Mord unter Dienstmädchen - Wien

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Mord unter Dienstmädchen - Wien
KRIMINALGESCHICHTE

              Mord unter Dienstmädchen
     Im verschneiten Wald im Mürztal fand ein Bub am 25. Jänner 1906 die Leiche einer jungen Frau.
        Es handelte sich um ein Dienstmädchen aus Wien, das ermordet und beraubt worden war.

         ien,     1906:    Etwa                                                               und erschrak. In einer Mulde

W        90.000, vor allem jun-
         ge Frauen waren in den
Haushalten der Residenz- und
                                                                                              lag eine tote Frau. Neben der
                                                                                              Toten lag ein offenes Taschen-
                                                                                              messer. Der Bub holte seinen
Reichshauptstadt als Dienst-                                                                  Vater, der mit einem Nachbarn
mädchen beschäftigt. Die meis-                                                                die Leiche besichtigte. Im
ten stammten aus Böhmen,                                                                      Schnee befanden sich Blutspu-
Mähren, Nieder- und Ober-                                                                     ren. Der Nachbar berichtete in
österreich, Ungarn und anderen                                                                einem Gasthaus in Kapellen
Ländern der Monarchie. Sie                                                                    von der Leiche und ging mit ei-
hatten viele Pflichten, aber nur                                                              nem Jäger und anderen Wirts-
wenig Rechte.                                                                                 hausgästen zum Fundort. Sie
    Viele Dienstmädchen träum-                                                                bemerkten, dass um den Hals
ten davon, einen anständigen                                                                  der Toten eine Schnur ge-
Mann zu heiraten und versorgt                                                                 schlungen war und der Hals ei-
zu sein, wie die aus dem Mürz-                                                                ne tiefe Schnittwunde aufwies.
tal in der Steiermark stammen- Dienstmädchenmörderinnen Friedericke und Marie Zeller.            Der Jäger erkannte die Tote
den Schwestern Friederike und                                                                 als jene Frau, die am Tag zuvor
Marie Zeller. Friederike, geboren am     Tod ihrer Eltern hatte sie Geld geerbt,     in das Gasthaus Eder in Stojen gekom-
25. Juni 1879 in Alpl bei Neuberg an     etwas mehr als 10.000 Kronen. Diese         men war, begleitet von zwei Frauen.
der Mürz, kam 1899 nach Wien und         Summe entspricht heute einer Kaufkraft      Der Jäger informierte den Bürgermeis-
war bis Juni 1905 mit Unterbrechungen    ca. 50.000 Euro, Da diese Summe vor         ter von Kapellen vom mutmaßlichen
Stubenmädchen in Gasthäusern und Ho-     der Währungsreform 1892 5.000 Gul-          Mord und der Bürgermeister verstän-
tels. Sie lernte Josef „Peppo“ Prohaska  den entsprach, hatte Maier im Café          digte die Gendarmerie in Neuberg. Ein
kennen, der sich als wohlhabender        Schinagl in der Singerstraße, wo sie fast   Gendarm telegrafierte noch am Abend
Opernsänger ausgab, tatsächlich aber     täglich verkehrte, den Spitznamen           an das Bezirksgericht Mürzzuschlag.
verschuldet war. Sie wollte ihn heiraten „Fünftausendgulden-Köchin“. Das Geld        Eine Gerichtskommission besichtigte
und er wollte ihr Geld. Die beiden blie- hatte sie auf einem Sparkassabuch und       gegen 23 Uhr den Leichenfundort. Geld
ben wiederholt die Miete schuldig, lie-  einem Depotschein bei der Kommunal-         und Wertgegenstände fehlten.
ßen in Lokalen oft die Zeche aufschrei-  Sparkasse angelegt. Maier, die außer ei-
ben und lockten anderen Menschen         ner Tante keine Angehörigen mehr hat-          „Anwendung großer Gewalt“. Nach
Geld heraus.                             te, hielt es nirgends lang aus, sie scheute dem Lokalaugenschein wurde die Lei-
    Friederikes Schwester Marie, ge-     schwere Arbeiten und war seit Dezem-        che in die Totenkammer nach Kapellen
nannt „Mizzi“, geboren am 18. Mai        ber 1904 arbeitslos. Sie wohnte danach      gebracht, wo noch in der Nacht die ge-
1888 in Neuberg, kam als sehr junges     in verschiedenen Wohnungen als „Bett-       richtliche Obduktion vorgenommen
Mädchen nach Wien. Ihr Vater war         geherin“. Sie behauptete, sie habe es       wurde. Laut Obduktionsbefund hatte die
Werksarbeiter, die Mutter starb früh.    nicht notwendig, anderen Leuten zu die-     Leiche „am Hals zwischen Kehlkopf
Zwei weitere Schwestern waren eben-      nen, denn sie könne von den Zinsen ih-      und Zungenbein eine waagrecht verlau-
falls Dienstmädchen in Wien. Mizzi       rer Ersparnisse leben.                      fende, 14 cm lange, sämtliche Weichtei-
war meist arbeitslos, sie hatte einen        Marie Maier kannte die beiden Zel-      le durchtrennende scharfrandige und
leichtfertigen Lebenswandel und suchte   ler-Schwestern, weil Mizzi einige Zeit      spitzwinkelige      Kontinuitätstrennung.
in Cafés Männerbekanntschaften, um zu    in der gleichen Wohnung in der Singer-      Auf dem Grunde dieser lag eine zwei-
etwas Geld zu kommen. Ab November        straße Untermieterin war. Maier gab ihr     fach um den Hals geschlungene, an der
                                                                                                                                 FOTO: ILLUSTRATION IN DER KÄRNTNER ZEITUNG, 8.2.1906

1905 war sie als Bufett- und Blumen-     im Dezember 1905 etwas Geld. Friede-        rechten Halsseite mit drei starken Kno-
mädchen beschäftigt.                     rike forderte ein Darlehen von Maier,       ten zusammengefügte Zuckerschnur,
                                         doch diese lehnte ab.                       die um den Hals überall eng und in der
    „Fünftausend-Gulden-Köchin“. Ma-                                                 Wunde selbst um die Wirbelsäule an-
rie Maier, geboren am 11. Mai 1878 in        Blutige Frauenleiche. Ein zehnjähri-    lag“. Die Gefäße waren beiderseits glatt
Wien, arbeitete fallweise als Dienst-    ger Bub aus Raxen in der Gemeinde           durchtrennt und zwischen dem zweiten
mädchen in der Heimatstadt. Sie wohn-    Kapellen im Mürztal fuhr am 25. Jänner      und dritten Halswirbel war die Wirbel-
te in Untermiete in der Singerstraße im  1906 am Nachmittag mit Schlittschuhen       säule fast durchschnitten. Der Tod sei
ersten Bezirk. Im Unterschied zu den     einen Hohlweg hinab. Etwa 400 Meter         „infolge der Durchschneidung der sämt-
meisten anderen Dienstmädchen hatte      vor seinem Elternhaus fiel ihm an der       lichen Weichteile am Halse, teils durch
Maier ein bescheidenes Vermögen und      Böschung eine Schleifspur im Schnee         Verblutung, teils durch Lungenlähmung
prahlte auch damit. Nach dem frühen      auf. Der Bub stieg die Böschung hinauf      eingetreten“. Die Verletzung sei „zwei-

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Mord unter Dienstmädchen - Wien
DIENSTMÄDCHENMORD

                                                          fellos mit einem scharfschneidenden In-                                                     könne dort als Sänger viel Geld verdie-
                                                          strumente beigebracht“ worden, und                                                          nen. Friederike wollte die „Fünftau-
                                                          zwar „unter Anwendung großer Ge-                                                            send-Gulden-Köchin“ vergiften und for-
                                                          walt“. Die Schnitte hätten binnen weni-                                                     derte ihre Schwester auf, von einem ih-
                                                          ger Minuten den Tod herbeigeführt.                                                          rer Bekannten Morphium oder ein ande-
                                                                                                                                                      res Gift zu besorgen. Marie fragte
                                                             Falsche Fährte. Aufgrund der Aussa-                                                      abends im Colosseum Ärzte und andere
                                                          gen des Jägers und anderer Zeugen, die                                                      Männer, ob sie ihr Morphium besorgen
                                                          drei Frauen im Gasthaus Eder in Stojen                                                      könnten. Sie nannte als Verwendungs-
                                                          oder an anderen Orten im Mürztal gese-                                                      zweck unter anderem, sie müsse ihren
                                                          hen und ihr auffallendes Verhalten be-                                                      Hund vergiften, sie wolle Selbstmord
                                                          obachtet hatten, sahen die Gendarmen                                                        verüben oder sie wolle eine Tante be-
                                                          im Fremdenbuch des Gasthauses Eder                                                          täuben und ihr das Testament wegneh-
                                                          nach. Dort fand sich der Vermerk „Ber-                                                      men, weil sie ein angenommenes Mäd-
                                                          ta und Rosina Schweiger“ aus Wiener                                                         chen als Erbin vorgesehen hätte. Die
                                                          Neustadt und in der Rubrik „Beglei-                                                         Männer lehnten ab, aber ein Arzt über-
                                                          tung“ war „Marie Matausch“ aus Graz                                                         reichte Mizzi ein weißes Pulver. Es han-
                                                          eingetragen.                                                                                delte sich aber nicht um Morphium, wie
                                                             Die Gendarmen brachten in Erfah-                                                         vom Mediziner behauptet, sondern um
                                                          rung, dass nur zwei der drei Frauen mit                                                     zerstampften Zucker.
                                                          dem Zug nach Wien zurückgereist wa-                                                             Friederike und Mizzi Zeller überre-
                                                          ren. Sie telegrafierten zur Polizeidirekti-   „Fünftausend-Gulden-Köchin“:                  deten Marie Maier, mit ihnen das Mürz-
                                                          on Wien und ersuchten um Unterstüt-           Mordopfer Marie Mayer.                        tal, ihre Heimat, zu besuchen. Als sie
                                                          zung bei der Ausforschung von „Berta                                                        am 24. Jänner 1906 in der Früh im Süd-
                                                          und Rosina Schweiger“ als mutmaßli-              „Ihr das Sterben erleichtert“. Bei ei-     bahnhof in den Zug eingestiegen waren,
                                                          che Mörderinnen von „Marie Ma-                ner Gegenüberstellung forderte Friede-        wollte Maier wieder aussteigen. Friede-
                                                          tausch“. Die Ausforschung gestaltete          rike ihre Schwester Mizzi auf, nichts         ricke hielt sie zurück. In Mürzzuschlag
                                                          sich schwierig. Ein Foto der Ermorde-         zuzugeben, sie sei nicht schuld. Nach         hielten sie sich einige Stunden auf. Frie-
                                                          ten fehlte. Die Erhebungen nach den           mehreren Einvernahmen schilderte Frie-        derike kaufte Wein und getrocknete Fi-
                                                          Schwestern „Schweiger“ verliefen im           derike folgende Tatversion: Marie Mai-        sche. Die salzigen Fische sollten Maier
                                                          Sande, aber „Marie Matausch“ wurde in         er habe wegen einer unglücklichen Lie-        durstig machen. Friederike mischte das
                                                          Innsbruck ausgeforscht. Sie war unver-        be den Wunsch gehabt, zu sterben und          angebliche Morphiumpulver in den
                                                          sehrt und behauptete, noch niemals von        wollte mit dem Zug nach Graz fahren.          Wein. Maier weigerte sich aber, den
                                                          „Berta und Rosina Schweiger“ gehört           Friederike und Mizzi Zeller hätten sie        Wein zu trinken. Offenbar ahnte sie et-
                                                          zu haben.                                     begleitet, aber unterwegs habe Maier          was.
                                                             Erst als am 3. Februar die Beschrei-       beschlossen, nach Neuberg in das                  Mit dem Abendzug fuhren die drei
                                                          bung der Leiche und der Kleider in Ta-        Mürztal zu fahren. Im Raxental habe           Frauen von Mürzzuschlag nach Kapel-
                                                          geszeitungen veröffentlicht wurde, kam        sich Maier umbringen wollen und gebe-         len. Als die Dienstmädchen beim Gast-
                                                          Bewegung in die Ermittlungen. Eine            ten, allein gelassen zu werden. Als Frie-     haus Eder in Stojen vorbeikamen, riss
                                                          Näherin gab im Polizeikommissariat            derike nach einiger Zeit zurückgekom-         sich Maier los und lief zum Gasthaus.
                                                          Mariahilf an, dass es sich bei der Toten      men sei, habe Maier ein Messer in der         Die Schwestern forderten sie auf, wei-
                                                          um Marie Maier handeln könnte. Diese          Hand und einen Strick um den Hals ge-         terzugehen, sie würden in einem ande-
                                                          habe vom Juni bis zum September 1905          habt und aus dem Hals geblutet. Sie ha-       ren Gasthaus übernachten, es sei nicht
                                                          bei ihr in der Magdalenenstraße ge-           be gesagt, dass es ihr nicht gelungen sei,    mehr weit. Maier weigerte sich aber,
                                                          wohnt. Danach habe sie mit Marie re-          sich zu töten, und sie habe Friederike        deshalb beschlossen die Frauen, im
                                                          gelmäßig Kontakt gehabt. Seit drei Wo-        aufgefordert an ihrem Selbstmord mit-         Gasthaus Eder zu übernachten.
                                                          chen habe sie aber keine Nachricht            zuwirken. Daraufhin habe Friederike               Am nächsten Tag brachen die Frauen
                                                          mehr von ihr erhalten.                        den Strick um Maiers Hals fester zuge-        Richtung Raxental auf. Friederike infor-
                                                             Nun konzentrierten sich die Ermittler      zogen, bis sie zu röcheln aufgehört ha-       mierte ihre Schwester, dass sie nun
                                                          auf den Bekanntenkreis von Marie Mai-         be, „um ihr das Sterben zu erleichtern“.      Maier mit einem Strick erdrosseln wol-
FOTO: ILLUSTRATION IN DER ILL. KRONEN-ZEITUNG, 9.2.1906

                                                          er und bald stießen sie auf Friederike        Ihre Schwester Marie sei schuldlos, sie       le. Im Wald rissen die Schwestern ihre
                                                          und Mizzi Zeller, die zuletzt in Beglei-      sei vorher umgekehrt und habe vom             Begleiterin zu Boden. Friederike drück-
                                                          tung der Verschwundenen gesehen wor-          Drama nichts mitbekommen.                     te Maier die Kehle zu, bis sie blau im
                                                          den waren. Die Schwestern wurden am              Für die Kriminalisten ergab sich           Gesicht und bewusstlos wurde. Friederi-
                                                          4. Februar in der Früh nach durch-            nach den Einvernahmen und Ermittlun-          ke schlang der Bewusstlosen eine
                                                          schwärmter Nacht in ihren Wohnungen           gen folgender Tatablauf: Die verschul-        Schnur um den Hals und zog fest zu.
                                                          verhaftet. Friederickes Freund Josef          dete Friederike Zeller wollte an das          Dann zogen die Schwestern die Be-
                                                          Prohaska wurde ebenfalls in Polizeige-        Geld von Marie Maier kommen, ihren            wusstlose über eine eineinhalb Meter
                                                          wahrsam genommen. Die Schwestern              Freund Peppo Prohaska heiraten und            hohe Böschung auf einen Weg und leg-
                                                          behaupteten, Marie Maier nicht zu ken-        mit ihm nach St. Petersburg auswan-           ten sie in eine Mulde. Friederike schnitt
                                                          nen und auch nicht im Mürztal gewesen         dern. Prohaska hatte behauptet, er hätte      mit einem Messer tief in den Hals des
                                                          zu sein.                                      im russischen Zarenreich Kontakte und         Opfers und legte dann die Schnur genau

                                                          ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 3-4/22                                                                                                     69
Mord unter Dienstmädchen - Wien
D E R TO D D E R F Ü N F TAUS E N D - GU L D E N - K Ö C H I N

                                                                                         „Selbstmord“ gewesen sei. Marie wi-
                                                                                         derrief am 28. März 1906 in der U-Haft
                                                                                         ihr Geständnis. Das am Tatort gefunde-
                                                                                         ne Messer gehörte Friederike Zeller.

                                                                                             Tod durch den Strang. Friederike
                                                                                         wurde wegen Raubmordes und anderer
                                                                                         Delikte angeklagt, ihre Schwester we-
                                                                                         gen Beihilfe zum Mord. Friederikes Ge-
                                                                                         liebter Josef Prohaska musste sich we-
                                                                                         gen Vorschubleistung verantworten. Bei
                                                                                         der Schwurgerichtsverhandlung Anfang
                                                                                         Juli 1906 wurde Friederike wegen
                                                                                         Raubmordes, Betruges und Übertretung
                                                                                         gegen öffentliche Anstalten und Vor-
                                                                                         kehrungen zum Tod durch den Strang
                                                                                         verurteilt. Ihre Schwester Marie wurde
                                                                                         wegen entfernter Mitschuld am Mord
                                                                                         unter Anwendung des außerordentli-
                                                                                         chen Milderungsrechts zu einer Kerker-
Festgenommene wurden 1906 in Wien mit dem „Grünen Heinrich“ transportiert.
Automobile gab es bei der Wiener Polizei erst ab 1910.                                   strafe in der Höhe von drei Jahren
                                                                                         schweren Kerkers verurteilt, verschärft
um die Wunde. Sie glaubte, sie könne        Dienstboten als „Marie Maier, Köchin         durch Fasten an einem Tag im Monat.
so den Selbstmord Maiers vortäuschen.       aus Wien I., geboren 11. Mai 1878, frü-          Friederike erhob über ihren Strafver-
Währenddessen betete Marie Zeller bei       her wohnhaft Singerstraße 8, Tür 45“         teidiger Nichtigkeitsbeschwerde, zog
einem Wegkreuz in der Nähe des Tator-       ein. Sie ersuchte den Unterkunftgeber,       sie aber bald zurück. Kaiser Franz Jo-
tes, dass der Mord nicht aufkommen          sie möglichst bald anzumelden und sag-       seph I. sah gnadenhalber von der Ver-
möge. Friederike nahm die Handtasche        te, sie werde am nächsten Tag erst wie-      hängung der Todesstrafe ab, worauf der
und Wertgegenstände der Leblosen an         derkommen, weil sie mit ihrem Vereh-         Oberste Gerichtshof die Todesstrafe in
sich.                                       rer, einem Fabrikanten aus New York,         zwanzig Jahre schweren Kerkers um-
    Am Nachmittag kamen die beiden          noch bis zu dessen Abreise im Hotel          wandelte, verschärft durch Dunkelhaft
Schwestern in die Bahnhofsgastwirt-         Triest wohnen werde. Am nächsten Tag         und Fasten an jedem Jahrestag der Tat.
schaft in Kapellen. Auf dem Weg wur-        bat sie abermals, sie rasch anzumelden       Bald nach der Verurteilung präsentierte
den sie von einer Frau beobachtet, wie      und verschob den Einzug auf den 30.          Friederike eine neue Tatversion: Nicht
sie ihre Kleider im Schnee reinigten. Im    Jänner.                                      sie, sondern ein Verehrer Maiers wäre
Bahnhof entsorgte Friederike die leere          Am 1. und 3. Februar hob Friederike      der Mörder gewesen. Sie nannte auch
Handtasche Maiers. Die Schwestern           vom Sparbuch Geld ab, um Kleider für         den Namen des angeblichen Mörders.
fuhren nach Mürzzuschlag und stiegen        sich und ihre Schwester zu kaufen. Ei-       Polizei und Gericht sahen aber keinen
in den Zug nach Wien um.                    nen Teilbetrag übergab sie ihrem             Anlass, den Fall wieder aufzurollen.
    In Wien begann Friederike mit Täu-      Freund Prohaska, um den Mietzins zu              Josef Prohaska wurde wegen Vor-
schungshandlungen. Sie schrieb an die       bezahlen. Die beiden Schwestern konn-        schubleistung freigesprochen. Er wurde
Inhaberin der Wohnung in der Singer-        ten den Depotschein allerdings nicht         aber noch vor Prozessende wegen Dar-
straße eine mit „Marie Maier“ unter-        einlösen, weil er an ein Losungswort         lehensbetrug, Wechselfälschung, Hei-
zeichnete Karte, in der sie erwähnte, sie   gebunden war. So liehen sie sich bei ei-     ratsschwindel und weiteren Betrügerei-
habe sich am Fuß verletzt und sei bei       nem Kaufmann Geld aus und übergaben          en wegen Fluchtgefahr verhaftet.
ihrer Tante am Lerchenfelder Gürtel ge-     ihm den Depotschein als Sicherheit.              Friederike und Marie Zeller wurden
blieben. Die Wohnungsinhaberin möge         Friederike unterschrieb die Empfangs-        zur Strafverbüßung in die „Weiberstraf-
alle Gegenstände in Maiers Koffer pa-       bestätigung mit „Marie Maier“.               anstalt“ Vigaun in Krain gebracht, das
cken, der von einem Dienstmann abge-            Friederike plante, mit Prohaska aus      damals zur Steiermark gehörte.
holt und zur Tante gebracht werde. Frie-    Wien abzureisen, um einer Verhaftung                                 Werner Sabitzer
derike wies aber den Dienstmann an,         zu entgehen. Währenddessen tat ihre
den Koffer in ihre Wohnung in der Rie-      Schwester, was sie schon immer gerne             Quellen/Literatur:
mergasse zu bringen, wo sie vor ihrer       tat, in neuen, schönen Kleidern: Tags-           Der Raubmord an Marie Maier.
Abreise bei einer Weißnäherin ein Zim-      über besuchte sie das Café Schinagl und      Wichtigkeit der polizeilichen Meldezet-
mer gemietet hatte. Friederike brach        abends das Colosseum – bis sie und ihre      tel. In: Öffentliche Sicherheit, Nr. 23-
den Koffer auf und stahl das Arbeits-       Schwester am 4. Februar verhaftet wur-
                                                                                                                                     FOTO: LPD WIEN/POLIZEIARCHIV

                                                                                         24/1924, S. 68-72.
buch, ein Sparkassabuch und einen De-       den.                                             Der Mord im Raxental. In: Illustrier-
potschein der Kommunal-Sparkasse.               Während der Untersuchungshaft ließ       te Kronen Zeitung, 8. Februar 1906, S.
Am 27. Jänner mietete Friederike bei ei-    Friederike ihrer Schwester über Mit-         2-5.
nem Ehepaar in der Gellertgasse ein         häftlinge Kassiber zukommen, worin sie           Der Mordprozess gegen das Ge-
Zimmer und trug sich auf einem von ihr      Marie ersuchte, nichts zuzugeben und         schwisterpaar Zeller. In: Illustrierte
selbst mitgebrachten Meldezettel für        auch sie nicht zu belasten, weil es ja ein   Kronen Zeitung, 2. Juli 1906, S. 2-9.

70                                                                                              ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 3-4/22
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