Neue Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission
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Fortbildung -- Schwerpunkt Neue Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission Wichtige Hausarztrolle: Impflücken schließen -- Autorin: L. Sanftenberg Gerade während einer Pandemie ist es wichtig, an alle empfohlenen Impfungen zu denken. Nachfolgend werden die aktuellen Neuerungen der Impfmedizin entsprechend der Ständigen Impfkommission (STIKO) – mit Ausnahme von Impfungen gegen COVID-19 – skizziert. © Halfpoint / stock.adobe.com (Symbolbild mit Fotomodellen) Wesentliche inhaltliche Ergänzungen zu den In Deutschland gibt es sowohl für Erwachsene als Empfehlungen 2021 der STIKO auch für Kinder allgemein empfohlene Impfungen, die der Gefahr von Ausbrüchen verschiedener Die aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impf- impfpräventabler Erkrankungen neben COVID-19 kommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut wur- vorbeugen sollen. Verordnungsdaten aus dem den am 27.01.2022 im Epidemiologischen Bulletin Jahr 2021 zeigen jedoch für Routineimpfungen der 04/2022 veröffentlicht [2]. Inhaltliche Ergänzungen gesetzlich Versicherten einen Rückgang von bis zu im Vergleich zu den bisherigen Empfehlungen be- 59% [1]. treffen die Aktualisierung des Abschnitts „Hinweise 36 MMW Fortschr Med. 2022; 164 (8)
FORTBILDUNG -- SCHWERPUNKT zur Durchführung von Schutzimpfungen“ inkl. Abb. 1 Impfschema der HPV-Impfung einem neuen Teil zu „Impfungen zum Schutz der re- produktiven Gesundheit, bei Kinderwunsch und Standardempfehlung: 2-Dosen-Schema während Schwangerschaft und Stillzeit“. Kinder und Jugendliche von 9–14 Jahre Impfungen zum Schutz vor sexuell 5–13 Monate übertragbaren Krankheiten Nachholimpfung: 3-Dosen-Schema Impfungen gegen die sexuell übertragbaren Krank- Jugendliche von 14–17 Jahre heiten Hepatitis B und Humanes Papillomvirus © L. Sanftenberg (HPV) sind Teil des Standardimpfkalenders von Säuglingen im 1. Lebensjahr (Hepatitis B) bzw. 1–2 Monate 6–12 Monate Dr. rer. nat. Linda S anftenberg Kindern im Alter von 9–14 Jahren (HPV) [2]. Institut für Allge- meinmedizin, LMU Die meisten Hepatitis-B-Infektionen werden sexuell Klinikum München übertragen und treten bei jungen Erwachsenen auf. Auch darüber hinaus kann noch geimpft werden, Andere Übertragungswege (z. B. Kontakt mit infi- wenn bereits sexuelle Erfahrungen gemacht wurden zierten Körperflüssigkeiten oder Bagatellverletzun- oder Kontakt mit einem HPV-Typ bestand. Die Imp- gen) sind aber grundsätzlich möglich und daher fung ist ohne Altersbegrenzung zugelassen [6]. Aller auch für Kinder relevant. Die Impfempfehlung gegen dings zeigt sich in Studien, dass sich etwa 40% der Hepatitis B im Säuglingsa lter ist aber nicht in der Frauen in den ersten 1 bis 2 Jahren nach Beginn der Häufigkeit begründet, sondern dem besonders ho- sexuellen Aktivität infizieren. Laut Bundeszentrale hen Risiko für chronische Verläufe. Während es bei für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) waren 2019 infizierten Erwachsenen in 10% der Fälle zu einem 64% der 18-jährigen Frauen deutscher Herkunft und chronischen Verlauf mit einer möglichen Entwick- 64% der 18-jährigen Männer deutscher Herkunft lung von Leberzirrhosen oder Leberzellkarzinomen sexuell aktiv [7]. Weiterhin konnte gezeigt werden, kommt, liegt der Anteil bei einer Erkrankung im dass jüngere Kinder und Jugendliche deutlich bes Säuglings- und Kindesa lter bei bis zu 90%. sere Immunantworten nach der Impfung entwickeln Weiterhin ist der Impfschutz gegen Hepatitis B als ältere – ein weiteres Argument für einen frühen Bis zu als 6-fach-Kombinationsimpfung im Säuglingsalter Start der HPV-Impfserie [3, 8]. 59% leicht im Rahmen einer U-Untersuchung (Früherken- nungsuntersuchung beim Kinderarzt) zu integrie- ren, sodass ein geringer organisatorischer Aufwand Nachholimpfungen bei Frauen im gebärfähigen Alter ging die Zahl der Routine impfungen von gesetzlich entsteht. Die Impfung muss nur verschoben werden, Die STIKO empfiehlt Frauen im gebärfähigen Alter Versicherten im Jahr 2021 wenn das Kind eine schwere, behandlungsbedürft ige die zweimalige Impfung gegen Röteln mit einem zurück [1]. Erkrankung hat. Falls die Impfung im Säuglingsa lter Kombinationsimpfstoff gegen Mumps, Masern und versäumt wurde, wird eine Nachholimpfung bis zum Röteln (MMR-Impfstoff). Eine fehlende Zweitimp- 18. Geburtstag empfohlen. fung sollte unbedingt nachgeholt werden. Die zeit- Das Ziel der HPV-Impfung von Mädchen und Jun- gleiche Immunisierung gegen Masern ist sinnvoll, gen ist die Reduktion der Krankheitslast durch HPV- da an Masern erkrankte Schwangere ein erhöhtes induzierte Tumore. Persistierende HPV-Infektionen Pneumonierisiko haben. Es wurden auch vermehrt können neben Genitalwarzen zu Zellveränderungen vorzeitige Wehen, Frühgeburten und Spontanaborte und Krebserkrankungen im Bereich des Gebärmut- beobachtet. Eine Maserninfektion am Ende des terhalses, der Vagina und Vulva, des Penis, des Anus 3. Trimenons bzw. perinatal kann beim Kind zu neo- und im Rachenraum führen. natalen Masern führen. [9] Weiterhin wird serone- Für einen zuverlässigen Schutz ist der Impfzeitpunkt gativen Frauen eine zweimalige Varizellenimpfung entscheidend: Die Impfserie sollte vor Aufnahme empfohlen, um eine schwere Erkrankung des unge- jeglicher sexueller Kontakte abgeschlossen sein [2] borenen Kindes zu vermeiden [10]. (Abb. 1). Dann kann eine Reduktion des Auftretens Gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen ste- von Gebärmutterhalskrebs um bis zu 87% und den hen nur Lebendimpfstoffe zur Verfügung, die in der entsprechenden Krebsvorstufen (z. B. CIN 3 um bis Schwangerschaft kontraindiziert sind. Deshalb soll- zu 97%) erwartet werden [3, 4]. Weiterhin konnte in ten bei Frauen im gebärfähigen Alter bestehende Deutschland ein statistisch signifikanter Rückgang Impflücken rechtzeitig geschlossen werden. Nach des Risikos für die Entwicklung von Genitalwarzen einer Impfung mit einem Lebendimpfstoff sollte eine bei Frauen im Alter von 24–27 Jahren auf die Imp- Schwangerschaft für einen Monat vermieden wer- fung gegen HPV zurückgeführt werden (4,7% gegen- den. Erfolgte eine versehentliche Impfung mit einem über 1,7%; p = 0,0018) [5]. Eine Nachholimpfung Lebendimpfstoff in der frühen Schwangerschaft, ist wird bis zum 18. Geburtstag empfohlen (Abb. 1). ein Schwangerschaftsabbruch jedoch nicht indiziert. MMW Fortschr Med. 2022; 164 (8) 37
FORTBILDUNG -- SCHWERPUNKT häufigen Spontanaborte damit in Zusammenhang Abb. 2 Kokon-Impfstrategie gegen Pertussis gebracht werden. Impfungen gegen saisonale Influ- enza und Pertussis werden in jeder Schwangerschaft von der STIKO ausdrücklich empfohlen. Das primäre Impfziel der Influenza-Impfung von Schwangeren ist die Vermeidung schwerer Krank- heitsverläufe, während die Pertussis-Impfung in der Schwangerschaft die Erkrankungen bei Neugebore- nen und jungen Säuglingen reduzieren soll. Ist die in Schwangere Bei erhöhter Haushalts- im 3. Gefahr von mitglieder der Schwangerschaft empfohlene Impfung gegen Trimenon Frühgeburt: und künftige Pertussis nicht erfolgt, sollte die Mutter bevorzugt in vorziehen ins Bezugspersonen: den ersten Tagen nach der Geburt geimpft werden. 2. Trimenon spätestens 4 Speziell vor Geburt eines Kindes sollte überprüft ©L. Sanftenberg Wochen vor werden, ob ein adäquater Immunschutz (Impfung Geburt innerhalb der vergangenen 10 Jahre) gegen Pertussis für enge Haushaltskontaktpersonen und enge Kon- taktpersonen des Neugeborenen besteht (sogenannte Fehlende oder unvollständige Impfungen gegen „Kokon-Strategie“) (Abb. 2). Tetanus, Diphtherie und Polio sollten ebenfalls ent- sprechend den allgemeinen Empfehlungen der Impfungen in der Stillzeit STIKO nachgeholt werden. Bei fehlendem Impf- Stillende können alle von der STIKO empfohlenen Impfungen mit schutz sollte eine Impfung gegen Hepatitis B erfol- Impfungen mit Ausnahme der Gelbfieber-Impfung einem gen. Die Übertragung von der meist chronisch infi- erhalten. Die Mutterschaftsnachsorge-Untersuchung Lebendimpf- zierten Mutter auf das Kind ist die Hauptursache der am Ende des Wochenbetts bietet sich besonders für stoff sind in der Hepatitis B bei infizierten Kindern. Im Gegensatz zu die Impfprophylaxe an. Müttern, bei denen keine Schwanger- Lebendimpfungen ist nach erfolgter Impfung mit 2 Impfstoffdosen gegen Röteln dokumentiert sind, schaft einem Totimpfstoff kein Zeitabstand zum möglichen sollten 2 MMR-Impfstoffdosen im (Mindest-)Ab- grundsätzlich Eintritt einer Schwangerschaft zu berücksichtigen. stand von 4 Wochen verabreicht werden. kontraindiziert. Impfungen in der Schwangerschaft Hepatitis A & B als Teil der Impfungen mit einem Lebendimpfstoff (z. B. MMR Gesundheitsuntersuchung bei Erwachsenen oder Varizellen) sind in der Schwangerschaft grund- Besser als jede Therapie ist eine erfolgreiche Präven- sätzlich kontraindiziert. Eine Impfung mit dem Le- tion. Folgerichtig hat der Gemeinsame Bundesaus- bendimpfstoff gegen Gelbfieber darf in der Schwan- schuss (G-BA) die Gesundheitsuntersuchung (GU) gerschaft nur bei eindeutiger Indikation und nur für Erwachsene in den 1980er-Jahren eingeführt und nach sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung verab- danach immer wieder angepasst [11, 12]. Die letzte reicht werden. Neuerung trat am 12.02.2021 in Kraft und empfiehlt Totimpfstoffe gelten als sicher für die Schwangere u. a. ein Screening auf eine Hepatitis-B- (HBV) und und den Fetus. Daher stellt die Schwangerschaft eine Hepatitis-C-Virusinfektion (HCV). Die Suche keine Kontraindikation für die Gabe von Totimpf- nach Risikofaktoren wird nun also um die Suche stoffen dar (z. B. gegen Influenza, Tetanus, Diph nach spezifischen Erkrankungen ergänzt und kann therie, Pertussis, Hepatitis A und B). Im ersten Drit- seit Oktober 2021 durchgeführt und zu Lasten der tel der Schwangerschaft sollten nur dringend in gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgerech- dizierte Impfungen durchgeführt werden, um zu net werden. vermeiden, dass die in der Frühschwangerschaft Das Screening auf eine Hepatitis-B- und eine Hepa- titis-C-Virusinfektion ist wichtig, da diese unerkannt zu massiven Organschäden führen können. Im äußersten Fall kann eine Lebertransplantation not- Abb. 3 Empfohlenes Impfschema bei positivem wendig werden. Gleichzeitig sind beide Infektionen HBV/HCV-Befund zuverlässig diagnostizierbar und therapierbar [13]. HBV positiv HCV positiv Auf internationaler Ebene soll das standardisierte Screening helfen, das Ziel der Weltgesundheitsorga- Bei positivem Befund: nisation (WHO) zu erreichen: Die Elimination der Impfung wegen medizinischer © L. Sanftenberg beiden Virusstämme weltweit bis 2030 [14]. Indikation gegen Abhängig vom jeweiligen Screeningergebnis kann HAV HAV und HBV eine Hepatitis-Impfung gegen den jeweils anderen 38 MMW Fortschr Med. 2022; 164 (8)
FORTBILDUNG -- SCHWERPUNKT Patienten ohne passenden Immunschutz identifiziert Abb. 4 Modell der partizipativen Entscheidungsfindung werden. Die ausreichende Immunisierung der Patienten ist ohne Zweifel eine der wertvollsten Präventionsmaß- Partizipative nahmen. Wichtig ist, die Patienten schon bei der Ter- Entscheidungsfindung minvergabe an das Mitbringen des Impfpasses zu erinnern. Viel zu häufig wird dieser zu Hause ver- Medizinisches gessen, sodass eine vollumfängliche Impfberatung Patient sowie -dokumentation unnötig erschwert werden. Fachpersonal Dialogbasierter Informations- Vorgehen bei fehlender Impfdokumentation austausch Ist der Impfausweis nicht auffindbar, sollte versucht Dialogbasiertes werden, die Informationen zu früher durchgeführ- Abwägen von ten Impfungen aus ärztlichen Unterlagen zu ermit- Optionen teln. Ggf. kann auf Basis der dokumentierten Impf anamnese ein neuer Impfausweis ausgestellt werden. Subjektive Bedürfnisse Entscheidungs- Klinische Kompetenz und Bei unbekanntem Impfstatus, d. h. bei fehlender oder Modifiziert nach [19, 21] und Präferenzen findung evidenzbasiertes Wissen unvollständiger Dokumentation von Impfungen, ist im Interesse der zu schützenden Person von fehlen- Partnerschaft den Impfungen auszugehen. Anamnestische Anga- ben zu bisherigen Impfungen oder durchgemachten Krankheiten sind mit Ausnahme von Varizellen oft unzuverlässig und sollten bei der Planung von Nach- Virusstamm bei den Betroffenen sowie engen Kon- holimpfungen nicht berücksichtigt werden. In Ein- taktpersonen indiziert sein (Abb. 1). Es gilt also: Ein zelfällen ist ein hiervon abweichendes Vorgehen ver- positiver HBV-Nachweis sollte zu einer Impfung tretbar [2]. gegen Hepatitis A bei den Betroffenen und engen Kontaktpersonen führen, ein positiver HCV-Nach- Wann sind Antikörperbestimmungen indiziert? weis zu einer Impfung gegen Hepatitis A & B (ggf. Serologische Kontrollen zur Klärung der Notwen- Kombipräparate einsetzen). Gegen Hepatitis C und digkeit von Nachholimpfungen sind nur in Ausnah- andere Formen der Virushepatitis steht kein Impf- mefällen sinnvoll, da die in klinischen Laboratorien stoff zur Verfügung (Abb. 3). verwendeten Testmethoden häufig keine ausreichen- Weiterhin haben seit 2021 alle gesetzlich Versicher- de Sensitivität und Spezifität aufweisen. Für manche ten zwischen dem vollendeten 18. und dem vollen- impfpräventablen Krankheiten (z. B. Pertussis) exis- deten 35. Lebensjahr einen Anspruch auf eine ein- tiert kein sicheres serologisches Korrelat, das als Sur- malige GU. Für Versicherte ab 35 Jahren wurde das rogatmarker für Immunität geeignet wäre. Ferner Untersuchungsintervall von 2 auf 3 Jahre verlängert. lässt die Antikörperkonzentration keinen Rück- Die Etablierung Darüber hinaus wurden inhaltliche Erweiterungen, schluss auf eine möglicherweise bestehende zelluläre von u. a. die Impfanamnese, beschlossen [3]. Fehlende Immunität zu. Grundsätzlich gilt, dass routine Recall- Impfungen sollen möglichst vollständig nach den mäßige Antikörperbestimmungen vor oder nach Systemen in aktuellen Empfehlungen der STIKO nachgeholt wer- Standardimpfungen nicht angebracht sind [2]. Aus- der ärztlichen den [2]. Dabei gehört die Impfung gegen Hepatitis A nahmen bilden die Überprüfung des Impferfolges Praxis führt nicht zu den Standardimpfungen, ist also eine reine bei Personen mit Immundefizienz [16] sowie zum nachweislich Indikationsimpfung. Nachweis des Schutzes gegen Hepatitis B bei Perso- zur Steigerung Die Impfung gegen Hepatitis B wird seit 1995 für alle nen mit einer Impfindikation [2]. von Säuglinge, Kinder und Jugendliche als Kombina Impfquoten. tionsimpfung empfohlen. Seit Einführung der Impfmanagement und Impfkommunikation 6-fach-Impfstoffe im Jahr 2000, die auch Hepatitis B in der täglichen Praxis abdecken und seit 2020 nach STIKO-Empfehlung in Da es vielen Patienten schwerfällt, den Überblick einem reduzierten 2+1-Schema verimpft werden sol- über nötige Impfungen zu behalten und selbst len, wird diese Option stärker wahrgenommen [15]. ständig Termine zu vereinbaren, ist es sinnvoll, ein Es ist davon auszugehen, dass die meisten der heute (digitales) Impfmanagementsystem in der ärztlichen 20-Jährigen (und jüngere Menschen) eine Impfung Praxis zu implementieren. Mit Hilfe von Erin gegen Hepatitis B erhalten haben. Da das Screening nerungsschreiben, Anrufen oder Kurznachrichten im Rahmen der GU aber erst ab einem Alter von 35 werden Patienten an fällige Impfungen erinnert. Sol- Jahren vorgesehen ist, werden hierbei noch einige che Recall-Systeme lassen sich mit Hilfe der ver- MMW Fortschr Med. 2022; 164 (8) 39
FORTBILDUNG -- SCHWERPUNKT schiedenen Arztsoftware-Systeme leicht etablieren [17]. Sie führen nachweislich zu einer Steigerung von Impfquoten, gerade auch bei vulnerablen Patienten wie chronisch Kranken [18]. Partizipative Entscheidungsfindung Neben dieser technischen Unterstützung ist es aber auch besonders wichtig, Patienten partizipativ in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen. Es konn- te gezeigt werden, dass Impfquoten bei Erwachsenen in der ambulanten Versorgung (z. B. gegen Influen- za und Pneumokokken) am effektivsten erhöht wer- den konnten, wenn ein nicht-ärztlicher Praxismitar- Impfberatung: beiter die Patientenaktivierung (z. B. in Form von Er- Werden Patienten in die Entscheidungs- innerungen bei der Terminvereinbarung) übernahm findung partizipativ und erste Fragen zu anstehenden Impfungen beant- mit einbezogen, wortete. Die finale Entscheidung über die anstehende erhöht dies die Impf- bereitschaft. Impfung sollte aber zwischen Arzt und Patient ge- troffen werden. [19] Studien, in welchen alle Schritte der partizipativen Entscheidungsfindung (Patientenaktivierung, dialog basierter Informationsaustausch, verantwortungs- bewusste Entscheidungsfindung) ausschließlich durch den Arzt erfolgten, waren weniger effektiv [19, 20]. Dieser Ansatz fußt auf der Vorstellung einer partnerschaftlichen Beziehung zwischen Patient und Praxismitarbeitern [21] (Abb. 4). Insgesamt bieten sich also zahlreiche Möglichkeiten in der täglichen Praxis, das Impfangebot für ver- schiedene Patienten in unterschiedlichen Lebens- phasen zu optimieren. Dabei ist der Abbau prakti- Literatur scher Barrieren ein wichtiger Schritt, die zuverlässige als Zusatzmaterial unter Erinnerung an ausstehende Impfungen und eine ver- springermedizin.de/mmw trauensvolle Gesprächsführung weitere Bausteine. Title: Vaccination without COVID - So können Patienten gemeinsam mit Praxismitar- recommendations from the beitern und Ärzten eine verantwortungsbewusste STIKO Impfentscheidungen treffen. ■ Keywords: Adolescents, pregnant Autorin: women, health examination, Dr. rer. nat. Linda Sanftenberg shared decision making Institut für Allgemeinmedizin LMU Klinikum, Campus Innenstadt Pettenkoferstraße 8a (Post: 10), D-80336 München, linda.sanftenberg@med.uni-muenchen.de FAZIT FÜR DIE PRAXIS 1. Der Impfstatus bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen © MCG (Medical Consulting Group) (Symbolbild mit Fotomodellen) sollten v. a. vor Beginn des ersten Sexualkontakts bzw. vor Beginn einer möglichen Schwangerschaft regelmäßig über- prüft und ggf. komplettiert werden. INTERESSEN 2. Vorsorgeuntersuchungen wie z. B. die Gesundheitsunter KONFLIKT suchung (GU) bei Erwachsenen schaffen hierfür einen ge- Es bestehen keinerlei eigneten Rahmen. Interessenkonflikte. 3. Neben digitalen Impfmanagementsystemen ist v. a. eine vertrauensvolle und partizipative Gesprächsführung eine wichtige Grundlage, um Impflücken zu schließen. MMW Fortschr Med. 2022; 164 (8) 41
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