Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche - Was Unternehmen jetzt beachten sollten
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Whitepaper Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche Was Unternehmen jetzt beachten sollten
Executive Summary — Ab dem ab 1. Januar 2023 soll — In der deutschen Baubranche das deutsche Sorgfalts- sind zunächst nur wenige pflichtengesetz gelten. Es soll große Unternehmen direkt zunächst deutsche Unterneh- betroffen. Die Vielzahl der men mit mehr als 3.000 Mitar- kleineren Dienstleister in der beiter*innen sowie große deut- Branche werden aber ver- sche Niederlassungen ausländi- mutlich einen zusätzlichen scher Unternehmen betreffen. Informationsbedarf decken müssen. — Ziel ist es, die unternehmeri- schen Sorgfaltspflichten hin- — Bei größeren Bauunterneh- sichtlich von Menschenrechten men ist neben der Einhaltung und Umweltrisiken gesetzlich von Nachhaltigkeitsstandards zu verankern. Die Vorgaben die Integration der Vorgaben beinhalten ein umfassendes Ri- in bestehende Management- sikomanagement sowohl für systeme und Einkaufsprozes- den eigenen Betrieb als auch se sinnvoll. die Lieferkette. — Kleinere Unternehmen, die — Relevante Menschenrechts- als unmittelbare Zulieferer und Umweltrisiken für die in- agieren, sollten in Kooperati- ternationale Baubranche wur- on mit ihren Auftraggebern den bereits von anerkannten insbesondere durch freiwillige Organisationen und in Daten- Berichterstattung und Zertifi- banken identifiziert— zierung die Lieferkettentrans- wesentliche Risiken sind z.B. parenz fördern. moderne Sklaverei, Konflikte — Um den kommenden gesetz- mit Eigentumsrechten oder Ar- lichen Anforderungen gerecht beitssicherheit. zu werden, sollten betroffene — Die deutsche Bauindustrie kann Unternehmen im Baugewer- sich insbesondere mit Risiken be bereits jetzt entsprechen- bezüglich Arbeitsverhältnissen de Vorbereitungen treffen. und grenzüberschreitender Be- Mit einer möglichen Regulie- schaffung von Baustoffen kon- rung auf EU-Ebene gewinnt frontiert sehen. das Thema in Zukunft weiter an Bedeutung. 2 Whitepaper—Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche
Sustainability and Digital Solutions Erfahren Sie hier mehr. Passen Smart Cities und Menschenrechte zusammen? — Trotz der Konjunkturkrise im vergangenen Jahr auch die deutsche Baubranche intensiv mit Nachhaltig- hat die Baubranche ihre wirtschaftliche Bedeu- keitsfragen befassen muss. Dies schließt eine ganzheit- tung für Deutschland erneut bestätigt und mit liche Betrachtung des Lebenszyklus eines Gebäudes 98,3 Milliarden Euro im Jahr 2020 Rekordumsät- ein — von der Beschaffung von Materialien über die ze verzeichnet [1]. Mit den Aufträgen wuchs Bauphase bis zum Rückbau. Somit betreffen Nachhal- auch die Beschäftigtenzahl, sodass das Bauge- tigkeitsthemen nicht nur den eigenen Betrieb, sondern werbe mit mehr als 2 Millionen Beschäftigten im auch Lieferantenbeziehungen im In– und Ausland. Jahr 2020 [2] ein bedeutender Arbeitgeber in Deutschland bleibt. Der deutsche Regierungsentwurf zu einem Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferket- Global gesehen ist der Trend zur Urbanisierung ein ten greift diese Zusammenhänge auf: Er soll Unterneh- großer Wachstumsimpuls für die Branche. Prognosen men dazu anleiten, gesellschaftliche Verantwortung für zufolge wird sich die Stadtbevölkerung von aktuell ihr unternehmerisches Handeln zu übernehmen. Ziel knapp 4 Mrd. auf 6,5 Mrd. in 2050 vergrößern, wobei ist es, einen rechtlich verbindlichen Rahmen zum fast 90 Prozent des Wachstums in den Schwellen- und Schutz von Menschenrechten und Umwelt zu schaffen Entwicklungsländern Asiens und Afrikas erwartet wird [4]. [3]. In vielen Ländern ergeben sich dadurch Anreize für innovative Lösungen und Konzepte, um Städte un- Wir beleuchten in diesem Whitepaper die zentralen ter Einsatz von Technologie klimaschonender und le- Herausforderungen der Branche hinsichtlich ihrer men- benswerter zu gestalten—die Idee der Smart City steht schenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflicht hoch im Kurs. im Kontext des kommenden Sorgfaltspflichtengesetzes und schaffen einen Überblick über mögliche pragmati- Gleichzeitig sind die Herausforderungen des Städte- sche Handlungsansätze für Branchenakteure. baus nicht nur technologischer Natur: Klimawandel und Ressourcenknappheit sowie Diskussionen um faire und sichere Arbeitsbedingungen führen dazu, dass sich 3 Whitepaper—Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche
Bis 2050 werden rund 2,5 Milliarden Menschen mehr in Städten leben [3].
Sustainability and Digital Solutions Erfahren Sie hier mehr. 27 % des Umsatzes im Bauhauptgewerbe wurden 2019 durch öffentliche Auf- träge generiert [7]. Wen betrifft das neue Sorgfaltspflichtengesetz in mangelnder Arbeitsschutz, unwürdige Arbeitsbedingun- der deutschen Baubranche? gen bei Bauvorhaben oder hohe CO2 Emissionen bei der Zementherstellung mittels einer Risikoanalyse — Der Regierungsentwurf für ein Sorgfalts- identifizieren, priorisieren und mit geeigneten Präven- pflichtengesetz betrifft ab 1. Januar 2023 alle tions- und Abhilfemaßnahmen begegnen. Teil der Vor- Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbei- gaben ist auch die Formulierung einer Grundsatzerklä- ter*innen (ab 2024 auch Unternehmen mit rung, die Einführung eines Beschwerdemechanismus’ 1.000 Mitarbeiter*innen). Unabhängig ihrer sowie regelmäßige Berichterstattung. Bei Nichteinhal- Rechtsform soll das Gesetz für Unternehmen tung dieser Pflichten sieht das geplante Gesetz Sankti- gelten, die ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptnie- onen in Form von Bußgeldern sowie den Ausschluss derlassung oder ihren Sitz in Deutschland haben von der Vergabe öffentlicher Aufträge vor. Letzteres ist [4]. Dies schließt seit einem Kabinettsbeschluss besonders für die Baubranche relevant, da öffentliche im Mai 2021 auch große deutsche Niederlassun- Aufträge einen bedeutenden Teil (27 %) des Umsatzes gen ausländischer Unternehmen ein [5]. der Branche generieren [7]. Damit wären laut Hauptverband der deutschen Bauin- Welche gesetzlichen Entwicklungen gibt es in dustrie e.V. ab 2023 zunächst nur 15 Unternehmen Europa? direkt betroffen, ab 2024 insgesamt 29 [6]. Als wichti- ge Teilnehmer größerer Bauprojekte sehen sich aber Mit der Einhaltung des deutschen Sorgfaltspflichtenge- auch die große Zahl an kleineren Bauunternehmen setzes besteht die Chance, sich rechtzeitig auf mög- indirekt höheren Erwartungen an ihre gesellschaftliche licherweise striktere Regularien auf internationaler Verantwortung ausgesetzt. Im Fokus der gesetzlichen Ebene vorzubereiten. Ein europäisches Sorgfalts- Anforderungen stehen Menschenrechts- und Umweltri- pflichtengesetz mit gegebenenfalls zivil- und straf- siken im eigenen Betrieb sowie in der vorgelagerten rechtlicher Haftung wird bereits diskutiert [8], jedoch Wertschöpfungskette. In Letzterem liegt eine be- liegt noch kein offizieller Richtlinienentwurf vor (Stand sondere Herausforderung für die Baubranche, da sie Mai 2021). Perspektivisch ist auch mit einer Abdeckung als Dienstleister für einzelne Bauvorhaben oft kom- weiterer Themen zu rechnen, besonders Umweltthe- plexe und dynamische Lieferantenbeziehungen men sollen bei der Sorgfaltspflicht stärker vertreten berücksichtigen muss. sein. Einige Länder sind Deutschland mit entsprechen- den Verpflichtungen bereits zuvorgekommen, Frank- Welche Anforderungen müssen Unternehmen reich zum Beispiel mit dem Gesetz über die Devoir de erfüllen? Vigilance von multinationalen Unternehmen, welches 2017 in Kraft getreten ist. Um ihrer Sorgfaltspflicht gerecht zu werden, müssen Unternehmen also in Zukunft mögliche Menschen- rechts- und Umweltrisiken wie z.B. Zwangsarbeit, 5 Whitepaper—Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche
Die Kernelemente der Sorgfaltspflicht [4] Einrichtung eines Risikomanagements Dokumentation und Festlegung einer Berichterstattung betriebsinternen Zuständigkeit Einrichtung eines Durchführung Beschwerdeverfahrens regelmäßiger Risikoanalysen Präventions– und Verabschiedung einer Abhilfemaßnahmen Grundsatzerklärung
152 Statements zu Vorwürfen des Fehlverhaltens von Unter- nehmen im internationalen Baugewerbe sind bei der Da- tenbank des BHRRC bisher re- gistriert [11].
Relevante Umwelt- und Menschenrechtsthemen für die Baubranche — Das Sorgfaltspflichtengesetz deckt grundlegende Nicht alle der identifizierten Risiken treffen daher im Menschenrechtsstandards und auch Umweltbe- selben Maße auch auf Bauprojekte in Deutschland zu, lange in der Baubranche ab, die im Einklang mit werden durch das Sorgfaltspflichtengesetz aber den- den Ergebnissen internationaler Organisationen noch erfasst und sollten von Unternehmen analysiert stehen. werden. Grundsätzlich sind z.B. die Themen Ar- beitergesundheit- und Sicherheit, Arbeitsbedingungen, Das Human Rights Guidance Tool for the Financial Produktsicherheit und Umweltauswirkungen entlang Sector des Umweltprogramms der Vereinten Nationen des Lebenszyklus von Gebäuden auch für inländische (UNEP) identifiziert eine Vielzahl von Menschen- Bauunternehmen bedeutsam. rechtsrisiken für den Infrastruktursektor, zu dem auch das Baugewerbe zählt [9]. Branchenspezifische Nach- Für eine tiefergehende Analyse sollte darüberhinaus haltigkeitsstandards für die Berichterstattung werden aber auch nach einzelnen Produktkomponenten oder außerdem vom US-amerikanischen Sustainability Ac- Einkaufskategorien differenziert werden. Zum Beispiel counting Standards Board (SASB) definiert [10]. Er- können Menschenrechtsrisiken bei der Herstellung von gänzend registriert das Business & Human Rights Re- Beton anders ausgeprägt sein als beim Bezug von source Centre (BHRRC) Antworten von Unternehmen, Holzbaustoffen, da sich Herstellungsprozesse und denen von der Zivilgesellschaft ein Fehlverhalten in damit auch Arbeitsrisiken unterscheiden. Bezug auf Menschenrechtsfragen vorgeworfen wird [11]. Auf Grundlage dieser Quellen lassen sich die Vor diesem Hintergrund bekommen die unten zentrale Risiken in der Branche wie untenstehend zu- dargestellten Themen insbesondere für international sammenfassen. agierende Baukonzerne, die entweder Material aus Ländern mit unzureichenden Menschenrechts- und Das deutsche Baugewerbe steht im internationalen Umweltschutzgesetzen beziehen oder dort an Baupro- Vergleich und relativ zu anderen Branchen bisher we- jekten beteiligt sind, eine besondere Bedeutung. niger im Zentrum der Aufmerksamkeit, da Menschen- rechtsverletzungen und Umweltschäden im Inland sel- tener registriert werden. Risiken im Ausland dagegen können unterschiedlich ausgeprägt sein. Somit beein- flusst der Anteil internationaler Tätigkeiten das Ge- samtrisiko eines Unternehmens. Anstellungs- und Arbeitsbe- Diskriminierung dingungen Arbeitsmigrant*innen können ferner Große Bau- und Infrastrukturprojekte Opfer von Diskriminierung werden. Ar- bedürfen generell einer hohen Anzahl an beitszeiten, Löhne, Ausbildung bzw. Arbeitskräften, weshalb Arbeitsmig- (mangelnde) Einweisung, Unterkunft rant*innen eine wichtige Rolle in der und Zugang zu Gesundheitsversorgung Branche spielen. Diese sind als vul- sind allesamt Bereiche, in denen Ar- nerable Gruppe zu verstehen, die häufig beitsmigrant*innen gegenüber Festan- prekären Anstellungs- und Arbeitsver- gestellten benachteiligt werden können. hältnissen ausgesetzt ist. Abhängig von der Herkunft der Arbeits- migrant*innen können diese auch Opfer von Vorurteilen werden. 8 Whitepaper—Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche
Umwelt– und Menschenrechtsthemen Gesundheit und Sicherheit am Kinderarbeit und Beschäftigung Arbeitsplatz von Jugendlichen Gemäß UNEP stellt mangelnder Gesund- Gemäß der International Labour Organi- heits- und Arbeitsschutz ein Schlüs- zation (ILO) ist der Industriesektor, wel- selthema im Baugewerbe dar. Insbeson- cher Bergbau, das verarbeitende dere bei größeren Infrastrukturprojek- Gewerbe und den Bausektor umfasst, ten sei dies ein häufig zu beobachtendes verantwortlich für 12% der Kinderarbeit Problem. Schwere und teilweise tödliche weltweit. Das beläuft sich auf ca. 18 Unfälle aufgrund mangelnder Verfahrens Millionen Kinder [12]. Der exakte Anteil -anweisung, Nichtbeachtung von Anwei- der Kinder, die im Baugewerbe beschäf- sungen, mangelnde Einschätzung von tigt sind, ist unbekannt. Risiken oder defektem oder veraltetem Equipment stellen hier ein Kernproblem dar. Hinsichtlich An- und Einweisungen ist auch die Sprachbarriere, die insbe- sondere Arbeitsmigrant*innen betrifft, ein nicht zu vernachlässigender Punkt. Konflikte und Sicherheit Landnutzung und Eigen- Infrastrukturprojekte in Konfliktgebieten tumsrechte oder fragilen Staaten sind erhöhten Infrastrukturprojekte können mit Sicherheitsrisiken ausgesetzt. Sicher- (Subsistenz-) Landwirtschaft konkurrie- heitsfirmen, auf die Bauunternehmen in ren oder anderweitig die traditionellen diesem Zusammenhang häufig angewie- Lebensweisen der lokalen Bevöl- sen sind, können korrumpiert und am kerung bedrohen. In solchen Fällen kann Konflikt beteiligt sein. Des Weiteren sind es zu Landnutzungskonflikten und Kon- Fälle von exzessiver Gewalt von privat- flikten um Eigentumsrechte kommen. en Sicherheitskräften gegenüber Pro- (Zwangs-) Umsiedlungen von Anwoh- testierenden dokumentiert. Dadurch ist ner*innen stellen ein weiteres hohes die Bereitschaft zu Koalition und Ver- menschenrechtliches Risiko dar, insbe- sammlung aufgrund der Bedrohung sondere wenn die Konsultationen mit teilweise stark eingeschränkt. der Gemeinde unangemessen verlaufen und Rechte wie z.B. das Recht auf „Free, Prior and Informed Consent” (FPIC) verletzt werden. Moderne Sklaverei Umweltschutz und Gesundheit Moderne Sklaverei und Menschenhandel Bauaktivitäten können die Umwelt be- sind auch im Baugewerbe zu beobach- lasten, z.B. durch die Verwendung von ten. Im Jahr 2014 hat der United States gefährlichen Substanzen und die Ver- Department of State’s Trafficking schmutzung von Boden und / oder in Persons Report Menschenhandel ex- (Grund-) Wasser. Die Inanspruchnahme plizit als Risiko im deutschen von großen Flächen kann einhergehen Baugewerbe ausgewiesen [13]. Zum mit Biodiversitätsverlust (z.B. durch En- Beispiel können Arbeitgeber die twaldung), Lärm (z.B. bei Infrastruktur- Ausweisdokumente der Arbeitsmig- projekten) einem veränderten Er- rant*innen einbehalten und somit deren scheinungsbild von Regionen und Be- Bewegungsfreiheit einschränken und sie lastungen für die Bevölkerung. zu Schuldknechtschaft zwingen. 9 Whitepaper—Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche
Auf Sand gebaut Die mittlerweile häufiger diskutierte Krise um den Rohstoff Sand veranschaulicht die besonderen umweltbezogenen und menschenrechtlichen Herausforderungen der Bau- branche: Neben Kalk, Gipsstein, Kies und Ton, bringt der unscheinbare und vermeint- lich harmlose Rohstoff Sand aus teils illegalem Abbau laut den Vereinten Nationen dras- tische Umweltfolgen und den Verlust von Lebensräumen mit sich. Der Rohstoff, welcher u.a. für die Herstellung von Zement benötigt wird, wird aufgrund des hohen Wachstums der Branche immer knapper. Das macht ihn einerseits lukra- tiver, was dazu führt, dass kriminelle Organisationen zunehmend eine Rolle im Sandabbau spielen. Andererseits führt es dazu, dass immer mehr Umweltschäden an- gerichtet werden, wenn z.B. Sand mithilfe von Saugbaggerschiffen vom Meeresboden gewonnen wird und dabei Korallenriffe beschädigt werden [14]. 10 Whitepaper—Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche
„Das Risikomanagement ist in allen maßgeblichen Ge- schäftsabläufen durch an- gemessene Maßnahmen zu verankern.“ [4]
Wo können Unternehmen ansetzen? Je nach Unternehmensgröße und verfügbaren Ressour- cen ergibt sich für das Baugewerbe ein vielfältiges Po- tenzial bei der Umsetzung seiner Sorgfaltspflicht. Im Folgenden wird eine Auswahl an Ansätzen genannt, die nicht nur aus der Compliance-Perspektive sinnvoll sind. Sie sollten vor allem genutzt werden, um bestehende Maßnahmen effizienter zu gestalten und um sich als zu- kunftsorientierter, nachhaltiger Dienstleister in der Branche zu positionieren. INTEGRIERTES RISIKOMANAGEMENT Direkt betroffene Unternehmen sollten bereits beste- hende Risikomanagementsysteme nutzen, um Menschenrechts- und Umweltrisiken zu integrieren. Eine(n) Verantwortliche(n) oder 1 Menschenrechtsbeauftragte(n) innerhalb des Unternehmens bestellen Funktionsträger in der Rechtsabteilung, im Einkauf, im Personalmanagement schulen, 2 den Betriebsrat und den oder die Arbeits- sicherheitsbeauftragte(n) einbinden Relevante Prozesse durch die Nachhaltig- 3 keitsabteilung koordinieren, alternativ ein neues, abteilungsübergreifendes Team bilden Risikoanalysen durchführen: die unter- nehmensspezifische Situation bewerten 4 sowie relevante Datenquellen und Risikoindi- zes auswerten, z.B. den Global Rights Index der International Trade Union Confederation (ITUC) Regelmäßig an Entscheidungsträger und den 5 Vorstand Bericht erstatten und Ergebnisse in einem Nachhaltigkeitsbericht zusammenfas- sen oder in den Jahresbericht integrieren 12 Whitepaper—Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche
PRODUKTSTANDARDS PERSONALFÖRDERUNG — Ein wichtiges Instrument für die Rückverfolgung — Um auch in Zukunft als attraktiver Arbeitgeber nachhaltiger Baustoffe sind Produktlabels. Auf anerkannt zu werden, müssen sich Unternehmen der Materialebene bietet sich für eine sozial ver- in der personalintensiven Baubranche weiterhin antwortliche Beschaffung bereits eine Reihe von durch verantwortungsvolles Personalmanage- Labels, besonders für Holzrohstoffe (FSC und ment behaupten – dazu gehören Investitionen in PEFC). Das internationale Concrete Sustainabili- Ergonomie, regelmäßige Gesundheitsaufklärung ty Council (CSC) bietet zudem Zertifizierungen und -vorsorge aber auch die Förderung von für Beton an, welche unter anderem von der Diversität und Gleichberechtigung. Schulungen, Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen vor allem zum Thema Arbeitssicherheit oder (DGNB) anerkannt sind. Die DGNB bietet bereits Weiterbildungsmaßnahmen sind wirksame Lö- eine Übersicht anerkannter Standards. sungen, um der Sorgfaltspflicht gerecht zu wer- den. ZERTIFIZIERUNG — Auf betrieblicher Ebene ist zu erwarten, dass KOOPERATION von Vertragspartnern verstärkt Zertifikate z.B. — Ein großes Potenzial, dem Thema der unterneh- nach ISO 14001 für Umweltmanagement, ISO merischen Sorgfalt angemessen zu begegnen, 45001 für Arbeitssicherheit oder den SA8000 liegt in der Zusammenarbeit mit anderen Unter- Standard für soziale Verantwortung verlangt nehmen auf Branchenebene. Zum Beispiel könn- werden. Zertifizierungen können die Glaubwür- ten über Verbände oder ähnliche Zusammen- digkeit des Nachhaltigkeitsengagements stärken schlüsse Synergieeffekte genutzt und die Hebel- und so die Geschäftsbeziehung verbessern. wirkung durch gemeinsames Handeln gestärkt werden. Eine Möglichkeit wäre, Vertragspartner durch konzertierte, einheitliche Anforderungen BERICHTERSTATTUNG (z.B. mittels Verhaltenskodex) die richtige Rich- tung zu weisen und die Berichterstattung zu er- — Eine Zertifizierung oder externe Unternehmens- leichtern. Auch hier sollte der Dialogansatz im bewertung für Nachhaltigkeit kann mit einem Vordergrund stehen, um zuverlässigere, langfris- hohen Kostenaufwand für externe Dienstleistun- tige und risikoärmere Partnerschaften zu för- gen verbunden sein. Damit sich dieser Aufwand dern. lohnt, sollten sich Unternehmen intern gut vor- bereiten, indem sie z. B. über vorhandene inter- ne Unfallstatistiken und weitere soziale Indikato- ren Bericht erstatten. Dies wäre auch in Anbe- tracht zukünftiger, strikterer Richtlinien und Ge- setze sinnvoll sein. Von einem Nachhaltigkeits- bericht profitieren dann nicht nur direkte Ver- tragspartner, sondern auch weitere Stakeholder wie Personal oder Investoren. 13 Whitepaper—Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche
Kleinere Unternehmen im Blickpunkt Fast 90 % der Betriebe im Bauhauptgewerbe stellten 2020 weniger als 19 Beschäftigte [15]. — Laut den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrecht sind alle Unternehmen, auch kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs), in der Verantwortung, Menschrechte und die Umwelt ent- lang ihrer (internationalen) Liefer- und Wertschöp- fungsketten zu schützen sowie entsprechende Maßnahmen umzusetzen. — KMUs sollten daher möglichst umgehend darauf vorbereitet werden, die sich daraus ergebenen (gestiegenen) Anforderungen zu verstehen und be- fähigt werden, Sorgfaltsprozesse zu etablieren. Umgekehrt sollten Einkaufsorganisationen ihr Lie- ferkettenmanagement nicht auf Vertragsklauseln und Verhaltenskodizes beschränken, sondern ihre Lieferanten aktiv unterstützen. — Darüber hinaus sollten sie auch praktische Unter- stützung dafür leisten, dass ihre Vertragspartner diese Bedingungen einhalten können. KMUs, die kompetent Kundenanforderungen umsetzen können und die Lieferkettentransparenz fördern, könnten dadurch einen handfesten Wettbewerbsvorteil erzie- len. — Um dem erhöhten Informationsbedarf entlang der Lieferkette gerecht zu werden, wird vor allem das Engagement von KMUs gefordert sein. Auch wenn im Sinne des Prinzips der Angemessenheit die An- forderungen an KMUs grundsätzlich niedriger sind, entlässt sie dies nicht aus ihrer Pflicht. — Eine verantwortungsvolle Gestaltung der Liefer- ketten dient nicht nur dem Schutz der Lieferanten, sondern bringt auch dem Abnehmer Stabilität und Sicherheit. Dementsprechend kann eine Investition in nachhaltige Beschaffungs- und Managementsy- steme gewinnbringend für beide Seiten sein. — Ob sich die Last der zusätzlichen Anstrengungen um mehr Lieferkettentransparenz unverhältnismäßig stark auf kleinere Marktteilnehmer verlagern wird, hängt davon ab, ob die Branche kooperativ und kol- laborativ mit den Anforderungen umgehen wird.
Was ist zu tun? Mit dem Sorgfaltspflichtengesetz bietet sich der Baubranche die Gelegen- heit, Anforderungen an menschenrechtliche und umweltbezogene Sorg- faltspflicht detailliert zu analysieren, frühzeitig richtige Prioritäten zu bes- timmen und konkrete Maßnahmen umzusetzen. Angesichts der Komplex- ität der Herausforderung müssen bereits jetzt praxisorientierte Lösungen entwickelt und der Dialog mit relevanten Stakeholdern begonnen werden. Unabhängig des Gesetzes ist es jedem Unternehmen in der Branche zu empfehlen, sich eingehend mit seinen individuellen Umwelt- und Menschenrechtsrisiken sowohl im eigenen Betrieb, als auch in seiner Lie- ferkette auseinanderzusetzen. Die Baubranche wird in Zukunft noch häufiger daran gemessen werden, wie nachhaltig sie Wertschöpfung be- treiben kann und ob sie die Chancen für einen Perspektivwechsel rechtzei- tig zu nutzen weiß.
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KONTAKT Achim Huber Abteilungsleiter Sustainability & Digital Solutions achim.huber@afry.com Daniel Weiß Head of Programme Green Economy weiss@adelphi.de 18 Whitepaper—Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche
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AFRY ist ein führendes adelphi ist eine unabhängige europäisches Unternehmen für Denkfabrik und führende Be- Ingenieur-, Design- und Be- ratungseinrichtung für Klima, ratungs- dienstleistungen mit Umwelt und Entwicklung. Unser globaler Präsenz. Auftrag ist die Stärkung von Global Governance durch Forschung, Beratung und Dia- Den Wandel zu einer nachhal- log. tigeren Gesellschaft bringen Das geplante deutsche Sorg- wir als Unternehmen voran. faltspflichtengesetz greift auf Wir sind 17.000 engagierte Beratungs- und Forschungsar- Experten in den Bereichen beiten zurück, mit denen adel- Infrastruktur, Industrie, Ener- phi den Prozess rund um unter- gie und Digitalisierung, die nehmerische Sorgfaltspflichten nachhaltige Lösungen für in Liefer- und Wertschöp- kommende Generationen fungsketten maßgeblich unter- schaffen. stützt hat. adelphi unterstützt darüber hinaus insbesondere kleineren Unternehmen dabei, Making Future schrittweise das Konzept der unternehmerischen Sorgfalt umzusetzen.
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