Medizinprodukte und Zulassung - eine Reform ist überfällig - Pressekonferenz Berlin, 07. November 2012, Dr. Doris Pfeiffer

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Medizinprodukte und Zulassung - eine Reform ist überfällig - Pressekonferenz Berlin, 07. November 2012, Dr. Doris Pfeiffer
Medizinprodukte und Zulassung –
eine Reform ist überfällig
Pressekonferenz

Berlin,
07. November 2012,
Dr. Doris Pfeiffer
Medizinprodukte und Zulassung - eine Reform ist überfällig - Pressekonferenz Berlin, 07. November 2012, Dr. Doris Pfeiffer
Gliederung

è Medizinprodukte

è Positionspapier des GKV-Spitzenverbandes

è Vergleich Europa und die USA anhand aktueller Beispiele

è Medizinprodukterecht ist Europarecht

è Aktuelle EU-Verordnung und eine Bewertung der Vorschläge

è Forderungen des GKV-Spitzenverbandes

Pressekonferenz: Notwendige Reformen im Medizinprodukterecht
Dr. Doris Pfeiffer                                             07.11.2012   2
Medizinprodukte und Zulassung - eine Reform ist überfällig - Pressekonferenz Berlin, 07. November 2012, Dr. Doris Pfeiffer
Medizinprodukte
Marktzugang

                                                                     Hersteller
                                                                                              RK I
                                                                eigenverantwortlich

                                                                 + Benannte Stelle      RK           RK
                                                               (Qualitätsmanagement)    IIa          IIb

                                                                 + Benannte Stelle            RK
                                                                                              III
Quelle: GordonGrand/Fotolia.com
                                                                (Produktsicherheit)

Risikoklassen
è I: Fieberthermometer, Stethoskop, Verbandsmaterial
è II a: Kanülen, Dentalfüllmasse
è II b: Beatmungsmaschinen, Bestrahlungsgeräte
è III: Hüftendoprothesen, Herzschrittmacher, koronare Stents

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Dr. Doris Pfeiffer                                                         07.11.2012                      3
Medizinprodukte und Zulassung - eine Reform ist überfällig - Pressekonferenz Berlin, 07. November 2012, Dr. Doris Pfeiffer
Medizinprodukte
Marktzugang

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                                                                                              RK I
                                                                eigenverantwortlich

                                                                 + Benannte Stelle      RK           RK
                                                               (Qualitätsmanagement)    IIa          IIb

                                                                 + Benannte Stelle            RK
                                                                                              III
Quelle: GordonGrand/Fotolia.com
                                                                (Produktsicherheit)

Risikoklasse III
è Benannte Stellen prüfen Herstellerunterlagen (Problem: Wettbewerb)
è Hersteller hat europaweit freie Wahl der Benannten Stelle
è Großer Ermessensspielraum bei Konformitätserklärung, kaum verbindliche
  Standards (klinische Daten ≠ klinische Prüfungen)

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Medizinprodukte und Zulassung - eine Reform ist überfällig - Pressekonferenz Berlin, 07. November 2012, Dr. Doris Pfeiffer
Positionspapier GKV-SV:
Vorrang für Patientensicherheit

è Medizinprodukte werden immer
  innovativer, komplexer, lassen völlig
  neue Behandlungsansätze zu.

è Neue Hochrisikoprodukte kommen in
  Europa ohne ausreichende Prüfung auf
  den Markt.

è Skandale um Brustimplantate,
  Defibrillatorelektroden, Hüftprothesen:
  Sicherheit nicht ausreichend geprüft,
  Marktüberwachung funktioniert nicht.

è Niedrige Marktzugangshürden und
  unzureichende Marktüberwachung gehen                         Quelle: Fotos: Monkey Business/Fotolia.com;
                                                               Whyona/Fotolia.com

  zu Lasten der Patientensicherheit.

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Medizinprodukte und Zulassung - eine Reform ist überfällig - Pressekonferenz Berlin, 07. November 2012, Dr. Doris Pfeiffer
Hochrisiko-Medizinprodukte:
USA versus Europa
è Behördliche Zulassung                               è Einbeziehung Benannter Stelle
è Klinische Prüfung ist                               è Klinische Prüfung „grundsätzlich
  obligatorisch                                         notwendig“
è Nachweis der Sicherheit und                         è Eignungsnachweis für den vorge-
  Wirksamkeit                                           sehenen Verwendungszweck
è Häufig Zulassungsauflagen                           è Keine Auflagen
è Zentrale Überwachung des                            è Überwachung erfolgt durch
  Marktes, ggf. Anordnung                               nationale oder regionale Behör-
  von Maßnahmen                                         den, Maßnahmen nur „im Notfall“
è Transparenz durch                                   è Daten zur Sicherheit und
  Internetveröffentlichung                              Wirksamkeit nicht öffentlich
                                                        zugänglich

Pressekonferenz: Notwendige Reformen im Medizinprodukterecht
Dr. Doris Pfeiffer                                                   07.11.2012            6
Beispiel: DePuy Hüftendoprothesen
USA

è Hersteller hat für mehrere verschiedene M-M Totalendoprothesen
  eine Zulassung erhalten.
è Für neue Produktklasse „Oberflächenersatzprothesen“ (Resurfacing)
  ist Zulassungsverfahren notwendig.
è Zulassungsstudie zeigt erhöhtes Risiko von Wechseloperationen.
  FDA äußert Bedenken, DePuy zieht Zulassungsantrag zurück.
è DePuy nimmt „ASR-Produkte“ freiwillig weltweit vom Markt.
è Andere M-M Endoprothesen (z. B. Pinnacle System) werden von
  DePuy im Markt belassen, viele andere Hersteller haben ähnliche
  Produkte.
è Studien- und Registerergebnisse führen zu Sicherheitsbedenken
  der FDA bezüglich M-M Endoprothesen aller Hersteller.
è Anordnung an 21 Hersteller (145 Produkte),
  Marktüberwachungsstudien durchzuführen.
FDA zieht Konsequenzen.
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Beispiel: DePuy Hüftendoprothesen
Europa

è DePuy hat mehrere verschiedene M-M Totalendoprothesen in den
  Markt eingeführt.
è Das neuartige Produkt „Oberflächenersatz-Prothese“ (Resurfacing)
  hat seit 2003 ein CE-Kennzeichen.
è Tausende Patienten wurden europaweit mit DePuy Endoprothesen
  behandelt.
è Trotz mehrerer Hinweise auf Risiken von M-M Endoprothesen
  (Studien, Produktregister, Produktrückrufe) gibt es keine
  Produktbewertungen, Maßnahmen oder Empfehlungen der
  deutschen Überwachungsbehörden.
è Britische Behörde erlässt Sicherheitswarnmeldung im Februar 2012
  und empfiehlt regelmäßige Kontrolle von betroffenen Patienten.

Keine europaweit koordinierten Behördenmaßnahmen.

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Beispiel: Stents für verengte Gehirngefäße
USA (1)

è 2005: HDE-Zulassung für Wingspan System durch FDA:
  Patienten, die nicht auf medikamentöse Therapie ansprechen und
  deren Gefäße mindestens 50 % verengt sind.

è Krankenversicherungen (Medicare, Medicaid) bestehen auf Studie
  zum Wirksamkeitsnachweis (SAMMPRIS-Studie).

è September 2011(Publikation SAMMPRIS): 2.5-fach erhöhtes
  Mortalitäts- bzw. Schlaganfallrisiko beim Wingspan System.

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Beispiel: Stents für verengte Gehirngefäße
USA (2)

è August 2012: Einschränkung der Zulassung durch FDA:
  Alle Kriterien müssen erfüllt sein:
  a. mindestens zwei Schlaganfälle trotz aggressiver
     medikamentöser Behandlung                      as
  b. letzter Schlaganfall mindestens vor sieben Tagen
  c. 70 – 99 % Stenose in einer intrakraniellen Arterie
  d. gute Erholung vom letzten Schlaganfall

è Anwender müssen vor Anwendung des Stents eine Genehmigung
  ihrer Ethikkommission einholen.

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Beispiel: Stents für verengte Gehirngefäße
Europa (1)

è 2009: Wingspan Stent erhält CE-Kennzeichen

è September 2011: Publikation der SAMMPRIS-Studie

è Januar 2012: BfArM stellt fest:
  Behördliche Maßnahmen nicht erforderlich

è Februar 2012: Hersteller veröffentlicht Sicherheitsinformation:
  SAMMPRIS-Studie zeigt, dass Wingspan Stentsystem nicht besser ist
  als intensive medikamentöse Therapie allein.

è Indikationseinschränkung (freiwillig durch Hersteller):
  Patienten, die nicht auf medikamentöse Therapie ansprechen und
  deren Gefäße mindestens 50 % verengt sind.

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Beispiel: Stents für verengte Gehirngefäße
Europa (2)

è Indikationseinschränkung identisch mit Zulassung der FDA aus
  dem Jahr 2005 (vor der SAMMPRIS-Studie).

è Zwei weitere Stent-Medizinprodukte anderer Hersteller in der EU
  auf dem Markt (Pharos-Stent der Firma Cordis, Channel-Stent der
  Firma Ab Medica).

è Keine Studiendaten zur Wirksamkeit dieser Stents vorhanden.

è Deutlich weiter gefasste Indikationen für beide Produkte.

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Beispiel: Parachute, Cardiokinetix
USA

è Herzinfarkt kann zu Muskelschädigung und Vergrößerung der
  linken Herzkammer führen. Fallschirmartiges Medizinprodukt
  verkleinert die Herzkammer und soll Herzfunktion verbessern.

è Machbarkeitsstudie publiziert: 31 von 39 eingeschlossenen
  Patienten (79 %) wurden behandelt.

è Fazit der Autoren: „…appears to be relatively safe and potentially
  effective… limited results suggest the need for further evaluation...“

è Beginn Zulassungsstudie voraussichtlich Dez. 2012: 478 Patienten,
  Vergleich mit Standardbehandlung. Endpunkte: Tod oder
  Krankenhauseinweisung.

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Beispiel: Parachute, Cardiokinetix
Europa

è CE-Kennzeichen 2011

è Ab 2013 können deutsche Krankenhäuser die Anwendung des
  Produkts in den Abrechnungsdaten dokumentieren.

è Die Anwendung des Produktes wird sich hoffentlich als sicher und
  wirksam erweisen.

è GKV-Spitzenverband hat seinen Medizinischen Dienst mit einem
  Gutachten beauftragt.

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“We don’t use our people as guinea pigs in
the US.”

Jeffrey Shuren, Leiter Device Section der FDA, mit Blick auf
mehrere Medizinprodukte, die in Europa vom Markt
genommen wurden, in den USA jedoch nie auf den Markt
kamen - Pressekonferenz, Februar 2011.

Eine Liste der FDA mit solchen Medizinprodukten finden Sie
in der Pressemappe.

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Medizinprodukterecht ist Europarecht

è Richtlinie 93/42/EWG
  (Medizinprodukte)
  Richtlinie 90/385/EWG (aktive
  Implantate)
  Richtlinie 98/79/EG
  (in vitro Diagnostika)
è Umsetzung in nationale Gesetze
è Letzte Änderung MPG: 21.3.2010;                              Quelle: Ingo Bartussek/Fotolia.com

  danach diverse Verordnungen
è Regelungen für Marktzugang nicht
  europaweit homogen
è CE-Kennzeichen gilt aber in 32
  Ländern (EU/EFTA/Türkei)

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Verordnungsentwurf der EU-Kommission,
wesentliche Inhalte:
è Strengere Auflagen und Kriterien für nationale Behörden zur
  Benennung und Überwachung Benannter Stellen.

è Regelungen zur Rückverfolgbarkeit von Medizinprodukten
  (eindeutige Identifikationsnummer, Implantatepass).

è Verpflichtung von Benannten Stellen zur Durchführung
  unangekündigter Inspektionen bei Herstellern.

è Überwachung der Benannten Stellen durch Expertenkommission
  der EU (Vertreter der Mitgliedsstaaten).

Verordnung wird mit Inkrafttreten sofort europaweit wirksam und
setzt nationale Gesetze außer Kraft.

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Reichen diese Vorschläge aus?

è Für Hochrisikoprodukte: Nein!

è Keine Verpflichtung zum Nachweis der Wirksamkeit und Sicherheit
  durch klinische Prüfungen. Ausnahme von Pflicht zur klinischen
  Prüfung erschwert, aber nach wie vor möglich.

è Benannte Stellen bleiben im Wettbewerb zueinander; Problem der
  Abhängigkeit vom Auftraggeber nicht gelöst. Expertenkommission
  hat nur beratende Funktion.

è Keine risikobezogene behördliche Überwachung möglich, z. B.
  durch angeordnete Postmarketingstudien. Keine Zulassungsauf-
  lagen möglich.

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Forderungen des
GKV-Spitzenverbandes

è Zentrale Zulassung für Hochrisiko-Medizinprodukte.
è Bei Hochrisikoprodukten: Obligatorische klinische Prüfungen zum
  Nachweis der Wirksamkeit im Vergleich zum medizinischen
  Standard anhand patientenrelevanter Endpunkte.
è Transparente Dokumentation von Zulassungsbescheiden,
  zugelassenen Indikationen, klinischen Prüfungen und Ergebnissen,
  Zusammenfassung der Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit, ggf.
  Patienteninformationen.
è Wo notwendig: Anordnung von Postmarketingstudien,
  Qualitätsauflagen usw.

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Forderungen des
GKV-Spitzenverbandes

è Zentrale Erfassung und kompetente Auswertung aller
  Vorkommnismeldungen in einer europäischen Behörde.
è Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit von Implantaten.
è Durchsetzung der Meldepflicht von Vorkommnissen in Deutschland.

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Patientensicherheit ist wichtiger
             als Wirtschaftsinteressen!

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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