Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche - Was Unternehmen jetzt beachten sollten

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Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche - Was Unternehmen jetzt beachten sollten
Whitepaper

Menschenrechts- und
umweltbezogene
Sorgfaltspflicht
in der Baubranche
Was Unternehmen jetzt beachten
sollten
Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche - Was Unternehmen jetzt beachten sollten
Executive Summary

—   Ab dem ab 1. Januar 2023 soll                                      —       In der deutschen Baubranche
    das deutsche Sorgfalts-                                                    sind zunächst nur wenige
    pflichtengesetz gelten. Es soll                                            große Unternehmen direkt
    zunächst deutsche Unterneh-                                                betroffen. Die Vielzahl der
    men mit mehr als 3.000 Mitar-                                              kleineren Dienstleister in der
    beiter*innen sowie große deut-                                             Branche werden aber ver-
    sche Niederlassungen ausländi-                                             mutlich einen zusätzlichen
    scher Unternehmen betreffen.                                               Informationsbedarf decken
                                                                               müssen.
—   Ziel ist es, die unternehmeri-
    schen Sorgfaltspflichten hin-                                      —       Bei größeren Bauunterneh-
    sichtlich von Menschenrechten                                              men ist neben der Einhaltung
    und Umweltrisiken gesetzlich                                               von Nachhaltigkeitsstandards
    zu verankern. Die Vorgaben                                                 die Integration der Vorgaben
    beinhalten ein umfassendes Ri-                                             in bestehende Management-
    sikomanagement sowohl für                                                  systeme und Einkaufsprozes-
    den eigenen Betrieb als auch                                               se sinnvoll.
    die Lieferkette.                                                   —       Kleinere Unternehmen, die
—   Relevante Menschenrechts-                                                  als unmittelbare Zulieferer
    und Umweltrisiken für die in-                                              agieren, sollten in Kooperati-
    ternationale Baubranche wur-                                               on mit ihren Auftraggebern
    den bereits von anerkannten                                                insbesondere durch freiwillige
    Organisationen und in Daten-                                               Berichterstattung und Zertifi-
    banken identifiziert—                                                      zierung die Lieferkettentrans-
    wesentliche Risiken sind z.B.                                              parenz fördern.
    moderne Sklaverei, Konflikte                                       —       Um den kommenden gesetz-
    mit Eigentumsrechten oder Ar-                                              lichen Anforderungen gerecht
    beitssicherheit.                                                           zu werden, sollten betroffene
—   Die deutsche Bauindustrie kann                                             Unternehmen im Baugewer-
    sich insbesondere mit Risiken                                              be bereits jetzt entsprechen-
    bezüglich Arbeitsverhältnissen                                             de Vorbereitungen treffen.
    und grenzüberschreitender Be-                                              Mit einer möglichen Regulie-
    schaffung von Baustoffen kon-                                              rung auf EU-Ebene gewinnt
    frontiert sehen.                                                           das Thema in Zukunft weiter
                                                                               an Bedeutung.

2        Whitepaper—Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche
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Passen Smart
Cities und
Menschenrechte
zusammen?
—    Trotz der Konjunkturkrise im vergangenen Jahr                         auch die deutsche Baubranche intensiv mit Nachhaltig-
     hat die Baubranche ihre wirtschaftliche Bedeu-                        keitsfragen befassen muss. Dies schließt eine ganzheit-
     tung für Deutschland erneut bestätigt und mit                         liche Betrachtung des Lebenszyklus eines Gebäudes
     98,3 Milliarden Euro im Jahr 2020 Rekordumsät-                        ein — von der Beschaffung von Materialien über die
     ze verzeichnet [1]. Mit den Aufträgen wuchs                           Bauphase bis zum Rückbau. Somit betreffen Nachhal-
     auch die Beschäftigtenzahl, sodass das Bauge-                         tigkeitsthemen nicht nur den eigenen Betrieb, sondern
     werbe mit mehr als 2 Millionen Beschäftigten im                       auch Lieferantenbeziehungen im In– und Ausland.
     Jahr 2020 [2] ein bedeutender Arbeitgeber in
     Deutschland bleibt.                                                   Der deutsche Regierungsentwurf zu einem Gesetz über
                                                                           die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferket-
Global gesehen ist der Trend zur Urbanisierung ein                         ten greift diese Zusammenhänge auf: Er soll Unterneh-
großer Wachstumsimpuls für die Branche. Prognosen                          men dazu anleiten, gesellschaftliche Verantwortung für
zufolge wird sich die Stadtbevölkerung von aktuell                         ihr unternehmerisches Handeln zu übernehmen. Ziel
knapp 4 Mrd. auf 6,5 Mrd. in 2050 vergrößern, wobei                        ist es, einen rechtlich verbindlichen Rahmen zum
fast 90 Prozent des Wachstums in den Schwellen- und                        Schutz von Menschenrechten und Umwelt zu schaffen
Entwicklungsländern Asiens und Afrikas erwartet wird                       [4].
[3]. In vielen Ländern ergeben sich dadurch Anreize
für innovative Lösungen und Konzepte, um Städte un-                        Wir beleuchten in diesem Whitepaper die zentralen
ter Einsatz von Technologie klimaschonender und le-                        Herausforderungen der Branche hinsichtlich ihrer men-
benswerter zu gestalten—die Idee der Smart City steht                      schenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflicht
hoch im Kurs.                                                              im Kontext des kommenden Sorgfaltspflichtengesetzes
                                                                           und schaffen einen Überblick über mögliche pragmati-
Gleichzeitig sind die Herausforderungen des Städte-                        sche Handlungsansätze für Branchenakteure.
baus nicht nur technologischer Natur: Klimawandel und
Ressourcenknappheit sowie Diskussionen um faire und
sichere Arbeitsbedingungen führen dazu, dass sich

3            Whitepaper—Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche
Bis 2050 werden rund 2,5 Milliarden
Menschen mehr in Städten leben [3].
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                                                                            27 % des Umsatzes im
                                                                            Bauhauptgewerbe wurden
                                                                            2019 durch öffentliche Auf-
                                                                            träge generiert [7].

Wen betrifft das neue Sorgfaltspflichtengesetz in                           mangelnder Arbeitsschutz, unwürdige Arbeitsbedingun-
der deutschen Baubranche?                                                   gen bei Bauvorhaben oder hohe CO2 Emissionen bei
                                                                            der Zementherstellung mittels einer Risikoanalyse
—     Der Regierungsentwurf für ein Sorgfalts-                              identifizieren, priorisieren und mit geeigneten Präven-
      pflichtengesetz betrifft ab 1. Januar 2023 alle                       tions- und Abhilfemaßnahmen begegnen. Teil der Vor-
      Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbei-                              gaben ist auch die Formulierung einer Grundsatzerklä-
      ter*innen (ab 2024 auch Unternehmen mit                               rung, die Einführung eines Beschwerdemechanismus’
      1.000 Mitarbeiter*innen). Unabhängig ihrer                            sowie regelmäßige Berichterstattung. Bei Nichteinhal-
      Rechtsform soll das Gesetz für Unternehmen                            tung dieser Pflichten sieht das geplante Gesetz Sankti-
      gelten, die ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptnie-                      onen in Form von Bußgeldern sowie den Ausschluss
      derlassung oder ihren Sitz in Deutschland haben                       von der Vergabe öffentlicher Aufträge vor. Letzteres ist
      [4]. Dies schließt seit einem Kabinettsbeschluss                      besonders für die Baubranche relevant, da öffentliche
      im Mai 2021 auch große deutsche Niederlassun-                         Aufträge einen bedeutenden Teil (27 %) des Umsatzes
      gen ausländischer Unternehmen ein [5].                                der Branche generieren [7].

Damit wären laut Hauptverband der deutschen Bauin-                          Welche gesetzlichen Entwicklungen gibt es in
dustrie e.V. ab 2023 zunächst nur 15 Unternehmen                            Europa?
direkt betroffen, ab 2024 insgesamt 29 [6]. Als wichti-
ge Teilnehmer größerer Bauprojekte sehen sich aber                          Mit der Einhaltung des deutschen Sorgfaltspflichtenge-
auch die große Zahl an kleineren Bauunternehmen                             setzes besteht die Chance, sich rechtzeitig auf mög-
indirekt höheren Erwartungen an ihre gesellschaftliche                      licherweise striktere Regularien auf internationaler
Verantwortung ausgesetzt. Im Fokus der gesetzlichen                         Ebene vorzubereiten. Ein europäisches Sorgfalts-
Anforderungen stehen Menschenrechts- und Umweltri-                          pflichtengesetz mit gegebenenfalls zivil- und straf-
siken im eigenen Betrieb sowie in der vorgelagerten                         rechtlicher Haftung wird bereits diskutiert [8], jedoch
Wertschöpfungskette. In Letzterem liegt eine be-                            liegt noch kein offizieller Richtlinienentwurf vor (Stand
sondere Herausforderung für die Baubranche, da sie                          Mai 2021). Perspektivisch ist auch mit einer Abdeckung
als Dienstleister für einzelne Bauvorhaben oft kom-                         weiterer Themen zu rechnen, besonders Umweltthe-
plexe    und     dynamische    Lieferantenbeziehungen                       men sollen bei der Sorgfaltspflicht stärker vertreten
berücksichtigen muss.                                                       sein. Einige Länder sind Deutschland mit entsprechen-
                                                                            den Verpflichtungen bereits zuvorgekommen, Frank-
Welche Anforderungen              müssen         Unternehmen                reich zum Beispiel mit dem Gesetz über die Devoir de
erfüllen?                                                                   Vigilance von multinationalen Unternehmen, welches
                                                                            2017 in Kraft getreten ist.
Um ihrer Sorgfaltspflicht gerecht zu werden, müssen
Unternehmen also in Zukunft mögliche Menschen-
rechts- und Umweltrisiken wie z.B. Zwangsarbeit,

5             Whitepaper—Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche
Die Kernelemente der Sorgfaltspflicht [4]

                              Einrichtung eines
                             Risikomanagements

       Dokumentation und                                Festlegung einer
       Berichterstattung                                betriebsinternen
                                                        Zuständigkeit

  Einrichtung eines                                        Durchführung
  Beschwerdeverfahrens                                     regelmäßiger
                                                           Risikoanalysen

                Präventions– und
                                              Verabschiedung einer
                Abhilfemaßnahmen
                                              Grundsatzerklärung
152 Statements zu Vorwürfen
des Fehlverhaltens von Unter-
nehmen im internationalen
Baugewerbe sind bei der Da-
tenbank des BHRRC bisher re-
gistriert [11].
Relevante Umwelt- und Menschenrechtsthemen für die
Baubranche
—     Das Sorgfaltspflichtengesetz deckt grundlegende                    Nicht alle der identifizierten Risiken treffen daher im
      Menschenrechtsstandards und auch Umweltbe-                         selben Maße auch auf Bauprojekte in Deutschland zu,
      lange in der Baubranche ab, die im Einklang mit                    werden durch das Sorgfaltspflichtengesetz aber den-
      den Ergebnissen internationaler Organisationen                     noch erfasst und sollten von Unternehmen analysiert
      stehen.                                                            werden. Grundsätzlich sind z.B. die Themen Ar-
                                                                         beitergesundheit- und Sicherheit, Arbeitsbedingungen,
Das Human Rights Guidance Tool for the Financial                         Produktsicherheit und Umweltauswirkungen entlang
Sector des Umweltprogramms der Vereinten Nationen                        des Lebenszyklus von Gebäuden auch für inländische
(UNEP) identifiziert eine Vielzahl von Menschen-                         Bauunternehmen bedeutsam.
rechtsrisiken für den Infrastruktursektor, zu dem auch
das Baugewerbe zählt [9]. Branchenspezifische Nach-                      Für eine tiefergehende Analyse sollte darüberhinaus
haltigkeitsstandards für die Berichterstattung werden                    aber auch nach einzelnen Produktkomponenten oder
außerdem vom US-amerikanischen Sustainability Ac-                        Einkaufskategorien differenziert werden. Zum Beispiel
counting Standards Board (SASB) definiert [10]. Er-                      können Menschenrechtsrisiken bei der Herstellung von
gänzend registriert das Business & Human Rights Re-                      Beton anders ausgeprägt sein als beim Bezug von
source Centre (BHRRC) Antworten von Unternehmen,                         Holzbaustoffen, da sich Herstellungsprozesse und
denen von der Zivilgesellschaft ein Fehlverhalten in                     damit auch Arbeitsrisiken unterscheiden.
Bezug auf Menschenrechtsfragen vorgeworfen wird
[11]. Auf Grundlage dieser Quellen lassen sich die                       Vor diesem Hintergrund bekommen die unten
zentrale Risiken in der Branche wie untenstehend zu-                     dargestellten Themen insbesondere für international
sammenfassen.                                                            agierende Baukonzerne, die entweder Material aus
                                                                         Ländern mit unzureichenden Menschenrechts- und
Das deutsche Baugewerbe steht im internationalen                         Umweltschutzgesetzen beziehen oder dort an Baupro-
Vergleich und relativ zu anderen Branchen bisher we-                     jekten beteiligt sind, eine besondere Bedeutung.
niger im Zentrum der Aufmerksamkeit, da Menschen-
rechtsverletzungen und Umweltschäden im Inland sel-
tener registriert werden. Risiken im Ausland dagegen
können unterschiedlich ausgeprägt sein. Somit beein-
flusst der Anteil internationaler Tätigkeiten das Ge-
samtrisiko eines Unternehmens.

              Anstellungs- und Arbeitsbe-                                                        Diskriminierung
              dingungen
                                                                                                 Arbeitsmigrant*innen können ferner
              Große Bau- und Infrastrukturprojekte                                               Opfer von Diskriminierung werden. Ar-
              bedürfen generell einer hohen Anzahl an                                            beitszeiten, Löhne, Ausbildung bzw.
              Arbeitskräften, weshalb Arbeitsmig-                                                (mangelnde) Einweisung, Unterkunft
              rant*innen eine wichtige Rolle in der                                              und Zugang zu Gesundheitsversorgung
              Branche spielen. Diese sind als vul-                                               sind allesamt Bereiche, in denen Ar-
              nerable Gruppe zu verstehen, die häufig                                            beitsmigrant*innen gegenüber Festan-
              prekären Anstellungs- und Arbeitsver-                                              gestellten benachteiligt werden können.
              hältnissen ausgesetzt ist.                                                         Abhängig von der Herkunft der Arbeits-
                                                                                                 migrant*innen können diese auch Opfer
                                                                                                 von Vorurteilen werden.

8             Whitepaper—Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche
Umwelt– und Menschenrechtsthemen

      Gesundheit und Sicherheit am                                                       Kinderarbeit und Beschäftigung
      Arbeitsplatz                                                                       von Jugendlichen
      Gemäß UNEP stellt mangelnder Gesund-                                               Gemäß der International Labour Organi-
      heits- und Arbeitsschutz ein Schlüs-                                               zation (ILO) ist der Industriesektor, wel-
      selthema im Baugewerbe dar. Insbeson-                                              cher Bergbau, das verarbeitende
      dere bei größeren Infrastrukturprojek-                                             Gewerbe und den Bausektor umfasst,
      ten sei dies ein häufig zu beobachtendes                                           verantwortlich für 12% der Kinderarbeit
      Problem. Schwere und teilweise tödliche                                            weltweit. Das beläuft sich auf ca. 18
      Unfälle aufgrund mangelnder Verfahrens                                             Millionen Kinder [12]. Der exakte Anteil
      -anweisung, Nichtbeachtung von Anwei-                                              der Kinder, die im Baugewerbe beschäf-
      sungen, mangelnde Einschätzung von                                                 tigt sind, ist unbekannt.
      Risiken oder defektem oder veraltetem
      Equipment stellen hier ein Kernproblem
      dar. Hinsichtlich An- und Einweisungen
      ist auch die Sprachbarriere, die insbe-
      sondere Arbeitsmigrant*innen betrifft,
      ein nicht zu vernachlässigender Punkt.

      Konflikte und Sicherheit                                                           Landnutzung und Eigen-
      Infrastrukturprojekte in Konfliktgebieten
                                                                                         tumsrechte
      oder fragilen Staaten sind erhöhten                                                Infrastrukturprojekte können mit
      Sicherheitsrisiken ausgesetzt. Sicher-                                             (Subsistenz-) Landwirtschaft konkurrie-
      heitsfirmen, auf die Bauunternehmen in                                             ren oder anderweitig die traditionellen
      diesem Zusammenhang häufig angewie-                                                Lebensweisen der lokalen Bevöl-
      sen sind, können korrumpiert und am                                                kerung bedrohen. In solchen Fällen kann
      Konflikt beteiligt sein. Des Weiteren sind                                         es zu Landnutzungskonflikten und Kon-
      Fälle von exzessiver Gewalt von privat-                                            flikten um Eigentumsrechte kommen.
      en Sicherheitskräften gegenüber Pro-                                               (Zwangs-) Umsiedlungen von Anwoh-
      testierenden dokumentiert. Dadurch ist                                             ner*innen stellen ein weiteres hohes
      die Bereitschaft zu Koalition und Ver-                                             menschenrechtliches Risiko dar, insbe-
      sammlung aufgrund der Bedrohung                                                    sondere wenn die Konsultationen mit
      teilweise stark eingeschränkt.                                                     der Gemeinde unangemessen verlaufen
                                                                                         und Rechte wie z.B. das Recht auf
                                                                                         „Free, Prior and Informed
                                                                                         Consent” (FPIC) verletzt werden.

      Moderne Sklaverei                                                                  Umweltschutz und Gesundheit
      Moderne Sklaverei und Menschenhandel                                               Bauaktivitäten können die Umwelt be-
      sind auch im Baugewerbe zu beobach-                                                lasten, z.B. durch die Verwendung von
      ten. Im Jahr 2014 hat der United States                                            gefährlichen Substanzen und die Ver-
      Department of State’s Trafficking                                                  schmutzung von Boden und / oder
      in Persons Report Menschenhandel ex-                                               (Grund-) Wasser. Die Inanspruchnahme
      plizit als Risiko im deutschen                                                     von großen Flächen kann einhergehen
      Baugewerbe ausgewiesen [13]. Zum                                                   mit Biodiversitätsverlust (z.B. durch En-
      Beispiel können Arbeitgeber die                                                    twaldung), Lärm (z.B. bei Infrastruktur-
      Ausweisdokumente der Arbeitsmig-                                                   projekten) einem veränderten Er-
      rant*innen einbehalten und somit deren                                             scheinungsbild von Regionen und Be-
      Bewegungsfreiheit einschränken und sie                                             lastungen für die Bevölkerung.
      zu Schuldknechtschaft zwingen.

9     Whitepaper—Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche
Auf Sand gebaut

     Die mittlerweile häufiger diskutierte Krise um den Rohstoff Sand veranschaulicht die
     besonderen umweltbezogenen und menschenrechtlichen Herausforderungen der Bau-
     branche: Neben Kalk, Gipsstein, Kies und Ton, bringt der unscheinbare und vermeint-
     lich harmlose Rohstoff Sand aus teils illegalem Abbau laut den Vereinten Nationen dras-
     tische Umweltfolgen und den Verlust von Lebensräumen mit sich.

     Der Rohstoff, welcher u.a. für die Herstellung von Zement benötigt wird, wird aufgrund
     des hohen Wachstums der Branche immer knapper. Das macht ihn einerseits lukra-
     tiver, was dazu führt, dass kriminelle Organisationen zunehmend eine Rolle im
     Sandabbau spielen. Andererseits führt es dazu, dass immer mehr Umweltschäden an-
     gerichtet werden, wenn z.B. Sand mithilfe von Saugbaggerschiffen vom Meeresboden
     gewonnen wird und dabei Korallenriffe beschädigt werden [14].

10     Whitepaper—Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche
„Das Risikomanagement ist
in allen maßgeblichen Ge-
schäftsabläufen durch an-
gemessene Maßnahmen zu
verankern.“ [4]
Wo können Unternehmen ansetzen?

Je nach Unternehmensgröße und verfügbaren Ressour-
cen ergibt sich für das Baugewerbe ein vielfältiges Po-
tenzial bei der Umsetzung seiner Sorgfaltspflicht. Im
Folgenden wird eine Auswahl an Ansätzen genannt, die
nicht nur aus der Compliance-Perspektive sinnvoll sind.
Sie sollten vor allem genutzt werden, um bestehende
Maßnahmen effizienter zu gestalten und um sich als zu-
kunftsorientierter, nachhaltiger Dienstleister in der
Branche zu positionieren.

INTEGRIERTES RISIKOMANAGEMENT

Direkt betroffene Unternehmen sollten bereits beste-
hende Risikomanagementsysteme nutzen, um
Menschenrechts- und Umweltrisiken zu integrieren.

           Eine(n) Verantwortliche(n) oder

1          Menschenrechtsbeauftragte(n) innerhalb des
           Unternehmens bestellen

           Funktionsträger in der Rechtsabteilung, im
           Einkauf, im Personalmanagement schulen,

2          den Betriebsrat und den oder die Arbeits-
           sicherheitsbeauftragte(n) einbinden

           Relevante Prozesse durch die Nachhaltig-

3          keitsabteilung koordinieren, alternativ ein
           neues, abteilungsübergreifendes Team bilden

           Risikoanalysen durchführen: die unter-
           nehmensspezifische Situation bewerten

4          sowie relevante Datenquellen und Risikoindi-
           zes auswerten, z.B. den Global Rights Index
           der International Trade Union Confederation
           (ITUC)

           Regelmäßig an Entscheidungsträger und den

5          Vorstand Bericht erstatten und Ergebnisse in
           einem Nachhaltigkeitsbericht zusammenfas-
           sen oder in den Jahresbericht integrieren

12           Whitepaper—Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche
PRODUKTSTANDARDS                                                           PERSONALFÖRDERUNG

—    Ein wichtiges Instrument für die Rückverfolgung                       —       Um auch in Zukunft als attraktiver Arbeitgeber
     nachhaltiger Baustoffe sind Produktlabels. Auf                                anerkannt zu werden, müssen sich Unternehmen
     der Materialebene bietet sich für eine sozial ver-                            in der personalintensiven Baubranche weiterhin
     antwortliche Beschaffung bereits eine Reihe von                               durch verantwortungsvolles Personalmanage-
     Labels, besonders für Holzrohstoffe (FSC und                                  ment behaupten – dazu gehören Investitionen in
     PEFC). Das internationale Concrete Sustainabili-                              Ergonomie, regelmäßige Gesundheitsaufklärung
     ty Council (CSC) bietet zudem Zertifizierungen                                und -vorsorge aber auch die Förderung von
     für Beton an, welche unter anderem von der                                    Diversität und Gleichberechtigung. Schulungen,
     Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen                                 vor allem zum Thema Arbeitssicherheit oder
     (DGNB) anerkannt sind. Die DGNB bietet bereits                                Weiterbildungsmaßnahmen sind wirksame Lö-
     eine Übersicht anerkannter Standards.                                         sungen, um der Sorgfaltspflicht gerecht zu wer-
                                                                                   den.

ZERTIFIZIERUNG

—    Auf betrieblicher Ebene ist zu erwarten, dass                         KOOPERATION
     von Vertragspartnern verstärkt Zertifikate z.B.
                                                                           —       Ein großes Potenzial, dem Thema der unterneh-
     nach ISO 14001 für Umweltmanagement, ISO
                                                                                   merischen Sorgfalt angemessen zu begegnen,
     45001 für Arbeitssicherheit oder den SA8000
                                                                                   liegt in der Zusammenarbeit mit anderen Unter-
     Standard für soziale Verantwortung verlangt
                                                                                   nehmen auf Branchenebene. Zum Beispiel könn-
     werden. Zertifizierungen können die Glaubwür-
                                                                                   ten über Verbände oder ähnliche Zusammen-
     digkeit des Nachhaltigkeitsengagements stärken
                                                                                   schlüsse Synergieeffekte genutzt und die Hebel-
     und so die Geschäftsbeziehung verbessern.
                                                                                   wirkung durch gemeinsames Handeln gestärkt
                                                                                   werden. Eine Möglichkeit wäre, Vertragspartner
                                                                                   durch konzertierte, einheitliche Anforderungen
BERICHTERSTATTUNG                                                                  (z.B. mittels Verhaltenskodex) die richtige Rich-
                                                                                   tung zu weisen und die Berichterstattung zu er-
—    Eine Zertifizierung oder externe Unternehmens-                                leichtern. Auch hier sollte der Dialogansatz im
     bewertung für Nachhaltigkeit kann mit einem                                   Vordergrund stehen, um zuverlässigere, langfris-
     hohen Kostenaufwand für externe Dienstleistun-                                tige und risikoärmere Partnerschaften zu för-
     gen verbunden sein. Damit sich dieser Aufwand                                 dern.
     lohnt, sollten sich Unternehmen intern gut vor-
     bereiten, indem sie z. B. über vorhandene inter-
     ne Unfallstatistiken und weitere soziale Indikato-
     ren Bericht erstatten. Dies wäre auch in Anbe-
     tracht zukünftiger, strikterer Richtlinien und Ge-
     setze sinnvoll sein. Von einem Nachhaltigkeits-
     bericht profitieren dann nicht nur direkte Ver-
     tragspartner, sondern auch weitere Stakeholder
     wie Personal oder Investoren.

13           Whitepaper—Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche
Kleinere Unternehmen im Blickpunkt

                                                        Fast 90 % der Betriebe
                                                        im Bauhauptgewerbe
                                                        stellten 2020 weniger als
                                                        19 Beschäftigte [15].

— Laut den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und
  Menschenrecht sind alle Unternehmen, auch kleine
  und mittelständische Unternehmen (KMUs), in der
  Verantwortung, Menschrechte und die Umwelt ent-
  lang ihrer (internationalen) Liefer- und Wertschöp-
  fungsketten zu schützen sowie entsprechende
  Maßnahmen umzusetzen.
— KMUs sollten daher möglichst umgehend darauf
  vorbereitet werden, die sich daraus ergebenen
  (gestiegenen) Anforderungen zu verstehen und be-
  fähigt werden, Sorgfaltsprozesse zu etablieren.
  Umgekehrt sollten Einkaufsorganisationen ihr Lie-
  ferkettenmanagement nicht auf Vertragsklauseln
  und Verhaltenskodizes beschränken, sondern ihre
  Lieferanten aktiv unterstützen.
— Darüber hinaus sollten sie auch praktische Unter-
  stützung dafür leisten, dass ihre Vertragspartner
  diese Bedingungen einhalten können. KMUs, die
  kompetent Kundenanforderungen umsetzen können
  und die Lieferkettentransparenz fördern, könnten
  dadurch einen handfesten Wettbewerbsvorteil erzie-
  len.
— Um dem erhöhten Informationsbedarf entlang der
  Lieferkette gerecht zu werden, wird vor allem das
  Engagement von KMUs gefordert sein. Auch wenn
  im Sinne des Prinzips der Angemessenheit die An-
  forderungen an KMUs grundsätzlich niedriger sind,
  entlässt sie dies nicht aus ihrer Pflicht.
— Eine verantwortungsvolle Gestaltung der Liefer-
  ketten dient nicht nur dem Schutz der Lieferanten,
  sondern bringt auch dem Abnehmer Stabilität und
  Sicherheit. Dementsprechend kann eine Investition
  in nachhaltige Beschaffungs- und Managementsy-
  steme gewinnbringend für beide Seiten sein.
— Ob sich die Last der zusätzlichen Anstrengungen um
  mehr Lieferkettentransparenz unverhältnismäßig
  stark auf kleinere Marktteilnehmer verlagern wird,
  hängt davon ab, ob die Branche kooperativ und kol-
  laborativ mit den Anforderungen umgehen wird.
Was ist zu tun?

Mit dem Sorgfaltspflichtengesetz bietet sich der Baubranche die Gelegen-
heit, Anforderungen an menschenrechtliche und umweltbezogene Sorg-
faltspflicht detailliert zu analysieren, frühzeitig richtige Prioritäten zu bes-
timmen und konkrete Maßnahmen umzusetzen. Angesichts der Komplex-
ität der Herausforderung müssen bereits jetzt praxisorientierte Lösungen
entwickelt und der Dialog mit relevanten Stakeholdern begonnen werden.

Unabhängig des Gesetzes ist es jedem Unternehmen in der Branche zu
empfehlen, sich eingehend mit seinen individuellen Umwelt- und
Menschenrechtsrisiken sowohl im eigenen Betrieb, als auch in seiner Lie-
ferkette auseinanderzusetzen. Die Baubranche wird in Zukunft noch
häufiger daran gemessen werden, wie nachhaltig sie Wertschöpfung be-
treiben kann und ob sie die Chancen für einen Perspektivwechsel rechtzei-
tig zu nutzen weiß.
Sustainability and Digital Solutions
     Erfahren Sie hier mehr.

Die Bereitstellung nachhaltiger Lösungen steht bei AFRY
im Mittelpunkt. Heutige Herausforderungen verlangen
ganzheitliche Ansätze, da Systeme ineinander greifen
und die Wirtschaft international vernetzt ist. Unser
sektorübergreifendes Fachwissen hilft uns, komplexe
Probleme aus einer ganzheitlichen Perspektive zu be-
trachten und praktische Lösungen zu finden.

Wir unterstützen Sie dabei, Kreislaufwirtschaft in Ihrem
Unternehmen umzusetzen, CO2 zu reduzieren, transpa-
rente Lieferketten aufzubauen und Ihre Erfolge klar zu
kommunizieren. Nachhaltigkeitsberichte, ISO 14001 und
Life Cycle Assessments sind nur ein Schritt zu einer
nachhaltigen Geschäftsentwicklung.

17         Whitepaper—Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche
KONTAKT

Achim Huber

Abteilungsleiter Sustainability & Digital Solutions
achim.huber@afry.com

Daniel Weiß

Head of Programme Green Economy
weiss@adelphi.de

18         Whitepaper—Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche
Quellenverweise

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  gHZL6yWBcgrIuYTbaipu-ap5                                                    A4isches-sorgfaltspflichtengesetz/
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  Stellungnahmen/sorgfaltspflichtengesetz-deutsche-
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  zahlen-fakten/branchenstruktur/umsatzstruktur
                                                                              __blob=publicationFile

19            Whitepaper—Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflicht in der Baubranche
AFRY ist ein führendes            adelphi ist eine unabhängige
europäisches Unternehmen für      Denkfabrik und führende Be-
Ingenieur-, Design- und Be-       ratungseinrichtung für Klima,
ratungs- dienstleistungen mit     Umwelt und Entwicklung. Unser
globaler Präsenz.                 Auftrag ist die Stärkung von
                                  Global Governance durch
                                  Forschung, Beratung und Dia-
Den Wandel zu einer nachhal-      log.
tigeren Gesellschaft bringen
                                  Das geplante deutsche Sorg-
wir als Unternehmen voran.
                                  faltspflichtengesetz greift auf
Wir sind 17.000 engagierte        Beratungs- und Forschungsar-
Experten in den Bereichen         beiten zurück, mit denen adel-
Infrastruktur, Industrie, Ener-   phi den Prozess rund um unter-
gie und Digitalisierung, die      nehmerische Sorgfaltspflichten
nachhaltige Lösungen für          in Liefer- und Wertschöp-
kommende Generationen             fungsketten maßgeblich unter-
schaffen.                         stützt hat. adelphi unterstützt
                                  darüber hinaus insbesondere
                                  kleineren Unternehmen dabei,
Making Future                     schrittweise das Konzept der
                                  unternehmerischen Sorgfalt
                                  umzusetzen.
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