"Menschen mit geistiger Beeinträchtigung in der Psychiatrie" - Erfahrungen KRIAS und Ambulatorium des KogB
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«Menschen mit geistiger Beeinträchtigung in der Psychiatrie» Erfahrungen KRIAS und Ambulatorium des KogB 15.05.2018/KogB 1
Definition «Geistige Behinderung» nach ICD-10 «Eine Intelligenzminderung ist eine sich in der Entwicklung manifestierende, stehen gebliebene oder unvollständige Entwicklung der geistigen Fähigkeiten, mit besonderer Beeinträchtigung von Fertigkeiten, die zum Intelligenzniveau beitragen, z.B. Kognition, Sprache, motorische und soziale Fähigkeiten.» (ICD-10, 2005). Körper Kognition Emotionen
Symptomatik/Entwicklung I Bereich Betroffen ist Beispiele aus dem Alltag Kognition/beein- z.B. Wahrnehmung, Egozentrische Sichtweise, trächtigte Prozesse Aufmerksamkeit, gleichbleibende Strukturen und der Informations- Gedächtnis, Rituale, Konsequenzen nicht verarbeitung Flexibilität im einschätzen Denken, Impulskontrolle Anpassungsfähigkeit Problemlösefähig- Mühe neue Strategien zu keiten, alternative erwerben, weicht auf bekannte Strategien Muster aus Sprache z.B. Kleiner Wortschatz, Schreien als Sprachverständnis/ Kommunikationsmittel -ausdruck; Schreiben, Lesen Motorik z.B. Fein-, Grob- und Mühe im Umgang mit Schere; Grafomotorik; Wippen, Summen Bewegungsstereo- typien
Symptomatik/Entwicklung II Bereich Betroffen ist Beispiele aus dem Alltag Sozio-emotionale z.B. Affektregulation, Angst vor Neuem, Entwicklung Beziehungsgestaltung, geringe Gruppe Frustrationstoleranz, Unsicherheit Aggressive Selbst-, Fremd- und sich selbst mit Faust Verhaltensprobleme Sachaggression oder Kopf gegen die Wand schlagen, Aggression als Ausdruck eingeschränkter Kommunikation Psychosexuelle Sexualität des Patienten, Exhibitionismus, Nähe- Entwicklung sexuelle Identität Distanz/Abgrenzung
Prävalenz In internationalen Studien wird eine Häufigkeit von 2-3% in aller Welt angeben. Häufiger betroffen ist das männliche Geschlecht (Nissen, 2009). Einteilung gemäss WHO: - Leichte Intelligenzminderung 80% - Mittelgradige Intelligenzminderung 12% - Schwere Intelligenzminderung 7% - Schwerste Intelligenzminderung weniger als 1%
Klassifikation Beschreibung Einteilung ICD-10-Kodierung Lernbeeinträchtigung Unterdurchschnittliche Entwicklungsstörungen Intelligenz (IQ 70-84) F81 Geistige Beeinträchtigung Leichte F70 Intelligenzminderung Mentales Alter (IQ 50-69; 9-12 Jahren) Mittelgradige F71 Intelligenzminderung (IQ 35-49; 6-9 Jahren) Schwere F72 Intelligenzminderung (IQ 20-34; 3-6 Jahren) Schwerste F73 Intelligenzminderung (IQ< 20; unter 3 Jahren)
Ursachen Faktor Bereich Beispiele Pränatal z.B. genetisch bedingte Phenylketonurie Stoffwechselstörungen, Fragiles-X-Syndrom x-chromosal gebundene Prader-Willi-Syndrom Störungen, Down-Syndrom Fehlbildungen des Gehirnfehlentwicklungen Nervensystems Infektionen oder Toxoplasmose chemische Einflüsse Alkoholsyndrom Perinatal Komplikationen während Sauerstoffmangel der Geburt Postnatal Unfälle, Infektionen Hirnhautentzündung Schädel-Hirn- Verletzungen Tumore
Komorbiditäten I Körperliche Störungen, z.B. • Häufig sind cerebrale Anfälle und Epilepsien • Entwicklungsstörungen der motorischen Funktionen • Tics • Chorea • Dystonie • Infantile Cerebralparese • Angeborene Herzfehler bei Down-Syndrom häufig • Seh- und Hörstörungen, orthopädische und dermatologische Störungen • Gewichtsprobleme (Neuhäuser, Steinhausen, Hässler, Sarimski, 2013; Linng & Theunissen, 2013)
Komorbiditäten II • Psychische Störungen und Verhaltensprobleme treten gehäuft auf • Pathologie leichter und mittelgradiger Intelligenzminderung ähnelt demjenigen der Normalbevölkerung • Bei schwerer Beeinträchtigung sind Selbstverletzungen und Stereotypien häufiger • Tiefgreifende Entwicklungsstörungen und ADHS • Depressionen • Psychosomatische Symptome • Psychosen • Demenz • Angststörungen und Zwänge • Enuresis (Neuhäuser, Steinhausen, Hässler, Sarimski, 2013)
Autismus – Spektrum - Störung Häufigkeit: 1 %, Männer >> Frauen Symptome: • Sie nehmen ihre Umwelt anders wahr. • Sie können sich nur mit Mühe in andere Menschen einfühlen und adäquat mit ihnen kommunizieren. • Sie können die Stimmung ihres Gegenübers aus dessen Gesicht schlecht erkennen. • Kontakte werden eher vermieden. • Gerne befassen sie sich mit einem Spezialgebiet. • Sie haben Schwierigkeiten, sich auf Neues einzustellen und den Wunsch, Alltagsabläufe immer gleich zu gestalten (Rituale). Sie haben Angst vor Veränderungen. • Oft orientieren sie sich an Details und haben Mühe, eine Situation ganzheitlich zu erfassen. In vielen Fällen sind die Betroffenen in ihren Bewegungen eher ungeschickt.
Autismus – Spektrum - Störung Frühkindlicher Autismus • In der Sprache und der Kommunikation: verspätete oder fehlende Sprachentwicklung oder Verlust von vorhandener Sprache, häufiges Wiederholen von Wörtern oder Sätzen. Ich/Du Vertauschung. • Auffälligkeiten der sozialen Interaktionen: Besonderheiten im Blickkontakt, Mimik und Gestik, wenig Interesse an anderen Personen oder ungeschickte Formen der Kontaktaufnahme, fehlendes Verständnis für Abläufe innerhalb von Gruppen. • Eingeschränkte, repetitive und stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten: Drehen an Rädern von Spielzeugautos, Aufreihen von Gegenständen, auffällige Hand- und Körperbewegungen, Festhalten an Gewohnheiten, Mühe mit Programmänderungen • Intelligenzminderung bei 70 % der Kinder.
Autismus – Spektrum - Störung Asperger Syndrom • Beeinträchtigung des sozialen Verhaltens: eingeschränktes Interesse an Gleichaltrigen, Schwierigkeiten, sich in Andere hinein zu versetzen, ungeschickter sozialer Umgang mit anderen Menschen. • Sprach- und Sprechauffälligkeiten: eine altkluge, pedantische Ausdrucksweise oder eine besondere Sprachmelodie, wörtliches Verständnis und dadurch Mühe mit Ironie oder Wortspielen. • Auffälligkeiten in der nonverbalen Kommunikation: im Blickkontakt oder im Einsatz von Mimik und Gestik. • Ausgeprägte Interessen, die viel Zeit beanspruchen, repetitiv ausgeübt werden und oft einen eher technischen Charakter haben, z. B. Vorliebe für Formeln, Fahrpläne, technische Details, historische Daten oder Ähnliches.
Down Syndrom Häufigste Ursache für geistige Behinderungen Sehr unterschiedliche Ausprägung !! Häufigkeit: 1 : 700 Alter der Mutter: • 20 Jahre 1 : 1400 • 30 Jahre 1 : 900 • 40 Jahre 1 : 100
Downsyndrom
Down Syndrom Körperliche Symptome 1: • Kurzer Kopf mit flachem Hinterkopf, kurzem Hals und rundem, flachem Gesicht • Leicht schräg stehende Augen mit zarter Hautfalte am inneren Augenwinkel (Epikanthus) • Vergrößerter Augenabstand • Helle, weiße Flecken der Iris ("Brushfieldspots") • Flache, breite Nasenwurzel • Gefurchte Zunge, die oft zu groß ist und aus dem Mund herausragt (Makroglossie) • Unterentwickelte Kiefer und Zähne • Kleine, tief sitzende, rundliche Ohren • Überschüssige Haut im Nacken, kurzer Hals • Kurze breite Hände mit kurzen Fingern • Vierfingerfurche (Querfurche auf der Handinnenfläche, beginnend unter dem Zeigefinger und durchgehend bis unterhalb des kleinen Fingers) • Sandalenlücke (großer Abstand zwischen erster und zweiter Zehe)
Down Syndrom Vierfingerfurche
Down Syndrom Körperliche Symptome 2: • Verlangsamtes Körperwachstum, • Kleinwuchs • Schwach entwickelte Muskeln (geringe Muskelspannung) und verzögerte Reflexe • Bindegewebsschwäche, übermässig bewegliche Gelenke • Herzfehler 50 % , häufig AV-Kanal • Reduziertes Immunsystem • Leukämie, 20 % erhöhtes Risiko • Sehstörungen • Fehlstellungen der Hüfte (Hüftdysplasie) • Fehlfunktionen der Schilddrüse (etwa eine Unterfunktion = Hypothyreose) • Männer mit Down-Syndrom unfruchtbar.
Prader Willi Syndrom Häufigkeit: 1 / 12 000 Chromosom 15 des Vaters defekt oder fehlend. • Übergewicht, Kleinwuchs, kleine Hände, Füsse und Geschlechtsorgane, • Als Säugling untergewichtig, ab dem zweiten Lebensjahr entwickeln sie dann eine extreme Ess-Sucht. • Intelligenzminderung
Prader Willi Syndrom
Fragiles X Syndrom Veränderung auf dem X-Chromosom Häufigkeit: 1 : 1 200 Männer 1 : 2 500 Frauen Symptome: Intelligenzminderung 20 % Epilepsie 12 % Autismus-Spektrum-Störung 50 % lockere Bänder 80 % frühzeitig vergrösserte Hoden
Perspektive ICF • = Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit • Im Gegensatz zum defizitorientierten ICD stellt die WHO die betroffene Person und nicht deren Symptome ins Zentrum • Behinderung zeigt sich in der Beziehung zwischen Person und Umwelt, nicht als Eigenschaft • Partizipation als zentrales Element
Therapieansätze • Beziehungs- und Systemarbeit • Heil- und Sozialpädagogik • Verhaltenstherapie • Förderung der Kommunikation (z.B. UK) • Physio- und Ergotherapie • Psychopharmakologie • Musik- und Bewegungstherapie
Medikamentöse Therapie • Atypika: Quetiapin, Olanzapin, Risperidon • Antiepileptika: Depakine, Orfiril, Lamictal • Antidepressiva: Cipralex, Trittico, Deroxat, Valdoxan • Benzodiazepine: Reservemedikation !! • Z-Sustanzen: Imovane, Stilnox • Pflanzliche Präparate: Relaxane, Ceres Passiflora Urtinktur, Jarsin, Notfalltropfen
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