Das Neue Kindergeld: Fragen und Antworten

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DAGMAR ZIEGLER
                                MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGES
                                      STELLVERTRETENDE VORSITZENDE

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Das Neue Kindergeld: Fragen und Antworten

Stand: Januar 2013

Was ist neu am Neuen Kindergeld?
Für die meisten Familien ändert sich nichts. Sie bekommen – so wie heute – für die
ersten beiden Kinder je 184 Euro Kindergeld, für das dritte Kind 190 Euro, für das
vierte und jedes weitere Kind 215 Euro monatlich.
Änderungen wird es geben für Familien mit kleinen und für Familien mit besonders
hohen Einkommen. Künftig gilt: Wer wenig hat, kriegt mehr Kindergeld! Das trifft auf
Familien mit einem Bruttoeinkommen bis ca. 3000 Euro zu. Sie bekommen einkom-
mensabhängig ein höheres Kindergeld, das maximal 324 Euro beträgt. Auch heute
können Familien mit wenig Einkommen einen Zuschlag erhalten. Die als Kinderzu-
schlag eingeführte Leistung ist aber kompliziert zu beantragen und wenig bekannt.
Nur ein Drittel der Anspruchsberechtigten nutzt diese Leistung. Das Neue Kindergeld
erweitert den Kreis der Anspruchsberechtigten. Es führt das alte Kindergeld und den
Kinderzuschlag zu einer Leistung zusammen: Zum neuen, gerechten Kindergeld.
Außerdem ändert sich etwas für Familien mit einem hohen Einkommen. Heute erhal-
ten diese Familien über die Kinderfreibeträge mehr als Normal- und Geringverdiener
über das Kindergeld. Das trifft auf Paarfamilien mit zwei Kindern mit einem zu ver-
steuernden Einkommen von mindestens 70.000 Euro. Mit dieser Besserstellung ma-
chen wir Schluss. Es bleibt aber selbstverständlich dabei, dass auch Familien mit
hohem Einkommen weiter Kindergeld bekommen, und zwar je 184 Euro für das erste
und zweite Kind, 190 Euro für das dritte Kind und 215 Euro für das vierte und jedes
weitere Kind.
Das heißt, auch nach der Reform bekommt niemand weniger als das Kindergeld auf
seinem aktuellen Niveau.

Über Jahre hieß es, der Gesetzgeber dürfe die kindbezogenen Steu-
erfreibeträge nicht antasten. Wieso sehen wir jetzt den Spielraum
zur Abschaffung des BEA?
Der steuerliche Kinderfreibetrag besteht genau genommen aus zwei unterschiedli-
chen Komponenten: (1) Dem Freibetrag für das sächliche Existenzminimum und (2)
dem Freibetrag für Betreuung, Erziehung oder Ausbildung (BEA). Der Freibetrag für
das sächliche Existenzminimum ist tatsächlich sakrosankt: Der Staat darf nicht das
Einkommen seiner Bürgerinnen und Bürger besteuern, das diese für die Deckung
ihres eigenen Existenzminimums oder das ihrer Kinder benötigen.
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Anders sieht es beim BEA aus. Der BEA wurde erst 2002 eingeführt, er war die Fol-
ge eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts mit Prof. Paul Kirchhof als damals
zuständigem Berichterstatter. Solange der BEA besteht, ist er umstritten. Kritisiert
wird, dass hier auch ein nicht monetärer Aufwand im Einkommenssteuerrecht be-
rücksichtigt wird. Das stelle einen Systembruch dar, da im Einkommenssteuerrecht
gewöhnlich nur tatsächlich entstandene Kosten geltend gemacht werden können. So
argumentiert Prof. Dr. Joachim Wieland in seinem Rechtsgutachten für die FES zu
„Verfassungsfragen der steuerrechtlichen Behandlung von Kindesexistenzminim und
Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf“ vom Mai 2011.
Die FES hat die Verfassungskonformität des Neuen Kindergelds und insbesondere
die geplante Abschaffung des BEA zusätzlich durch einen Expert/innen-Workshop im
September 2012 auf den Prüfstand gestellt. Das Urteil war einhellig und äußerst po-
sitiv: Die eingeladenen Verfassungs- und Steuerjurist/innen halten das Neue Kinder-
geld durchweg für vereinbar mit dem Grundgesetz. Sie sind sogar noch einen Schritt
weiter gegangen und haben die Abschaffung des BEA nicht nur für verfassungs-
rechtlich möglich, sondern sogar geboten erklärt. Der BEA, also die Berücksichtigung
nicht-monetärer Bedarfe im Einkommenssteuerrecht, sei – entsprechend der
Rechtsauffassung von Prof. Dr. Joachim Wieland – systemwidrig.
Hinzu kommt, dass sich die Rahmenbedingungen für Familien seit 2002 deutlich ge-
ändert haben. Inzwischen hat die öffentliche Hand für einen deutlichen Zuwachs an
Betreuungsplätzen auch für unter Dreijährige gesorgt. Der Ausbau von Ganztags-
schulen ist ebenfalls in Gang gekommen. Und tatsächlich entstehende Kinderbe-
treuungskosten sind seit 2005 unmittelbar steuerlich absetzbar.

Wenn der BEA abgeschafft ist, können dann noch Kinderbe-
treuungskosten und Kosten für auswärts untergebrachte volljährige
Kinder in Schul- und Berufsausbildung steuerlich geltend gemacht
werden?
Selbstverständlich. Wir schaffen den BEA als abstrakte Berücksichtigung eines Be-
treuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarfs ab, weil hiervon ausschließlich Fami-
lien mit höherem Einkommen profitieren. Alle anderen Möglichkeiten, tatsächlich an-
fallende Kosten für Kinder steuerlich geltend zu machen, bleiben unverändert erhal-
ten. Dazu gehören u.a. die Absetzbarkeit von Betreuungskosten und von Kosten für
auswärts untergebrachte volljährige Kinder in Schul- und Berufsausbildung.
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Müssen wir, um für mehr Gerechtigkeit im Familienleistungsaus-
gleich zu sorgen, unbedingt an die Steuerfreibeträge ran? Gibt es
nicht Alternativen?
Aktuell liegt die maximale Entlastungswirkung der kindbezogenen Steuerfreibeträge
bei knapp 280 Euro pro Monat und Kind. Damit bekommen Spitzenverdiener/innen
für ihre Kinder fast 100 Euro mehr als Eltern, die Kindergeld beziehen (aktuell 184
Euro für das erste und zweite Kind). Das ist ein massives Gerechtigkeitsproblem, das
wir lösen wollen durch Modifikationen bei den Steuerfreibeträgen, sprich: durch die
Streichung des BEA.
Theoretisch ließe sich die Gerechtigkeitslücke auch lösen durch eine massive Kin-
dergelderhöhung. Man könnte das Kindergeld so stark anheben, dass es der maxi-
malen Entlastungswirkung durch die Freibeträge entspricht und also bei rund 280
Euro liegen müsste. Der Gesetzgeber ist hier frei in seiner Gestaltung.
Zieht man aber die enormen Kosten einer solchen Kindergelderhöhung ins Kalkül,
wird deutlich, dass dies nur eine theoretische Option darstellt. Denn eine solch mas-
sive Kindergelderhöhung würde mit mindestens 15 Mrd. Euro pro Jahr zu Buche
schlagen, ein Betrag, der nicht darstellbar und – angesichts weiterer notwendiger
Bildungsinvestitionen – völlig unrealistisch ist.

Kinderzuschlag und bisheriges Kindergeld werden zu einer Leis-
tung zusammen gelegt. Mehr nicht?
Doch, das Neue Kindergeld ist mehr. Wir legen diese beiden Leistungen zu einer
Leistung zusammen und weiten gleichzeitig den Empfängerkreis in den unteren Ein-
kommensbereichen aus.
Viele erwerbstätige Eltern brauchen den Kinderzuschlag als zusätzliche finanzielle
Unterstützung, weil ihr Einkommen nicht ausreicht, um auch den Unterhalt ihrer Kin-
der ausreichend zu sichern. Sie sind deshalb trotz ihrer Berufstätigkeit auf den Bezug
von SGB-II-Leistungen angewiesen. Der Kinderzuschlag beträgt monatlich bis zu 140
Euro je Kind und wird an Eltern für das in ihrem Haushalt lebende Kind gezahlt, wenn
sie mit ihrem Einkommen zwar den eigenen Bedarf decken können, nicht aber den
ihrer Kinder.
Nur leider beantragen nicht alle, denen der Kinderzuschlag zusteht, diese Leistung.
Das hat unterschiedliche Gründe. Das Antragsverfahren ist kompliziert und aufwen-
dig. Nur 5 Prozent der Gesamtbevölkerung ist der Kinderzuschlag bekannt. Selbst
von den Beziehern des Kinderzuschlags können nur 45 Prozent gut Auskunft über
die Details der Leistung geben. Darüber hinaus erhalten viele Antragsteller eine Ab-
lehnung, das traf in 2011 auf 63 Prozent der gestellten Anträge zu. Die wenigsten
können vor Antragstellung sagen, ob sie Ansprüche haben oder nicht. Zum anderen
stellen nur etwa ein Drittel derjenigen, die Ansprüche auf den Kinderzuschlag haben,
diesen Antrag. Wir wollen mit dem Neuen Kindergeld den Anspruchsberechtigten zu
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ihrem Anspruch verhelfen. Das gelingt vor allem durch das Zusammenführen von
Kindergeld und Kinderzuschlag in einer Leistung und ein einfaches Antragsverfah-
ren.
Vom Neuen Kindergeld profitieren alle Familien, die Anspruch auf den bisherigen
Kinderzuschlag haben. Zusätzlich wird der Kreis der begünstigten Familien bei zwei
Kindern bis auf circa 3.000 Euro Bruttoeinkommen ausgeweitet. Der heutige Kinder-
zuschlag läuft bei etwa 2.300 Euro Bruttoeinkommen aus.

Das Bündnis Kindergrundsicherung fordert seit Jahren einen kom-
pletten Systemwechsel in der Förderung von Familien und schlägt
die sog. Kindergrundsicherung vor. Warum verfolgen wir diesen
Vorschlag nicht?
Das Bündnis, bestehend aus verschiedenen Verbänden wie dem Deutschen Kinder-
schutzbund, der GEW, der AWO und dem Zukunftsforum Familie, fordert die Einfüh-
rung einer Kindergrundsicherung aus nachvollziehbaren Gründen. Bei genauerem
Hinsehen zeigt sich, dass eine Kindergrundsicherung aber mit einigen Fallstricken
verknüpft ist. Am augenfälligsten sind die Kosten: Die Kostenschätzungen für eine
Kindergrundsicherung reichen von 30 bis 40 Mrd. Euro pro Jahr. Gerade vor dem
Hintergrund, dass Familien neben finanzieller Förderung vor allem auf gute Be-
treuungs- und Bildungsinfrastruktur angewiesen sind, ist diese Summe schlicht nicht
darstellbar. Denn tatsächlich müssen in den kommenden Jahren Milliarden in den
weiteren qualitativen wie quantitativen Ausbau von KiTas und Ganztagsschulen flie-
ßen. 30 Mrd. Euro und mehr allein für eine finanzielle Förderung von Familien aufzu-
bringen, ist unrealistisch.
Wir haben das Neue Kindergeld in der Zukunftswerkstatt Familie gemeinsam mit
Verbänden und Expert/innen entwickelt. Das Bündnis Kindergrundsicherung war dort
ebenfalls vertreten. Es unterstützt unsere Forderung nach einem Neuen Kindergeld,
weil es das Neue Kindergeld als einen Schritt in die richtige Richtung akzeptiert.

Erhalten auch Eltern, die jetzt SGB-II- oder SGB-XII-Leistungen be-
ziehen, das Neue Kindergeld?
Ja. Aber es bleibt bei der Anrechnung des Kindergeldes auf die Grundsicherungsleis-
tung. Das bedeutet: Eltern, die kein eigenes Arbeitseinkommen erzielen, erhalten
insgesamt auch keine höhere Transferleistung. Hingegen profitieren – ebenso wie
beim bisherigen Kinderzuschlag - Elltern, die einen Großteil ihres eigenen Unterhalts
aus eigener Erwerbstätigkeit decken und nun durch das Neue Kindergeld den SGB-
II-Bezug vermeiden können
Besonders wichtig ist dabei: Das Neue Kindergeld ist nur ein Element in einem
Dreiklang, mit dem wir die Lebensbedingungen von Familien insgesamt ver-
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bessern wollen. Daneben setzen wir auf den Ausbau von Ganztagsangeboten
für Kinder und Gute Arbeit für die Eltern.

   Der Ausbau von Ganztagskitas und Ganztagsschulen sorgt für bessere Bildungs-
   chancen für die Kinder und Jugendlichen genauso wie für bessere Vereinbarkeit
   von Familie und Beruf für die Eltern. Hierzu haben wir einen Ausbauplan bis 2020
   entwickelt, der die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Ganztagsangebote
   zum Ziel hat.
   Mit einem gesetzlichen Mindestlohn, einem Gesetz zur Durchsetzung von Ent-
   geltgleichheit, Verbesserungen bei den Minijobs und einem Rückkehrrecht auf
   Vollzeitarbeit verbessern wir die Arbeits- und Einkommensbedingungen für Eltern.
   Das Neue Kindergeld ist für Familien die notwendige Flankierung zum gesetzli-
   chen Mindestlohn. Denn ohne eine an die Kinder geknüpfte Leistung würde es
   vielen Eltern – trotz eines gesetzlichen Mindestlohns – nicht gelingen, sich aus
   der Abhängigkeit von SGB-II-Leistungen zu befreien.
Mit diesem Dreiklang von Maßnahmen wird es künftig deutlich mehr Familien gelin-
gen, für sich und ihre Kinder den Unterhalt aus eigener Kraft zu erwirtschaften. Die
Anzahl der Familien, die auf SGB-II-Leistungen angewiesen sind, wird sich deutlich
verringern.
Daneben sehen wir aber auch Reformbedarf im SGB II und SGB XII. Das gilt insbe-
sondere für Höhe und Zusammensetzung der Regelbedarfe für Kinder und Jugendli-
che. Wir bekräftigen deshalb unsere Forderung nach Überprüfung der Regelsätze
und Einführung eigenständiger, nicht mehr pauschal von den Leistungen für Erwach-
sene abgeleiteten Regelsätzen.

Der Kinderzuschlag sollte gezielt Alleinerziehenden helfen, kommt
aber tatsächlich kaum bei ihnen an. Löst das Neue Kindergeld die-
ses Problem?
Ja, vom Neuen Kindergeld werden mehr Alleinerziehende profitieren, als das beim
Kinderzuschlag der Fall ist. Das erreichen wir folgendermaßen:
Bei Alleinerziehenden wird das Neue Kindergeld – wie auch das bisherige Kindergeld
– vollständig an den betreuenden Elternteil ausgezahlt, also an den Elternteil, in des-
sen Haushalt das Kind lebt. Maßgeblich für die Bemessung der Höhe des Kindergel-
des ist daher auch das Einkommen des betreuenden Elternteils einschließlich der für
das Kind empfangenen Unterhaltsleistungen.
In dem Fall, dass der betreuende Elternteil einkommensabhängig ein höheres Kin-
dergeld bekommt, gilt folgendes: Der barunterhaltspflichtige Elternteil darf von seiner
Unterhaltsverpflichtung einen Kindergeldanteil abziehen – ebenfalls wie bisher. Aller-
dings nicht mehr die Hälfte des tatsächlich gezahlten Kindergeldes, sondern die Hälf-
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te des Betrages, der sich als Anspruch auf das Neue Kindergeld ergeben würde, leg-
te man sein Einkommen und nicht das des betreuenden Elternteils zugrunde.
Der Abzug eines so berechneten fiktiven Kindergeldbetrages vom Barunterhalt löst
gleichzeitig zwei Probleme: Technisch erledigt sich auf diese Weise die gegenseitige
Abhängigkeit von Neuem Kindergeld und der Höhe der Unterhaltszahlungen, die sich
dadurch ergibt, das der gezahlte Unterhalt mit in die Bemessungsgrundlage des
Neuen Kindergelds eingeht. Viel wichtiger aber ist, dass so auch bei Alleinerziehen-
den der erwünschte wirtschaftliche Vorteil des Neuen Kindergeldes für einkommens-
schwächere Haushalte erhalten bleibt und eine höhere Kindergeldzahlung nicht so-
fort wieder durch eine entsprechende Kürzung des Barunterhalts konterkariert wird.

Wie und wo beantrage ich das Neue Kindergeld?
Familien beantragen weiterhin bei der Familienkasse ihr Kindergeld. Familien mit
geringem Einkommen fügen ihrem Antrag den aktuellen Einkommenssteuerbescheid
bei, um berechnen zu lassen, wie viel mehr Kindergeld sie über die 184 Euro im Mo-
nat hinaus erhalten.
Sollte sich die Einkommenssituation schnell und dramatisch ändern, zum Beispiel
durch Arbeitslosigkeit, aber der Einkommenssteuerbescheid noch nicht vorliegen,
kann die Familienkasse diese veränderten Einkommenssituationen frühzeitig berück-
sichtigen und durch vorläufige Bescheide den Familien das erhöhte Kindergeld be-
reits vor dem Vorliegen des Einkommenssteuerbescheides zugänglich machen.
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