Mehr Platz für aktive und kindgerechte Mobilität - VCÖ
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factsheet Mehr Platz für aktive und kindgerechte Mobilität Fußläufig erreichbare Ziele, öffentlicher Raum mit hoher Aufenthaltsqualität und sichere, attraktive Geh- und Radwege sind maßgebend, ob Wege körperlich aktiv zurückgelegt werden. Gut vernetzte Schul- und Freizeitwege tragen zu mehr gesunder Bewegung von Kindern und Jugendlichen bei. Bewegungsmangel ist ein großes Gesundheitsri- Kindgerechtes Verkehrssystem umsetzen siko und steht in direktem Zusammenhang mit Aktive Alltagsmobilität ist ein wichtiger Faktor, vielen Krankheiten. Herz-Kreislauf-Erkrankungen um das empfohlene Ausmaß an Bewegung zu oder Typ 2-Diabetes treten bei Menschen mit erreichen. Doch die dafür bereitgestellte Fläche ist Bewegungsmangel deutlich häufiger auf. Auch oftmals ungenügend, wie auch die Erfahrungen in ein erhöhtes Risiko von Schlafstörungen und der Covid-19-Pandemie gezeigt haben. Die 6- bis psychischen Erkrankungen wird diesbezüglich 14-Jährigen in Österreich legen rund ein Drittel angenommen. ihrer Alltagswege zu Fuß und mit dem Fahrrad Als Mindestmaß an Bewegung empfiehlt die zurück, ein weiteres Drittel mit öffentlichen Ver- WHO 150 Minuten moderate bis intensive kör- kehrsmitteln und ein Drittel im Auto sitzend. Bei perliche Aktivität für Erwachsene pro Woche, den 15- bis 19-Jährigen erhöht sich der Autoanteil Kindern und Jugendlichen ist mit 60 Minuten auf 40 Prozent, die zu Fuß und mit dem Fahrrad täglich deutlich mehr Bewegung empfohlen. zurückgelegten Wege sinken auf 17 Prozent.
2 len nur 17 Prozent der 11- bis 17-Jährigen diese Beispiele der Mobilitätswende Empfehlung. Ausreichend Bewegung hat positive Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System, den Bewegungsapparat, die muskuläre Fitness, eine gesunde Entwicklung des Körpergewichts, die Verbesserung der schulischen Leistungsfähig- keit sowie auf die psychische Gesundheit. Aktive Alltagsmobilität als Gesundheitsfaktor In Österreich erfüllen Mädchen und Buben die Bewegungsempfehlungen mit zunehmendem Am Schulweg sicher mobil Alter immer weniger. Mit 3,5 Tagen pro Woche Die Volksschule Sierndorf in Niederösterreich nutzte den Schulum- erreichen Mädchen seltener die empfohlene bau um, kinderfreundliche Mobilität zu thematisieren. Kinder wur- Stunde Bewegung pro Tag, als Burschen mit 4,5 den zu ihren Wünschen zum Schulweg befragt. Die Bushaltestellen Tagen pro Woche. Zudem sind 21 bis 30 Prozent wurden analysiert, Elternhaltestellen und überdachte Rad- und der Schulkinder in Österreich übergewichtig oder Scooter-Abstellanlagen errichtet. Klimameilen wurden gesammelt adipös. Kinderfettleibigkeit zählt zu den großen und ein Schulfest zum Thema klimaverträgliche Mobilität gefeiert. globalen gesellschaftlichen Gesundheitsherausfor- Die Veränderungen am Schulweg wurden besprochen und in einer derungen. Seit dem Jahr 1980 hat sich weltweit Gehgemeinschaft eingeübt. die Zahl der Kinder und Jugendlichen im Schul- Bei der Volksschule Oberlangkampfen in Tirol verursachten die vie- alter mit Fettleibigkeit von elf Millionen auf 124 len Elterntaxis Probleme. Mit der Gemeinde wurde ein Maßnahmen- Millionen mehr als verzehnfacht. Neben erhöhten paket erarbeitet, Straßen- und Gehwegmarkierungen verbessert, Krankheitsrisiken hat Kinderfettleibigkeit auch Hinweisschilder zur Geschwindigkeit angebracht, eine Aktion Tempo Auswirkungen auf die Entwicklung der motori- 30 gemacht und eine neue Elternhaltestelle eingerichtet. Bewusst- schen, kognitiven und sozialen Fähigkeiten. seinsbildung durch Schrittzähler, Klimameilen und ein großes Mobi- Aktive Alltagsmobilität birgt großes Potenzial litätsfest rundeten das Programm ab. Durch das Projekt klimaaktiv für ausreichend gesunde Bewegung für Kinder mobil werden zur Zeit rund 70 Schulen und Kindergärten ein Schul- und Jugendliche. jahr lang mit Mobilitätsberatung begleitet. Infrastruktur beeinflusst Mobilitätsverhalten Die WHO betont, dass aktives Spiel und Er- 15-jährige Kinder sind Kinder und Jugendliche machen im Alltag zu holung wichtige Indikatoren für eine gesunde in Österreich deutlich weniger aktiv als wenig Bewegung. Ein Bericht der WHO zeigt, Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sind. 11-Jährige. Und es dass 81 Prozent der Jugendlichen in Europa das Besonders die Gestaltung der Schulwege und zeigen sich große empfohlene Mindestmaß von einer Stunde Bewe- Schulumgebungen sowie direkt im Unterricht Unterschiede zwischen Mädchen und Buben. gung pro Tag nicht erreichen. In Österreich erfül- implementierte Mobilitätsprogramme werden als wichtige Maßnahmen gesehen. Neben dem Schulumfeld sind bewegungsfördernde Maßnah- Bewegungsmangel nimmt in Österreich men im Alltag, etwa im Wohnumfeld oder bei mit steigendem Kindesalter zu Freizeitorten, zu verbessern. Vor allem Spiel- und Streifräume sind ein wichtiger Motivationsfaktor Mädchen Buben 100 für selbstständige aktive Mobilität von Kindern Anteil Kinder mit Bewegungsmangel aktiv 90 90 % und Jugendlichen. Gehen Streifräume verloren in Österreich im Jahr 2018 80 87 % 76 % 81 % und kommt es zu einer Verinselung kindlicher 70 73 % inaktiv 69 % Alltagsräume, kann dies zu einer geringeren Teil- 60 nahme von Kindern am öffentlichen Leben, zu 50 40 reduziertem sozialen Austausch sowie zu höherer 30 Abhängigkeit von Hol- und Bringdiensten füh- Quelle: WHO 2020z411 Grafik: VCÖ 2021 20 ren. Sinkende Bewegungsaktivität und weniger 10 selbstbestimmte aktive Mobilität reduzieren auch 0 11 13 15 Alter in Jahren 60 Minuten körperliche Aktivitäten pro Tag
3 Lernerfahrungen im Straßenverkehr und erhöhen Beispiele der Mobilitätswende somit Unsicherheiten und Unfallgefährdung. In den Jahren 2018 bis 2020 wurden etwa im niederländischen Tilburg Maßnahmen für ein sicheres Schulumfeld getestet. Ein Schulumge- bungsscan wurde als Methode entwickelt, um Kinder in die Gestaltung der Schulumgebung miteinzubeziehen. Auch in zahlreichen Städten in Österreich wurden temporäre Schulstraßen ins- talliert und bespielt. In Wien haben Schulstraßen nachweislich einen positiven Effekt auf das Mo- bilitätsverhalten von Kindern und Jugendlichen Radmotorikpark für Kinder und Jugendliche und bewirken eine Steigerung aktiver Mobilität Der vom Verein Radvokaten in Zusammenarbeit mit der Stadt Wien auf dem Schulweg. umgesetzte Radmotorikpark Kaisermühlen bietet auf einer Fläche von rund 8.000 Quadratmetern Kindern und Jugendlichen einen Kindgerechte Wegenetze verbessern umfassenden Parcours. Der Radspielplatz ermöglicht, das Bewälti- Bedingungen für alle Bevölkerungsgruppen gen alltäglicher Hürden wie Schwellen, Schienen, Engstellen oder Ein für Kinder und Jugendliche gut ausgebautes Kopfsteinpflaster in einer sicheren Umgebung stressfrei zu erpro- Wegenetz ist ein Indikator für gelungene Raum- ben. So können Kinder und Jugendliche ihre motorischen Fähigkei- planung und Siedlungsentwicklung. Es schafft ten beispielsweise mit dem Fahrrad trainieren und lernen auch un- für alle Bevölkerungs- und Altersgruppen mehr ter schwierigen Bedingungen die Spur zu halten. Diese Übungen er- Lebensqualität im Sinne einer gesundheitsför- höhen die Sicherheit im alltäglichen Straßenverkehr. Der jederzeit dernden Umgebung. Ideal ist ein zusammenhän- zugängliche Radmotorikpark ist für fast alle nicht-motorisierten gendes Wegenetz aus verkehrsberuhigten Zonen, Fahrzeuge geeignet. wie Wohnstraßen und Schulstraßen, Begeg- nungszonen und Fußgängerzonen, barrierefreien Gehwegen und sicheren Hauptverkehrsstraßen, das die wichtigsten Bezugsorte für Kinder und fördern. Für die bei Kindern und Jugendlichen Generell niedrigeres Tempo des Kfz-Verkehrs Jugendliche verbindet. Wohnstraßen bieten da- beliebten Inlineskates, Scooter und Boards sind ist wichtig. Bei Tempo für theoretisch gute Voraussetzung, werden aber breite Wege und geeignete Oberflächen wichtig, 30 ist das Risiko, Perso- praktisch aufgrund fehlender Umgestaltung sowie um gute Befahrbarkeit zu gewährleisten. nen tödlich zu verletzen um 75 Prozent geringer der abgestellten Pkw nicht als Aufenthaltsraum als mit Tempo 50. wahrgenommen. Eine Verkehrsplanung, die ak- tive Mobilität für Kinder fördert, setzt Maßnah- men zur Reduktion des Kfz-Verkehrs, führt als Geringeres Tempo heißt Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet Tempo 30 weniger schwere Verkehrsunfälle statt 50 ein und schafft übersichtliche und sichere 100 Tötungsrisiko bei Zusammenstoß in % Querungshilfen. Dass die Umsetzung von Tem- 90 po 30 innerorts möglich ist, beweisen etwa die 80 Niederlande und Spanien. Das niederländische 70 60 Parlament beschloss im Jahr 2020 die Einführung Quelle: Dutch Cycling Embassy 2018z531 Grafik: VCÖ 2021 50 von generellem Tempo 30 im Ortsgebiet. In Spa- 40 nien wird die StVO dahingehend geändert, dass 30 innerorts auf einspurigen Straßen ohne bauliche 20 Trennung von Fahrbahn und Gehweg Tempo 20 10 und auf Straßen mit einer Fahrspur je Fahrtrich- 0 tung Tempo 30 gilt. Wichtig für Kinder sind auch Grünflächen und 50 30 10 attraktive Aufenthaltsbereiche im öffentlichen Pkw-Geschwindigkeit in Kilometer pro Stunde Raum, die das freie Spiel und soziale Kontakte
4 Aktive Mobilität von Kindern fördern Die Flächeninanspruchnahme des Kfz-Verkehrs Temporeduktion fördert aktive Mobilität betrug im Jahr 2019 in Österreich 2.075 Qua- Zur Verbesserung der Lebens- und Aufenthalts- dratkilometer, was etwa der Fläche Osttirols qualität sowie zur Förderung aktiver Mobilität entspricht. Während alltägliche Pkw-Nutzung ist eine Reduktion der Höchstgeschwindigkeit den sitzenden Lebensstil verstärkt, gleicht aktive im Ortsgebiet auf Tempo 30 dringend ange- Alltagsmobilität den zunehmenden Bewegungs- bracht. Menschen meiden Orte mit hoher Kfz- mangel aus. Radfahren und Gehen sind nicht nur Geschwindigkeit und hohes Tempo hält vom zielgerichtet, sondern als Flanieren und Spazieren Gehen und Radfahren ab. Dass Tempo 30 in- auch Erholung, Freude und sozialer Austausch. nerorts möglich ist, beweisen die Niederlande Das Potenzial eines Siedlungsbereichs, alle we- und Spanien. Das niederländische Parlament sentlichen Grundbedürfnisse der Bewohnerinnen beschloss im Jahr 2020 die Einführung von und Bewohner im Nahbereich zu erfüllen und generellem Tempo 30 im Ortsgebiet. In Spani- Kostenloser Download der Identifikation mit der Nachbarschaft zu die- en wird die Straßenverkehrsordnung dahingehend der VCÖ-Publikation nen, baut wesentlich auf einem guten, dichten geändert, dass innerorts auf einspurigen Straßen „Mehr Platz für bewe- Wegenetz für bewegungsaktive Mobilität auf, ohne bauliche Trennung von Fahrbahn und Geh- gungsaktive Mobilität“ während die Trennwirkung und zu hohes Tempo weg Tempo 20, auf Straßen mit einer Fahrspur je unter www.vcoe.at. des Kfz-Verkehrs die Bedingungen für aktive Fahrtrichtung Tempo 30 und mit mehr als einer Gedruckte Version um 30 Mobilität beeinträchtigt. Fahrspur je Fahrtrichtung Tempo 50 gilt. Euro erhältlich beim VCÖ Quelle: VCÖ, „Mehr Platz für bewegungsaktive Mobilität“, E: vcoe@vcoe.at Schriftenreihe „Mobilität mit Zukunft“, Wien 2021 VCÖ-Empfehlungen Mehr Platz und qualitätsvolle Infrastruktur ist eine zentrale Michael Schwendinger, Voraussetzung für mehr aktive Mobilität VCÖ ‑ Mobilität mit Zukunft: „Sehr vieles spricht für mehr aktive Mobilität. Das gilt für uns alle und • Aktive Alltagsmobilität als wichtiges Heilmittel gegen die Zivilisations ganz besonders für Kinder. Doch krankheit Bewegungsmangel nutzen und fördern. bewegungsaktive Mobilität braucht Platz im öffentlichen Raum. Denn • Gehwege mit einer Mindestbreite von zwei Metern und breite, vom Kfz- die Art und Weise, wie Kinder mobil Verkehr baulich getrennte Radwege sind eine Mindestanforderung für sind, prägt die Verkehrsmittelwahl ein attraktives Umfeld zur Förderung von Gehen und Radfahren. für das restliche Leben.“ • Auch die zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie erforderlichen Abstandsregeln haben deutlich gezeigt, dass derzeit zu wenig öffentliche Flä- Im Jahr 2021 stehen im Rahmen von kli- che für aktive Mobilität zur Verfügung steht. maaktiv mobil Förderungen für Maßnah- men zur aktiven Mobilität in der Höhe von Ein kinderfreundliches Verkehrssystem tut allen gut 40 Millionen Euro zur Verfügung. Erstmals • Selbstständige aktive Mobilität auf dem Weg zum Kindergarten oder zur Schu- sind auch Maßnahmen für das Gehen ei- gens förderbar. Das Förderangebot richtet le sowie in der Freizeit ist ein wesentlicher Faktor für kindliche Entwicklung sich insbesondere an Städte und Gemein- und Gesundheit. den für den Bau von sicherer Infrastruktur • Eine Verkehrsinfrastruktur, die sichere und eigenständige aktive Mobilität von für Gehen und Radfahren. Kostenfreie Beratung unter: Kindern fördert, erhöht die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum für alle klimaaktivmobil.at Bevölkerungsgruppen. Verlagspostamt 1050 Wien; Medieninhaber, Herausgeber und Verleger: VCÖ, 1050 Wien, ZVR-Zahl 674059554. Impressum: VCÖ, Bräuhausgasse 7–9, 1050 Wien, T +43-(0)1-893 26 97, E vcoe@vcoe.at, www.vcoe.at Fotos: Seite 1: Verena Zeuschner, Seite 2: VS Mannagettagasse, Seite 3 oben: Ines Ingerle und Francesco Remonato, Seite 3 unten: Michael Sohm, www.expressiv.at, istock_TommL, Seite 4: VCÖ/Rita Newman
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