Massiver Leichtbau Potenziale massivumgeformter Komponenten - Industrieverband Massivumformung e. V.
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Vorwort Die Forderungen an alle am Automobilbau beteiligten In einer ersten in drei Workshops durchgeführten Stu- Technologien sind vom Gesetzgeber klar umrissen: die konnte das Potenzial zur Gewichtseinsparung an Strenge EU-Emissionsvorgaben motivieren die Herstel- einem Mittelklassefahrzeug durch massivumgeformte ler, den Anteil an Leichtbauteilen in ihren Fahrzeugen Bauteile aufgezeigt werden. Dabei wurden vorrangig während der kommenden zwei Dekaden mehr als zu die Bereiche des Antriebsstrangs und Fahrwerks unter- verdoppeln. sucht und die 400 daraus entwickelten Ideen auf ihre Umsetzbarkeit geprüft. Mit dieser Zielstellung sind insbesondere die Zuliefe- rer der Branche gefordert. Die Massivumformung in Das vorliegende EXTRA-Info berichtet über die Motivation Deutschland versteht sich dabei seit Jahrzehnten auf- der vorwettbewerblichen Zusammenarbeit der Teilneh- grund ihrer besonderen Stärken als ein wichtiger inno- mer der Initiative und widmet sich vorrangig der Vorge- hensweise und den Ergebnissen, die aus der gemeinsa- vativer Partner der Automobilbauer. Diese Stärken be- men Potenzialbetrachtung gewonnen worden sind. Weil gründen sich in der Entwicklung und Herstellung hoch hier Kompetenzen aus Stahlherstellung und -verarbeitung belasteter Bauteile sowie in der Ausschöpfung aller zusammengeführt wurden, konnten die Optimierungs- Möglichkeiten der prozessgeeigneten Werkstoffe, die vorschläge von allen Seiten beleuchtet werden. sich im Wesentlichen aus Stählen rekrutieren. Die vorgestellten Leichtbaupotenziale machen deutlich, Vor diese Aufgabe gestellt, gleichzeitig auch in Kenntnis dass eine Fortführung der Untersuchungen und damit richtungsweisender Ergebnisse mehrerer Leichtbaupro- Ausweitung der Analyse auf weitere Fahrzeugklassen jekte, die sich in den Jahren 1994 bis 2002 überwiegend sinnvoll ist. Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse erheblichen auf den Bereich der Fahrzeugkarosserie konzentriert Forschungsbedarf, dem bereits mit der Ausarbeitung haben, wurde im Februar 2013 die Initiative Massiver eines umfassenden Forschungsantrags Rechnung getra- Leichtbau ins Leben gerufen. Neun Unternehmen der gen wurde. Stahlindustrie als Langprodukte-Hersteller und 15 Un- ternehmen der Massivumformung unter Federführung Wir freuen uns, allen an der Entwicklung im „Massi- des Industrieverbands Massivumformung e. V. bilden ven Leichtbau“ Interessierten und Beteiligten auch mit die Teilnehmer der Initiative und nutzen den unterneh- dieser neuesten Ausgabe der Schriftenreihe EXTRA-Info mens- und branchenübergreifenden Charakter mit der wieder wirkungsvolle Unterstützung bei allen Fragestel- gebündelten Kompetenz aus Werkstoffwissen und Um- lungen um zeitgemäße, zukunftsgerichtete Produkte formtechnologie für die Übertragung aller Erkenntnisse und Prozesse geben zu können und wünschen uns eine in die Zulieferteile für Automobile. vielfache aktive Nutzung dieser Schrift. Dr.-Ing. Hans-Joachim Wieland Dr. Theodor L. Tutmann Geschäftsführer Geschäftsführer Stahlinstitut VDEh Industrieverband Massivumformung e. V. Forschungsvereinigung Stahlanwendung e. V. (FOSTA) 58093 Hagen, im April 2014 3
Impressum Autor: Dipl.-Ing. Frank Severin, Bochum Vorlage dieses Dokuments: Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Christian-Simon Ernst, fka Forschungsgesellschaft Kraftfahrwesen mbH Aachen Dr.-Ing. Hans-Willi Raedt, Hirschvogel Automotive Group, Denklingen Dipl.-Ing. Frank Wilke, Deutsche Edelstahlwerke GmbH, Siegen Bilder: Siehe Bilderverzeichnis Seite 41 Verantwortlich für die Gesamtherstellung: Industrieverband Massivumformung e. V., Hagen, Dorothea Bachmann Osenberg www.massivumformung.de / www.massiverLEICHTBAU.de Layout und Titelbild: simplon., Agentur für Werbung und Marketing-Kommunikation, St. Ingbert Druckschriften-Nr.: El-LB-0414-20lb Ausgabe: April 2014 ISBN: 978-3-928726-33-7 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung und Vervielfältigung, vorbehalten. Auszugsweise Wiedergabe des Inhalts nur nach Rückfrage beim Industrieverband Massivumformung e. V. mit Quellen- angabe gestattet. Den Veröffentlichungen des Industrieverbands Massivumformung e.V. liegen die Ergebnisse der Gemein- schaftsforschung der im Industrieverband Massivumformung e. V. zusammengeschlossenen Unternehmen zugrunde. 4
Info-Reihe Massivumformung, Extraausgabe Massiver Leichtbau Potenziale massivumgeformter Komponenten Herausgeber: Industrieverband Massivumformung e. V. Goldene Pforte 1 58093 Hagen, Deutschland Telefon: + 49 2331 958830 Telefax: + 49 2331 958730 E-Mail: osenberg@massivumformung.de www.massivumformung.de www.massiverLEICHTBAU.de 5
Inhaltsverzeichnis Seite Vorwort 3 Impressum 4 1 Einleitung 9 1.1 Trends und Treiber für den automobilen Leichtbau 9 1.2 Motivation für die Initiative Massiver Leichtbau 10 1.3 Auswahl bisheriger Leichtbau-Innovationen in der Massivumformung 12 2 Leichtbaupotenzial massivumgeformter Komponenten im Pkw 15 2.1 Durchführung der Potenzialstudie 15 2.1.1 Ablauf und Vorgehensweise 15 2.1.2 Bilanzierung der Potenzialstudie 15 2.2 Beispiele für identifizierte Leichtbaupotenziale 22 2.2.1 Potenziale im stofflichem Leichtbau 23 2.2.2 Potenziale im konstruktiven und Fertigungsleichtbau 25 2.2.3 Potenziale im Konzeptleichtbau 30 2.3 Zusammenfassung und Fazit 31 3 Übertragung auf Entwicklungsprozesse und Forschungsvorhaben 32 3.1 Übertragung auf Entwicklungsprozesse 32 3.2 Forschungsansätze 32 4 Weitere Leichtbaupotenziale in der Massivumformung 33 5 Zusammenfassung und Ausblick 36 6 Literaturverzeichnis 39 7 Bilderverzeichnis 41 7
Einleitung 1 „Massiver Leichtbau“ – zu Beginn steht ein Begriff, der Aus diesem hohen Mobilitätsanspruch der Menschheit auf den ersten Blick ein Paradoxon beschreibt. Im allge- ist seit mehr als 100 Jahren die Automobiltechnik her- meinen Sprachgebrauch werden zunächst nur die Bedeu- vorgegangen, für die die Branche der Stahlherstellung tungen „solide“ oder „voll“ im Gegensatz zu „hohl“, und hochwertige Werkstoffe zur Verfügung stellt und die damit „schwer“ als Synonym zum Wort „massiv“ verstan- Branche der Massivumformung mit ihren zahlreichen und vielfältigen Verfahren wichtige Bauteile und Kom- den. Die Sinnhaftigkeit des Begriffs „Massiver Leichtbau“ ponenten herstellt. Der wirkungsvolle Leichtbau, eben erschließt sich aber, wenn die technisch zutreffenderen jener „massive Leichtbau“ entsteht somit aus einem Synonyme „fest“, „dauerhaft“ und „belastbar“, ebenso Megatrend der Automobiltechnik. wie die weiteren geläufigen Begriffe „durchsetzungs- stark“ und „wirkungsvoll“ herangezogen werden. Somit ist das Bestreben zu verstehen, mobile Technik in 1.1 Trends und Treiber für den meisten Anwendungsfällen dauerhaft und belastbar den automobilen Leichtbau auszulegen, gleichzeitig aber auch die technische Lösung Seit Beginn der Automobilität steigt das Streben nach mit dem geringstmöglichen Masseneinsatz zu finden. individueller motorisierter Fortbewegung in der Welt- bevölkerung umgekehrt proportional zum Erdvorrat der Dies gilt insbesondere dann, wenn diese Massen an- benötigten fossilen Brennstoffe. Gleichzeitig haben sich getrieben werden müssen, weil Mobilität die Auf- Komfort- und Sicherheitsanforderungen an die Fahr- gabe der betrachteten technischen Komponente ist. zeuge in einer Weise erhöht, dass die Gesamtfahrzeug- Die Muskelkraft des Menschen ist für den Antrieb von gewichte stark gestiegen sind. mobilen technischen Geräten derart begrenzt, dass fast immer motorische Antriebe eingesetzt werden müssen, Im Detail sind die Verbesserung der Fahrdynamik mit was einerseits die Verbrennung fossiler Brennstoffe bei stetig besseren Brems- und Beschleunigungseigen- der Energiebereitstellung oder -erzeugung notwendig schaften und die Reduzierung von Anschaffungs- und macht, andererseits den Ausstoß von Treibhausgasen in Betriebskosten zu nennen [1]. Darüber hinaus wird das die Umwelt zur Folge hat. sekundäre Leichtbaupotenzial angesprochen, welches 130 g/km 2015 bis 2021 Reduktion um 5,8 g/km pro Jahr Zielwerte für den CO2-Flotten- 10 g/km durch sonstige technische Maßnahmen ausstoß der EU / g/km 95 g/km 65 % 75 % 80 % 100 % 95 % 100 % 2012 2013 2014 2015 2020 2021 Zeit Abbildung 1: CO2-Zielvorgaben für die europäische Neuwagenflotte 2012 bis 2021 9
1 durch die reduzierte Fahrzeugmasse skaliert werden 1.2 Motivation für die Initiative kann. Dies betrifft z. B. die Handlungsbereiche Antrieb, Massiver Leichtbau Bremsen und Federung (also Fahrwerk) und wird mit einem Anteil von 30 % des Primärpotenzials beziffert. Die grafische Darstellung der sogenannten Gewichts- spirale (Abbildung 2) verdeutlicht die Notwendigkeit Vor allem ist es aber der Gesetzgeber, der eine ambi- zur Umkehr von einer aufwärtsgerichteten in eine ab- tionierte Herausforderung formuliert. Gemeint ist die wärtsgerichtete Bewegung und ist unter anderem in [4] Gesetzgebung zur CO2-Reduzierung der Europäischen näher beschrieben. Union und hier speziell die 2009 in Kraft getretene Im Wesentlichen findet sich in der linken Bildhälfte die Verordnung zur Verminderung der CO2-Emissionen Situation der vergangenen Jahrzehnte wieder: Stei- von Pkw. Sie verpflichtet die Automobilhersteller bis gende Anforderungen an die dargestellten Parameter 2015 die Emissionswerte aller Neuzulassungen auf bedingten den Gewichtsanstieg der Karosserie, infol- einen Grenzwert von 130 g/km und bis 2021 von gedessen wurden Fahrwerk, Antriebsstrang und auch 95 g/km zu begrenzen. Die vor 2015 geltenden Wer- Komponenten wie der Tank verstärkt bzw. vergrößert. te gemäß einer stufenweisen Anpassung (sogenanntes Als Folge musste wiederum die Karosserie angepasst Phase-in) sind in Abbildung 1 wiedergegeben [2]. werden und der Weg in der Spirale nahm seinen Lauf. Die technischen Maßnahmen, die zu geringerem Ver- Das Durchbrechen dieser Spirale gelang erst durch Nut- brauch und folgerichtig zur Verringerung der Abgas- zung von Leichtbaupotenzialen im Handlungsspielraum der Karosserie. Durch diesen in der rechten Hälfte der mengen führen, sind zahlreich. Massivumgeformte Grafik dargestellten Lösungsansatz der Fahrzeugher- Komponenten können hier in den Handlungsfeldern Ver- steller ist der Spielraum für die Zulieferer mit Fokus auf brennungsmotor, Getriebe und vor allem Leichtbau tech- Antriebsstrang und Fahrwerk eröffnet. nische Entwicklungen unterstützen und zum angestreb- ten Fortschritt beitragen [3], d. h. die Antworten auf diese Bisher hat sich demnach der automobile Leichtbau sehr Megatrends haben die Massivumformer bereits parat. stark auf die Blechumformung und Fahrzeugkarosserie Steigende Anforderungen: Fahrzeughersteller: • Gesamtfahrzeugkonzepte Sicherheit + kg • Fokus Karosserie • Top-Down Ansatz Komfort + kg Fahrleistung + kg Lösungsansatz Gewichtsspirale Platzangebot + kg Gemeinsames Ziel: Gewichtsreduktion Variabilität + kg Qualität + kg Zulieferer: • Komponenten und Fertigungs-Know-how • Fokus Antriebsstrang und Fahrwerk • Bottom-Up Ansatz Abbildung 2: Umkehrung der Gewichtsspirale durch Leichtbau in Antriebsstrang und Fahrwerk 10
konzentriert. Dies ist ablesbar an den wichtigsten gro- zu optimieren. Es handelt sich bei der Initiative Massiver 1 ßen Leichtbauprojekten von unterschiedlichen Initiato- Leichtbau um das bisher größte vorwettbewerbliche Ge- ren (Stahlindustrie, einzelne Stahlhersteller oder Zulie- meinschaftsprojekt dieser beiden Branchen. ferer, OEMs), die in einer chronologischen Übersicht in Abbildung 3 zusammengestellt sind. Die Idee dazu entstand bereits 2011 aus der Überzeu- gung, dass einzelne Firmen kaum ein so breites Niveau Es ist festzustellen, dass die aktuellen Potenziale bei an Einfallsreichtum und Kreativität erreichen können, der Karosserie als größten Einzelposten in Sachen Fahr- wie es in einer Kooperation der Fall ist. Viele Automo- zeuggewicht durch moderne Werkstoff- und Verarbei- bilhersteller schienen sich vorwiegend für junge Her- tungskonzepte zurzeit als weitgehend erschlossen gel- stellungsverfahren und Technologien zu interessieren, ten. Dafür rücken der Antriebsstrang und das Fahrwerk während sie der Entwicklung von bewährten Prozessen in den Fokus, die zusammen durchschnittlich 41 % des zu wenig Beachtung schenkten. Der branchenüber- Fahrzeuggewichts ausmachen [5]. greifende Charakter mit der gebündelten Kompetenz aus Werkstoffwissen und Umformtechnologie sollte in Ein erheblicher Motivationsfaktor zur Gründung einer dieser Initiative entscheidender Multiplikator sein. Aus Brancheninitiative aus Stahlherstellern und Massivum- Sicht der Stahlhersteller schien es sehr wichtig, die vor- formern war somit gegeben: Die Initiative Massiver anschreitenden Werkstoffentwicklungen in Endproduk- Leichtbau [6] ist Anfang 2013 aus dem Zusammen- schluss von 15 Unternehmen der Massivumformung te zu übertragen. So würde die Branche die Potenziale und 9 Stahlherstellern unter dem Dach des Industrie- der modernen hochfesten Stähle optimal nutzen und verbands Massivumformung e. V. und des Stahlinstituts neue Anwendungsmöglichkeiten schaffen können, die VDEh entstanden. Ohne öffentliche Mittel finanziert die- auch den ökonomischen und ökologischen Gesichts- ses Konsortium die im Kapitel 2 näher erläuterte Studie punkten Rechnung tragen [7]. Durch die Bündelung „Leichtbaupotenziale massivumgeformter Komponen- von Kompetenzen, beginnend bei der Stahlzusammen- ten im Pkw“ mit dem Ziel, die massivumgeformten Kom- setzung bis teilweise hin zur einbaufertigen Komponen- ponenten aus Stahl im Pkw hinsichtlich des Leichtbaus te ist ein ganzheitlicher Optimierungsansatz möglich. Projekt Jahr 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 Konsortium (Lead) ULSAB WorldAutoSteel UltraLight Steel Auto Body ULSAS WorldAutoSteel UltraLight Steel Auto Suspension ULSAC WorldAutoSteel UltraLight Steel Auto Closures ULSAB-AVC UltraLight Steel Auto Body – WorldAutoSteel Advanced Vehicle Technology NewSteelBody TKS SuperLIGHT-Car Sustainable Production Technologies for CO2-Emission EUCAR Reduced Light weight Car concepts InCar TKS Innovative Car FutureSteelVehicle WorldAutoSteel LDV Mass Reduction Light-Duty Vehicle Mass FEV / EDAG Reduction and Cost Analysis – Midsize Crossover Utility Vehicle CULT Magna Cars’ Ultralight Technologies Abbildung 3: Übersicht einiger wichtiger Leichtbauprojekte im automobilen Umfeld (1994 bis 2013) 11
1 tiven Leichtbau (Topologie- und Gestaltoptimierung) und in fertigungstechnische Maßnahmen (Faserverlauf, Oberflächenbehandlungsverfahren) untergliedern las- sen, sind unter anderem in [8] und [9] ausführlich be- schrieben. Daher wird im Folgenden eine beispielhafte Auswahl von innovativen Lösungen ohne jeglichen An- spruch auf Vollständigkeit vorgestellt, die einen groben Überblick über bereits in die Serie umgesetzte Leicht- baulösungen geben soll. Abbildung 4: Logo der Initiative Massiver Leichtbau Im Bereich des stofflichen Leichtbaus im Fahrwerk ist die Substitution von Stahlkomponenten durch Bauteile aus Aluminium bereits recht etabliert. Ein solches Beispiel Die Initiative Massiver Leichtbau wurde ins Leben ge- zeigt der in Abbildung 5 dargestellte Pkw-Hinterachs- rufen, um die Fachwelt dafür zu sensibilisieren, wel- radträger, der im Rahmen eines Modellwechsels stark che Beiträge die Massivumformung zum automobilen Megatrend des Leichtbaus leistet. Darüber hinaus sol- überarbeitet wurde. Durch die verbesserte Auslegung len über einen rechtzeitigen und zielführenden Dialog als Aluminium-Schmiedeteil konnte in Verbindung mit zwischen Stahl- und Komponentenzulieferer auf der einer veränderten Lagergeneration das Systemgewicht einen und Automobilkunden auf der anderen Seite die um 1,8 kg reduziert werden. Ein Teil der Gewichts- möglichen Potenziale in die frühen Phasen einer Sys- reduzierung ist demzufolge nicht dem Materialwechsel tem- und Bauteilentwicklung einbezogen werden. Glei- zuzurechnen, dennoch werden die Möglichkeiten der chermaßen gilt es, mit den bewährten Methoden des Massivumformung deutlich [10]. Simultaneous-Engineering neue Lösungsansätze aus dem Konzept-Leichtbau anzustoßen. Außerhalb des Pkw-Bereichs werden Aluminium- Schmiedeteile mit den Vorteilen der gestaltungs- und anforderungsoptimierten Ausführung auch in Motorrä- dern eingesetzt, wie der Längslenker in Abbildung 6 be- 1.3 Auswahl bisheriger weist [11], dessen filigrane Ausführung vor Jahren noch Leichtbau-Innovationen als „unschmiedbar“ galt. in der Massivumformung Deutlich wird bei den vorgenannten Beispielen, dass Die Möglichkeiten und physikalisch-technologischen die Geometrie bzw. der zur Verfügung stehende Ein- Zusammenhänge in den verschiedenen Disziplinen des bauraum einer Komponente ebenfalls eine wesentliche Leichtbaus durch Massivumformung, die sich in stoffli- Rolle spielt. Die Praxis beweist auch bei zunächst simpel chen Leichtbau (Werkstoffanforderungen), in konstruk- erscheinenden Aufgabenstellungen im Bereich des stoff- Abbildung 5: Pkw-Hinterachsradträger – Abbildung 6: Motorrad-Längslenker als Aluminium- links: Stahlausführung, rechts: Nachfolgegeneration aus Schmiedeteil Aluminium mit verringertem Systemgewicht 12
1 Abbildung 7: Massivumgeformte Rohteile für hohle Getrie- Abbildung 8: Beispiele für hohle rundgeknetete Lenkwellen bewellen, links 27 % und rechts 38 % Gewichtsreduzierung lichen Leichtbaus sehr häufig die Notwendigkeit zur um- verzichtet werden kann. Ermöglicht wird dies durch fangreichen Modifizierung der Konstruktion. In solchen die inkrementelle Umformung mit sehr hoher Hubfre- Fällen zeigt sich dann, dass Substitution durch „leich- quenz bei gleichzeitig sehr geringer Formänderung pro tere“ Werkstoffe nicht effektiver ist als konstruktives Hub. Durch die insgesamt beim Rundkneten erzielbaren Perfektionieren der Geometrie oder des Herstellungs- hohen Umformgrade ist eine große Designvielfalt her- prozesses unter Beibehaltung der Werkstoffgruppe [12]. stellbar. Darüber hinaus sind mit dem Axialformen die häufig ebenfalls an einer Welle gewünschten Verzah- Diese Erkenntnis führt sowohl zu konstruktiven als auch nungselemente stabil und in hochpräziser Qualität zu fertigungstechnischen Lösungen in der Massivumfor- gewährleisten [14]. mung, aus denen die Gattung der Hohlwellen hervor- gegangen ist. Speziell im Getriebebereich erlangen hohl Es sind noch zwei weitere etablierte Prinzipien für den ausgeführte Wellen, bedingt durch die technische Not- Leichtbau in der Massivumformung zu erwähnen: die wendigkeit z. B. bei Doppelkupplungsgetrieben oder ei- Funktionsintegration und die gebaute Komponente. nigen Elektroantriebskonzepten, immer größer werden- Funktionsintegration von bislang getrennt geschmiede- de Bedeutung. Weiterhin besitzt die Ausführung von ten Bauteilen wird z. B. beschrieben, indem ein Lkw- Getriebewellen als Hohlwellen das erforderliche Leicht- Achsschenkel und der dazugehörige Spurhebel nach baupotenzial, da u. a. die geforderte Torsionssteifigkeit grundlegender FE-Analyse zu einem integralen Schmie- kaum vom Kern der Welle beeinflusst wird. Die Einspa- deteil zusammengeführt wurden [15]. rung kann hier also durch die Reduktion nichttragen- der Querschnitte erzielt werden. In Abbildung 7 sind Der entgegengesetzte Weg wird beispielsweise bei der Hohlwellenrohlinge für Getriebewellen abgebildet, die gebauten Nockenwelle bestritten: Hierbei wird, statt durch einen mehrstufigen Kaltumformprozess in Kom- das Rohteil klassisch in einem Stück zu schmieden, die bination mit Zerspanung hergestellt wurden und deren eigentliche Welle als Rohr ausgeführt und die Nocken Gewichtseinsparung 27 % bzw. 38 % beträgt [10], [13]. separat als Massivumformteil erstellt. In diesem Fall Betrachtet man darüber hinaus die vielfältigen Ferti- stellt die Fertigung auf vollautomatischen Horizontal- gungstechnologien der Massivumformung, sind durch Mehrstufenpressen, die die Fertigung der Nocken in die Verfahren Rundkneten und Axialformen etliche wei- hoher Taktfrequenz bei gleichbleibend hoher Qualität tere Leichtbauwellen, die als hohle Wellen ausgeführt gewährleistet, auch die kostengünstigste Variante dar. sind, möglich. Der Anwendungsbereich erstreckt sich dabei über hohle Lenkwellen (Abbildung 8) und hohle Mit diesem Erfahrungspotenzial begannen die Teilneh- Getriebe- und Antriebswellen bis hin zu Stoßdämpfer- mer der Initiative Massiver Leichtbau mit einer Studie elementen. Mit dieser Fertigungstechnik können ex- zum Leichtbaupontenzial ihre erste wesentliche Pro- trem hohe Oberflächengüten erzeugt werden, durch jektphase, dessen Ergebnisse im anschließenden Kapitel die auf eine nachfolgende spanende Bearbeitung meist vorgestellt werden. 13
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Leichtbaupotenzial 2 massivumgeformter Komponenten im Pkw Den Kernpunkt der Studie bildeten drei moderierte 2.1 Durchführung Hands-on-Workshops zu den Fahrzeugbereichen An- der Potenzialstudie triebsstrang, Fahrwerk und Weiteren Komponenten. Hierzu kamen Experten aus den Entwicklungs- und Pro- 2.1.1 Ablauf und Vorgehensweise duktionsabteilungen der teilnehmenden Unternehmen Die Initiative Massiver Leichtbau bestritt in ihrem ers- zusammen, um die Bauteile nach zuvor erfolgter Vor- ten Arbeitsschritt im Zeitraum von Februar bis Okto- evaluierung durch die fka zu begutachten und Leicht- ber 2013 eine Potenzialstudie zum Thema Leichtbau bauideen zu entwickeln und zu formulieren. Eindrücke in Form mehrerer Workshops. Zugrunde gelegt wurde zu den Workshops sind in Abbildung 10 wiedergege- eine methodische Vorgehensweise mit fünf aufeinander ben. aufbauenden Arbeitspunkten. Der Projektablauf ist in Abbildung 9 dargestellt. In allen Workshops waren die Teilnehmer aufgefordert, Leichtbauvorschläge zu erarbeiten, indem sie neben Im ersten Arbeitsschritt wurde durch die Übersicht bis- der Skizzierung und / oder der Beschreibung ihrer Idee her veröffentlichter Forschungsergebnisse und -vorha- auch eine eigene Bewertung in den drei Kategorien ben aus diesem Bereich sowie durch eine Analyse der Leichtbaupotenzial, Kostenpotenzial und Realisierungs- akzeptierten Leichtbaukosten je Fahrzeug ein systema- aufwand vornehmen mussten, um zu einer mehrdimen- tischer Überblick über Leichtbaupotenziale für den An- sionalen Bewertung zu kommen. Alle vorgenannten triebsstrang und das Fahrwerk eines Pkws geschaffen. Angaben wurden auf Leichtbau-Ideen-Bögen notiert, welche als Informationsträger zur Implementierung in Anschließend wurde im zweiten Arbeitsschritt ein die Datenbank dienten. Dieser Aufbau bzw. die Pfle- Benchmarking aufgesetzt. Hierzu wurde ein neuwerti- ge der Online-Datenbank gilt neben der jeweiligen ges Referenzfahrzeug beschafft und systematisch durch Ergebnisprotokollierung und -präsentation sowie der die fka Forschungsgesellschaft Kraftfahrwesen mbH Visualisierung der Ergebnisse für eine spätere Weiter- Aachen, die mit der Studie beauftragt wurde, zerlegt. verwendung in anderen Veranstaltungen der Initiative Die Wahl für das Referenzfahrzeug fiel auf einen Mit- als begleitender, übergeordneter Arbeitsschritt. telklasse-Kombi, ein Volumenmodell eines deutschen Im abschließenden Arbeitspunkt wurde durch weitere Herstellers, welches mit einem Dieselmotor mit Dop- Ausarbeitung der Ideen zu Leichtbauvorschlägen mithil- pelkupplungsgetriebe sowie Allradantrieb ausgestattet fe erster konzeptioneller CAD-Entwürfe oder überschlä- war. Bereits beim Zerlegen des Gesamtfahrzeugs wurde giger Belastungsrechnungen das Leichtbaupotenzial nach den für die Studie maßgebenden Kategorien An- der massivumgeformten Komponenten im Kraftfahr- triebsstrang, d. h. Motor und Getriebe sowie Fahrwerk zeug identifiziert. und weiteren Komponenten differenziert. Beispiele für konkrete Leichtbauvorschläge, die in dieser Alle Baugruppen und Einzelteile wurden analysiert, Phase der Studie gewonnen wurden, werden im nach- dazu wurden die Parameter Abmessung, Werkstoff und folgenden Kapitel 2.2 erläutert. selbstverständlich auch das Gewicht in einer Online-Da- tenbank gespeichert. Zur Bestimmung des Werkstoffs 2.1.2 Bilanzierung der Potenzialstudie wurde gegebenenfalls eine Analyse im Werkstofflabor durchgeführt. Darüber hinaus ist als wichtiges Hilfsins- Die systematische Zerlegung des Referenzfahrzeugs trument auch die umfangreiche Fotodokumentation zu brachte die Anzahl von ca. 3.500 zu analysierenden nennen, die durch Baugruppendarstellungen des Her- Bauteilen zu Tage. Die Analyse führte zur Formulierung stellers ergänzt wird. von 399 Leichtbauideen, welche in den drei Workshops 15
2 1. Bestimmung des Fahrzeuggesamtgewichts Referenzfahrzeug: 125 kw / 170 PS Umfeldanalyse 2,0 l Turbo-DI Dieselaggregat Es liegt ein systematischer Überblick Doppelkupplungsgetriebe, Allradantrieb über vorangegangene Leichtbaupotenziale Gesamtmasse: 1.740 kg im Antriebsstrang und Fahrwerk vor. 2. Zerlegung des Gesamtfahrzeugs Verbrennungs- Getriebe Fahrwerk Tür, Sitz, motor Gurt, AHK 3. Listen und Benennung aller Einzelteile Benchmarking Ein Referenzfahrzeug wurde systematisch demontiert, dokumentiert und erfasst. 4. Einzelteilanalyse 5. Gewichtsbilanzierung Baugruppen Drei Hands-on-Workshops Durchführung von moderierten Workshops zu Antrieb, Fahrwerk und weiteren Komponenten. 6. Fotodokumentation Zahnrad Parksperre ● Normansichten ● Detailansichten ● Ggf. Einbaulagen ● Digitale Ent- fernung der (22108020001) Herstellerlogos 7. Datenbankimplementierung mit Vorschlägen zum Leichtbaupotenzial Ideensammlung und Ableitung von Leichtbaupotenzialen Bisher unbekanntes Leichtbaupotenzial wurde an massivumgeformten Komponenten im Pkw identifiziert und in konkrete Leichtbauvorschläge umgesetzt. Abbildung 9: Projektablauf der Leichtbaupotenzialstudie 16
2 Abbildung 10: Projektteilnehmer und Präsentation der ausgebauten Komponenten während eines der drei Hands-On-Workshops von insgesamt 65 verschiedenen Personen aus 30 Un- Da für die Massivumformung in erster Linie die Kom- ternehmen und Forschungsgesellschaften formuliert ponenten aus Antriebsstrang und Fahrwerk für Leicht- wurden. In Summe nahmen an den Workshops 123 bauideen interessant sind, wurden in diesen Sektionen Personen teil [1]. auch je 100 % der zugeordneten Bauteile untersucht. Zusätzlich wurde ein Anteil von 19 % des Interieurs Es ist sinnvoll, sich bei Darstellung der Gewichtsbilan- (Vordersitze und Gurtsystem) sowie von 15 % der Ka- zierung des Referenzfahrzeugs auf die Gesamtbilanz rosserie (Vordertüren und Front-Bumper-System sowie sowie auf den Anteil massivumgeformter Komponen- Verbindungselemente) in die Analyse mit einbezogen. ten zu beschränken: Das Fahrzeug bringt ein Gesamtge- wicht von 1.740 kg in die Untersuchung. Wie in Abbil- Damit ergeben sich genau 838 kg oder ca. 48 % als dung 11 gezeigt, teilt sich in der Gewichtsbilanzierung Masse bzw. Anteil des in der Untersuchung analysierten Teils. das Gesamtgewicht auf die Komponenten der Karosserie (39 %), Antriebsstrang (23 %), Fahrwerk (16 %), Interieur In der detaillierten Gewichtsbilanzierung des Antriebs- (16 %) und Elektronik (6 %) auf. strangs überrascht nicht, dass der Verbrennungsmo- 3,0 kg 8 Ideen 16 % davon 19 % untersucht 39 % Interieur davon 15 % 6% untersucht Elektronik Referenzfahrzeug 125 kW / 170 PS Karosserie 2,0 l Turbo-DI Dieselaggregat Doppelkupplungs- getriebe Fahrwerk 23 % Allradantrieb Antriebsstrang 25,5 kg 258 Ideen Analysierter Teil: 838 kg 16 % Gesamtgewicht: 1.740 kg 13,5 kg 133 Ideen Abbildung 11: Gewichtsbilanzierung des Referenzfahrzeugs 17
2 Gewichtsbilanzierung Antriebsstrang Verbrennungsmotor 9% Drehmomentwandler Ausgleichs- und Verteilergetriebe 16 % Antriebswellen 399,45 kg 59 % 16 % Gewichtsbilanzierung Fahrwerk Vorderachse 8% 18 % Hinterachse Räder und Reifen 21 % Bremssystem 284,50 kg Lenksystem 22 % 31 % Abbildung 12: Gewichtsbilanzierung Antriebsstrang und Fahrwerk tor mit einem 59 %-Anteil dominiert, während auf dass einige gewichtige Fahrzeugkomponenten für eine Drehmomentwandler (Doppelkupplungsgetriebe) und Potenzialanalyse überhaupt nicht in Frage kommen, Ausgleichs- sowie Verteilergetriebe je 16 % entfallen da hierfür die Massivumformverfahren technisch oder und für die vier Antriebswellen 9 % verbleiben (Abbil- wirtschaftlich nicht angewendet werden können. Hier- dung 12, oben). zu zählen in erster Linie Motorblock, Abgasanlage und hinterer Subframe. Für die übrigen Komponenten aus In der Gewichtsbilanzierung des Fahrwerks zeigt sich dagegen eine gleichmäßigere Verteilung: Räder und Antriebsstrang und Fahrwerk wird die Klassifizierung in Reifen vereinnahmen 31 % auf sich, während Vor- • Langprodukte, der- und Hinterachse sich 18 bzw. 22 % teilen, für das Bremssystem werden immerhin 21 % bilanziert und der • Potenzial zur Massivumformung, verbleibende Anteil von 8 % auf das Lenksystem entfällt (Abbildung 12, unten). • massivumgeformt und • Verbindungselemente („Schrauben und Muttern“) Das Ergebnis der den Workshops vorausgeeilten Vor- evaluierung ist in Abbildung 13 zu sehen: Deutlich wird, vorgenommen. 18
Antriebsstrang Fahrwerk Gesamt 2 (Angaben in %) (Angaben in %) (Angaben in %) 3 3 3 13 21 27 45 399,45 kg 284,50 kg 683,95 kg 51 56 33 19 9 4 6 5 Schrauben Massiv- Potenzial zur Langprodukte Nicht massivumgeformt und Muttern umgeformt Massivumformung (ohne Potenzial) Beispiele: Schraube Zylinderkopf Kurbelwelle Felge Querstabilisator vorne Motorblock 0,109 kg (10x) 13,9 kg 10,66 kg (4x) 4,32 kg 40,3 kg Schraube Subframe Antriebswelle Differential Radträger hinten Antriebswelle hinten Abgasanlage (Teil 2) 0,1267 kg (4x) 3,42 kg 2,84 kg (2x) 2,52 kg (2x) 18,5 kg Schraube Getriebe Radlager (Teil 2) Differentialträger Feder Stoßdämpfer vorne Subframe hinten 0,0247 kg (19x) 1,74 kg (4x) 4,18 kg 2,16 kg (2x) 17,06 kg Abbildung 13: Anteil massivumgeformter Komponenten Abbildung 14 verdeutlicht in einfacher Weise die Auf- Anteil von über 5 % der analysierten Gesamtmasse von teilung der eingereichten Leichtbauideen und des er- 838 kg entspricht. mittelten Leichtbaupotenzials auf Antriebsstrang, Fahr- werk und weitere Komponenten. Insgesamt wurde ein Um diese Ideen zu priorisieren, wurden zwei Portfo- Potenzial von 42 kg ermittelt, was einem erstaunlichen lios erstellt, die die Bewertung der Leichtbauideen aus Antriebsstrang 258 Ideen - 25,5 kg Fahrwerk 133 Ideen - 13,5 kg Weitere Komponenten 8 Ideen - 3,0 kg Gewichtseinsparung 399 Ideen 42 kg Abbildung 14: Auswertung und Einsparpotenzial der 399 Ideen 19
2 Optimum Hoch (-30 %) Gruppe E -3,01 kg Gruppe A -13,58 kg Gruppe D -4,96 kg Leichtbaupotenzial Gruppe C -3,82 kg Gruppe B -0,21 kg Konstant Teurer Kostenpotenzial Günstiger Realisierungsaufwand: Gering Mittel Hoch Abbildung 15: Portfolio zur Priorisierung der Leichtbau-Ideen im Antriebsstrang den Workshops zum Antriebsstrang und Fahrwerk ein- Die Priorisierung macht deutlich, dass eine Gruppierung gruppieren und eine sehr gute visuelle Unterstützung vorgenommen werden kann: Die Gruppe A stellt sich anbieten. Dabei ist jeweils das Kostenpotenzial gegen dabei als Optimum zwischen Potenzial und Kosten dar, das Leichtbaupotenzial aufgetragen. Zusätzlich wird hier liegt nach Einschätzung der Experten Gewichtsre- der eingeschätzte Realisierungsaufwand farblich unter- duzierung bei gleichzeitiger Kostensenkung vor. Diese Ideen stellen sogenannte Quick-Wins dar. Maßnahmen schieden. Abbildung 15 und Abbildung 16 zeigen die aus der Gruppe E sind hingegen eher der vollständigen beiden Portfolio-Darstellungen, wobei zu beachten ist, Ausreizung des Leichtbaupotenzials zuzurechnen, da dass die Werte des Leichtbaupotenzials auf der Ordi- der Umsetzungsaufwand auf der Entwicklungsseite all- nate sinnvollerweise in Relation zum Ursprungswert gemein kostenintensiver beurteilt wird. „Bauteilgewicht“ dargestellt sind und dass sich bis auf wenige Ausnahmen hinter einem Symbol mindestens 5 In der kumulierenden Darstellung in Abbildung 17 kann und bis zu 36 Vorschläge verbergen. man das Gesamtergebnis erkennen: Die vorgenannten Quick-Wins beschreiben den kostengünstigen Leicht- Auf eine Darstellung des Portfolios für die weiteren bau, ein hohes Umsetzungspotenzial im Volumen- Komponenten in dieser Form wird hier verzichtet, da segment ergibt eine Einsparung von bereits ca. 25 kg sich der Fokus der Untersuchungen auf die Bereiche und mit dem Einsparpotenzial von bis zu 42 kg ist die Antriebsstrang und Fahrwerk richtet. volle Ausreizung des Leichtbaupotenzials beschrieben. 20
2 Optimum Hoch (-30 %) Gruppe E Gruppe A Gruppe D Leichtbaupotenzial Gruppe C Gruppe B Konstant Teurer Kostenpotenzial Günstiger Realisierungsaufwand: Gering Mittel Hoch Abbildung 16: Portfolio zur Priorisierung der Leichtbau-Ideen im Fahrwerk 840 838 kg -15,7 kg -16,6 kg -25,5 kg -38,6 kg -42,0 kg 830 820 Antriebs- strang 810 Gewicht / kg 399 kg 800 796 kg 430 Fahrwerk 285 kg Sonstiges 154 kg 0 Ausgangs- Optimum Kombination Konstante Kosten Erweitertes Ausreizung Massiver gewicht zwischen Leichtbau von Leichtbau und mittlerer Leichtbau- Leichtbau- Leichtbau und Kosten und Kosten Leichtbau Potenzial Potenzial Kostengünstiger Leichtbau -17 kg Hohes Umsetzungspotenzial für Volumensegment -25 kg Volle Ausreizung des Leichtbaupotenzials -42 kg Abbildung 17: Kumulierte Darstellung der Leichtbaupotenziale nach Priorisierung 21
2 Die Massivumformung ist also in der Lage, den unter- bestätigt sich als Empfehlung eine Intensivierung der suchten Anteil von 838 kg am Fahrzeuggewicht durch Kommunikation zwischen Zulieferer und Kunden und deutliche Einsparung auf verbleibende 796 kg zu senken. aus Sicht des Fahrzeugherstellers eine frühzeitige Ein- bindung der Entwickler auf Seiten der Massivumformer Eine weitere Darstellung der Leichtbauideen, kategori- mit dem Ziel der Etablierung dieser Ideen in der Serie. siert nach • stofflichem Leichtbau / altermativem Werkstoffein- Weitere ca. 6 % der Ideen beinhalten innovative Kon- satz, zepte mit eher disruptivem Charakter (Kapitel 2.2.3), • konstruktivem und Fertigungsleichtbau sowie die somit die aufwendigste Verbesserung eines beste- • Konzeptleichtbau henden Systems beschreiben. Die gesamte Neukon- struktion von Systemen stand nicht im Projektfokus, wird in Abbildung 18 dargestellt. eine Empfehlung kann dennoch in Richtung einer wei- Danach folgen ca. 33 % der Leichtbauideen dem stoff- teren Prüfung der technischen Realisierbarkeit ausge- lichen Leichtbau (Kapitel 2.2.1), der je nach Bauteil eine sprochen werden, welche wiederum ausschließlich konstruktive und topologieoptimierte Neuauslegung durch die intensive Kommunikation auf hohem fachli- des Bauteils erfordern kann. Die Studie kommt in die- chen Niveau zwischen Massivumformern und den Kon- ser Hinsicht zur Empfehlung der weiteren Analyse von strukteuren bei den Kunden erreicht werden kann. Leichtbaupotenzialen im Rahmen eines AiF-Forschungs- projekts (Kapitel 3). Den Großteil von ca. 75 % der Leichtbauideen bein- 2.2 Beispiele für identifizierte haltet Potenzial, das aus der Kernexpertise der Projekt- Leichtbaupotenziale teilnehmer resultiert, nämlich aus adaptierten Konstruk- tionen auf Basis der kontinuierlichen Entwicklung der Selbstverständlich ist es nur möglich, einen ausgewähl- großserientauglichen Massivumformung. Die Beispiele ten Teil der Leichtbauideen in dieser Schrift zu erläutern, hierfür werden in Kapitel 2.2.2 näher erläutert. Hier im Folgenden sind daher ausgesuchte Lösungen vorge- Stofflicher Leichtbau / Konstruktiver- Konzept- Alternativer Werkstoffeinsatz und Fertigungsleichtbau Leichtbau ● Ca. 33 % der Leichtbauideen ● Ca. 75 % der Leichtbauideen ● Ca. 6 % der Leichtbauideen beinhalten einen alternativen beinhalten adaptierte beinhalten innovative Werkstoffeinsatz Konstruktionen und basieren Konzepte auf dem Einsatz der ● Empfehlung: großserientauglichen ● Empfehlung: Weitere Analyse Massivumformung Intensive Kommunikation von Leichtbaupotenzialen und weitere Prüfung der durch stofflichen Leichtbau ● Empfehlung: technischen Realisierbarkeit im Rahmen eines Intensive Kommunikation der besonders innovativen AiF - Forschungsprojekts der Ergebnisse mit Kunden zur Konzepte Etablierung der Ideen in der Serie Abbildung 18: Auswertung der Potenzialideen nach Technologien 22
stellt, die aus der beschriebenen systematischen Ana- spezifischen Gewichts durch einen mit geringerem 2 lyse innerhalb der Workshops für die Bereiche Antrieb spezifischen Gewicht. Dies führt dazu, dass in der öf- und Fahrwerk hervorgegangen sind. Hierbei ist eine fentlichen Wahrnehmung die metallischen Werkstoffe Einteilung in ein werkstoffliches sowie konstruktives Aluminium, Magnesium und Titan, andererseits carbon- und fertigungstechnisches Leichtbaupotenzial sinnvoll. faserverstärkte Kunststoffe (CFK) kursieren. Zahleiche Darüber hinaus werden aber auch Konzept-Ideen dar- Beispiele, vorrangig aus der Fahrwerkstechnik, verdeut- gestellt, die in einer innovativen Form antreten, heutige lichen z. B. den zunehmenden Anteil von Komponen- Lösungen zu substituieren. ten, die aus Aluminiumlegierungen umgeformt werden [11], [16]. Gegen diese Konkurrenz fühlen sich die Stäh- Es handelt sich bei den vorgestellten Ideen nicht um le für die Massivumformung jedoch durchaus gewapp- bereits bis zur Serienreife entwickelte Lösungen. Zum net. Die Argumente hierfür sind beste mechanische einen Teil ergeben sich erste skizzenartige Vorschläge, Eigenschaften und beherrschbarer Kostenaufwand. denen weitere Untersuchungen durch Einsatz moderner Des Weiteren beweisen sich die zahlreichen neuen Ent- Berechnungsverfahren aus dem Bereich des Simultane- wicklungen, z. B. kostengünstige höherfeste Güten im ous Engineering folgen müssen. Zum anderen Teil han- Bereich der Stahlwerkstoffe für Schmiedeteile, die die delt es sich um Konstruktionsvorschläge, die bereits für Stahlhersteller in der Initiative Massiver Leichtbau mit in vergleichbare Aufgabenstellungen bei den Entwicklern das Projekt und somit in die Workshops einbringen, auf der Massivumformer durchgeführt wurden. Nicht aus- der Waagschale. zuschließen ist ferner, dass einigen Vorschlägen system- technische Anforderungen entgegenstehen, die dem Gerade die Anforderungen an die Bauteile aus den im Teilnehmerkreis der Potenzialstudie unbekannt sind. Projekt untersuchten Bereichen Antriebsstrang und Die 3.500 Bauteile stehen demnach stellvertretend für Fahrwerk setzen höhere mechanische Kennwerte vor- die Komponenten vergleichbarer Fahrzeugtypen, um aus. Dies hat zur Folge, dass häufig auf Vergütungsstäh- zu Denkanstößen zu motivieren: Es sind konventionel- le statt auf kostengünstige AFP-Stähle zurückgegriffen le Fertigungstechniken zu hinterfragen und alternative werden muss. Sowohl durch höhere Legierungskosten werkstoffliche sowie konstruktive Möglichkeiten aufzu- als auch durch Kosten für zusätzliche Wärmebehand- zeigen, was – wie im Folgenden dargestellt – nachweis- lung und Rissprüfung müssen dabei erhebliche preisliche lich gelungen ist. und prozesstechnische Nachteile in Kauf genommen werden. Diese Lücke wird gegenwärtig durch die Ent- 2.2.1 Potenziale im stofflichen Leichtbau wicklung hochfester duktiler bainitischer (HDB)-Stähle Ein erster Gedanke für Überlegungen des „leicht Bau- geschlossen [17], die ohne zusätzliche Vergütungsbe- ens“ geht verständlicherweise in Richtung der Sub- handlung verarbeitet werden, deren mechanische Kenn- stitution eines vorhandenen Werkstoffs höheren werte aber die Werte der Vergütungsstähle erreichen. Die HDB-Stähle orientieren sich hinsichtlich der Verarbei- tungskosten also an den kostengünstigen AFP-Stählen. Werkstofflicher Leichtbau Schon auf dem Markt verfügbar ist mit 20MnCrMo7 1.300 [18] eine Stahlgüte, bei der durch kontrollierte Abküh- Festigkeit / MPa 1.100 lung von Schmiedetemperatur ein bainitisches Gefü- ge ausgebildet wird. Als zweites Beispiel ist die Güte 900 16MnCr5mod (H2) zu nennen, hervorgegangen aus 700 einer kooperativen Entwicklungsarbeit zwischen zwei 500 Herstellern aus der Stahl- und Massivumformindus- AFP 38MnVS6 16MnCr5mod 20MnCrMo7 (H2) trie [19], [20]. Abbildung 19 verdeutlicht die Kenn- Rp 0,2 / MPa Rm / MPa werte dieser beiden Stähle im Vergleich zum AFP-Stahl 38MnVS6. Abbildung 19: Vergleich der Belastbarkeit von AFP- und Beiden Stählen gemeinsam ist also die direkte Eigen- HDB-Stählen schaftsbildung aus der Warmumformung heraus, die 23
2 Serie Potenzial Seriengeometrie gesintert Abbildung 20: Spannpratze für Injektoren Abbildung 21: Spannpratze für Injektoren – Einsparpotenzial bei Verwendung eines höherfesten Werkstoffs und nachfolgenden Designanpassungen Abbildung 22: links – Antriebswelle vorne, rechts – Koppelstange vorne jedoch sowohl einen sehr exakten Prozessverlauf wäh- möglichen Gewichtseinsparung von ebenfalls 20 % dar rend der Umformung selbst als auch ganz gezielt gere- (Abbildung 22, links). Für den Bereich des Fahrwerks gelte Abkühlgeschwindigkeiten nach der Warmumfor- stehen stellvertretend die Koppelstangen mit einem ein- mung erfordern [21]. geschätzten Potenzial von 5 % (Abbildung 22, rechts). Letzterer Vorschlag nennt beispielsweise die Substitu- Die Nutzung dieser verbesserten Materialeigenschaften tion des bisherigen ausscheidungshärtenden ferritisch- spielt in zahlreichen Beispielen der Leichtbauuntersu- chung eine Rolle. Die grundsätzliche Optimierungsüber- perlitischen Kaltstauchstahls durch einen HDB-Stahl. legung ist dabei immer eine – oft lokale – Reduzierung der Materialstärke bzw. des Materialeinsatzes durch die vorliegende höhere Festigkeit, die nach Umstellung auf einen höherfesten Stahl vorliegt. Aus dem Bereich Motor kann dies z. B. für die in Ab- bildung 20 dargestellte Spannpratze für die Injektoren der Einspritzanlage angeführt werden: Als Schmiedeteil aufgrund des Einsatzes eines höherfesten Stahls gestal- tungsoptimiert ausgelegt, wird ein Potenzial von ca. 20 % ausgewiesen (Abbildung 21). Zwei Bauteile, die ebenfalls mit dieser Leichtbauidee beaufschlagt sind, stellen stellvertretend aus dem An- triebsstrang die vorderen Antriebswellen mit einer Abbildung 23: Kugelkopf der Anhängerkupplung 24
Insbesondere unter Berücksichtigung der großen An- 2 zahl an Verbindungselementen im Fahrzeug summiert sich die im Einzelfall sicherlich geringe Einsparung zu einem bemerkenswerten Einsparpotenzial und führt die Überlegung fort, statt der anzuschraubenden Kompo- nenten die Festigkeit der Verbindungselemente zur aus- legungsbestimmenden Größe zu erheben. Abbildung 24: Kurbelwelle des Referenzfahrzeugs 2.2.2 Potenziale im konstruktiven und Fertigungsleichtbau Durch konsequente Anwendung und Verfolgung der Ein weiteres Beispiel für eine leichtere Dimensionierung gängigen FE-Methoden bereits in einer frühzeitigen infolge der Werkstoffumstellung auf einen festeren und Phase der Entwicklung können zusätzliche Leichtbau- gleichzeitig zäheren Stahl stellt die Anhängerkupplung potenziale in konstruktiver und fertigungstechnischer als Vertreter der Anbauteile dar. Für die in Abbildung 23 Hinsicht erhoben werden, wie folgende Beispiele aus wiedergegebene Anhängerkupplung wird dadurch eine der Potenzialanalyse beweisen. mögliche Gewichtsreduzierung von 10 % ermittelt. Die ausgebaute geschmiedete Kurbelwelle als an- Ein bislang hier noch nicht vorgestelltes Einsparungspo- spruchsvolles Bauteil des Motors ist in Abbildung 24 tenzial ergibt sich durch den Einsatz von Verbindungs- gezeigt. elementen mit höherer Festigkeitsklasse und wechsel- wirkender kleinerer Dimensionierung. Aus der Studie Durch geometrische Optimierungen an der Kurbelwelle geht die Idee hervor, Schrauben zur Verbindung von mit einer ermittelten Masse von 13,9 kg kann Mate- Pleueldeckel und -schaft von der bisherigen Dimensi- rial im gekennzeichneten Bereich der Hublager durch onierung M8 auf M7 zu verringern und derart weitere Einschmieden von Einschnürungen reduziert werden Überlegungen zur Gewichtseinsparung des geschmie- (Abbildung 25, links und mitte). Aus einer nachfolgen- deten Pleuels zu ermöglichen (Kapitel 2.2.2). Dadurch den überschlägigen Wuchtberechnung resultiert die zu- ergeben sich zudem sekundäre Leichtbaupotenziale an sätzliche Werkstoffeinsparung an den Gegengewichten Kurbelwelle und sonstigen Masseausgleichssystemen. (Abbildung 25, rechts). Serie Potenzial Alte Kontur Neue Kontur Abbildung 25: Kurbelwelle – Gegenüberstellung des Serienzustands zum Leichtbauvorschlag 25
2 Berücksichtigt man diese Sekundäreffekte, errechnet sich das optimale Einsparpotenzial zu ca. 1 kg. Weiteres Leichtbaupotenzial erschließt sich ebenfalls, wenn die Formgebungsmöglichkeiten der Schmiede- technik voll ausgenutzt werden. In den Abbildungen 27 und 28 sind die analysierte Common-Rail-Leiste des Referenzfahrzeugs und ein Vorschlag zur Reduzierung der Bauteilquerschnitte gegenübergestellt. Abbildung 26: Pleuel – Geometrisches Einsparpotenzial durch Einsatz festerer Schrauben und Reduzierung des Zwingend notwendig ist bei diesem Vorschlag, die in Schraubendurchmessers [22] beschriebenen Erkenntnisse zu berücksichtigen, die große Stauchungen des Stahls ohne Abfall der Werk- Das bereits im vorangegangenen Kapitel vorgestellte stoffbelastbarkeit zulassen. Zusätzlich muss der Einsatz Leichtbaupotenzial durch Einsatz festerer Verbindungs- eines schwefelarmen Einsatz- oder AFP-Stahls die Ma- elemente für die Lagerschalen des Pleuels kann für eine terialeinsparung unterstützen. Wie in der Gegenüber- geometrische Änderung der Pleuel genutzt werden: stellung von Serienzustand und Potenzialvorschlag zu Unter Beibehaltung der benötigten Wandstärken kann erkennen, ist der Vergleichsspannungszustand fast nun das Pleuel (Abbildung 26) schmaler und dünner identisch. ausgeführt werden. Zudem ergeben sich gerade bei sol- chen Gewichtsminderungen an bewegten Massen grö- Gelten die zuletzt vorgestellten Optimierungspotenziale ßere Sekundäreffekte im Motor, die wiederum weiteres für Elemente des Motors im Referenzfahrzeug, widmen Verbesserungspotenzial an Lagern oder Ausgleichswel- sich die folgenden Ideen den Komponenten in Getriebe len anstoßen. oder Verteilergetriebe. Serie von Mises Spannung σ V / MPa 500 400 300 200 100 0 Potenzial Abbildung 27: Common-Rail-Leiste Abbildung 28: Common-Rail-Leiste: Gegenüberstellung der Geometrien Serie Potenzial Abbildung 29: Zahnrad 5. Gang der Antriebswelle Abbildung 30: Gangrad 5.Gang: Gegenüberstellung des ursprünglichen mit geändertem Profil 26
Serie Potenzial 2 Abbildung 31: Stirnradwelle des Verteilergetriebes – Abbildung 32: Stirnradwelle des Verteilergetriebes – Gegen- Realbauteil im ausgebauten Zustand überstellung des Serienzustands zum Leichtbauvorschlag Im ersten Beispiel spielt die Erkenntnis eine Rolle, dass eine ringnutartige Aussparung eingebracht werden, die bei balligen und mittentragenden Verzahnungen, wie je nach Wuchtanforderung nicht mehr überdreht wer- sie hier vorliegen, die höchste Biegebelastung in der den muss. Des Weiteren kann eine Bohrung im Wellen- Zahnmitte liegt und daher das Material unter den je- zentrum eingebracht werden. Letztere kann in dieser weils äußeren Bereichen minimiert werden kann. Form umformtechnisch nicht wirtschaftlich erzeugt Die hier gezeigte Komponente des Gangrads für den werden. Dadurch ist zwar ein kleiner zusätzlicher Auf- 5. Gang auf der Antriebswelle legt in Serie eine Masse wand in der Weichzerspanung notwendig, die Relation von 0,41 kg an den Tag (Abbildung 29). Diese kann, „Kosten pro kg Umformbauteil“ dürfte aber trotzdem vorbehaltlich weiterer vorzunehmender Festigkeitsrech- günstiger als im Serienzustand sein [23]. nungen, um 20 % reduziert werden. In Abbildung 30 ist das gewichtoptimierte Design in einer gekippten Drauf- Im weiteren Verlauf der Kraftübertragung hinter dem sicht und im Querschnitt wiedergegeben. Verteilergetriebe (Differenzial) finden sich Anschlussflan- sche zur Anbindung der Antriebswellen. Die hier vorge- Als zweites Beispiel zeigt Abbildung 31 die Stirnradwel- fundene Ausgangsmasse beträgt 1,2 kg für den linken le im Verteilergetriebe mit einem Gewicht von 1,38 kg. und 1,9 kg für den rechten Flansch (Abbildung 33). Als Das Leichtbaupotenzial wird hier unterhalb der Hypoid- folgendes Beispiel ist ein Leichtbauvorschlag für die An- verzahnung, d. h. im Übergangsbereich zur Welle, iden- schlussflansche des hinteren Antriebs aufgezeigt. Das tifiziert und mit etwa 20 % beziffert (Abbildung 32). Potenzial setzt sich aus mehreren Vorschlägen zusam- Entsprechend kann dort schon im Schmiedeprozess men: Am auffälligsten ist dabei der Verzicht auf eine ro- Serie σV / MPa 2.250 1.800 1.350 Potenzial 900 450 0 Abbildung 33: Anschlussflansch Antriebswelle hinten rechts Abbildung 34: Anschlussflansch der Antriebswelle hinten – Gegenüberstellung des Serienzustands zum Leichtbauvorschlag 27
2 Serie Potenzial Abbildung 35: Antriebswelle – Realbauteil im ausgebauten Abbildung 36: Antriebswelle – Gegenüberstellung des Serien- Zustand zustands zum Leichtbauvorschlag und Realbauteil im ausge- bauten Zustand tationssymmetrische Kontur, da die Kontur zwischen den Im untersuchten Bereich des Fahrwerks wiederum wur- Befestigungspunkten stark eingeschnürt werden kann. de eine große Anzahl an Leichtbauideen für die vier im Ferner wird die zylindrische Form des Schafts durch ra- Fahrzeug verbauten Radlager (Abbildung 37) gefunden. dial eingeschmiedete Taschen unterbrochen. Eine inten- Dies verdeutlicht die große Bedeutung dieser Bauteile, sive Materialeinsparung ergibt sich nicht zuletzt durch deutet gleichzeitig aber darauf hin, dass diese Bauteile eine kegelartige Innenkontur, die deutlich tiefer als in bislang als rotationssymmetrische Teile eher unter wirt- der Serie angelegt wird. Aus ersten Untersuchungen schaftlichen Prioritäten denn unter Leichtbauaspekten geht aber auch hervor, dass die Verdrehsteifigkeit bei ausgelegt wurden. dieser Lösung um ca. 14 % sinkt. Die vorgestellten Maß- nahmen summieren sich zu einem Einsparpotenzial von Sie bringen eine Gesamtmasse von immerhin 6,96 kg etwa 0,21 kg, was beim linken Flansch eine Einsparung an das Fahrzeug und fordern daher zur Ausschöpfung von 21 % ausmacht (Abbildung 34). des Leichtbaupotenzials heraus. Bei der in Abbildung 35 wiedergegebenen Antriebswel- Die hier vorgestellte Lösung darf als recht ambitioniert le mit einer Masse von 1,34 kg wurde durch ein ge- gelten und stellt auch die Verfahrenstechniker vor eine wichtsoptimiertes Design für die Umformung in Form Herausforderung: Zunächst wird der rotationssymmet- einer Materialentnahme im Übergang von Hohlwelle rische Flansch durch Einschnürungen in eine pentago- zum Flansch, wie in Abbildung 36 zu erkennen, ein Po- nale Außenkontur überführt. Darüber hinaus verbleiben tenzial von rund 5 % ausgemacht. für die Befestigungsauflage der Felgen fünf einzelne Serie Potenzial Abbildung 37: Radlager vorne links im ausgebauten Abbildung 38: Radlager – Gegenüberstellung des Zustand Serienzustands zum Leichtbauvorschlag 28
Serie Potenzial 2 Abbildung 39: Anschlussflansch der Kardanwelle im ausge- Abbildung 40: Anschlussflansch der Kardanwelle – Gegen- bauten Zustand überstellung des Serienzustands zum Leichtbauvorschlag Stege in der erforderlichen Stärke, zwischen denen das das Bauteil insgesamt schmiedetechnisch wesentlich Material deutlich dünner als in der Serie gefertigt wird. anspruchsvoller macht (Abbildung 38). Das Gesamtein- Des Weiteren ist der Lagersitz der Nabe unterbrochen sparpotenzial ist mit 2,88 kg ermittelt worden. worden und auf der dem Lagerzapfen abgewandten Seite wird eine steifigkeitsfördernde Innenkontur vorge- Gleichartige Überlegungen führen zum nachfolgen- schlagen und darüber hinaus der bisherige Zentrierring den Leichtbauvorschlag für die Anschlussflansche der für die Felgenbohrung mehrfach unterbrochen, was Kardanwelle (Abbildung 39), die mit je 0,56 kg im Re- ferenzfahrzeug zu finden sind: Durch Materialreduzie- Serie Potenzial rung im Bereich der Schraubaufnahmen und auf der der Nabe gegenüberliegenden Seite, wie in Abbildung 40 dargestellt, wird ein Einsparpotenzial von ca. 20 % ermittelt. Es ist naheliegend, dass in der Leichtbauanalyse die ver- meintlich komplexen Komponenten aus Antriebsstrang und Fahrwerk den größeren Anteil am Potenzial aus- Abbildung 41: Sechskantmutter mit Flansch vor und nach machen, wofür auch die vorangegangenen Beispiele der Gewichtsoptimierung sprechen. σV / MPa 1.100 900 800 700 550 450 300 200 150 0 Abbildung 42: Vergleichsspannungszustand σV (von Mises) anhand eines Prüflastversuchs nach DIN EN ISO 898-2 links: Sechskantmutter, rechts: Leichtbaumutter, jeweils mit Flansch, M 14 x 1,5 29
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