Unter dem Link www.kosmos.de/Mars-Guide finden Sie 155 Marskarten erstellen weiterführende Informationen zu folgenden Themen: 159 Marsmonde erwischen 163 Bedeckungsereignisse — Beobachtungsinformationen 2018 166 Publikationen — Mars zeichnen — Soft ware Planetariumsprogramme — Soft ware Aufnahme + Bildverarbeitung 171 Zum Weiterlesen — Videos, Anleitungen und Animationen 172 Register — Nützliche Homepages von Amateurastronomen 174 Bildnachweis — Foren und Mailinglisten 175 Impressum — Vereine und (Internet-)Treffpunkte — Zeitschriften ANHANG — Teleskophändler — Astroreisen 176 Marskarte 177 Himmelsereignisse zur Opposition 2018 178 Marsschleifen der Oppositionsperioden 2018–2022, 2035 179 Marsschleifen der Oppositionsperioden 2025–2033 3
MYTHOS MARS Die Menschheit hat heute zahlreiche Raumsonden zum Mars geschickt, von denen einige sogar auf seiner Oberfläche gelandet sind. Und dennoch: Dem Roten Planeten haftet nach wie vor etwas Mystisches an. Fragt man auf einer Volkssternwarte, welche Ares im Gegensatz zu seinem römischen Ge- Planeten den Besuchern bekannt sind, so wird genstück nicht entstanden, auch wenn jeder meist zuerst der Mars genannt. Überraschend einzelne Krieg als Huldigung an Ares angese- ist das nicht, hat doch der „Mythos Mars“ in hen wurde. Dennoch wurde in gewisser Weise der Kulturgeschichte der Menschheit mindes- auch Ares am Himmel verewigt: Da der Pla- tens zwei glorreiche Zeitalter erlebt: in der net Mars etwa alle zwei Jahre am hellen, roten Antike im Rahmen der griechischen und rö- Hauptstern im Sternbild Skorpion vorüber- mischen Götter- und Sagenwelt sowie Ende zieht und mit diesem zeitweise ein auffälliges des 19. Jahrhunderts in Europa und Nordame- Paar ähnlicher Farbe und Helligkeit bildet, rika, nachdem die vermeintlichen „Marskanä- wurde der Skorpion-Stern „Anti-Ares“ ge- le“ entdeckt worden waren. Vieles davon ist nannt und kam so zu seinem Namen Antares. seit Generationen überliefert. So verwundert Der römische Kriegsgott Mars war dagegen ei- es nicht, dass sich der Mars ins „kollektive Ge- ner der bedeutendsten Götter in der antiken dächtnis“ unseres Kulturkreises eingebrannt italischen Religion und neben dem Götter- hat – und das nicht nur, weil sich der auffal- vater Jupiter (der hier nicht Vater von Mars lend rote Planet vergleichsweise schnell über ist) der wichtigste römische Gott. Mars ist ein den Sternenhimmel bewegt. Sohn der Juno, er wurde auch außerhalb Roms weithin verehrt. Der Gründungslegende Roms MARS ALS KRIEGSGOTT nach war Mars Vater der Zwillinge Romulus Den Namen „Mars“ für ihren Kriegsgott und Remus und damit der Stammvater der Rö- scheinen die antiken Römer aus dem griechi- mer. Auf dem sogenannten Marsfeld (Campus schen Kulturkreis übernommen zu haben. Er Martius) außerhalb der Stadt fanden ihm zu könnte vom griechischen Pendant Ares abge- Ehren Prozessionen statt, ihm wurden auch leitet sein, auch wenn es zwischen den Gott- Tiere geopfert. Nach Mars wurde der zweite heiten Ares und Mars erhebliche Unterschiede Wochentag (Dienstag) benannt: italienisch gibt. Ares war der Sohn von Göttervater Zeus „martedì“, französisch „mardi“. Der Monat und Göttermutter Hera und wird als wilder, März wurde ihm gewidmet, nach dem römi- nicht zu bändigender Kriegsgott beschrieben. schen Kalender war dies der erste Monat des Doch galt er auch als Sinnbild männlicher Jahres. Der lateinische Name Marcus bedeu- Kraft und Schönheit. Seine Begleiter während tet „dem Mars geweiht“, der Begriff „martia- des Trojanischen Krieges waren die Götter lisch“ bezeichnet etwas Kriegerisches. Das Deimos (Schrecken) und Phobos (Furcht), Marssymbol steht auch heute noch sowohl mit ihnen kämpfte Ares an der Seite der Grie- für den Planeten Mars als auch für das männ- chen. Ein Kult ist um den griechischen Gott liche Geschlecht: 씹. 5
Mars im Überblick — Mythos Mars MARSEUPHORIE IN DER MODERNE mit dem fränkischen Astronomen Simon Ma- Der moderne Marsmythos, der fast in einer rius 1610 die vier großen Jupitermonde ent- Art Hysterie gipfelte, begann im Jahr 1877 deckt hatte, wurden Teleskope zur Himmels- und dauerte über mehrere Generationen an. beobachtung stetig weiterentwickelt. Intensiv Er beruhte jedoch auf einem der größten Irr- beobachtete man nun die Planeten. Und 1877 tümer in der Geschichte der Astronomie. war modern und auffällig – der Mars. Wegen Unser Planet Erde kommt dem Planeten Mars der oft großen Distanz des Planeten Mars von alle zwei Jahre und 50 Tage recht nahe, näm- der Erde konnte man mit einfacheren Instru- lich dann, wenn die Erde den weiter außen um menten nur helle und dunkle Flecken auf der die Sonne laufenden Mars auf ihrer schnelle- Oberfläche erkennen, die als Wüsten und ren Innenbahn überholt. Die beiden Planeten Meere interpretiert wurden. Mit den jetzt zur treffen bei diesem Überholvorgang alle 15 bis Verfügung stehenden neuen Linsenteleskopen 17 Jahre besonders eng zusammen. Mars wird und bei der 1877 vergleichsweise geringen dann nach Mond und Venus zum hellsten Ge- Marsdistanz ließen sich jedoch erstmals Ein- stirn am irdischen Nachthimmel, heller noch zelheiten beobachten. So machte der italieni- als Jupiter. Das Jahr 1877 war ein solches sche Astronom Giovanni Schiaparelli (1835– „Marsjahr“: Am 6. September erreichte Mars 1910) feine, gerade, dunkle Linien auf dem seine damalige Oppositionsstellung und stand Roten Planeten aus, die die dunklen „Meere“ in Mailand um Mitternacht –2,9 Größenklas- des Mars verbanden. Diese Linien nannte er sen hell und 33 Grad hoch am Himmel. Er ihrem Erscheinungsbild entsprechend „canali“ war damit ein extrem auffälliges Himmels- (ital., Rinnen), ohne dass er mit diesem Begriff objekt. Nur wenige Tage zuvor hatte der Rote eine Interpretation oder Wertung verband. Planet seinen (bei diesem Zusammentreffen) Kurz zuvor, im Jahr 1869, war das Jahrhun- geringsten Erdabstand von lediglich 56,3 Mil- dertprojekt Suez-Kanal erfolgreich abgeschlos- lionen Kilometern durchlaufen. Die Beob- sen worden und noch immer in aller Munde. achtungsbedingungen waren somit ideal! Einigen Zeitgenossen Schiaparellis gefiel daher Seit Galileo Galilei zum ersten Mal ein Fern- der Gedanke, dass auch Bewohner des Plane- rohr auf den Himmel gerichtet und zeitgleich ten Mars „Kanäle“ gebaut haben könnten, um E GRÖSSENKLASSEN Die Größenklasse ist seit der Antike ein Maß für die Helligkeit eines Gestirns am Himmel. Je kleiner die Zahl, umso heller das Objekt. Die hellsten Sterne haben 1. (auch 0. oder sogar –1.) Größe, wohingegen die gerade noch mit bloßem Auge sichtbaren Sterne der 6. Größe entsprechen. Das Größenklassensystem ist ein logarithmisches Maß, es ist vom Helligkeits- empfinden des menschlichen Auges abgeleitet. So ist ein Stern 1. Größenklasse 100-mal heller als ein Stern 6. Größenklasse. Bei einem Unterschied von fünf Größenklassen ent- spricht das Verhältnis der Lichtintensitäten der beiden Objekte also 1:100. Bei einem Hellig- keitsunterschied von einer Größenklasse beträgt das Intensitätsverhältnis 1:2,512. Die Ein- heit der Größenklasse wird offiziell mit dem lateinischen Wort „magnitudo“ bezeichnet, abgekürzt „mag“. E Beispiele: Spica, der hellste Stern im Sternbild Jungfrau, besitzt eine scheinbare Hellig- keit von 1,06 mag. Der vorderste Deichselstern im Großen Wagen, auch Alkaid oder Benet- nasch genannt, ist 1,86 Größenklassen hell (1,86 mag). 6
Marskarte von Giovanni Schiaparelli aus dem Beobachtungszeitraum von 1877 bis 1886 beispielsweise Wüsten zu bewässern und sie Welten) von Orson Welles (1915–1985), das als Verkehrswege zu nutzen. Schnell waren im Jahr 1938 am Vorabend von Halloween die „canali“ in der durch die moderne Presse erstmalig ausgestrahlt wurde, an der Ostküste informierten Öffentlichkeit berühmt und der USA eine Massenpanik ausgelöst haben. potenzielle Marsbewohner „in“. Einer der ein- Der Raketen- und Raumfahrtpionier Wern- flussreichsten (und reichsten!) Kanalbefür- her von Braun (1912–1977) erinnerte sich in worter war der amerikanische Amateurastro- Interviews an die Wirkung, die die Science- nom Percival Lowell (1855–1916), der 1895 Fiction-Literatur auf ihn ausgeübt hatte. Er in Flagstaff, Arizona, ein Observatorium mit selbst verfasste den Entwurf einer SF-Erzäh- einem noch heute arbeitsfähigen Refraktor- lung zu einer von ihm geplanten bemannten Teleskop von 61 Zentimetern Öffnung er- Marsmission. richtete. Sein Ziel war es, die Marskanäle zu Das Aus für die Marskanäle kam im Jahr 1965 untersuchen. Ebenso wie der französische und zwar mit der ersten erfolgreichen Mars- Astronom Camille Flammarion (1842–1925) sonde Mariner 4. Sie funkte erstmals Aufnah- mit seinen wissenschaftlichen und populär- men der Marsoberfläche aus einer Entfernung wissenschaftlichen Veröffentlichungen schrieb von nur 10.000 Kilometern zur Erde – von auch Lowell zahlreiche Bücher und warb für Kanälen keine Spur, die Marslandschaft war die These eines bewohnten Mars. eher trostlos und wie der Mond von Kratern Die Popularität der Marskanäle und der nun geprägt. In der SF-Literatur ist Mars aber bis für die Öffentlichkeit damit zwangsläufig ver- heute ein beliebtes Thema. Die modernen bundenen „Marszivilisation“ führte zu zahl- Werke beschäftigen sich jedoch mit realistisch reichen Fachartikeln und nach 1880 zu einer betrachteten, zukunftsnahen Marsmissionen. wahren Flut von Science-Fiction-Romanen. Aber wer weiß: Sollten irgendwann bemannte Nach der Verbreitung des Radios soll darüber Missionen zu unserem roten Nachbarplaneten hinaus das äußerst realistisch wirkende Hör- tatsächlich möglich werden, bricht vielleicht spiel The War of the Worlds (dt., Der Krieg der wieder eine neue Marseuphorie aus. 7
FRÜHE BEOBACHTUNGEN Im ausgehenden Mittelalter galt der wandelnde „Stern“, der sich zwischen den anderen Sternen des Himmels deutlich bewegte, nicht mehr ausschließlich als Sagen- oder Göttergestalt. Er wurde viel- mehr zum Objekt wissenschaftlicher Forschung. Die vorteleskopische Zeit war geprägt durch KLASSISCHE MARS- einen der größten Beobachter aller Zeiten: BEOBACHTUNGEN den dänischen Astronomen Tycho Brahe Tycho Brahe vertrat die damals ungewöhn- (1546–1601). Basierend auf seinen Aufzeich- liche Meinung, dass ein Fortschritt in der As- nungen konnte der geniale Mathematiker tronomie nur durch exakte Beobachtungen Johannes Kepler (1571–1630) seine drei Pla- möglich sei. Auf seiner Sternwarte Uraniborg netengesetze ableiten. Nach der Erfindung des vermaß er daher Stern- und Planetenpositio- Fernrohrs folgten auf Galileo Galilei (1564– nen. Da es zu seiner Zeit noch keine Tele- 1642) zahlreiche weitere Teleskopbeobachter, skope gab, verwendete er dazu einen Mauer- die immer detailreichere, aber – wie bereits quadranten und eine Armillarsphäre. Seine beschrieben – mitunter fragwürdige Struktu- Messungen waren mit Abstand die präzises- ren auf dem Roten Planeten ausmachten. ten und mit einer Genauigkeit von zwei Bo- Der große Himmelsbeobachter Tycho Brahe 1598 Der Mathematiker und Astronom Johannes an seinem Mauerquadranten Kepler (1610) 8
genminuten auch heute nicht ohne Weiteres schwindigkeiten der Planeten und führte zu erreichen. schließlich zu seinen drei berühmten, später Im Jahr 1600 begegnete Tycho Brahe Johan- nach ihm benannten Keplerschen Gesetzen nes Kepler, der bereits durch Facharbeiten auf der Planetenbewegung. sich aufmerksam gemacht hatte und mit dem er nun bis zu seinem Tod zusammenarbeitete. Kepler wurde später Brahes Nachfolger und führte dessen Auftrag, die sogenannten Ru- E DIE KEPLERSCHEN GESETZE dolfinischen Tafeln zur Vorhersage von Plane- 1. Keplersches Gesetz tenpositionen, zu Ende. Dabei unterzog Kep- Die Planeten bewegen sich auf elliptischen Bahnen, ler Brahes Messungen der Marspositionen in deren einem Brennpunkt die Sonne steht. einer genauen Untersuchung und entdeckte 2. Keplersches Gesetz darin Abweichungen zu den Vorhersagen, die Ein von der Sonne zum Planeten gezogener Fahrstrahl auf der Basis des Kopernikanischen Weltbil- überstreicht in gleichen Zeiten gleich große Flächen. des erstellt worden waren. Die Abweichungen Das heißt, dass sich ein Planet in Sonnennähe (im Peri- waren deutlich größer als die Ungenauigkei- hel) schneller auf seiner Bahn bewegt als in Sonnen- ten in Brahes Messungen. ferne (im Aphel). So musste Kepler schließlich die Jahrtausen- 3. Keplersches Gesetz de alte Auffassung fallen lassen, dass sich die Die Quadrate der Umlaufzeiten zweier Planeten ver- Planeten auf Kreisen bewegen. Anhand von halten sich wie die Kuben (dritten Potenzen) ihrer Brahes Marsbeobachtungen konnte er nun großen Bahnhalbachsen. Das bedeutet, dass sich Pla- beweisen, dass die Planeten auf Ellipsen wan- neten auf weiter von der Sonne entfernten Bahnen dern. Diese Erkenntnis ermöglichte ihm eine langsamer bewegen und eine längere Umlaufzeit ha- genaue Berechnung von Positionen und Ge- ben als Planeten auf sonnennäheren Umlaufbahnen. Die Abbildung unten zeigt eine grafische Zusammen- fassung der drei Keplerschen Gesetze. Dabei bedeuten: E ABSTÄNDE AM HIMMEL f – Brennpunkte, A – Flächen, a – große Halbachsen. Der Abstand zweier Punkte am Himmel wird in Grad gemessen. Ein Großkreis am Himmel umfasst 360 Grad. Ein Grad wird unterteilt in 60 Bogenminuten (abgekürzt mit ', engl.: arcmin). Eine Bogenminute wird weiter un- terteilt in 60 Bogensekunden (Symbol ", f1 (Sonne) a1 f2 engl.: arcsec). Auch die Ausdehnung von Himmelsobjekten wird auf diese Weise angegeben. Sonne und A2 Mond zeigen am Himmel eine Winkelaus- A1 dehnung von etwa einem halben Grad, also Planet 1 30 Bogenminuten. Zwei Bogenminuten – a2 Planet 2 die Genauigkeit von Tycho Brahes Messun- f3 gen – entsprechen demnach nur dem 15. Teil eines Monddurchmessers am Himmel! Der Planet Mars zeigt eine maximale Winkelgrö- ße von gut 25 Bogensekunden. 9
Mars im Überblick — Frühe Beobachtungen TELESKOP BEOBACHTUNGEN Nach der Erfindung des Fernrohrs im frühen 17. Jahrhundert entdeckte der niederländische Physiker und Astronom Christiaan Huygens (1629–1695) mit einem von ihm verbesserten Teleskop das erste Detail auf dem kleinen Marsscheibchen: eine dreieckige, dunkle Zone, die „Große Syrte“ (Syrtis Major). Aus ihren Positionsveränderungen im Laufe der Zeit errechnete Huygens eine Rotationsdauer des Planeten von 24,5 Stunden, was dem heu- tigen Wert bereits sehr nahekommt. Im Jahr 1666 beschrieb Giovanni Domenico Cassini (1625–1712) zum ersten Mal die wei- ßen Polkappen des Mars. Der aus Deutschland Zeichnung der Marsstruktur „Große Syrte“ von stammende britische Astronom und Entdecker Christiaan Huygens aus dem Jahr 1659 des Planeten Uranus, Friedrich Wilhelm Her- schel (1738–1822), bestimmte 1784 die Nei- astronom Wilhelm Beer (1797–1850) zusam- gung der Polachse von Mars zur Senkrechten men mit dem Astronomen Johann Heinrich auf seiner Umlaufbahn zu 25 Grad – das war von Mädler (1794–1874) an. Sie erkannten, ebenfalls ein sehr genauer Wert. Herschel fol- dass die dunklen „Flecken“ beständig sind, gerte daraus die Existenz von Jahreszeiten auf also zur Marsoberfläche gehören. Die dunk- dem Mars und schloss wegen der Polkappen len Ränder um die Polkappen interpretierten auf das Vorhandensein einer Atmosphäre. sie als Sumpfgebiete, gespeist von polarem Die erste Karte und den ersten Marsglobus Schmelzwasser. Beer und Mädler legten auch fertigte im Jahr 1830 der Berliner Amateur- die Lage des Nullmeridians auf dem Mars in Der Amateurastronom Wilhelm Beer in der ersten Der Astronom Johann Heinrich Mädler im Jahr Hälfte des 19. Jahrhunderts 1856 10
Die erste Marskarte, erstellt von den beiden Beobachtern Beer und Mädler im Jahr 1830, zeigt links die Südhalbkugel, rechts die Nordhalbkugel des Mars. Später folgte noch eine detailliertere Karte. der beobachtungsauffälligen und später so be- Der griechische Astronom Eugène Michel nannten Struktur Sinus Meridiani fest. Antoniadi (1870–1944) arbeitete während Mit weiter verbesserten Teleskopen entdeckte der Marsopposition von 1909 am damals bes- Giovanni Schiaparelli (1835–1910) 1877 sei- ten Teleskop der Welt, dem 83-Zentimeter- ne „canali“ auf dem Mars, gerade dunkle Ver- Riesenteleskop des Pariser Meudon-Observa- bindungslinien zwischen den dunklen Flä- toriums. Er kam zu dem Schluss, dass es sich chen (vgl. Abb. S. 7). Sie lösten den bereits bei den Marskanälen um optische Täuschun- erwähnten Mythos von intelligenten Marsbe- gen handeln müsse, die nur in kleineren Fern- wohnern aus. Viele Astronomen hielten die rohren als Linienstrukturen „sichtbar“ wür- Marskanäle jedoch schon damals für eine op- tische Täuschung. Gegen die Kanalvermu- tung sprach etwa die nicht messbare Polarisa- tion des Lichtes durch die dunklen Stellen auf der Marsoberfläche. Wären diese Stellen tat- sächlich Wasseroberflächen, dann hätte das reflektierte Sonnenlicht polarisiert sein müs- sen. Kanäle müssten auch eine Mindestbreite von 100 Kilometern besitzen, um auf diese Entfernung sichtbar zu sein. Alternativ wur- den die dunklen Gebiete als Vegetationsflä- chen interpretiert. Schlussendlich haben sich einige „canali“ als reale, langgestreckte, geo- logische Strukturen auf der Marsoberfläche entpuppt, so beispielsweise der große Graben- bruch Valles Marineris oder andere Gelände- stufen mit Schattenlinien sowie längere Kra- terketten. Auf Schiaparelli gehen auch die lateinischen Namensgebungen für die markan- Der Astronom Giovanni Schiaparelli in den testen Marsstrukturen zurück. 1870er-Jahren 11
Mars im Überblick — Frühe Beobachtungen Die Marskarte von Eugène Michel Antoniadi aus dem Jahr 1930, Süden ist oben Marskarte aus Bildern der Raumsonde Mars Global Surveyor (2001), Norden ist oben den. Dieser Eindruck entstehe durch die Bild- Moderne Marskarten werden aus Fotografien verarbeitung im Gehirn. Antoniadi fertigte in erstellt. Die offizielle Karte der NASA, die aus den folgenden 20 Jahren immer detailliertere Raumsondenaufnahmen zusammengestellt Marskarten an, auf denen er die „canali“ durch wurde, zeigt nicht nur Hell-Dunkel-Gebiete, fortgesetzte Reihen dunkler Flecken kartier- die sogenannten Albedostrukturen, sondern te. Seine 1930 erschienene vierteilige Carte de auch Bodenstrukturen. Dass heutige Amateur- Mars war bis zum Start der Raumsonden in astronomen mit moderner Digitaltechnik da den 1960er-Jahren die genaueste Kartografie durchaus mithalten können, beweisen etwa die des Roten Planeten. Antoniadi wählte auch Marskarten der deutschen Amateurastrono- den Namen Sinus Meridiani für die dunkle men Sebastian Voltmer und Mario Weigand Struktur, durch die der Nullmeridian verläuft. (vgl. Abb. S. 152, 157). 12
DIE MARSBAHN Der Planet Mars ist von der Sonne aus gezählt der vierte Planet im Sonnensystem. Während die Venus unser sonnennäherer Nachbar- planet ist, bewegt sich der Mars auf einer weiter außen liegenden, sonnenferneren Bahn. Da die Erde auf ihrer „Innenbahn“ schneller ist als der Mars, überholt sie den äußeren E DIE NUMERISCHE EXZENTRIZITÄT Nachbarplaneten regelmäßig – dann ist Mars In der Abbildung unten ist schematisch die Ellipsenbahn besonders gut zu beobachten. Je nach Stellung eines Planeten dargestellt. In einem der beiden Brenn- der beiden Planeten zueinander variieren die punkte steht die Sonne. Der Planet läuft auf der roten Sichtbarkeitsbedingungen aber stark. Ellipse entlang. Die Form der Ellipse wird bestimmt durch die Längen der großen und kleinen Halbachsen (blau), PLANETENBAHN UND OPPOSITION aus denen sich die Exzentrizität (orange) ergibt. Diese Mars läuft – wie alle Planeten – auf einer El- zeigt an, wie kreisähnlich oder kreisfern die Ellipse ist. lipsenbahn, in deren einem Brennpunkt die In der Grafik ist die sogenannte „lineare Exzentrizität“ Sonne steht. Im Unterschied zur Erde, die auf markiert, sie gibt die Entfernung eines Brennpunktes einer sehr kreisähnlichen Ellipse um die Sonne zum Mittelpunkt der Ellipse an. Die in der Astronomie läuft, besitzt die Marsbahn eine recht hohe Ex- gebräuchliche Größe ist jedoch die „numerische Exzen- zentrizität. Die sogenannte numerische Exzen- trizität“ e, sie bezeichnet das Verhältnis von linearer trizität e ist ein Maß für die Elliptizität einer Exzentrizität c zur großen Halbachse a, also e = c / a. Bahn, beim Mars beträgt sie 0,09341233 (Jahr E Beispiel Marsbahn: große Halbachse a = 227,95 Mio. 2000). Bei der Erdbahn beläuft sie sich auf le- km, numerische Exzentrizität e = 0,093, lineare Exzent- diglich 0,017, die numerische Exzentrizität der rizität c = e ∙ a = 0,093 ∙ 227,95 Mio. km = 21,20 Mio. Marsbahn ist also 5,5-mal größer! km. Das bedeutet: Die Sonne steht 21,20 Millionen Kilo- Während des Umlaufs eines Planeten auf sei- meter von der Mitte der Marsbahn entfernt! ner Ellipsenbahn um die Sonne ändert sich die Distanz Sonne – Planet ständig. Der sonnen- nächste Bahnpunkt des Planeten wird „Peri- hel“, der sonnenfernste „Aphel“ genannt. Die kleine Halbachse Linie, die Perihel und Aphel verbindet, heißt „Apsidenlinie“ (vgl. Abb. S. 14 oben). Beim lineare Mars beträgt die kleinste Sonnenentfernung große Halbachse Exzentrizität 206,62 Millionen Kilometer (Periheldistanz), Brennpunkt 2 Brennpunkt 1 die größte hingegen 249,23 Millionen Kilo- meter (Apheldistanz); das entspricht 120,6 Prozent der Periheldistanz! Bei der Erdbahn sind es nur 103,4 Prozent, sie ist also deutlich kreisähnlicher. Zu den Marsbahnparametern siehe auch die Tabelle Seite 21. 13
Mars im Überblick — Die Marsbahn Nach dem 2. Keplerschen Gesetz ist die Bahn- Kilometer pro Sekunde und variiert von 22,0 geschwindigkeit eines Planeten in Sonnen- im Aphel bis zu 27,0 Kilometer pro Sekunde nähe größer als in Sonnenferne. Die mittlere im Perihel. Die Erde bewegt sich auf ihrer son- Bahngeschwindigkeit von Mars beträgt 24,1 nennäheren Umlaufbahn nach dem 3. Kepler- schen Gesetz mit einer höheren mittleren Ge- schwindigkeit, nämlich mit 29,8 Kilometern pro Sekunde. Marsbahn Mars benötigt für einen Umlauf um die Son- ne von einem Perihel zum nächsten 686,98 Erdbahn Tage. Ein Marsjahr dauert demnach 1,88 Erd- jahre. Da sich die Erde schneller als der Mars bewegt, überholt sie ihn etwa alle zwei Jahre, genauer: im Durchschnitt nach zwei Jahren und 50 Tagen. Bei diesem Vorgang steht die Mars im Apsidenlinie Mars Erde genau zwischen Sonne und Mars. Von Aphel Sonne im Perihel uns aus gesehen befindet sich der Mars also ge- genüber der Sonne am Himmel – er erreicht seine „Opposition“. Das ist die Stellung, in der sich Mars und Erde besonders nahe kommen. Abhängig davon, an welcher Stelle der Mars- bahn die Erde den Mars überholt, kann die Oppositionsentfernung dennoch recht unter- schiedlich sein (vgl. folgenden Abschnitt). Das andere Extrem ist die Stellung, wenn sich der Perihel, Aphel und die Apsidenlinie der Marsbahn Mars von der Erde aus gesehen hinter der Son- ne befindet: In der sogenannten Konjunkti- onsstellung (mit der Sonne) ist die Distanz Erde – Mars besonders groß. Marsbahn Ein weiterer, beobachtungsrelevanter Bahn- parameter ist die Inklination i der Marsbahn. Erdbahn Sie gibt an, um welchen Winkel die Mars- bahn gegen die Erdbahn geneigt ist. Wäre die Erde Neigung gleich Null, dann würde der Mars exakt auf der scheinbaren Bahn der Sonne am Himmel entlanglaufen, also genau auf der Sonne g Op Ekliptik. Die Bahnneigung beträgt aber ein llun po nsste sit io Grad und 51 Bogenminuten (= 1,85061°). tio ns nk ste nju Mars bewegt sich demnach mal oberhalb und Ko llu ng Mars mal unterhalb der Ekliptik über den Himmel. Erde Insbesondere in der Zeit nahe der Oppositi- Mars onsstellung (in Erdnähe also) kann Mars sehr Mars in Mars in weit nördlich oder südlich von der Ekliptik Konjunktion Opposition stehen. So ist es auch Anfang August 2018, mit der Sonne zur Sonne dann hält er sich bis zu 6,5 Grad unterhalb der in Mitteleuropa in Sommernächten ohnehin Oppositions- und Konjunktionsstellung von Mars tiefstehenden Ekliptik auf. 14
E ÜBERBLICK MARSOPPOSITIONEN 2018–2035 DURCHMESSER ABSTAND MARSDISTANZ MARSWINKEL- UNTER- MARSHELLIG- OPPOSITIONEN KEIT [MAG] SCHIED [MIO. KM] ERDNÄHE- [JAHRE] ZEITPUNKT [TAGE] OPPOSITI- OPPOSI- ZEITPUNKT ON [TAGE] ["] TION [MEZ] ERDNÄHE [MEZ] 27.07.2018 6:07 2 65 –2,8 57,6 24,3 31.07.2018 8:51 4,1 14.10.2020 0:20 2 80 –2,6 62,1 22,3 06.10.2020 15:19 –8,4 08.12.2022 6:36 2 54 –1,9 81,5 17,0 01.12.2022 3:18 –7,1 16.01.2025 3:32 2 39 –1,4 96,1 14,5 12.01.2025 14:38 –3,5 19.02.2027 16:45 2 34 –1,2 101,4 13,8 20.02.2027 1:14 0,4 25.03.2029 8:43 2 34 –1,3 96,8 14,4 29.03.2029 13:56 4,2 04.05.2031 11:26 2 40 –1,8 82,8 16,7 12.05.2031 4:50 7,7 27.06.2033 2:24 2 54 –2,5 63,3 21,8 05.07.2033 19:20 8,4 15.09.2035 20:33 2 80 –2,8 56,9 24,5 11.09.2035 15:21 –4,2 PERIHEL- UND APHEL- metern bereits weiter weg. Und im Jahr 2027, OPPOSITIONEN wenn die Marsopposition nahe seinem Aphel Wenn der Mars in Opposition zur Sonne ge- stattfindet, sind es 101,4 Millionen Kilometer langt, ist seine Entfernung zur Erde zwar ge- (vgl. Abb. S. 16) . Danach werden die Opposi- ring, sie fällt aber je nach seiner Bahnposition tionsentfernungen wieder kleiner, bis im Jahr trotzdem ganz unterschiedlich aus: Steht unser 2035, wieder in Perihelnähe, 56,9 Millionen Nachbarplanet bei einer Opposition gleichzei- Kilometer erreicht werden – eine Opposition tig im Perihel seiner Umlaufbahn, ist die Op- vergleichbar mit der von 2018. positionsdistanz mit 55,65 Millionen Kilome- Oppositionen in der Nähe des Perihels finden tern am kleinsten. Befindet er sich dagegen in größeren Zeitabständen als der oben ge- während einer Opposition im Aphel, dann ist nannte Mittelwert statt, da sich Mars um das die Distanz mit 101,51 Millionen Kilometern Perihel herum zügiger bewegt und die Erde viel größer. Die größte Entfernung von der so längere Zeit braucht, um ihn einzuholen. Erde erreicht der Mars in Konjunktionsstel- Um das Aphel herum bewegt sich Mars lang- lung mit der Sonne (vgl. Abb. links unten) samer und die Erde kann ihn schneller einho- und wenn er sich gleichzeitig im Aphel seiner len, die Oppositionen finden dort in kürzeren Bahn befindet: 401,3 Millionen Kilometer. Zeitabständen statt. Man erkennt in der zwei- Die Tabelle oben listet die kommenden Mars- ten Tabellenspalte oben die unterschiedlichen oppositionen auf. In der vierten Spalte sind die Zeitspannen, mit denen die Oppositionen auf- Entfernungen von der Erde aufgeführt. Bei der einanderfolgen. Vergleicht man diese zeitlichen nächsten Opposition am 27. Juli 2018 wird Abstände mit der Oppositionsdistanz von der uns Mars bis auf 57,6 Millionen Kilometer na- Erde, so wird deutlich: je größer die Oppositi- hekommen. Beim darauffolgenden Ereignis im onsentfernung, umso kürzer der Zeitraum zwi- Oktober 2020 ist er mit 62,1 Millionen Kilo- schen zwei Oppositionen. 15
Mars im Überblick — Die Marsbahn 8.12.2022 erreicht die Ekliptik nachts mit den Sternbil- Ls = 351° dern Stier, Zwillinge und Krebs einen hohen Marsbahn Stand, während sie tagsüber mit der Sonne 16.1.2025 14.10.2020 nur geringe Horizonthöhen erreicht. Ls = 31° Erdbahn Ls = 295° Für die Beobachtung von Mars, der sich ja stets in der Umgebung der Ekliptik aufhält, bedeu- Dez mber emb tet dies: Bei Aphel-Oppositionen erreicht der er Nove Jan 15.9.2035 ob ua Ls = 267° Planet um Mitternacht große Höhen über dem er kt r O 19.2.2027 Ls = 65° Horizont. 2027 sind es im Sternbild Löwe 55 ber Februa r Septem Grad, im Jahr 2025 im Sternbild Zwillinge so- Aphel Perihel Ls = 70° Augus t Ls = 250° gar 65 Grad. Bei Perihel-Oppositionen dagegen März durchläuft der Mars die bei uns tiefstehenden Ju li Regionen der Ekliptik. Hinzu addiert sich die ril Ap oben beschriebene Neigung der Marsbahn ge- Jun Mai 27.7.2018 25.3.2029 i Ls = 219° Ls = 99° gen die Ekliptik, die den Planeten bei Perihel- Oppositionen noch südlicher als die tiefste- 27.6.2033 hende Ekliptik platziert. Im Jahr 2018 wird Ls = 191° Mars zur Opposition im Sternbild Steinbock 4.5.2031 Ls = 138° rund sechs Grad südlicher als die Ekliptik ste- hen (vgl. die Abb. in den Umschlagklappen) Die Marsoppositionen 2018 bis 2035 und für einen Beobachtungsort auf 50 Grad nördlicher Breite (das ist etwa auf einer Linie Nicht nur die Distanz bei Oppositionsstellun- Rheinland-Pfalz – Frankfurt/Main – Bay- gen variiert, die Oppositionen finden auch je- reuth) nur eine Horizonthöhe von 14 Grad er- weils an unterschiedlichen Stellen des Him- reichen. Bei der nachfolgenden Opposition im mels vor anderen Sternbildern statt. Die Erde Oktober 2020 ist es schon günstiger: Mars überholt den Mars – wie bereits erwähnt – steht dann im Sternbild Fische und erreicht um rund alle zwei Jahre und 50 Tage. Bei der dar- Mitternacht 45 Grad Höhe. auffolgenden Opposition steht der Mars daher Perihel-Oppositionen sind aber gerade wegen nicht wieder an derselben Stelle des Himmels, der großen Marsnähe und dem damit verbun- sondern hat sich rund 50 Tage lang in Rich- denen großen Winkeldurchmesser des Mars- tung Osten weiterbewegt und steht nun vor scheibchens viel attraktiver als Aphel-Opposi- einem anderen Sternbild. Da er sich dann tionen. Wie aus der Tabelle Seite 15, fünfte auch an einem anderen Punkt seiner Umlauf- Spalte, zu entnehmen ist, zeigt uns Mars zur bahn befindet, besitzt er eine andere Oppo- Perihel-Opposition 2018 ein „großes“ Scheib- sitionsentfernung von der Erde als zuvor. chen von 24,3 Bogensekunden Winkeldurch- Aus der Grafi k oben wird deutlich, dass Peri- messer, zur Aphel-Opposition 2027 sind es hel-Oppositionen in unserem Sommer und dagegen nur 13,8 – das sind lediglich 57 Pro- Frühherbst stattfinden, Aphel-Oppositionen zent des Durchmessers von 2018! Wer im Jahr in unserem Spätwinter und Frühling, gültig 2018 zu ungünstige Beobachtungsbedingun- für die Nordhalbkugel der Erde. Leider ist es gen vorfindet oder Wetterpech hat, der hat so, dass in unseren Breiten die Ekliptik mit im Jahr 2020 noch eine sehr gute Chance auf den Sternbildern Skorpion, Schlangenträger, Mars: Der Rote Planet bietet uns dann ein Schütze und Steinbock in Sommernächten Scheibchen von 22,3 Bogensekunden Größe tief im Süden steht. Tagsüber steht sie mit der bei einer maximalen Horizonthöhe von Sonne hoch am Himmel. Im Winter dagegen 45 Grad in unseren Breiten. 16
JAHRESZEITEN AUF DEM MARS Nordfrühlings-, Südherbst- Auch beim Mars steht die Rotationsachse nicht anfang Ls = 0° Nor senkrecht auf seiner Umlaufbahn. Sie ist viel- Marsbahn dw int er Nordwinter-, t / bs Sü Südsommer- mehr um einen Winkel von 25,19 Grad ge- dh er ds o anfang Erdbahn Ls = 270° ü neigt, etwas mehr als bei der Erde (23,4 Grad). m /S m g er lin Das hat natürlich Konsequenzen: Der Him- rüh rdf melsäquator des Mars bildet durch die Neigung No der Polachse einen Winkel mit der scheinbaren Sonnenbahn am Marshimmel (diese ist ja nur ein Spiegel seiner Umlaufbahn um die Sonne). Mars Apsidenlinie Mars Aphel Perihel Diese beiden Großkreise schneiden sich in zwei Sonne Ls = 70° Ls = 250° gegenüberliegenden Punkten, dem Frühlings- punkt und dem Herbstpunkt. Die Bezeichnun- ing gen sind analog denen auf der Erde, denn auch ühl dfr der Mars zeigt aufgrund der Neigung seiner Sü t/ bs Polachse Jahreszeiten. er dh r Nordsommer-, No Im Frühlingspunkt steht die Sonne exakt auf Südwinter- Nor ds anfang om dem Himmelsäquator und senkrecht über dem Ls = 90° me r/S üdw Nordherbst-, inter Südfrühlings- Marsäquator. Es herrscht Tagundnachtgleiche, anfang Ls = 180° der Frühling beginnt. Während der Mars auf seiner Bahn weiter um die Sonne läuft, wan- Jahreszeiten, solare Länge Ls und Apsiden der Marsbahn dert die Sonne auf ihrer scheinbaren Bahn am Marshimmel und erreicht ihren Höchststand oben sind die Anfänge der Jahreszeiten mit über dem Himmelsäquator – es ist Sommeran- ihren solaren Längen relativ zur Apsidenlinie fang, Sommersonnenwende. Im weiteren Um- dargestellt. Man erkennt, dass Mars sein Peri- lauf verringert die Sonne ihre Höhe wieder hel bei Ls = 250° erreicht, das ist gegen Ende über dem Äquator, schneidet ihn im Herbst- des Frühlings auf der Südhalbkugel, kurz vor punkt (Herbstanfang, Herbsttagundnacht- Beginn des Südsommers bei Ls = 270°. Da- gleiche) und tritt ins Winterhalbjahr ein – alles durch ist bei Oppositionen, die in Perihelnähe wie bei der Erde. stattfinden, stets der Südpol des Mars zur Son- Der Winkel, den die Sonne entlang ihrer ne und (wegen der Oppositionsstellung) auch scheinbaren Bahn am Marshimmel mit dem zur Erde geneigt. Bei Aphel-Oppositionen Frühlingspunkt bildet, wird „solare Länge“ schauen wir auf den Nordpol des Mars. (Ls) genannt. Der Frühlingspunkt hat die so- Wegen der Exzentrizität der Marsbahn gibt es lare Länge Null, Frühlingsanfang ist somit deutliche Unterschiede in der Länge der Jah- durch die Position der Sonne bei Ls = 0° defi- reszeiten. So dauert der Frühling auf der Nord- niert. Der Sommeranfang liegt bei Ls = 90°, halbkugel 198,6 Tage, der Sommer 183,5, der der Herbstanfang bei Ls = 180° und der Win- Herbst 146,7 und der Winter 158,0 Tage. Der teranfang bei Ls = 270°. Wie bei der Erde sind Unterschied zwischen einem Viertelmarsjahr so die Anfänge der Jahreszeiten für die Nord- und der Nordfrühlingsdauer beträgt 15,8 Pro- halbkugel des Mars festgelegt. Auf der Süd- zent. Auf der Erde mit ihrer kreisähnlicheren halbkugel ist Winteranfang, wenn auf der Umlaufbahn sind es nur 2,5 Prozent. Der Nordhalbkugel der Sommer beginnt. Sommer auf der Südhalbkugel des Mars ist also Beim nördlichen Sommeranfang ist der Nord- deutlich kürzer als der Sommer auf der Nord- pol des Mars zur Sonne geneigt, beim Süd- halbkugel. Im Herbst und Winter der jeweili- sommerbeginn der Südpol. In der Abbildung gen Hemisphäre wächst die entsprechende Pol- 17
Mars im Überblick — Die Marsbahn Das Marsscheibchen erscheint nicht kreisrund, Marsbahn sondern wie eine aufrecht stehende Ellipse. Oben ist die nördliche, unten die südliche Pol- Erdbahn kappe zu erkennen, links der östliche Marsrand (der Marshorizont), rechts (westlich) jedoch nicht der Horizont, sondern die Tag-Nacht- Grenze – der Terminator also, an dem auf dem Mars die Sonne untergeht. Noch etwas weiter Apsidenlinie Sonne westlich befindet sich ein Stück der unsicht- baren Nachtseite von Mars (vgl. Abb. rechte Seite oben). Die Phasengestalt kann auch be- Mars φ schrieben werden durch den prozentualen An- teil des Marsscheibchens, der von der Sonne beleuchtet wird. Bei maximalem Phasenwin- Erde kel ist der Effekt am größten und der beleuch- tete Teil des Marsscheibchens am kleinsten. Entfernt sich die Erde nach der Opposition wieder vom Mars, so erblicken wir durch den Definition des Phasenwinkels von Mars Phaseneffekt den östlichen Terminator, an dem auf dem Mars die Sonne aufgeht. kappe, im Spätfrühling und Sommer schmilzt Der obere Teil der Grafi k auf der rechten Sei- sie wieder ab. Dieser Vorgang kann in den bei- te zeigt, wie sich während der Oppositionszeit den Hemisphären unterschiedlich stark ver- 2018 der Phasenwinkel ändert: Zu Jahresbe- laufen. ginn 2018 beträgt er 30 Grad, steigt bis zum 13. April bis auf knapp 41 Grad an und fällt DIE PHASENGESTALTEN dann bis zur Opposition am 27. Juli auf 4,7 Nicht immer erscheint Mars am Himmel als Grad ab. Entfernt sich die Erde wieder vom kreisrundes Scheibchen. Der Planet zeigt zu- Mars, klettert der Phasenwinkel auf 44 Grad weilen eine Phasengestalt, die besonders vor am 16. November, um danach erneut abzu- und nach der Oppositionszeit in Erscheinung fallen. Im unteren Teil der Abbildung ist dar- tritt. Die Abbildung oben verdeutlicht dabei gestellt, wie sich der beleuchtete Anteil von die Definition des sogenannten Phasenwinkels Mars entsprechend mit der Zeit verändert. φ. Er wird von Sonne, Mars und Erde aufge- Um den 13. April herum ist der Phaseneffekt spannt oder anders formuliert: Vom Mars aus während der Annäherung der Erde an den gesehen ist die Erde um den Winkel φ von der Mars am stärksten, der beleuchtete Anteil be- Sonne entfernt, er stellt – analog zur Elongati- trägt nur 87,8 Prozent. Zur Opposition ist on der inneren Planeten Merkur und Venus der Effekt minimal, das Marsscheibchen ist zu von der Erde aus gesehen – die „Elongation“ 99,8 Prozent rund. Er ist nicht genau gleich der Erde vom Mars aus dar. Null, weil der Mars nicht exakt auf der Eklip- Die Grafi k verdeutlicht, dass wir bei großen tik steht, sondern 6,5 Grad südlich davon. Sei- Phasenwinkeln (in diesem Fall vor der Opposi- ne Elongation von der Sonne beträgt also nicht tion) nicht von der Sonne aus zum Mars schau- genau 180 Grad, sondern nur 173,5 Grad. Ent- en (das ist nur zur Opposition der Fall), son- fernt sich die Erde wieder vom Mars, sinkt der dern etwas von der Seite. Dadurch ist – in der Beleuchtungsgrad bis Mitte November auf Grafi k am rechten Marsrand – ein kleiner Teil 85,8 Prozent, um danach wieder langsam an- der Nachtseite des Mars der Erde zugewandt. zusteigen. 18
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