Massiver Leichtbau Potenziale massivumgeformter Komponenten - Industrieverband Massivumformung e. V.

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Massiver Leichtbau Potenziale massivumgeformter Komponenten - Industrieverband Massivumformung e. V.
Massiver Leichtbau
Potenziale massivumgeformter Komponenten
Massiver Leichtbau Potenziale massivumgeformter Komponenten - Industrieverband Massivumformung e. V.
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Vorwort
Die Forderungen an alle am Automobilbau beteiligten         In einer ersten in drei Workshops durchgeführten Stu-
Technologien sind vom Gesetzgeber klar umrissen:            die konnte das Potenzial zur Gewichtseinsparung an
Strenge EU-Emissionsvorgaben motivieren die Herstel-        einem Mittelklassefahrzeug durch massivumgeformte
ler, den Anteil an Leichtbauteilen in ihren Fahrzeugen      Bauteile aufgezeigt werden. Dabei wurden vorrangig
während der kommenden zwei Dekaden mehr als zu              die Bereiche des Antriebsstrangs und Fahrwerks unter-
verdoppeln.                                                 sucht und die 400 daraus entwickelten Ideen auf ihre
                                                            Umsetzbarkeit geprüft.
Mit dieser Zielstellung sind insbesondere die Zuliefe-
rer der Branche gefordert. Die Massivumformung in           Das vorliegende EXTRA-Info berichtet über die Motivation

Deutschland versteht sich dabei seit Jahrzehnten auf-       der vorwettbewerblichen Zusammenarbeit der Teilneh-

grund ihrer besonderen Stärken als ein wichtiger inno-      mer der Initiative und widmet sich vorrangig der Vorge-
                                                            hensweise und den Ergebnissen, die aus der gemeinsa-
vativer Partner der Automobilbauer. Diese Stärken be-
                                                            men Potenzialbetrachtung gewonnen worden sind. Weil
gründen sich in der Entwicklung und Herstellung hoch
                                                            hier Kompetenzen aus Stahlherstellung und -verarbeitung
belasteter Bauteile sowie in der Ausschöpfung aller
                                                            zusammengeführt wurden, konnten die Optimierungs-
Möglichkeiten der prozessgeeigneten Werkstoffe, die
                                                            vorschläge von allen Seiten beleuchtet werden.
sich im Wesentlichen aus Stählen rekrutieren.

                                                            Die vorgestellten Leichtbaupotenziale machen deutlich,
Vor diese Aufgabe gestellt, gleichzeitig auch in Kenntnis
                                                            dass eine Fortführung der Untersuchungen und damit
richtungsweisender Ergebnisse mehrerer Leichtbaupro-
                                                            Ausweitung der Analyse auf weitere Fahrzeugklassen
jekte, die sich in den Jahren 1994 bis 2002 überwiegend
                                                            sinnvoll ist. Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse erheblichen
auf den Bereich der Fahrzeugkarosserie konzentriert
                                                            Forschungsbedarf, dem bereits mit der Ausarbeitung
haben, wurde im Februar 2013 die Initiative Massiver
                                                            eines umfassenden Forschungsantrags Rechnung getra-
Leichtbau ins Leben gerufen. Neun Unternehmen der
                                                            gen wurde.
Stahlindustrie als Langprodukte-Hersteller und 15 Un-
ternehmen der Massivumformung unter Federführung            Wir freuen uns, allen an der Entwicklung im „Massi-
des Industrieverbands Massivumformung e. V. bilden          ven Leichtbau“ Interessierten und Beteiligten auch mit
die Teilnehmer der Initiative und nutzen den unterneh-      dieser neuesten Ausgabe der Schriftenreihe EXTRA-Info
mens- und branchenübergreifenden Charakter mit der          wieder wirkungsvolle Unterstützung bei allen Fragestel-
gebündelten Kompetenz aus Werkstoffwissen und Um-           lungen um zeitgemäße, zukunftsgerichtete Produkte
formtechnologie für die Übertragung aller Erkenntnisse      und Prozesse geben zu können und wünschen uns eine
in die Zulieferteile für Automobile.                        vielfache aktive Nutzung dieser Schrift.

Dr.-Ing. Hans-Joachim Wieland                               Dr. Theodor L. Tutmann
Geschäftsführer                                             Geschäftsführer
Stahlinstitut VDEh                                          Industrieverband Massivumformung e. V.
Forschungsvereinigung
Stahlanwendung e. V. (FOSTA)

                                                            58093 Hagen, im April 2014

                                                                                                                           3
Massiver Leichtbau Potenziale massivumgeformter Komponenten - Industrieverband Massivumformung e. V.
Impressum
    Autor:                       Dipl.-Ing. Frank Severin, Bochum

    Vorlage
    dieses Dokuments:	Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Christian-Simon Ernst,
                                 fka Forschungsgesellschaft Kraftfahrwesen mbH Aachen

                                 Dr.-Ing. Hans-Willi Raedt, Hirschvogel Automotive Group, Denklingen

                                 Dipl.-Ing. Frank Wilke, Deutsche Edelstahlwerke GmbH, Siegen

    Bilder:                      Siehe Bilderverzeichnis Seite 41

    Verantwortlich für
    die Gesamtherstellung:	Industrieverband Massivumformung e. V., Hagen,
                                 Dorothea Bachmann Osenberg
                                 www.massivumformung.de / www.massiverLEICHTBAU.de

    Layout und Titelbild:        simplon., Agentur für Werbung und Marketing-Kommunikation, St. Ingbert

    Druckschriften-Nr.:          El-LB-0414-20lb

    Ausgabe:                     April 2014

    ISBN:                        978-3-928726-33-7

    Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung und Vervielfältigung, vorbehalten.
    Auszugsweise Wiedergabe des Inhalts nur nach Rückfrage beim Industrieverband Massivumformung e. V. mit Quellen-
    angabe gestattet. Den Veröffentlichungen des Industrieverbands Massivumformung e.V. liegen die Ergebnisse der Gemein-
    schaftsforschung der im Industrieverband Massivumformung e. V. zusammengeschlossenen Unternehmen zugrunde.

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Massiver Leichtbau Potenziale massivumgeformter Komponenten - Industrieverband Massivumformung e. V.
Info-Reihe Massivumformung, Extraausgabe

Massiver Leichtbau
Potenziale massivumgeformter Komponenten

                          Herausgeber:
                          Industrieverband
                          Massivumformung e. V.

                          Goldene Pforte 1
                          58093 Hagen, Deutschland
                          Telefon: + 49 2331 958830
                          Telefax: + 49 2331 958730
                          E-Mail: osenberg@massivumformung.de

                          www.massivumformung.de
                          www.massiverLEICHTBAU.de

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Inhaltsverzeichnis
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      Vorwort                                                               3

      Impressum                                                             4

1     Einleitung                                                            9

1.1   Trends und Treiber für den automobilen Leichtbau                      9
1.2   Motivation für die Initiative Massiver Leichtbau                    10
1.3   Auswahl bisheriger Leichtbau-Innovationen in der Massivumformung    12

2     Leichtbaupotenzial
      massivumgeformter Komponenten im Pkw                                15

2.1   Durchführung der Potenzialstudie                                    15
      2.1.1 Ablauf und Vorgehensweise                                     15
      2.1.2 Bilanzierung der Potenzialstudie                              15

2.2   Beispiele für identifizierte Leichtbaupotenziale                    22
      2.2.1 Potenziale im stofflichem Leichtbau                            23
      2.2.2 Potenziale im konstruktiven und Fertigungsleichtbau           25
      2.2.3 Potenziale im Konzeptleichtbau                                30

2.3   Zusammenfassung und Fazit                                           31

3	Übertragung auf
   Entwicklungsprozesse und Forschungsvorhaben                            32

3.1   Übertragung auf Entwicklungsprozesse                                32

3.2   Forschungsansätze                                                   32

4     Weitere Leichtbaupotenziale in der Massivumformung                  33

5     Zusammenfassung und Ausblick                                        36

6     Literaturverzeichnis                                                39

7     Bilderverzeichnis                                                   41

                                                                                 7
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Einleitung                                                                                                                                               1

„Massiver Leichtbau“ – zu Beginn steht ein Begriff, der                                   Aus diesem hohen Mobilitätsanspruch der Menschheit
auf den ersten Blick ein Paradoxon beschreibt. Im allge-                                  ist seit mehr als 100 Jahren die Automobiltechnik her-
meinen Sprachgebrauch werden zunächst nur die Bedeu-                                      vorgegangen, für die die Branche der Stahlherstellung
tungen „solide“ oder „voll“ im Gegensatz zu „hohl“, und                                   hochwertige Werkstoffe zur Verfügung stellt und die

damit „schwer“ als Synonym zum Wort „massiv“ verstan-                                     Branche der Massivumformung mit ihren zahlreichen
                                                                                          und vielfältigen Verfahren wichtige Bauteile und Kom-
den. Die Sinnhaftigkeit des Begriffs „Massiver Leichtbau“
                                                                                          ponenten herstellt. Der wirkungsvolle Leichtbau, eben
erschließt sich aber, wenn die technisch zutreffenderen
                                                                                          jener „massive Leichtbau“ entsteht somit aus einem
Synonyme „fest“, „dauerhaft“ und „belastbar“, ebenso
                                                                                          Megatrend der Automobiltechnik.
wie die weiteren geläufigen Begriffe „durchsetzungs-
stark“ und „wirkungsvoll“ herangezogen werden.

Somit ist das Bestreben zu verstehen, mobile Technik in
                                                                                          1.1 Trends und Treiber für
den meisten Anwendungsfällen dauerhaft und belastbar                                          den automobilen Leichtbau
auszulegen, gleichzeitig aber auch die technische Lösung
                                                                                          Seit Beginn der Automobilität steigt das Streben nach
mit dem geringstmöglichen Masseneinsatz zu finden.
                                                                                          individueller motorisierter Fortbewegung in der Welt-
                                                                                          bevölkerung umgekehrt proportional zum Erdvorrat der
Dies gilt insbesondere dann, wenn diese Massen an-
                                                                                          benötigten fossilen Brennstoffe. Gleichzeitig haben sich
getrieben werden müssen, weil Mobilität die Auf-
                                                                                          Komfort- und Sicherheitsanforderungen an die Fahr-
gabe der betrachteten technischen Komponente ist.
                                                                                          zeuge in einer Weise erhöht, dass die Gesamtfahrzeug-
Die Muskelkraft des Menschen ist für den Antrieb von
                                                                                          gewichte stark gestiegen sind.
mobilen technischen Geräten derart begrenzt, dass fast
immer motorische Antriebe eingesetzt werden müssen,                                       Im Detail sind die Verbesserung der Fahrdynamik mit
was einerseits die Verbrennung fossiler Brennstoffe bei                                   stetig besseren Brems- und Beschleunigungseigen-
der Energiebereitstellung oder -erzeugung notwendig                                       schaften und die Reduzierung von Anschaffungs- und
macht, andererseits den Ausstoß von Treibhausgasen in                                     Betriebskosten zu nennen [1]. Darüber hinaus wird das
die Umwelt zur Folge hat.                                                                 sekundäre Leichtbaupotenzial angesprochen, welches

                                                            130 g/km
                                                                                                            2015 bis 2021 Reduktion
                                                                                                             um 5,8 g/km pro Jahr
        Zielwerte für den CO2-Flotten-

                                            10 g/km durch sonstige technische Maßnahmen
            ausstoß der EU / g/km

                                                                                                                95 g/km

                                            65 %         75 %        80 %        100 %

                                                                                                         95 %             100 %

                                         2012       2013         2014        2015                   2020           2021
                                                                                Zeit

Abbildung 1: CO2-Zielvorgaben für die europäische Neuwagenflotte 2012 bis 2021

                                                                                                                                                     9
Massiver Leichtbau Potenziale massivumgeformter Komponenten - Industrieverband Massivumformung e. V.
1    durch die reduzierte Fahrzeugmasse skaliert werden               1.2 Motivation für die Initiative
     kann. Dies betrifft z. B. die Handlungsbereiche Antrieb,
                                                                          Massiver Leichtbau
     Bremsen und Federung (also Fahrwerk) und wird mit
     einem Anteil von 30 % des Primärpotenzials beziffert.
                                                                      Die grafische Darstellung der sogenannten Gewichts-
                                                                      spirale (Abbildung 2) verdeutlicht die Notwendigkeit
     Vor allem ist es aber der Gesetzgeber, der eine ambi-
                                                                      zur Umkehr von einer aufwärtsgerichteten in eine ab-
     tionierte Herausforderung formuliert. Gemeint ist die            wärtsgerichtete Bewegung und ist unter anderem in [4]
     Gesetzgebung zur CO2-Reduzierung der Europäischen                näher beschrieben.
     Union und hier speziell die 2009 in Kraft getretene
                                                                      Im Wesentlichen findet sich in der linken Bildhälfte die
     Verordnung zur Verminderung der CO2-Emissionen
                                                                      Situation der vergangenen Jahrzehnte wieder: Stei-
     von Pkw. Sie verpflichtet die Automobilhersteller bis
                                                                      gende Anforderungen an die dargestellten Parameter
     2015 die Emissionswerte aller Neuzulassungen auf
                                                                      bedingten den Gewichtsanstieg der Karosserie, infol-
     einen Grenzwert von 130 g/km und bis 2021 von
                                                                      gedessen wurden Fahrwerk, Antriebsstrang und auch
     95 g/km zu begrenzen. Die vor 2015 geltenden Wer-                Komponenten wie der Tank verstärkt bzw. vergrößert.
     te gemäß einer stufenweisen Anpassung (sogenanntes               Als Folge musste wiederum die Karosserie angepasst
     Phase-in) sind in Abbildung 1 wiedergegeben [2].                 werden und der Weg in der Spirale nahm seinen Lauf.

     Die technischen Maßnahmen, die zu geringerem Ver-                Das Durchbrechen dieser Spirale gelang erst durch Nut-
     brauch und folgerichtig zur Verringerung der Abgas-              zung von Leichtbaupotenzialen im Handlungsspielraum
                                                                      der Karosserie. Durch diesen in der rechten Hälfte der
     mengen führen, sind zahlreich. Massivumgeformte
                                                                      Grafik dargestellten Lösungsansatz der Fahrzeugher-
     Komponenten können hier in den Handlungsfeldern Ver-
                                                                      steller ist der Spielraum für die Zulieferer mit Fokus auf
     brennungsmotor, Getriebe und vor allem Leichtbau tech-
                                                                      Antriebsstrang und Fahrwerk eröffnet.
     nische Entwicklungen unterstützen und zum angestreb-
     ten Fortschritt beitragen [3], d. h. die Antworten auf diese     Bisher hat sich demnach der automobile Leichtbau sehr
     Megatrends haben die Massivumformer bereits parat.               stark auf die Blechumformung und Fahrzeugkarosserie

        Steigende Anforderungen:                                                                   Fahrzeughersteller:
                                                                                                   • Gesamtfahrzeugkonzepte
        Sicherheit           + kg                                                                  • Fokus Karosserie
                                                                                                   • Top-Down Ansatz
        Komfort              + kg

        Fahrleistung         + kg
                                                                                   Lösungsansatz

                                                         Gewichtsspirale

        Platzangebot         + kg                                                                           Gemeinsames Ziel:
                                                                                                           Gewichtsreduktion

        Variabilität         + kg

        Qualität             + kg
                                                                                                   Zulieferer:
                                                                                                   • Komponenten und
                                                                                                     Fertigungs-Know-how
                                                                                                   • Fokus Antriebsstrang
                                                                                                     und Fahrwerk
                                                                                                   • Bottom-Up Ansatz

     Abbildung 2: Umkehrung der Gewichtsspirale durch Leichtbau in Antriebsstrang und Fahrwerk

10
konzentriert. Dies ist ablesbar an den wichtigsten gro-             zu optimieren. Es handelt sich bei der Initiative Massiver
                                                                                                                                  1
ßen Leichtbauprojekten von unterschiedlichen Initiato-              Leichtbau um das bisher größte vorwettbewerbliche Ge-
ren (Stahlindustrie, einzelne Stahlhersteller oder Zulie-           meinschaftsprojekt dieser beiden Branchen.
ferer, OEMs), die in einer chronologischen Übersicht in
Abbildung 3 zusammengestellt sind.                                  Die Idee dazu entstand bereits 2011 aus der Überzeu-
                                                                    gung, dass einzelne Firmen kaum ein so breites Niveau
Es ist festzustellen, dass die aktuellen Potenziale bei             an Einfallsreichtum und Kreativität erreichen können,
der Karosserie als größten Einzelposten in Sachen Fahr-             wie es in einer Kooperation der Fall ist. Viele Automo-
zeuggewicht durch moderne Werkstoff- und Verarbei-                  bilhersteller schienen sich vorwiegend für junge Her-
tungskonzepte zurzeit als weitgehend erschlossen gel-
                                                                    stellungsverfahren und Technologien zu interessieren,
ten. Dafür rücken der Antriebsstrang und das Fahrwerk
                                                                    während sie der Entwicklung von bewährten Prozessen
in den Fokus, die zusammen durchschnittlich 41 % des
                                                                    zu wenig Beachtung schenkten. Der branchenüber-
Fahrzeuggewichts ausmachen [5].
                                                                    greifende Charakter mit der gebündelten Kompetenz
                                                                    aus Werkstoffwissen und Umformtechnologie sollte in
Ein erheblicher Motivationsfaktor zur Gründung einer
                                                                    dieser Initiative entscheidender Multiplikator sein. Aus
Brancheninitiative aus Stahlherstellern und Massivum-
                                                                    Sicht der Stahlhersteller schien es sehr wichtig, die vor-
formern war somit gegeben: Die Initiative Massiver
                                                                    anschreitenden Werkstoffentwicklungen in Endproduk-
Leichtbau [6] ist Anfang 2013 aus dem Zusammen-
schluss von 15 Unternehmen der Massivumformung                      te zu übertragen. So würde die Branche die Potenziale

und 9 Stahlherstellern unter dem Dach des Industrie-                der modernen hochfesten Stähle optimal nutzen und

verbands Massivumformung e. V. und des Stahlinstituts               neue Anwendungsmöglichkeiten schaffen können, die

VDEh entstanden. Ohne öffentliche Mittel finanziert die-            auch den ökonomischen und ökologischen Gesichts-
ses Konsortium die im Kapitel 2 näher erläuterte Studie             punkten Rechnung tragen [7]. Durch die Bündelung
„Leichtbaupotenziale massivumgeformter Komponen-                    von Kompetenzen, beginnend bei der Stahlzusammen-
ten im Pkw“ mit dem Ziel, die massivumgeformten Kom-                setzung bis teilweise hin zur einbaufertigen Komponen-
ponenten aus Stahl im Pkw hinsichtlich des Leichtbaus               te ist ein ganzheitlicher Optimierungsansatz möglich.

        Projekt                      Jahr 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 Konsortium (Lead)
        ULSAB                                                                                            WorldAutoSteel
        UltraLight Steel Auto Body
        ULSAS                                                                                            WorldAutoSteel
        UltraLight Steel Auto Suspension
        ULSAC                                                                                            WorldAutoSteel
        UltraLight Steel Auto Closures
        ULSAB-AVC
        UltraLight Steel Auto Body –                                                                     WorldAutoSteel
        Advanced Vehicle Technology
        NewSteelBody                                                                                     TKS
        SuperLIGHT-Car
        Sustainable Production
        Technologies for CO2-Emission                                                                    EUCAR
        Reduced Light weight Car
        concepts
        InCar                                                                                            TKS
        Innovative Car
        FutureSteelVehicle                                                                               WorldAutoSteel
        LDV Mass Reduction
        Light-Duty Vehicle Mass
                                                                                                         FEV / EDAG
        Reduction and Cost Analysis –
        Midsize Crossover Utility Vehicle
        CULT                                                                                             Magna
        Cars’ Ultralight Technologies

Abbildung 3: Übersicht einiger wichtiger Leichtbauprojekte im automobilen Umfeld (1994 bis 2013)

                                                                                                                                 11
1                                                              tiven Leichtbau (Topologie- und Gestaltoptimierung)
                                                               und in fertigungstechnische Maßnahmen (Faserverlauf,
                                                               Oberflächenbehandlungsverfahren) untergliedern las-
                                                               sen, sind unter anderem in [8] und [9] ausführlich be-
                                                               schrieben. Daher wird im Folgenden eine beispielhafte
                                                               Auswahl von innovativen Lösungen ohne jeglichen An-
                                                               spruch auf Vollständigkeit vorgestellt, die einen groben
                                                               Überblick über bereits in die Serie umgesetzte Leicht-
                                                               baulösungen geben soll.
     Abbildung 4: Logo der Initiative Massiver Leichtbau
                                                               Im Bereich des stofflichen Leichtbaus im Fahrwerk ist die
                                                               Substitution von Stahlkomponenten durch Bauteile aus
                                                               Aluminium bereits recht etabliert. Ein solches Beispiel
     Die Initiative Massiver Leichtbau wurde ins Leben ge-
                                                               zeigt der in Abbildung 5 dargestellte Pkw-Hinterachs-
     rufen, um die Fachwelt dafür zu sensibilisieren, wel-
                                                               radträger, der im Rahmen eines Modellwechsels stark
     che Beiträge die Massivumformung zum automobilen
     Megatrend des Leichtbaus leistet. Darüber hinaus sol-     überarbeitet wurde. Durch die verbesserte Auslegung

     len über einen rechtzeitigen und zielführenden Dialog     als Aluminium-Schmiedeteil konnte in Verbindung mit

     zwischen Stahl- und Komponentenzulieferer auf der         einer veränderten Lagergeneration das Systemgewicht

     einen und Automobilkunden auf der anderen Seite die       um 1,8 kg reduziert werden. Ein Teil der Gewichts-

     möglichen Potenziale in die frühen Phasen einer Sys-      reduzierung ist demzufolge nicht dem Materialwechsel
     tem- und Bauteilentwicklung einbezogen werden. Glei-      zuzurechnen, dennoch werden die Möglichkeiten der
     chermaßen gilt es, mit den bewährten Methoden des         Massivumformung deutlich [10].
     Simultaneous-Engineering neue Lösungsansätze aus
     dem Konzept-Leichtbau anzustoßen.                         Außerhalb des Pkw-Bereichs werden Aluminium-
                                                               Schmiedeteile mit den Vorteilen der gestaltungs- und
                                                               anforderungsoptimierten Ausführung auch in Motorrä-
                                                               dern eingesetzt, wie der Längslenker in Abbildung 6 be-
     1.3 Auswahl bisheriger
                                                               weist [11], dessen filigrane Ausführung vor Jahren noch
         Leichtbau-Innovationen                                als „unschmiedbar“ galt.
         in der Massivumformung
                                                               Deutlich wird bei den vorgenannten Beispielen, dass
     Die Möglichkeiten und physikalisch-technologischen        die Geometrie bzw. der zur Verfügung stehende Ein-
     Zusammenhänge in den verschiedenen Disziplinen des        bauraum einer Komponente ebenfalls eine wesentliche
     Leichtbaus durch Massivumformung, die sich in stoffli-    Rolle spielt. Die Praxis beweist auch bei zunächst simpel
     chen Leichtbau (Werkstoffanforderungen), in konstruk-     erscheinenden Aufgabenstellungen im Bereich des stoff-

     Abbildung 5: Pkw-Hinterachsradträger –                    Abbildung 6: Motorrad-Längslenker als Aluminium-
     links: Stahlausführung, rechts: Nachfolgegeneration aus   Schmiedeteil
     Aluminium mit verringertem Systemgewicht

12
1

Abbildung 7: Massivumgeformte Rohteile für hohle Getrie-    Abbildung 8: Beispiele für hohle rundgeknetete Lenkwellen
bewellen, links 27 % und rechts 38 % Gewichtsreduzierung

lichen Leichtbaus sehr häufig die Notwendigkeit zur um-     verzichtet werden kann. Ermöglicht wird dies durch
fangreichen Modifizierung der Konstruktion. In solchen      die inkrementelle Umformung mit sehr hoher Hubfre-
Fällen zeigt sich dann, dass Substitution durch „leich-     quenz bei gleichzeitig sehr geringer Formänderung pro
tere“ Werkstoffe nicht effektiver ist als konstruktives     Hub. Durch die insgesamt beim Rundkneten erzielbaren
Perfektionieren der Geometrie oder des Herstellungs-        hohen Umformgrade ist eine große Designvielfalt her-
prozesses unter Beibehaltung der Werkstoffgruppe [12].      stellbar. Darüber hinaus sind mit dem Axialformen die
                                                            häufig ebenfalls an einer Welle gewünschten Verzah-
Diese Erkenntnis führt sowohl zu konstruktiven als auch     nungselemente stabil und in hochpräziser Qualität zu
fertigungstechnischen Lösungen in der Massivumfor-
                                                            gewährleisten [14].
mung, aus denen die Gattung der Hohlwellen hervor-
gegangen ist. Speziell im Getriebebereich erlangen hohl
                                                            Es sind noch zwei weitere etablierte Prinzipien für den
ausgeführte Wellen, bedingt durch die technische Not-
                                                            Leichtbau in der Massivumformung zu erwähnen: die
wendigkeit z. B. bei Doppelkupplungsgetrieben oder ei-
                                                            Funktionsintegration und die gebaute Komponente.
nigen Elektroantriebskonzepten, immer größer werden-
                                                            Funktionsintegration von bislang getrennt geschmiede-
de Bedeutung. Weiterhin besitzt die Ausführung von
                                                            ten Bauteilen wird z. B. beschrieben, indem ein Lkw-
Getriebewellen als Hohlwellen das erforderliche Leicht-
                                                            Achsschenkel und der dazugehörige Spurhebel nach
baupotenzial, da u. a. die geforderte Torsionssteifigkeit
                                                            grundlegender FE-Analyse zu einem integralen Schmie-
kaum vom Kern der Welle beeinflusst wird. Die Einspa-
                                                            deteil zusammengeführt wurden [15].
rung kann hier also durch die Reduktion nichttragen-
der Querschnitte erzielt werden. In Abbildung 7 sind
                                                            Der entgegengesetzte Weg wird beispielsweise bei der
Hohlwellenrohlinge für Getriebewellen abgebildet, die
                                                            gebauten Nockenwelle bestritten: Hierbei wird, statt
durch einen mehrstufigen Kaltumformprozess in Kom-
                                                            das Rohteil klassisch in einem Stück zu schmieden, die
bination mit Zerspanung hergestellt wurden und deren
                                                            eigentliche Welle als Rohr ausgeführt und die Nocken
Gewichtseinsparung 27 % bzw. 38 % beträgt [10], [13].
                                                            separat als Massivumformteil erstellt. In diesem Fall

Betrachtet man darüber hinaus die vielfältigen Ferti-       stellt die Fertigung auf vollautomatischen Horizontal-
gungstechnologien der Massivumformung, sind durch           Mehrstufenpressen, die die Fertigung der Nocken in
die Verfahren Rundkneten und Axialformen etliche wei-       hoher Taktfrequenz bei gleichbleibend hoher Qualität
tere Leichtbauwellen, die als hohle Wellen ausgeführt       gewährleistet, auch die kostengünstigste Variante dar.
sind, möglich. Der Anwendungsbereich erstreckt sich
dabei über hohle Lenkwellen (Abbildung 8) und hohle         Mit diesem Erfahrungspotenzial begannen die Teilneh-
Getriebe- und Antriebswellen bis hin zu Stoßdämpfer-        mer der Initiative Massiver Leichtbau mit einer Studie
elementen. Mit dieser Fertigungstechnik können ex-          zum Leichtbaupontenzial ihre erste wesentliche Pro-
trem hohe Oberflächengüten erzeugt werden, durch            jektphase, dessen Ergebnisse im anschließenden Kapitel
die auf eine nachfolgende spanende Bearbeitung meist        vorgestellt werden.

                                                                                                                        13
14
Leichtbaupotenzial                                                                                                      2
massivumgeformter Komponenten im Pkw
                                                           Den Kernpunkt der Studie bildeten drei moderierte
2.1 Durchführung
                                                           Hands-on-Workshops zu den Fahrzeugbereichen An-
    der Potenzialstudie                                    triebsstrang, Fahrwerk und Weiteren Komponenten.
                                                           Hierzu kamen Experten aus den Entwicklungs- und Pro-
2.1.1 Ablauf und Vorgehensweise
                                                           duktionsabteilungen der teilnehmenden Unternehmen
Die Initiative Massiver Leichtbau bestritt in ihrem ers-   zusammen, um die Bauteile nach zuvor erfolgter Vor-
ten Arbeitsschritt im Zeitraum von Februar bis Okto-       evaluierung durch die fka zu begutachten und Leicht-
ber 2013 eine Potenzialstudie zum Thema Leichtbau          bauideen zu entwickeln und zu formulieren. Eindrücke
in Form mehrerer Workshops. Zugrunde gelegt wurde          zu den Workshops sind in Abbildung 10 wiedergege-
eine methodische Vorgehensweise mit fünf aufeinander       ben.
aufbauenden Arbeitspunkten. Der Projektablauf ist in
Abbildung 9 dargestellt.                                   In allen Workshops waren die Teilnehmer aufgefordert,
                                                           Leichtbauvorschläge zu erarbeiten, indem sie neben
Im ersten Arbeitsschritt wurde durch die Übersicht bis-    der Skizzierung und / oder der Beschreibung ihrer Idee
her veröffentlichter Forschungsergebnisse und -vorha-      auch eine eigene Bewertung in den drei Kategorien
ben aus diesem Bereich sowie durch eine Analyse der        Leichtbaupotenzial, Kostenpotenzial und Realisierungs-
akzeptierten Leichtbaukosten je Fahrzeug ein systema-      aufwand vornehmen mussten, um zu einer mehrdimen-
tischer Überblick über Leichtbaupotenziale für den An-     sionalen Bewertung zu kommen. Alle vorgenannten

triebsstrang und das Fahrwerk eines Pkws geschaffen.       Angaben wurden auf Leichtbau-Ideen-Bögen notiert,
                                                           welche als Informationsträger zur Implementierung in
Anschließend wurde im zweiten Arbeitsschritt ein           die Datenbank dienten. Dieser Aufbau bzw. die Pfle-
Benchmarking aufgesetzt. Hierzu wurde ein neuwerti-        ge der Online-Datenbank gilt neben der jeweiligen

ges Referenzfahrzeug beschafft und systematisch durch      Ergebnisprotokollierung und -präsentation sowie der

die fka Forschungsgesellschaft Kraftfahrwesen mbH          Visualisierung der Ergebnisse für eine spätere Weiter-

Aachen, die mit der Studie beauftragt wurde, zerlegt.      verwendung in anderen Veranstaltungen der Initiative

Die Wahl für das Referenzfahrzeug fiel auf einen Mit-      als begleitender, übergeordneter Arbeitsschritt.

telklasse-Kombi, ein Volumenmodell eines deutschen
                                                           Im abschließenden Arbeitspunkt wurde durch weitere
Herstellers, welches mit einem Dieselmotor mit Dop-
                                                           Ausarbeitung der Ideen zu Leichtbauvorschlägen mithil-
pelkupplungsgetriebe sowie Allradantrieb ausgestattet
                                                           fe erster konzeptioneller CAD-Entwürfe oder überschlä-
war. Bereits beim Zerlegen des Gesamtfahrzeugs wurde
                                                           giger Belastungsrechnungen das Leichtbaupotenzial
nach den für die Studie maßgebenden Kategorien An-
                                                           der massivumgeformten Komponenten im Kraftfahr-
triebsstrang, d. h. Motor und Getriebe sowie Fahrwerk
                                                           zeug identifiziert.
und weiteren Komponenten differenziert.

                                                           Beispiele für konkrete Leichtbauvorschläge, die in dieser
Alle Baugruppen und Einzelteile wurden analysiert,
                                                           Phase der Studie gewonnen wurden, werden im nach-
dazu wurden die Parameter Abmessung, Werkstoff und
                                                           folgenden Kapitel 2.2 erläutert.
selbstverständlich auch das Gewicht in einer Online-Da-
tenbank gespeichert. Zur Bestimmung des Werkstoffs
                                                           2.1.2 Bilanzierung der Potenzialstudie
wurde gegebenenfalls eine Analyse im Werkstofflabor
durchgeführt. Darüber hinaus ist als wichtiges Hilfsins-   Die systematische Zerlegung des Referenzfahrzeugs
trument auch die umfangreiche Fotodokumentation zu         brachte die Anzahl von ca. 3.500 zu analysierenden
nennen, die durch Baugruppendarstellungen des Her-         Bauteilen zu Tage. Die Analyse führte zur Formulierung
stellers ergänzt wird.                                     von 399 Leichtbauideen, welche in den drei Workshops

                                                                                                                       15
2
                                                                1. Bestimmung des Fahrzeuggesamtgewichts

                                                                   Referenzfahrzeug:
                                                                   125 kw / 170 PS
                          Umfeldanalyse
                                                                   2,0 l Turbo-DI Dieselaggregat
                Es liegt ein systematischer Überblick              Doppelkupplungsgetriebe, Allradantrieb
             über vorangegangene Leichtbaupotenziale               Gesamtmasse: 1.740 kg
               im Antriebsstrang und Fahrwerk vor.

                                                                2. Zerlegung des Gesamtfahrzeugs

                                                               Verbrennungs-   Getriebe Fahrwerk               Tür, Sitz,
                                                               motor                                           Gurt, AHK

                                                                3. Listen und Benennung aller Einzelteile
                          Benchmarking
              Ein Referenzfahrzeug wurde systematisch
                demontiert, dokumentiert und erfasst.
                                                                4. Einzelteilanalyse

                                                                5. Gewichtsbilanzierung Baugruppen

                   Drei Hands-on-Workshops
             Durchführung von moderierten Workshops
                       zu Antrieb, Fahrwerk
                   und weiteren Komponenten.

                                                                6. Fotodokumentation

                                                                                          Zahnrad Parksperre
                                                                   ●   Normansichten
                                                                   ●   Detailansichten
                                                                   ●   Ggf. Einbaulagen
                                                                   ●   Digitale Ent-
                                                                       fernung der
                                                                                            (22108020001)
                                                                       Herstellerlogos

                                                                7. Datenbankimplementierung
                                                                   mit Vorschlägen zum Leichtbaupotenzial

                 Ideensammlung und Ableitung
                    von Leichtbaupotenzialen
              Bisher unbekanntes Leichtbaupotenzial
            wurde an massivumgeformten Komponenten
                im Pkw identifiziert und in konkrete
                  Leichtbauvorschläge umgesetzt.

     Abbildung 9: Projektablauf der Leichtbaupotenzialstudie

16
2

Abbildung 10: Projektteilnehmer und Präsentation der ausgebauten Komponenten während eines der drei Hands-On-Workshops

von insgesamt 65 verschiedenen Personen aus 30 Un-             Da für die Massivumformung in erster Linie die Kom-
ternehmen und Forschungsgesellschaften formuliert              ponenten aus Antriebsstrang und Fahrwerk für Leicht-
wurden. In Summe nahmen an den Workshops 123                   bauideen interessant sind, wurden in diesen Sektionen
Personen teil [1].                                             auch je 100 % der zugeordneten Bauteile untersucht.
                                                               Zusätzlich wurde ein Anteil von 19 % des Interieurs
Es ist sinnvoll, sich bei Darstellung der Gewichtsbilan-       (Vordersitze und Gurtsystem) sowie von 15 % der Ka-
zierung des Referenzfahrzeugs auf die Gesamtbilanz             rosserie (Vordertüren und Front-Bumper-System sowie
sowie auf den Anteil massivumgeformter Komponen-               Verbindungselemente) in die Analyse mit einbezogen.
ten zu beschränken: Das Fahrzeug bringt ein Gesamtge-
wicht von 1.740 kg in die Untersuchung. Wie in Abbil-          Damit ergeben sich genau 838 kg oder ca. 48 % als

dung 11 gezeigt, teilt sich in der Gewichtsbilanzierung        Masse bzw. Anteil des in der Untersuchung analysierten
                                                               Teils.
das Gesamtgewicht auf die Komponenten der Karosserie
(39 %), Antriebsstrang (23 %), Fahrwerk (16 %), Interieur      In der detaillierten Gewichtsbilanzierung des Antriebs-
(16 %) und Elektronik (6 %) auf.                               strangs überrascht nicht, dass der Verbrennungsmo-

                                     3,0 kg
                                     8 Ideen
                         16 %
                      davon 19 %
                      untersucht
                                                         39 %
                                                                                Interieur
                                                      davon 15 %
               6%                                     untersucht                Elektronik
                                Referenzfahrzeug
                                 125 kW / 170 PS                                Karosserie
                                   2,0 l Turbo-DI
                                  Dieselaggregat
                                 Doppelkupplungs-
                                      getriebe
                                                                                Fahrwerk
                   23 %            Allradantrieb
                                                                                Antriebsstrang
                  25,5 kg
                 258 Ideen

                                                                                Analysierter Teil: 838 kg
                                        16 %
                                                                                Gesamtgewicht:     1.740 kg
                                       13,5 kg
                                      133 Ideen

Abbildung 11: Gewichtsbilanzierung des Referenzfahrzeugs

                                                                                                                         17
2
                 Gewichtsbilanzierung Antriebsstrang

                                                                                  Verbrennungsmotor
                               9%
                                                                                  Drehmomentwandler

                                                                                  Ausgleichs- und Verteilergetriebe
                     16 %
                                                                                  Antriebswellen
                                399,45 kg

                                               59 %
                     16 %

                    Gewichtsbilanzierung Fahrwerk

                                                                                  Vorderachse
                               8%
                                            18 %                                  Hinterachse

                                                                                  Räder und Reifen
                    21 %
                                                                                  Bremssystem
                                284,50 kg
                                                                                  Lenksystem
                                                   22 %

                              31 %

     Abbildung 12: Gewichtsbilanzierung Antriebsstrang und Fahrwerk

     tor mit einem 59 %-Anteil dominiert, während auf                 dass einige gewichtige Fahrzeugkomponenten für eine
     Drehmomentwandler (Doppelkupplungsgetriebe) und                  Potenzialanalyse überhaupt nicht in Frage kommen,
     Ausgleichs- sowie Verteilergetriebe je 16 % entfallen            da hierfür die Massivumformverfahren technisch oder
     und für die vier Antriebswellen 9 % verbleiben (Abbil-           wirtschaftlich nicht angewendet werden können. Hier-
     dung 12, oben).                                                  zu zählen in erster Linie Motorblock, Abgasanlage und
                                                                      hinterer Subframe. Für die übrigen Komponenten aus
     In der Gewichtsbilanzierung des Fahrwerks zeigt sich
     dagegen eine gleichmäßigere Verteilung: Räder und                Antriebsstrang und Fahrwerk wird die Klassifizierung in

     Reifen vereinnahmen 31 % auf sich, während Vor-
                                                                      • Langprodukte,
     der- und Hinterachse sich 18 bzw. 22 % teilen, für das
     Bremssystem werden immerhin 21 % bilanziert und der              • Potenzial zur Massivumformung,
     verbleibende Anteil von 8 % auf das Lenksystem entfällt
     (Abbildung 12, unten).                                           • massivumgeformt und

                                                                      • Verbindungselemente („Schrauben und Muttern“)
     Das Ergebnis der den Workshops vorausgeeilten Vor-
     evaluierung ist in Abbildung 13 zu sehen: Deutlich wird,         vorgenommen.

18
Antriebsstrang                                         Fahrwerk                                            Gesamt
                                                                                                                                                    2
                 (Angaben in %)                                    (Angaben in %)                                     (Angaben in %)

                        3                                                  3                                                 3
                                                                                   13
                                                                                                                                       21
                                       27
                                                          45
                  399,45 kg                                          284,50 kg                                         683,95 kg
                                                                                                          51
      56
                                                                                        33                                              19
                                       9
                                  4
                                                                       6                                                         5

         Schrauben                    Massiv-              Potenzial zur                 Langprodukte               Nicht massivumgeformt
         und Muttern                  umgeformt            Massivumformung                                          (ohne Potenzial)

    Beispiele:

     Schraube Zylinderkopf            Kurbelwelle                  Felge                     Querstabilisator vorne         Motorblock
     0,109 kg (10x)                   13,9 kg                      10,66 kg (4x)             4,32 kg                        40,3 kg
     Schraube Subframe                Antriebswelle Differential   Radträger hinten          Antriebswelle hinten           Abgasanlage (Teil 2)
     0,1267 kg (4x)                   3,42 kg                      2,84 kg (2x)              2,52 kg (2x)                   18,5 kg
     Schraube Getriebe                Radlager (Teil 2)            Differentialträger        Feder Stoßdämpfer vorne        Subframe hinten
     0,0247 kg (19x)                  1,74 kg (4x)                 4,18 kg                   2,16 kg (2x)                   17,06 kg

Abbildung 13: Anteil massivumgeformter Komponenten

Abbildung 14 verdeutlicht in einfacher Weise die Auf-                          Anteil von über 5 % der analysierten Gesamtmasse von
teilung der eingereichten Leichtbauideen und des er-                           838 kg entspricht.
mittelten Leichtbaupotenzials auf Antriebsstrang, Fahr-
werk und weitere Komponenten. Insgesamt wurde ein                              Um diese Ideen zu priorisieren, wurden zwei Portfo-
Potenzial von 42 kg ermittelt, was einem erstaunlichen                         lios erstellt, die die Bewertung der Leichtbauideen aus

       Antriebsstrang                               258 Ideen                                                           - 25,5 kg

       Fahrwerk                                     133 Ideen                                                           - 13,5 kg

       Weitere Komponenten                           8 Ideen                                                             - 3,0 kg

      Gewichtseinsparung                         399 Ideen                                                                 42 kg

Abbildung 14: Auswertung und Einsparpotenzial der 399 Ideen

                                                                                                                                                   19
2
                                                                                                                    Optimum

                   Hoch (-30 %)
                                                 Gruppe E
                                                 -3,01 kg                                                      Gruppe A
                                                                                                               -13,58 kg

                                                            Gruppe D
                                                            -4,96 kg
                   Leichtbaupotenzial

                                                                                Gruppe C
                                                                                -3,82 kg
                                                                                                             Gruppe B
                                                                                                             -0,21 kg
                   Konstant

                                        Teurer                              Kostenpotenzial                         Günstiger

                                        Realisierungsaufwand:          Gering       Mittel      Hoch

     Abbildung 15: Portfolio zur Priorisierung der Leichtbau-Ideen im Antriebsstrang

     den Workshops zum Antriebsstrang und Fahrwerk ein-                                Die Priorisierung macht deutlich, dass eine Gruppierung
     gruppieren und eine sehr gute visuelle Unterstützung                              vorgenommen werden kann: Die Gruppe A stellt sich
     anbieten. Dabei ist jeweils das Kostenpotenzial gegen                             dabei als Optimum zwischen Potenzial und Kosten dar,
     das Leichtbaupotenzial aufgetragen. Zusätzlich wird                               hier liegt nach Einschätzung der Experten Gewichtsre-

     der eingeschätzte Realisierungsaufwand farblich unter-                            duzierung bei gleichzeitiger Kostensenkung vor. Diese
                                                                                       Ideen stellen sogenannte Quick-Wins dar. Maßnahmen
     schieden. Abbildung 15 und Abbildung 16 zeigen die
                                                                                       aus der Gruppe E sind hingegen eher der vollständigen
     beiden Portfolio-Darstellungen, wobei zu beachten ist,
                                                                                       Ausreizung des Leichtbaupotenzials zuzurechnen, da
     dass die Werte des Leichtbaupotenzials auf der Ordi-
                                                                                       der Umsetzungsaufwand auf der Entwicklungsseite all-
     nate sinnvollerweise in Relation zum Ursprungswert
                                                                                       gemein kostenintensiver beurteilt wird.
     „Bauteilgewicht“ dargestellt sind und dass sich bis auf
     wenige Ausnahmen hinter einem Symbol mindestens 5                                 In der kumulierenden Darstellung in Abbildung 17 kann
     und bis zu 36 Vorschläge verbergen.                                               man das Gesamtergebnis erkennen: Die vorgenannten
                                                                                       Quick-Wins beschreiben den kostengünstigen Leicht-
     Auf eine Darstellung des Portfolios für die weiteren                              bau, ein hohes Umsetzungspotenzial im Volumen-
     Komponenten in dieser Form wird hier verzichtet, da                               segment ergibt eine Einsparung von bereits ca. 25 kg
     sich der Fokus der Untersuchungen auf die Bereiche                                und mit dem Einsparpotenzial von bis zu 42 kg ist die
     Antriebsstrang und Fahrwerk richtet.                                              volle Ausreizung des Leichtbaupotenzials beschrieben.

20
2
                                                                                                                                                      Optimum

                       Hoch (-30 %)
                                                      Gruppe E
                                                                                                                                             Gruppe A

                                                                     Gruppe D
                       Leichtbaupotenzial

                                                                                                  Gruppe C

                                                                                                                                            Gruppe B
                       Konstant

                                             Teurer                                          Kostenpotenzial                                         Günstiger

                                             Realisierungsaufwand:                   Gering               Mittel            Hoch

Abbildung 16: Portfolio zur Priorisierung der Leichtbau-Ideen im Fahrwerk

                     840                     838 kg                     -15,7 kg          -16,6 kg           -25,5 kg            -38,6 kg       -42,0 kg

                     830

                     820
                                             Antriebs-
                                              strang
                     810
      Gewicht / kg

                                              399 kg

                     800                                                                                                                                 796 kg

                     430                     Fahrwerk
                                              285 kg

                                                         Sonstiges
                                                          154 kg
                       0
                                             Ausgangs-           Optimum          Kombination      Konstante Kosten      Erweitertes    Ausreizung        Massiver
                                              gewicht       zwischen Leichtbau   von Leichtbau       und mittlerer       Leichtbau-     Leichtbau-        Leichtbau
                                                                und Kosten         und Kosten         Leichtbau           Potenzial      Potenzial

                                            Kostengünstiger Leichtbau                            -17 kg

                                            Hohes Umsetzungspotenzial für Volumensegment                              -25 kg

                                            Volle Ausreizung des Leichtbaupotenzials                                                                 -42 kg

Abbildung 17: Kumulierte Darstellung der Leichtbaupotenziale nach Priorisierung

                                                                                                                                                                      21
2    Die Massivumformung ist also in der Lage, den unter-               bestätigt sich als Empfehlung eine Intensivierung der
     suchten Anteil von 838 kg am Fahrzeuggewicht durch                 Kommunikation zwischen Zulieferer und Kunden und
     deutliche Einsparung auf verbleibende 796 kg zu senken.            aus Sicht des Fahrzeugherstellers eine frühzeitige Ein-
                                                                        bindung der Entwickler auf Seiten der Massivumformer
     Eine weitere Darstellung der Leichtbauideen, kategori-
                                                                        mit dem Ziel der Etablierung dieser Ideen in der Serie.
     siert nach
     • stofflichem Leichtbau / altermativem Werkstoffein-               Weitere ca. 6 % der Ideen beinhalten innovative Kon-
       satz,                                                            zepte mit eher disruptivem Charakter (Kapitel 2.2.3),
     • konstruktivem und Fertigungsleichtbau sowie                      die somit die aufwendigste Verbesserung eines beste-

     • Konzeptleichtbau                                                 henden Systems beschreiben. Die gesamte Neukon-
                                                                        struktion von Systemen stand nicht im Projektfokus,
     wird in Abbildung 18 dargestellt.
                                                                        eine Empfehlung kann dennoch in Richtung einer wei-
     Danach folgen ca. 33 % der Leichtbauideen dem stoff-               teren Prüfung der technischen Realisierbarkeit ausge-
     lichen Leichtbau (Kapitel 2.2.1), der je nach Bauteil eine         sprochen werden, welche wiederum ausschließlich
     konstruktive und topologieoptimierte Neuauslegung                  durch die intensive Kommunikation auf hohem fachli-
     des Bauteils erfordern kann. Die Studie kommt in die-              chen Niveau zwischen Massivumformern und den Kon-
     ser Hinsicht zur Empfehlung der weiteren Analyse von               strukteuren bei den Kunden erreicht werden kann.
     Leichtbaupotenzialen im Rahmen eines AiF-Forschungs-
     projekts (Kapitel 3).

     Den Großteil von ca. 75 % der Leichtbauideen bein-
                                                                        2.2 Beispiele für identifizierte
     haltet Potenzial, das aus der Kernexpertise der Projekt-               Leichtbaupotenziale
     teilnehmer resultiert, nämlich aus adaptierten Konstruk-
     tionen auf Basis der kontinuierlichen Entwicklung der              Selbstverständlich ist es nur möglich, einen ausgewähl-
     großserientauglichen Massivumformung. Die Beispiele                ten Teil der Leichtbauideen in dieser Schrift zu erläutern,
     hierfür werden in Kapitel 2.2.2 näher erläutert. Hier              im Folgenden sind daher ausgesuchte Lösungen vorge-

               Stofflicher Leichtbau /                      Konstruktiver-                               Konzept-
           Alternativer Werkstoffeinsatz               und Fertigungsleichtbau                          Leichtbau

           ●   Ca. 33 % der Leichtbauideen        ●   Ca. 75 % der Leichtbauideen          ●   Ca. 6 % der Leichtbauideen
               beinhalten einen alternativen          beinhalten adaptierte                    beinhalten innovative
               Werkstoffeinsatz                       Konstruktionen und basieren              Konzepte
                                                      auf dem Einsatz der
           ●   Empfehlung:                            großserientauglichen                 ●   Empfehlung:
               Weitere Analyse                        Massivumformung                          Intensive Kommunikation
               von Leichtbaupotenzialen                                                        und weitere Prüfung der
               durch stofflichen Leichtbau        ●   Empfehlung:                              technischen Realisierbarkeit
               im Rahmen eines                        Intensive Kommunikation                  der besonders innovativen
               AiF - Forschungsprojekts               der Ergebnisse mit Kunden zur            Konzepte
                                                      Etablierung der Ideen
                                                      in der Serie

     Abbildung 18: Auswertung der Potenzialideen nach Technologien

22
stellt, die aus der beschriebenen systematischen Ana-           spezifischen Gewichts durch einen mit geringerem
                                                                                                                               2
lyse innerhalb der Workshops für die Bereiche Antrieb           spezifischen Gewicht. Dies führt dazu, dass in der öf-
und Fahrwerk hervorgegangen sind. Hierbei ist eine              fentlichen Wahrnehmung die metallischen Werkstoffe
Einteilung in ein werkstoffliches sowie konstruktives           Aluminium, Magnesium und Titan, andererseits carbon-
und fertigungstechnisches Leichtbaupotenzial sinnvoll.          faserverstärkte Kunststoffe (CFK) kursieren. Zahleiche
Darüber hinaus werden aber auch Konzept-Ideen dar-              Beispiele, vorrangig aus der Fahrwerkstechnik, verdeut-
gestellt, die in einer innovativen Form antreten, heutige       lichen z. B. den zunehmenden Anteil von Komponen-
Lösungen zu substituieren.                                      ten, die aus Aluminiumlegierungen umgeformt werden
                                                                [11], [16]. Gegen diese Konkurrenz fühlen sich die Stäh-
Es handelt sich bei den vorgestellten Ideen nicht um            le für die Massivumformung jedoch durchaus gewapp-
bereits bis zur Serienreife entwickelte Lösungen. Zum           net. Die Argumente hierfür sind beste mechanische
einen Teil ergeben sich erste skizzenartige Vorschläge,         Eigenschaften und beherrschbarer Kostenaufwand.
denen weitere Untersuchungen durch Einsatz moderner             Des Weiteren beweisen sich die zahlreichen neuen Ent-
Berechnungsverfahren aus dem Bereich des Simultane-             wicklungen, z. B. kostengünstige höherfeste Güten im
ous Engineering folgen müssen. Zum anderen Teil han-            Bereich der Stahlwerkstoffe für Schmiedeteile, die die
delt es sich um Konstruktionsvorschläge, die bereits für        Stahlhersteller in der Initiative Massiver Leichtbau mit in
vergleichbare Aufgabenstellungen bei den Entwicklern            das Projekt und somit in die Workshops einbringen, auf
der Massivumformer durchgeführt wurden. Nicht aus-              der Waagschale.
zuschließen ist ferner, dass einigen Vorschlägen system-
technische Anforderungen entgegenstehen, die dem                Gerade die Anforderungen an die Bauteile aus den im
Teilnehmerkreis der Potenzialstudie unbekannt sind.             Projekt untersuchten Bereichen Antriebsstrang und
Die 3.500 Bauteile stehen demnach stellvertretend für           Fahrwerk setzen höhere mechanische Kennwerte vor-
die Komponenten vergleichbarer Fahrzeugtypen, um                aus. Dies hat zur Folge, dass häufig auf Vergütungsstäh-
zu Denkanstößen zu motivieren: Es sind konventionel-            le statt auf kostengünstige AFP-Stähle zurückgegriffen
le Fertigungstechniken zu hinterfragen und alternative          werden muss. Sowohl durch höhere Legierungskosten
werkstoffliche sowie konstruktive Möglichkeiten aufzu-          als auch durch Kosten für zusätzliche Wärmebehand-
zeigen, was – wie im Folgenden dargestellt – nachweis-          lung und Rissprüfung müssen dabei erhebliche preisliche
lich gelungen ist.                                              und prozesstechnische Nachteile in Kauf genommen
                                                                werden. Diese Lücke wird gegenwärtig durch die Ent-
2.2.1 Potenziale im stofflichen Leichtbau                        wicklung hochfester duktiler bainitischer (HDB)-Stähle

Ein erster Gedanke für Überlegungen des „leicht Bau-            geschlossen [17], die ohne zusätzliche Vergütungsbe-

ens“ geht verständlicherweise in Richtung der Sub-              handlung verarbeitet werden, deren mechanische Kenn-

stitution eines vorhandenen Werkstoffs höheren                  werte aber die Werte der Vergütungsstähle erreichen.
                                                                Die HDB-Stähle orientieren sich hinsichtlich der Verarbei-
                                                                tungskosten also an den kostengünstigen AFP-Stählen.

   Werkstofflicher Leichtbau
                                                                Schon auf dem Markt verfügbar ist mit 20MnCrMo7
                     1.300                                      [18] eine Stahlgüte, bei der durch kontrollierte Abküh-
  Festigkeit / MPa

                     1.100                                      lung von Schmiedetemperatur ein bainitisches Gefü-
                                                                ge ausgebildet wird. Als zweites Beispiel ist die Güte
                      900
                                                                16MnCr5mod (H2) zu nennen, hervorgegangen aus
                      700
                                                                einer kooperativen Entwicklungsarbeit zwischen zwei
                      500                                       Herstellern aus der Stahl- und Massivumformindus-
                             AFP 38MnVS6 16MnCr5mod 20MnCrMo7
                                            (H2)
                                                                trie [19], [20]. Abbildung 19 verdeutlicht die Kenn-

                               Rp 0,2 / MPa    Rm / MPa         werte dieser beiden Stähle im Vergleich zum AFP-Stahl
                                                                38MnVS6.

Abbildung 19: Vergleich der Belastbarkeit von AFP- und          Beiden Stählen gemeinsam ist also die direkte Eigen-
HDB-Stählen                                                     schaftsbildung aus der Warmumformung heraus, die

                                                                                                                              23
2                                                                                   Serie                     Potenzial
                                                                          Seriengeometrie
                                                                          gesintert

     Abbildung 20: Spannpratze für Injektoren                          Abbildung 21: Spannpratze für Injektoren –
                                                                       Einsparpotenzial bei Verwendung eines höherfesten
                                                                       Werkstoffs und nachfolgenden Designanpassungen

     Abbildung 22: links – Antriebswelle vorne, rechts – Koppelstange vorne

     jedoch sowohl einen sehr exakten Prozessverlauf wäh-              möglichen Gewichtseinsparung von ebenfalls 20 % dar
     rend der Umformung selbst als auch ganz gezielt gere-             (Abbildung 22, links). Für den Bereich des Fahrwerks
     gelte Abkühlgeschwindigkeiten nach der Warmumfor-                 stehen stellvertretend die Koppelstangen mit einem ein-
     mung erfordern [21].
                                                                       geschätzten Potenzial von 5 % (Abbildung 22, rechts).
                                                                       Letzterer Vorschlag nennt beispielsweise die Substitu-
     Die Nutzung dieser verbesserten Materialeigenschaften
                                                                       tion des bisherigen ausscheidungshärtenden ferritisch-
     spielt in zahlreichen Beispielen der Leichtbauuntersu-
     chung eine Rolle. Die grundsätzliche Optimierungsüber-            perlitischen Kaltstauchstahls durch einen HDB-Stahl.

     legung ist dabei immer eine – oft lokale – Reduzierung
     der Materialstärke bzw. des Materialeinsatzes durch die
     vorliegende höhere Festigkeit, die nach Umstellung auf
     einen höherfesten Stahl vorliegt.

     Aus dem Bereich Motor kann dies z. B. für die in Ab-
     bildung 20 dargestellte Spannpratze für die Injektoren
     der Einspritzanlage angeführt werden: Als Schmiedeteil
     aufgrund des Einsatzes eines höherfesten Stahls gestal-
     tungsoptimiert ausgelegt, wird ein Potenzial von ca.
     20 % ausgewiesen (Abbildung 21).

     Zwei Bauteile, die ebenfalls mit dieser Leichtbauidee
     beaufschlagt sind, stellen stellvertretend aus dem An-
     triebsstrang die vorderen Antriebswellen mit einer                Abbildung 23: Kugelkopf der Anhängerkupplung

24
Insbesondere unter Berücksichtigung der großen An-
                                                                                                                           2
                                                                zahl an Verbindungselementen im Fahrzeug summiert
                                                                sich die im Einzelfall sicherlich geringe Einsparung zu
                                                                einem bemerkenswerten Einsparpotenzial und führt die
                                                                Überlegung fort, statt der anzuschraubenden Kompo-
                                                                nenten die Festigkeit der Verbindungselemente zur aus-
                                                                legungsbestimmenden Größe zu erheben.

Abbildung 24: Kurbelwelle des Referenzfahrzeugs
                                                                2.2.2 Potenziale im konstruktiven
                                                                        und Fertigungsleichtbau

                                                                Durch konsequente Anwendung und Verfolgung der
Ein weiteres Beispiel für eine leichtere Dimensionierung
                                                                gängigen FE-Methoden bereits in einer frühzeitigen
infolge der Werkstoffumstellung auf einen festeren und
                                                                Phase der Entwicklung können zusätzliche Leichtbau-
gleichzeitig zäheren Stahl stellt die Anhängerkupplung
                                                                potenziale in konstruktiver und fertigungstechnischer
als Vertreter der Anbauteile dar. Für die in Abbildung 23
                                                                Hinsicht erhoben werden, wie folgende Beispiele aus
wiedergegebene Anhängerkupplung wird dadurch eine               der Potenzialanalyse beweisen.
mögliche Gewichtsreduzierung von 10 % ermittelt.

                                                                Die ausgebaute geschmiedete Kurbelwelle als an-
Ein bislang hier noch nicht vorgestelltes Einsparungspo-
                                                                spruchsvolles Bauteil des Motors ist in Abbildung 24
tenzial ergibt sich durch den Einsatz von Verbindungs-
                                                                gezeigt.
elementen mit höherer Festigkeitsklasse und wechsel-
wirkender kleinerer Dimensionierung. Aus der Studie             Durch geometrische Optimierungen an der Kurbelwelle
geht die Idee hervor, Schrauben zur Verbindung von              mit einer ermittelten Masse von 13,9 kg kann Mate-
Pleueldeckel und -schaft von der bisherigen Dimensi-            rial im gekennzeichneten Bereich der Hublager durch
onierung M8 auf M7 zu verringern und derart weitere             Einschmieden von Einschnürungen reduziert werden
Überlegungen zur Gewichtseinsparung des geschmie-               (Abbildung 25, links und mitte). Aus einer nachfolgen-
deten Pleuels zu ermöglichen (Kapitel 2.2.2). Dadurch           den überschlägigen Wuchtberechnung resultiert die zu-
ergeben sich zudem sekundäre Leichtbaupotenziale an             sätzliche Werkstoffeinsparung an den Gegengewichten
Kurbelwelle und sonstigen Masseausgleichssystemen.              (Abbildung 25, rechts).

               Serie                                Potenzial

                                                                                                               Alte
                                                                                                              Kontur

                                                                                             Neue
                                                                                            Kontur

Abbildung 25: Kurbelwelle – Gegenüberstellung des Serienzustands zum Leichtbauvorschlag

                                                                                                                          25
2                                                              Berücksichtigt man diese Sekundäreffekte, errechnet
                                                               sich das optimale Einsparpotenzial zu ca. 1 kg.

                                                               Weiteres Leichtbaupotenzial erschließt sich ebenfalls,
                                                               wenn die Formgebungsmöglichkeiten der Schmiede-
                                                               technik voll ausgenutzt werden. In den Abbildungen
                                                               27 und 28 sind die analysierte Common-Rail-Leiste des
                                                               Referenzfahrzeugs und ein Vorschlag zur Reduzierung
                                                               der Bauteilquerschnitte gegenübergestellt.
     Abbildung 26: Pleuel – Geometrisches Einsparpotenzial
     durch Einsatz festerer Schrauben und Reduzierung des      Zwingend notwendig ist bei diesem Vorschlag, die in
     Schraubendurchmessers
                                                               [22] beschriebenen Erkenntnisse zu berücksichtigen, die
                                                               große Stauchungen des Stahls ohne Abfall der Werk-
     Das bereits im vorangegangenen Kapitel vorgestellte       stoffbelastbarkeit zulassen. Zusätzlich muss der Einsatz
     Leichtbaupotenzial durch Einsatz festerer Verbindungs-    eines schwefelarmen Einsatz- oder AFP-Stahls die Ma-
     elemente für die Lagerschalen des Pleuels kann für eine   terialeinsparung unterstützen. Wie in der Gegenüber-
     geometrische Änderung der Pleuel genutzt werden:          stellung von Serienzustand und Potenzialvorschlag zu
     Unter Beibehaltung der benötigten Wandstärken kann        erkennen, ist der Vergleichsspannungszustand fast
     nun das Pleuel (Abbildung 26) schmaler und dünner         identisch.
     ausgeführt werden. Zudem ergeben sich gerade bei sol-
     chen Gewichtsminderungen an bewegten Massen grö-          Gelten die zuletzt vorgestellten Optimierungspotenziale
     ßere Sekundäreffekte im Motor, die wiederum weiteres      für Elemente des Motors im Referenzfahrzeug, widmen
     Verbesserungspotenzial an Lagern oder Ausgleichswel-      sich die folgenden Ideen den Komponenten in Getriebe
     len anstoßen.                                             oder Verteilergetriebe.

                                                                Serie                                       von Mises
                                                                                                            Spannung
                                                                                                            σ V / MPa
                                                                                                            500
                                                                                                            400
                                                                                                            300
                                                                                                            200
                                                                                                            100
                                                                                                                0
                                                                Potenzial

     Abbildung 27: Common-Rail-Leiste                          Abbildung 28: Common-Rail-Leiste: Gegenüberstellung der
                                                               Geometrien

                                                                            Serie                   Potenzial

     Abbildung 29: Zahnrad 5. Gang der Antriebswelle           Abbildung 30: Gangrad 5.Gang: Gegenüberstellung des
                                                               ursprünglichen mit geändertem Profil

26
Serie            Potenzial                    2

Abbildung 31: Stirnradwelle des Verteilergetriebes –         Abbildung 32: Stirnradwelle des Verteilergetriebes – Gegen-
Realbauteil im ausgebauten Zustand                           überstellung des Serienzustands zum Leichtbauvorschlag

Im ersten Beispiel spielt die Erkenntnis eine Rolle, dass    eine ringnutartige Aussparung eingebracht werden, die
bei balligen und mittentragenden Verzahnungen, wie           je nach Wuchtanforderung nicht mehr überdreht wer-
sie hier vorliegen, die höchste Biegebelastung in der        den muss. Des Weiteren kann eine Bohrung im Wellen-
Zahnmitte liegt und daher das Material unter den je-         zentrum eingebracht werden. Letztere kann in dieser
weils äußeren Bereichen minimiert werden kann.               Form umformtechnisch nicht wirtschaftlich erzeugt
Die hier gezeigte Komponente des Gangrads für den            werden. Dadurch ist zwar ein kleiner zusätzlicher Auf-
5. Gang auf der Antriebswelle legt in Serie eine Masse       wand in der Weichzerspanung notwendig, die Relation
von 0,41 kg an den Tag (Abbildung 29). Diese kann,           „Kosten pro kg Umformbauteil“ dürfte aber trotzdem
vorbehaltlich weiterer vorzunehmender Festigkeitsrech-       günstiger als im Serienzustand sein [23].
nungen, um 20 % reduziert werden. In Abbildung 30 ist
das gewichtoptimierte Design in einer gekippten Drauf-       Im weiteren Verlauf der Kraftübertragung hinter dem
sicht und im Querschnitt wiedergegeben.                      Verteilergetriebe (Differenzial) finden sich Anschlussflan-
                                                             sche zur Anbindung der Antriebswellen. Die hier vorge-
Als zweites Beispiel zeigt Abbildung 31 die Stirnradwel-     fundene Ausgangsmasse beträgt 1,2 kg für den linken
le im Verteilergetriebe mit einem Gewicht von 1,38 kg.       und 1,9 kg für den rechten Flansch (Abbildung 33). Als
Das Leichtbaupotenzial wird hier unterhalb der Hypoid-       folgendes Beispiel ist ein Leichtbauvorschlag für die An-
verzahnung, d. h. im Übergangsbereich zur Welle, iden-       schlussflansche des hinteren Antriebs aufgezeigt. Das
tifiziert und mit etwa 20 % beziffert (Abbildung 32).        Potenzial setzt sich aus mehreren Vorschlägen zusam-
Entsprechend kann dort schon im Schmiedeprozess              men: Am auffälligsten ist dabei der Verzicht auf eine ro-

                                                                    Serie

                                                                                                             σV / MPa
                                                                                                             2.250
                                                                                                             1.800
                                                                                                             1.350
                                                                  Potenzial                                      900
                                                                                                                 450
                                                                                                                   0

Abbildung 33: Anschlussflansch Antriebswelle hinten rechts   Abbildung 34: Anschlussflansch der Antriebswelle
                                                             hinten – Gegenüberstellung des Serienzustands zum
                                                             Leichtbauvorschlag

                                                                                                                           27
2                                                                          Serie                        Potenzial

     Abbildung 35: Antriebswelle – Realbauteil im ausgebauten   Abbildung 36: Antriebswelle – Gegenüberstellung des Serien-
     Zustand                                                    zustands zum Leichtbauvorschlag und Realbauteil im ausge-
                                                                bauten Zustand

     tationssymmetrische Kontur, da die Kontur zwischen den     Im untersuchten Bereich des Fahrwerks wiederum wur-
     Befestigungspunkten stark eingeschnürt werden kann.        de eine große Anzahl an Leichtbauideen für die vier im
     Ferner wird die zylindrische Form des Schafts durch ra-    Fahrzeug verbauten Radlager (Abbildung 37) gefunden.
     dial eingeschmiedete Taschen unterbrochen. Eine inten-     Dies verdeutlicht die große Bedeutung dieser Bauteile,
     sive Materialeinsparung ergibt sich nicht zuletzt durch    deutet gleichzeitig aber darauf hin, dass diese Bauteile
     eine kegelartige Innenkontur, die deutlich tiefer als in   bislang als rotationssymmetrische Teile eher unter wirt-
     der Serie angelegt wird. Aus ersten Untersuchungen         schaftlichen Prioritäten denn unter Leichtbauaspekten
     geht aber auch hervor, dass die Verdrehsteifigkeit bei     ausgelegt wurden.
     dieser Lösung um ca. 14 % sinkt. Die vorgestellten Maß-
     nahmen summieren sich zu einem Einsparpotenzial von        Sie bringen eine Gesamtmasse von immerhin 6,96 kg
     etwa 0,21 kg, was beim linken Flansch eine Einsparung      an das Fahrzeug und fordern daher zur Ausschöpfung
     von 21 % ausmacht (Abbildung 34).                          des Leichtbaupotenzials heraus.

     Bei der in Abbildung 35 wiedergegebenen Antriebswel-       Die hier vorgestellte Lösung darf als recht ambitioniert
     le mit einer Masse von 1,34 kg wurde durch ein ge-         gelten und stellt auch die Verfahrenstechniker vor eine
     wichtsoptimiertes Design für die Umformung in Form         Herausforderung: Zunächst wird der rotationssymmet-
     einer Materialentnahme im Übergang von Hohlwelle           rische Flansch durch Einschnürungen in eine pentago-
     zum Flansch, wie in Abbildung 36 zu erkennen, ein Po-      nale Außenkontur überführt. Darüber hinaus verbleiben
     tenzial von rund 5 % ausgemacht.                           für die Befestigungsauflage der Felgen fünf einzelne

                                                                            Serie                     Potenzial

     Abbildung 37: Radlager vorne links im ausgebauten          Abbildung 38: Radlager – Gegenüberstellung des
     Zustand                                                    Serienzustands zum Leichtbauvorschlag

28
Serie                   Potenzial               2

Abbildung 39: Anschlussflansch der Kardanwelle im ausge-        Abbildung 40: Anschlussflansch der Kardanwelle – Gegen-
bauten Zustand                                                  überstellung des Serienzustands zum Leichtbauvorschlag

Stege in der erforderlichen Stärke, zwischen denen das          das Bauteil insgesamt schmiedetechnisch wesentlich
Material deutlich dünner als in der Serie gefertigt wird.       anspruchsvoller macht (Abbildung 38). Das Gesamtein-
Des Weiteren ist der Lagersitz der Nabe unterbrochen            sparpotenzial ist mit 2,88 kg ermittelt worden.
worden und auf der dem Lagerzapfen abgewandten
Seite wird eine steifigkeitsfördernde Innenkontur vorge-        Gleichartige Überlegungen führen zum nachfolgen-
schlagen und darüber hinaus der bisherige Zentrierring
                                                                den Leichtbauvorschlag für die Anschlussflansche der
für die Felgenbohrung mehrfach unterbrochen, was
                                                                Kardanwelle (Abbildung 39), die mit je 0,56 kg im Re-
                                                                ferenzfahrzeug zu finden sind: Durch Materialreduzie-

          Serie                      Potenzial                  rung im Bereich der Schraubaufnahmen und auf der
                                                                der Nabe gegenüberliegenden Seite, wie in Abbildung
                                                                40 dargestellt, wird ein Einsparpotenzial von ca. 20 %
                                                                ermittelt.

                                                                Es ist naheliegend, dass in der Leichtbauanalyse die ver-
                                                                meintlich komplexen Komponenten aus Antriebsstrang
                                                                und Fahrwerk den größeren Anteil am Potenzial aus-

Abbildung 41: Sechskantmutter mit Flansch vor und nach
                                                                machen, wofür auch die vorangegangenen Beispiele
der Gewichtsoptimierung                                         sprechen.

      σV / MPa
      1.100
        900
        800
        700
        550
        450
        300
        200
        150
          0

Abbildung 42: Vergleichsspannungszustand σV (von Mises) anhand eines Prüflastversuchs nach DIN EN ISO 898-2
links: Sechskantmutter, rechts: Leichtbaumutter, jeweils mit Flansch, M 14 x 1,5

                                                                                                                            29
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