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Strategien und Methoden für die bedürfnisgerechte Versorgung alternder Drogenkonsumierender in Deutschland Christina Padberg, Heino Stöver ISFF – Institut für Suchtforschung an der Frankfurt University of Applied Sciences Kontakt: Jean Nico Pierre, Projektleitung Fondation Jugend- an Drogenhëllef 93, rue d’Anvers Luxembourg Post Code: L-1130 Luxembourg
Strategien und Methoden für die bedürfnisgerechte Versorgung alternder Drogenkonsumierender in Deutschland Christina Padberg, Heino Stöver ISFF – Institut für Suchtforschung an der Frankfurt University of Applied Sciences Projektpartner_innen: Juni 2018
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ..............................................................................................................................1 Vorwort .....................................................................................................................................................2 1. Problematischer Drogenkonsum in Deutschland ...............................................................................3 2. Problematischer Drogenkonsum älterer Menschen ...........................................................................4 2.1 Eindrücke: Expert_innenmeinungen ...........................................................................................7 3. BeTrAD Good-Practice-Collection: Beispiele guter Versorgungspraxis .............................................9 3.1 Woodstock, Den Haag (NL) ...................................................................................................... 10 3.2 Konnex, Wien (AUT) ................................................................................................................ 10 3.3 Drogenberatungsstelle „komm-pass“, Düsseldorf (DE) ............................................................. 11 3.4 Plan B gGmbH, Pforzheim (DE) ............................................................................................... 13 3.5 Projekt LÜSA, Unna (DE) ......................................................................................................... 14 3.6 Betreutes Wohnen Kriegkstraße, Frankfurt am Main (DE) ........................................................ 15 3.7 Haus Im Stift – Bethel Stiftung, Gevelsberg (DE) ..................................................................... 16 4. BeTrAD Toolbox: Online-Tool zur Wissensvermittlung .................................................................... 17 5. BeTrAD Training Curriculum: Schulungskonzept ............................................................................. 17 6. Handlungsempfehlungen................................................................................................................. 19 6.1 Handlungsempfehlungen auf Europäischer Ebene ................................................................... 19 6.2 Handlungsempfehlungen für Deutschland ................................................................................ 21 7. Literaturverzeichnis ......................................................................................................................... 23
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: The Drug Problem in Germany at a Glance (EMCDDA 2017b) ..........................................3 Abbildung 2: Entwicklung des Durchschnittsalters aller problematisch Opioid-Nutzenden bei Aufnahme in Behandlung in EU-22* (Daten von EMCDDA 2015) ..............................................................................5 Abbildung 3: Anzahl der gesammelten Beispiele, die Drogenkonsumierende in den einzelnen Ländern aufnehmen und /oder auf deren Versorgung abzielen (N = 113, 27 Länder).............................................9 1
Vorwort Der gesundheitlich-sozialen Versorgung älter werdender Drogenkonsumierender in Deutschland kommt immer größere Bedeutung zu. Dank verbesserter Behandlungs- und Betreuungsbedingungen (v.a. Substitutionsbehandlung für Opioidabhängige (OST), Harm Reduction Angeboten, Betreutes Wohnen) haben viele problematisch Opioidkonsumierende mittlerweile eine höhere Lebenserwartung. In den letzten Jahren ist das Thema in Deutschland zunehmend Gegenstand von Fachtagungen, Publikationen und Forschungsarbeiten geworden. In diesem, im Rahmen des Erasmus+ Projektes „BeTrAD“ („Better Treatment for ageing Drug User“) erschienenen National Report Deutschland, werden verschiedene Daten, Strukturen und Aspekte der europaweiten aber vor allem nationalen Versorgung älterer Opioidkonsumierender aufgegriffen, aktualisiert und beispielhaft dargestellt. So werden strukturelle Hintergründe und Studienergebnisse für die Versorgungsstruktur alternder Opioidabhängiger aufgegriffen. Zudem werden jüngere Beispiele guter Praxis in der Versorgung älter werdender Drogenabhängiger in Europa und Deutschland dargestellt und Handlungsempfehlungen auf nationaler und europäischer Ebene gegeben. Wir bedanken uns an dieser Stelle herzlich bei allen Projektpartner_innen und Interviewpartner_innen, die mit ihrer wissenschaftlichen Recherchen und ihrer Zuarbeit an der Zusammenstellung der Ergebnisse dieses Berichts mitgewirkt haben und wünschen allen ansprechende Informationen zum Thema sowie gute Anregungen für die Praxis. Frankfurt am Main im Juni 2018 Heino Stöver, Christina Padberg 2
1. Problematischer Drogenkonsum in Deutschland Um einen ersten Eindruck zum problematischen Drogenkonsum der 53.422.103 15- 64jährigen Menschen in Deutschland lebenden Personen zu erhalten, veröffentlicht die EMCDDA jedes Jahr eine Grafik mit den wichtigsten, drogenbezogenen Daten, individualisiert für die jeweiligen europäischen Länder. Abbildung 1: The Drug Problem in Germany at a Glance (EMCDDA 2017b) In Deutschland haben im letzten Jahr 13,3% der 18-34-Jährigen Cannabis konsumiert, wohingegen der Konsum von Amphetaminen, MDMA und Kokain mit 1,2% bis 1,9% anteilmäßig gering ausfällt. Cannabis stellt mit 39% die am häufigsten konsumierte Substanz beim Übergang in eine Behandlung dar. An zweiter Stelle werden hier mit 33% Opioide genannt. In Deutschland gibt es knapp über 160.000 riskant Opioidkonsumierende, von denen sich 78.800 (1.7.2017), also knapp die Hälfte in Opioid- Substitutionstherapie befindet. Bei der Anzahl der Überdosierungen zeichnet sich seit 2012 ein leichter Anstieg von weniger als 1.000 bis auf 1.226 im Jahr ab. Ebenso nimmt die Anzahl an HIV- Neuinfektionen seit dem Tiefpunkt 2011 stetig zu und lag im Jahr 2015 bei 134. Die Statistik zählte im Jahr 2017 330.000 Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtmG). Die größten beschlagnahmten Anteile an Substanzen waren Cannabis, gefolgt von Kokain. Die drittgrößte beschlagnahmte Stoffmenge bildet Haschisch. Heroin wurde in am wenigsten großen Mengen beschlagnahmt. 3
2. Problematischer Drogenkonsum älterer Menschen Die sich in Europa verändernde demografische Struktur hat Auswirkungen auf viele Politikbereiche in europäischen Ländern, z.B. Bildung, Wohnen, Medizin und Pflege. Der Bedarf an medizinischer Behandlung und medizinischer Versorgung, ambulanter Pflege, Spezialwohnungen und Mobilität wird für die europäischen Länder und Gemeinden in Zukunft eine große finanzielle Belastung darstellen (EMCDDA 2013). In der Europäischen Union gibt es etwa 510.060.000 Menschen (15 bis 64 Jahre) und etwa 1.300.000 Opioidkonsumierende mit problematischem Konsum. Diese Zielgruppe stellt einen kleinen Anteil von 0,4% in der gesamten europäischen Bevölkerung dar (EMCDDA 2015 und EMCDDA 2017a), weshalb diesem kleinen Teil der Bevölkerung statistisch häufig keine Beachtung zukommt. Opioide, hauptsächlich Heroin, wurden 2008 von der überwiegenden Mehrheit (65%) der älteren Drogenkonsumierenden über 40 Jahre in der Europäischen Union als primäre, problematisch konsumierte Substanz angegeben (EMCDDA 2010). Der Anteil dieser älteren Opioidkonsumierenden wird anhand einer Stichprobe von 2015 auf 36,3% in ganz Europa geschätzt. Während 2006 der Anteil der Opioidabhängigen über 40 Jahren, die sich in Behandlung begaben, bei einem von fünf lag, lag er 2015 bereits bei zwei von fünf Personen (EMCDDA 2017a). Viele Langzeit-Opioidkonsumierende in Europa sind bereits in ihren 40ern oder 50ern. In den meisten europäischen Ländern, nimmt die Anzahl derer, die 40 Jahre und älter sind bereits einen wesentlichen Anteil an - aufgrund der erwarteten Überalterung in Zukunft wird prognostiziert, dass diese Zahl sich erhöhen wird. Einige europäische Länder berichten bereits von Durchschnittsaltern von 40 Jahren oder sogar älter für Menschen, die eine Behandlung aufgrund problematischen Opioidkonsums aufsuchen (EMCDDA 2015). Die meisten europäischen Länder beobachten außerdem eine zunehmende Anzahl älterer Drogenkonsumierender, die sich in Behandlung begeben. Die Daten der EMCDDA aus dem Jahr 2008 (EMCDDA 2010) stellen einen Behandlungsbedarfsindikator für mehr als 450.000 Drogenkonsumierende dar, die sich in spezialisierten Einrichtungen behandeln lassen - 82.000 dieser waren 40 Jahre oder älter. 4
Entwicklung des Durchschnittsalters aller problematisch Opioid-Nutzenden bei Aufnahme in Behandlung in EU-22* 38 Mean Age [in years] 37 37,2 37,3 36,6 36 35,9 35 35,2 34,1 34,5 34 33,6 33 32,7 33 32 31 30 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Year Abbildung 2: Entwicklung des Durchschnittsalters aller problematisch Opioid-Nutzenden bei Aufnahme in Behandlung in EU-22* (Daten von EMCDDA 2015) *Verschiebungen in der Altersstruktur im Laufe der Zeit von Behandlungseinsteigern mit Opioiden als Primärdroge: Es sind nur Länder mit mindestens 10 Jahren verfügbarer Daten enthalten (in Ländern mit nur 10 Jahren Daten werden Daten aus dem letzten Jahr kopiert). Auf europäischer Ebene stieg das Durchschnittsalter der Opioidkonsumierenden im Jahr 2006 von 32,7 Jahren auf 37,3 Jahre in 2015 an. Es gibt 680.000 Opioidkonsumierende in der Opioidsubstitutionsbehandlung, was ungefähr 50% aller Nutzenden entspricht. Auf europäischer Ebene liegen keine Daten über ältere (40 Jahre+) Opioidkonsumierende in OST vor (EMCDDA 2010, 2017a). In den meisten europäischen Ländern gibt es gar keine altersspezifischen, in einigen Ländern oder bestimmten Regionen dieser Länder existieren punktuelle Daten. Der Drogenaktionsplan der Europäischen Union von 2009-2012 enthält eine Reihe von Maßnahmen zur Verringerung der Nachfrage nach Drogen, Prävention, Behandlung und Schadensminimierung. Ziel dieses Drogenaktionsplans ist es, die Mitgliedstaaten aufzufordern, die Qualität und Wirksamkeit solcher Dienste auch unter Berücksichtigung spezifischer Bedürfnisse (einschließlich altersbezogener) zu verbessern. Im Jahr 2010 hat jedoch keine nationale Drogenpolitik der Mitgliedstaaten eine Strategie zur Behandlung älterer Drogenkonsumierender geschaffen. In einigen europäischen Ländern sind ältere Erwachsene als gefährdete Gruppe für das Risiko von Alkohol- und Drogenproblemen aufgeführt. Dies beinhaltet jedoch hauptsächlich den Missbrauch von rezeptfreien Medikamenten (EMCDDA 2010). Im jüngsten EU-Drogenaktionsplan 2017-2020 werden Altern und Drogenkonsum ebenfalls ausdrücklich als Teil der Verringerung der Drogennachfrage aufgeführt (1): […] Maßnahme 6: Entwickeln und erweitern Sie die Vielfalt, Verfügbarkeit, Abdeckung und Zugänglichkeit evidenzbasierter umfassender und integrierter Behandlungsangebote. Es ist sicher zu stellen, dass diese Angebote den polytoxen Drogenkonsum (kombinierte Verwendung illegaler und legaler Substanzen einschließlich psychoaktiver Arzneimittel, Alkohol und Tabak) und die sich abzeichnenden Bedürfnisse der alternden drogenkonsumierenden Bevölkerung und geschlechtsspezifische Probleme ansprechen. (siehe European Union 2017). 5
In der Debatte über demografische Veränderungen in der Gesellschaft sind Fragen in Zusammenhang mit alternden Drogenkonsumierenden zwar relevant, kamen aber in vielen Mitgliedstaaten noch nicht zur Sprache. In den meisten europäischen Ländern existieren bereits Richtlinien und Angebote sowie Pilotprojekte, die auf ältere problematisch Nutzende von legalisierten Substanzen wie Alkohol- oder Medikamenten abzielen. Das Thema der älteren Alkoholkonsumierenden und Drogenmissbrauchenden ist bereits Teil der nationalen Drogenaktionspläne vieler Länder in Europa. Es gibt viele nationale Strategien zu Alter und Medikamenten sowie älteren Menschen und Alkoholmissbrauch. In einigen europäischen Ländern gibt es z.B. strengere Vorschriften für das Verschreiben von Benzodiazepinen, Beruhigungsmitteln usw. ab einer bestimmten Altersgrenze. Ziel ist es hierbei, die Verfügbarkeit von Informationen für Patient_innen und verschreibende Mediziner_innen zu verbessern, um die sicherere Anwendung von Medikamenten zu unterstützen (Cerreta et al. 2012). Alles in allem sind alternde Drogenkonsumierende zwar Teil der Aktionspläne, der Versorgung wurde aber in vielen europäischen Ländern noch nicht aufgegriffen. Einige spezifische Punkte in Bezug auf die Bereitstellung von Sozialleistungen und die Finanzierung der Versorgung alternder Drogenkonsumierender (EMCDDA 2010, 2013) sind bisher ungeklärt. Die meisten europäischen Sozialsysteme beruhen auf der Verbesserung der finanziellen Situation von Menschen in Not oder auf der Verbesserung ihrer Beschäftigungschancen oder anderer Aspekte, z.B physischer oder psychischer Gesundheit. Die Sozialleistungen in einigen Ländern werden ergebnisorientiert ausgezahlt, so dass es für Menschen ohne Beschäftigungserfahrungen (was bei vielen langfristig problematisch Substanzkonsumierenden der Fall ist) kein (ausreichendes) Recht auf finanzielle Unterstützung oder Gesundheitsversorgung gibt. In einigen Mitgliedstaaten könnte die finanzielle Unterstützung für Medikamente für alternde Drogenkonsumierende ein Problem darstellen. Es gibt Modelle, bei denen die finanzielle Unterstützung für die medizinische Behandlung von Pensionsfonds gedeckt. Sie arbeiten nach dem Grundsatz, dass die Ausgaben für die Drogenbehandlung durch die künftige Versicherung dieser Person durch den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt hergestellt werden soll. Alternde Drogenkonsumierende, eine gefährdete Gruppe mit hohem Unterstützungsbedarf, haben häufig gesundheitliche und soziale Begleiterkrankungen, die es ihnen schwer oder fast unmöglich machen, über den Arbeitsmarkt vermittelt zu werden. Die kontinuierliche Finanzierung und Behandlung älterer Drogenkonsumierenden stellt daher ein großes Problem unter den europäischen Interessengruppen dar (EMCDDA 2017b). Es scheint, dass sich die Ansätze der aktuellen europaweiten Debatte darüber, wie problematisch Drogenkonsumierende zur Behandlung motiviert, ihre soziale Situation verbessert sowie Abstinenz oder der Eintritt in Rehabilitationsprogramme einzutreten gefördert werden können, bisher hauptsächlich auf die Bedürfnisse und die Situation jüngerer Drogenkonsumierender beziehen. Die bestehenden Wohlfahrtsmodelle und die nationalen Drogenpolitiken bedienen die Bedürfnisse älterer Drogenkonsumierenden nur unzureichend. Für diese Zielgruppe müssen alternative Strategien zur sozialen Reintegration entwickelt werden. 6
Die genannten demografischen Entwicklungen der Gesamtbevölkerung spiegeln ebenfalls im Drogen- und Altenhilfesystem in Deutschland wieder. In den Drogenhilfeeinrichtungen sowie Substitutionsambulanzen steigt die Zahl der älteren Drogenkonsumierenden stetig an. Drogenpolitische Reformen, die eine bessere medizinische Versorgung, Harm Reduction Angebote, wie Spritzentausch und Konsumräume und OST ermöglichen, haben dazu beigetragen, dass die Zahl der HIV- und Hepatitis-C-Neuinfektionen und das Mortalitätsrisiko gesunken ist (Robert-Koch-Institut 2016). Drogenkonsumierende, sofern sie Zugang zu oben aufgeführten Angeboten haben (Konsumräume sind z.B. nicht flächendeckend in Deutschland vorhanden), können somit länger überleben als zuvor und ihr Durchschnittsalter hat sich stetig erhöht. In Deutschland leben momentan schätzungsweise 40.000 rein Opioidkonsumierende oder solche mit Mischkonsum verschiedener illegalisierter Substanzen, die 40 Jahre und älter sind. „Eine Verdoppelung dieser Zahl wird für die nächsten Jahre prognostiziert.“ (Schiffer 2017, S. 69). Laut der Landesauswertung der Computergestützten Basisdokumentation der Suchthilfe in Hessen (COMBASS) 2015 ist beispielsweise die Klientel der hessischen ambulanten Suchthilfe im Durchschnitt 40,8 Jahre alt (Männer 42,6, Frauen 40,1 Jahre). Das Durchschnittsalter der Opioidkonsumierenden liegt bei 42,8 Jahren (Männer 41,6, Frauen 43,3 Jahre). Aus dieser Gruppe sind mittlerweile 40% mindestens 45 Jahre alt (nach Hauptdiagnosen ausgewertet) (Becker 2017). 2.1 Eindrücke: Expert_innenmeinungen Das Drogenreferat der Stadt Frankfurt bestätigt das ansteigende Durchschnittsalter unter den Abhängigen auf Grundlage der Daten der Konsumraumdokumentation des Instituts für Suchtforschung Frankfurt (ISFF), sowie Szenebefragungen und Altersangaben der Nutzenden von Drogenhilfeeinrichtungen und Substitutionsambulanzen. Als spezialisierte Angebote für die Zielgruppe in Frankfurt werden exemplarisch die Tagesstätte „Bahnweg für psychisch/physisch Beeinträchtigte ohne Altersgrenze“ sowie das dazugehörigen Betreuten Wohnen, das Eschenbachhaus für schwer Erkrankte mit pflegerischer Möglichkeit und das Franziskushaus als Palliativeinrichtung für Pflegebedürftige genannt. Alle anderen Angebote der Drogen- und Suchthilfe stehen zudem allen offen. Das Drogenreferat (gemeinsam mit dem Jugend- und Sozialamt) bietet seit 2017 in Kooperation mit Trägern der Sucht- und Altenhilfe die AG Schulungskonzept für ambulante und stationäre Altenhilfe an, welche sich hauptsächlich mit der (größeren) Zielgruppe der im Alter mit dem Konsum legalisierter Substanzen Beginnenden, aber auch zunehmend mit alternden Drogenabhängigen beschäftigt. Das Schulungskonzept dient der Unterstützung der Altenhilfe, zielt jedoch vor allem auf Problemerkennung, Umgang und Weitervermittlung an die Suchthilfe bzw. den Einbezug der Drogenhilfe sowie der Beratungsstelle „Sucht im Alter“. 2014 fand als Grundlage der Kooperation ein Austausch in Form eines World-Cafés mit Teilnehmenden von Selbsthilfe, Drogenhilfe, Altenhilfe, Sozialamt etc. statt, bei welchem Problemlagen erörtert wurden - mit dem Ziel, gemeinsame Wege zur Problemlösung zu finden. Als Ergebnis wurden 2015 eine 7
Lenkungsgruppe sowie ein Beirat zum Thema „Sucht im Alter“ (legalisierte Substanzen) gebildet. Die formulierten Ziele wie Sensibilisierung der Altenhilfe, Zugang zur Suchthilfe erleichtern oder Vernetzung der Themen verbessern, wurden erarbeitet. Zudem wurde eine Infobroschüre für Senior_innen in Zusammenarbeit mit Beratungsstellen der Sucht- und Drogenhilfe entwickelt und unter anderem in Einrichtungen der Altenhilfe verteilt. Politische/ gesetzliche Regelungen oder Änderungen sind keine in Kraft getreten. Die Vernetzung zwischen Drogen- und Altenhilfe in Frankfurt wird aktuell ausgebaut. Die Hauptproblematik ergibt sich besonders im Feld der Abhängigen mit instabilem Allgemeinzustand und wenig Sozialkontakten, vor allem nach der Entlassung aus dem Krankenhaus, wo häufig nur die Notschlafstellen bleiben, die nicht krankengerecht sind. Kurzzeitpflege ist hierbei keine Dauerlösung: Problematisch bleibt, der Zugang für Menschen mit langer Konsumgeschichte sowie physischen und psychischen Beeinträchtigungen in pflegerische Versorgung. Vergleichbare Betrachtungen finden wir in der Suchthilfepraxis außerhalb von Frankfurt. Auch in Bielefeld steigt das Durchschnittsalter der Zielgruppe seit 10-15 Jahren stetig an, vor allem in den Substitutionsstellen. Einrichtungen wie LÜSA Unna, die Kriegkstraße in Frankfurt oder das FELIX Pflegeteam Berlin sind in der Drogenhilfe bekannt sowie einige Projekte in Aufbau (z. B. Düsseldorf: stationäre Altenpflege für zu versorgende Drogenkonsumierende). Hier werden aktuell einige Veränderungen und Entwicklungen wahrgenommen. Die größte Barriere, wird in der pflegerischen Versorgung (finanziell und ethisch) der spezifischen Klientel gesehen, z. B. durch nicht klar geregelte Substitutionsbehandlung in der Altenpflege, trotz der am 15.03.2017 bundesweit in Kraft getretenen Änderung der BtmVV, durch welche Substitutionsbehandlung nicht nur am Wohnort sondern auch in Rehakliniken, Hospizen und Pflegeeinrichtungen gewährleistet werden soll (Bundesministerium für Gesundheit 15.03.2017). Die Expertin aus der Praxis sieht außerdem besondere Lücken in der Wohnraumversorgung mit spezialisiertem, ambulanten Unterstützungsangebot, außerdem sollte eine bessere Zusammenarbeit zwischen Altenpflege und Drogenhilfe angestrebt sowie weiterhin Fortbildungen für Sucht- und Pflegeeinrichtungen ausgebaut und angeboten werden. 8
3. BeTrAD Good-Practice-Collection: Beispiele guter Versorgungspraxis In letzter Zeit haben sich aufgrund des bereits eingetretenen Versorgungsbedarfes Beispiele guter Versorgungspraxis entwickelt. Um diese Beispiele innerhalb der Europäischen Union identifizieren zu können, wurde in BeTrAD ein Fragebogen entwickelt, mit dem europaweit Angebote gesammelt wurden. Gleichzeitig wurde eine Stakeholder-Analyse durchgeführt, um relevante europäische Expert_innen auf diesem Gebiet zu ermitteln, die Beispiele für gute Praxis beschreiben können. Anhand von Indikatoren, die in Zusammenarbeit mit allen Projektpartner_innen vordefiniert wurden und anhand derer die verschiedenen Beispiele überprüft und bewertet wurden, wurde eine Rangliste mit finalen Angebotsbeispielen (ca. 20-25) gebildet. Für Länder außerhalb der Projektpartner_innen-Länder wurden aus den eigenen Netzwerken Schwerpunktpersonen ausgewählt, die in den Bereichen Schadensminderung, Gesundheits- und Suchthilfe tätig sind (oder eng damit verbunden sind). Diese zentralen Personen wurden gebeten, mögliche Beispiele in den Ländern zu ermitteln. Die Fragen zielten vor allem auf Merkmale wie, ob spezifische Dienstleistungen angeboten werden, die Anzahl der Angestellten, Fachkräfte, etc. Darüber hinaus konzentrierten sich die offenen Fragen darauf, die Ziele und Methoden ihrer Dienste zu beschreiben und Barrieren oder Probleme mit der Zielgruppe zu benennen. Das Best-Practice-Assessment selbst umfasste mehrere Auswahlrunden, die die Anzahl der Beispiele von 131 auf 25 und schließlich auf 19 filterte. Es wurden nur wenige Beispiele gefunden, die ausschließlich für alternde Drogenkonsumierende gedacht sind, viele Beispiele decken eine breitere Zielgruppe ab und es gibt eine Vielzahl von Dienstleistungen stationär, ambulant). Es existieren nur wenige Projekte, die sowohl ambulante als auch langfristige Lösungen anbieten. 25 Total 20 Targets/accomodates aging users Has specific services 15 10 5 0 Abbildung 3: Anzahl der gesammelten Beispiele, die Drogenkonsumierende in den einzelnen Ländern aufnehmen und /oder auf deren Versorgung abzielen (N = 113, 27 Länder). 9
3.1 Woodstock, Den Haag (NL)1 Woodstock ist eine seit 2008 bestehende Einrichtung für alternde, obdach- bzw. wohnungslose Alkohol- und Drogenkonsumierende der Stadt Den Haag und dem niederländischen Psychiatriedienstleister Parnassia Groep. Seit 2013 können dort bis zu 36 Personen aufgenommen werden. Für Woodstock wurde ein Konzept erarbeitet, das an die Bedarfe der älteren Drogengebrauchenden angepasst wurde. Angeboten werden eine unbefristete Wohnmöglichkeit, drei Mahlzeiten täglich, niedrigschwellige Arbeitsangebote, Wohnbegleitung sowie niedrigschwellige hausärztliche und psychiatrische Versorgung (auch OST) (Schulte-Wefers 2014). Das Team arbeitet multiprofessionell und setzt sich aus Sozialarbeitenden, Mediziner_innen, Krankenpflegenden und Psycholog_innen zusammen – als Voraussetzung für die adäquate Versorgung von Begleiterscheinungen aufgrund des langjährigen Drogenkonsums. Die Aufnahmekriterien sind niedrigschwellig gehalten. Aufgenommen werden Personen, die therapieresistent, d.h. mehrere erfolglose Entgiftungen bzw. gescheiterte abstinenzorientierte Therapieversuche hinter sich haben, schwerstabhängig (länger als 20 Jahre konsumieren), obdachlos, 45 Jahre oder älter und Einwohnende von Den Haag sind (Parnassia Groep 2018). Ausschlusskriterien sind körperliche Aggressivität, akute psychiatrische Erkrankung, schwere körperliche Erkrankung mit hohem Pflegeaufwand und akute Suizidalität. Eine Kooperation besteht mit anderen Einrichtungen der Parnassia Groep sowie mit den bestehenden Institutionen der Nachbarschaft (Schulte-Wefers 2014). 3.2 Konnex, Wien (AUT)2 Bei KONNEX handelt es sich zwar nicht um spezialisierte Angebote für ältere Drogengebrauchende, doch stehen sie als gutes Beispiel für integrative Strategien durch ihre Vermittlungsfunktion zwischen dem Klientel der Drogengebrauchenden, Mitarbeitenden und Institutionen des allgemeinen Gesundheits- und Sozialsystems, um den Zugang und die Behandlung zu bzw. durch bestehende Angeboten zu verbessern. Das Fachberatungsangebot Konnex der Sucht- und Drogenkoordination Wien hat das Ziel, die Betreuung von Suchtkranken in den unterstützten Einrichtungen durch individuelle Fachberatung und praxisnahe Wissensvermittlung zu verbessern und zu erleichtern (vgl. Preitler 2017). Den Mitarbeitenden der nachfragenden Einrichtungen, werden fachliche Beratung und Weiterbildung angeboten, z.B.: - Teilnahme an Teambesprechungen der Einrichtungen - „Runde Tische“ vor Ort (praxisorientierte Fortbildungen in Form von Diskussionsrunden und Workshops) 1 https://www.parnassia.nl/onze-locaties/woodstock-den-haag 2 https://sdw.wien/de/behandlung-und-betreuung-2/liaisondienste/konnex/ 10
- Vorträge zu suchtspezifischen Themen - Suchtspezifische Beratung der MitarbeiterInnen - E-Mail- und Telefonberatung - Unterstützung in der Fallarbeit - Suchtspezifische Unterstützung bei konzeptionellen Überlegungen in der Einrichtung (Sucht- und Drogenkoordination Wien 2018) Die Konnex-Beratenden sind langjährige Mitarbeitende der Sucht- und Drogenhilfe und verfügen über viel Erfahrung im Umgang mit der Klientel. Die Beratungs- und Schulungsleistungen von Konnex vermitteln Wissen über illegalisierte Substanzen, Substitutionsmittel, Harm Reduction sowie die Einrichtungen des Wiener Sucht- und Drogenhilfenetzwerks und können dadurch den Umgang der Einrichtungen mit der Zielgruppe verbessern. Konnex unterstützt die Kooperationspartner_innen darin, ihre Angebote besser auf die Bedürfnisse suchtkranker Menschen abzustimmen (vgl. Preitler 2017). 3.3 Drogenberatungsstelle „komm-pass“, Düsseldorf3 (DE) Die Drogenberatungsstelle „komm-pass“ der SKFM Düsseldorf e.V. bietet integriertes Case Management für ältere Drogengebrauchende (Alters-CM³4 - Forschungsprojekt der Hochschule Koblenz und Katholischen Hochschule Köln) in Form eines Pilotprojektes an. Es wird im Rahmen von Beratung, Psychosozialer Betreuung, Therapievermittlung, auch nach Abschluss des Projektes auch für jüngere Klienten_innen angeboten. Das Angebot wird von Sozialarbeitenden und Ehrenamtlichen getragen und hat eine Altersmindestgrenze von 45+ Jahren. Der Konsum wird toleriert, es handelt sich jedoch © SKFM Düsseldorf e.V. um ein abstinenzorientiertes Angebot. Der „komm-pass“ ist eine abstinenzorientierte Drogenberatungsstelle. Die Ziele der Einrichtung von SKFM e.V. sind im Einzelnen: - Verhinderung von Abhängigkeit/ Lösung aus der Abhängigkeit 3 http://www.skfm-duesseldorf.de/de/drogenberatungsstelle-kompass/ 4 Alters-CM³ wird außerdem auch durch das „Haus der Beratung" der Jugendberatung und der Jugendhilfe e.V. Frankfurt am Main sowie einige andere Drogenhilfeeinrichtungen in Deutschland4 durchgeführt. Weiterführende Informationen unter: https://www.katho-nrw.de/katho-nrw/forschung-entwicklung/institute-der-katho-nrw/disup/forschungsprojekte/alters-cm3/ und https://www.hs-koblenz.de/sozialwissenschaften/institute-des-fachbereichs/institut-fuer-forschung-und-weiterbildung- ifw/forschung/abgeschlossene-forschungsprojekte/alters-cm3/ 11
- Fordern und Fördern von Veränderungsbereitschaft - Überlebenshilfen und Harm Reduction - Aufbau eines drogenfreien Alltags - Unterstützung Angehöriger von abhängigen Menschen - Wissensvermittlung an Multiplikatoren Die Methoden in der Arbeit sind abhängig von Alter und Persönlichkeit der Klient_innen, dem Konsummuster und der Konsumhäufigkeit, dem Wunsch, Bedarf und der Planung der KlientInnen, sowie deren Möglichkeiten. Das Projekt Alters-CM³ ist in drei Module aufgeteilt: 1. Bedarfserhebung zu den Versorgungsbedarfen älterer Drogenabhängiger in der Region. Hierfür werden Opiatabhängige zu ihrer Lebenssituation und ihren Bedürfnissen befragt 2. Analyse und Optimierung der kommunalen und lokalen Vernetzung zwischen Diensten und Anbietern. Diese wird durch eine onlinegestützte Netzwerkanalyse realisiert. 3. Auf diese Erhebungen aufbauend soll dann ein auf die Zielgruppe der älteren Drogenabhängigen zugeschnittenes Manual für ein fallbezogenes Case Management erarbeitet werden, das – nach entsprechenden Schulungen – in den Modellregionen des Projekts Alters- CM³ erprobt und evaluiert werden soll. (Deutsches Institut für Sucht und Präventionsforschung 2017) Durch die Durchführung von Alters-CM³ konnten bereits notwendige Unterstützungsleistungen für diese Zielgruppe effektiver und effizienter sowie mit weniger Reibungsverlusten erbracht und dadurch die Versorgung älterer Drogenabhängiger und deren Lebenssituation verbessert werden. Arztpraxen, Pflegedienste und Drogenhilfeeinrichtungen sollten dadurch bei der Erbringung ihrer Dienstleistungen unterstützt, entlastet und älteren Drogenabhängigen die Leistungen der unterschiedlichen Hilfesysteme besser erschlossen werden (Deutsches Institut für Sucht und Präventionsforschung 2017). Das Problem der Versorgung älterer Drogenabhängiger ist in Düsseldorf bereits in den Fokus der Suchtkoordination gerückt und wird dort weiter thematisiert. 12
3.4 Plan B gGmbH, Pforzheim5 (DE) Die Plan B GmbH Pforzheim hat in ihr reguläres Drogenhilfeangebot spezifische Angebote implementiert, die auf ältere Drogenabhängige abzielen sollen, wie z.B. psychosoziale Begleitung, Substitution in zwei niedergelassenen Praxen, einen speziellen Kontaktladen „LOFT“ sowie Veranstaltungen, medizinische Versorgung, Harm Reduction Angebote und Motivationsprogramme speziell für die Zielgruppe der älteren Drogengebrauchenden. Plan B arbeitet dabei in einem multiprofessionellen Team aus Sozialarbeitenden, Psycholog_innen, Ärzt_innen, Psychiater_innen und Ehrenamtlichen auf eine bedarfsgerechte Versorgung für Menschen mit unterschiedlichsten Suchtmittelbezügen hin. Dabei geht es wesentlich um die © PlanB GmbH Pforzheim Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen. Die Zielgruppe der langzeitabhängigen Menschen ist gleichzeitig von Armut und Ausgrenzung bedroht, die durch die genannten Kontaktangebote aufgebrochen werden sollen. Zusätzlich bietet Plan B ein Kooperationsprojekt „Sucht und Beruf“ an. Die Finanzierung erfolgt über das SGB II, SGB VI und den ESF. Dieses Projekt fokussiert langzeitarbeitslose, langjährig Drogenabhängige mit stabiler Substitution. In „Sucht und Beruf“ bildet eine institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen der ambulanten Suchthilfe, dem Beschäftigungsträger und den Jobcentern das Zentrum. Ziel ist die Vermittlung dieser Personen auf den ersten Arbeitsmarkt/ in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Der Ansatz lautet zuerst Arbeit und Beschäftigung und daraus eine Stabilisierung der Lebenssituation zu erreichen. Es ist das erste Mal in Baden-Württemberg, dass die Deutsche Rentenversicherung (DRV), Leistungen im Rahmen der Ambulanten Rehabilitation für diesen Personenkreis bezahlt, ohne dass zu Beginn der Behandlung eine Abstinenz vorgewiesen werden muss. 5 http://www.planb-pf.de/ 13
3.5 Projekt LÜSA, Unna6 (DE) LÜSA Unna bietet eine niedrigschwellige stationäre Wohneinrichtung für mehrfach schwergeschädigte, chronisch Drogenkonsumierende, einschließlich spezieller pflegerischer Dienste, ambulant Betreutes Wohnen, Tagesstrukturprogramme und Case Management. Die Einrichtung richtet sich nicht ausschließlich an ältere Drogenkonsumierende, das Konzept bedingt jedoch, dass © Projekt LÜSA hauptsächlich diese Zielgruppe angesprochen wird. Das Angebot stützt sich auf vier Säulen: 1. Zuhause: sicher, unterstützend, angenehm mit wohlwollenden Menschen. Anforderung: Verantwortung, Sozialverhalten 2. Beschäftigung: Tagesstruktur, Selbstversorgung. Beschäftigungsbereiche: z.B. Druckerei, Garten, Renovierung, Hauswirtschaft, Holz-, Fahrrad-, Kreativwerkstatt, etc. 3. Behandlung: Substitution, Harm Reduction, Beigebrauchsminimierung, Peergroup-Ansatz, begleitende fachärztliche/ auch psychiatrische Behandlung, Ergotherapie, Kooperationsvereinbarungen mit Krankenhäusern, ambulanten Pflegediensten, Wundmanagement und Hospiz 4. Betreuung: Lösungs- statt problemfokussiert. Konstante und kontinuierliche Einzelbetreuung, Klein-, und Großgruppen, medizinische, juristische und soziale Beratung, im Einzelfall Begleitung beim Sterben (LÜSA 2018). Das Team von LÜSA arbeitet multiprofessionell und setzt sich aus Krankenpflegenden, Psychiater_innen, Psycholog_innen, Sozialarbeitenden, Ehrenamtlichen, Heil- und Erziehungspflegenden, Ergotherapeut_innen und Heilpädagog_innen, sowie Köch_innen und Verwaltungskräften zusammen. Die Mitarbeitenden nehmen regelmäßig an Schulungen, Konferenzen und Weiterbildungen mit dem Schwerpunkt der älteren Drogengebraucher_innen teil. Hinzu kommen kooperierende Berufsgruppen und Einrichtungen wie Ärzt_innen, Praxen für Ergotherapie und Podologie, Fachkräfte für Reha-Technik, Psychiater_innen, Hospize und das Quartier. 6 http://www.luesa.de/ 14
3.6 Betreutes Wohnen Kriegkstraße, Frankfurt am Main7 (DE) © Integrative Drogenhilfe e.V. Die Integrative Drogenhilfe e.V. Frankfurt am Main bietet das Betreute Wohnen Kriegkstraße an, eine behindertengerechte Einrichtung für substituierte, langzeitabhängige Drogenkonsumierende mit der Möglichkeit zur ambulanten Pflege. Zudem wird auch hier das Aktivierungsprogramm für alternde Drogenkonsumierende, Alters-CM³ angeboten. Das bestehende Konzept sieht keine Beschränkung aufgrund des Alters vor, spricht jedoch durch die Kriterien und die Form des Angebots hauptsächlich ältere Drogengebrauchende an. Für die bis zu 28 Bewohnenden stehen seit 2013 eigene Appartements mit Bad und Küche zur Verfügung, diese sind auf zwei Stockwerken behinderten-/rollstuhlgerecht ausgestattet und bieten die Möglichkeit zur ambulanten Pflege (Becker 2017). 20 weitere Personen können im Rahmen des betreuten Einzelwohnens durch das Team der Einrichtung betreut werden. Die Angebote durch das Team, bestehend aus Sozialarbeitenden und Ehrenamtlichen, sind vielfältig. Schwerpunkte liegen auf der Verbesserung der persönlichen Entwicklung (Selbsthilfe, Mobilität, Aktivitäten, tägliche Struktur), Unterstützung beim Erlernen von sozialen Fähigkeiten, beim Einbringen in gemeinschaftliche Aktivitäten sowie die Ermächtigung der Bewohnenden zu einem selbstbestimmten Leben. Alle Bewohnenden werden durch eine Bezugsperson (Sozialarbeitende) betreut, die sowohl Ansprechpartner_in ist, als auch die Hilfeplanung übernimmt. Die Mitarbeitenden werden weitergebildet und intensiv geschult im Bereich der älterwerdenden Klientel. Es herrscht ein intensiver Austausch mit Netzwerkpartner_innen (im Rahmen von Konferenzen, Netzwerktreffen, u.a.). Es bestehen zusätzlich Kooperationen zu ambulanten Pflegediensten, Psycholog_innen und Praktiker_innen. Zudem nehmen die Mitarbeitenden/ Leitung an Expert_innennetzwerken teil und etablieren neue Zusammenschlüsse, die für die Arbeit mit der Zielgruppe von Interesse sind. 7 http://www.idh-frankfurt.de/kriegkstrasse 15
3.7 Haus Im Stift – Bethel Stiftung, Gevelsberg8 (DE) Das Haus Im Stift der Bethel Stiftung richtet seine Angebote an pflegebedürftige, chronisch mehrfach abhängigkeitserkrankte Menschen mit Leistungen der geriatrischen Pflege. Das 2003 fertig gestellte Haus Im Stift liegt inmitten der Stadt Gevelsberg, nur wenige Gehminuten von der Innenstadt entfernt. Das Haus umfasst 24 Plätze in der barrierefreien Wohn- und Betreuungseinrichtung, davon sechs Einzelappartements, mit Dusche/ WC, z.T. mit eingebauter Küchenzeile und 18 Einzelzimmer. Dusche, Bad und WC teilen sich jeweils zwei Bewohnende. In der Einrichtung stehen Multifunktionsräume zur Verfügung. Zudem gibt es im Haus Im Stift Gemeinschaftsräume, ein © Bethel Stiftung Pflegebad sowie einen großen Garten mit Terrasse. Alternativ existiert die Möglichkeit, in von der Stiftung angemieteten Wohnungen mit intensiver sozialpsychiatrischer Begleitung zu leben. Das Angebot umfasst Wohn- und Unterstützungsangebote im stationären und ambulanten Rahmen: - Arbeits-, Beschäftigungs- und Kreativtherapie (intern und extern in Werkstätten für Menschen mit Behinderung) - Tages- und Freizeitgestaltende Angebote - Therapeutische Einzel- und Gruppengespräche - Unterstützung bei der Regelung behördlicher und finanzieller Angelegenheiten und Sinnfindung - Lebenspraktisches Training/ Förderung und Unterstützung der Selbstständigkeit und Haushaltsführung - Sport- und Freizeitmaßnahmen • Urlaube in kleinen Gruppen - Unterstützung beim Erhalt, Aus- und Aufbau von Kontakten - Partizipation der Klient_innen (Beispiel Schnittstelle stationär/ ambulant) Dem Selbstverständnis der Arbeit entspricht es, dass mit dem Willen der Klient_innen gearbeitet wird. Es besteht eine enge Vernetzung zum ambulant Betreuten Wohnen und der Schwestereinrichtung Haus Kreisstraße in Witten. Zudem verfügt das Angebot über ein gutes medizinische Versorgungsnetzwerk durch niedergelassene Ärzt_innen und örtliche Kliniken sowie durch therapeutische Angebote in der Einrichtung oder örtlichen Praxen (Bethel.regional 2018). 8 http://www.bethel-regional.de/einrichtungdienst-details-108/items/haus-im-stift.html 16
4. BeTrAD Toolbox: Online-Tool zur Wissensvermittlung Um eine Verbesserung bereits existierender und neu zu entwickelnder Angebote für die Zielgruppe zu unterstützen, wurde im Verlauf des BeTrAD-Projektes eine Toolbox entwickelt. Die Toolbox bietet auf der Projektwebsite9 Anleitungen und Methoden zur Verbesserung, Schaffung und Entwicklung der Angebote für alternde Drogenkonsumierende, legt aber auch die Grundlagen, Philosophie und die Methoden zur Schaffung neuer Angebote fest. Darüber hinaus dienen die Instrumente und das dort vermittelte Wissen als Bildungsmöglichkeit für Fachkräfte und Studierende, die in diesem Bereich geschult werden müssen. So sichert die Toolbox als Online-Tool Nachhaltigkeit in Form von kostenloser, freiwilliger Informations- und Weiterbildungsmöglichkeit. Der Aufbau der BeTrAD-Toolbox besteht aus vier Hauptblöcken: - Situation und Kontext alternder Drogenkonsumierender in Europa - Bereitstellung von Informationen zu Methoden und Instrumenten, die die Erkennung, Diagnose, Pflege und Behandlung von alternden Drogenkonsumierenden verbessern und gleichzeitig die Lebensqualität messen. - Informationen und Vorstellung von Beispielen guter europäischer Versorgungspraxis spezifischer oder unspezifischer Interventionen für die Zielgruppe. - Datenbank mit Referenzen, Ressourcen und Zugängen sowie relevanten Weblinks zum Thema. 5. BeTrAD Training Curriculum: Schulungskonzept Das Training Curriculum ist ein weiterer Output des BeTrAD Projektes. Zielgruppe sind Multiplikator_innen die Schulungen und Fortbildungen zu den spezifischen Herausforderungen im Umgang mit älter werdenden Drogengebrauchenden für Professionelle der Suchthilfe, Pflege (mobil und stationär) und im medizinischen Bereich anbieten. Es ist ein Ziel des Training Curriculums, MultiplikatorInnen mit Ideen und Materialien auszustatten, die sie direkt für die Erwachsenenbildung einsetzen können. Weiteres Ziel ist es, Entscheidende und Politiker_innen für die besonderen Bedarfslagen und die spezielle Situation einer älter werdenden Klientel zu sensibilisieren. Darüber hinaus sollen Geschäftsführungspersonen und Leitungskräfte dabei unterstützt und motiviert werden, Schulungs- und Fortbildungsbedarfe bei Ihren Mitarbeitenden zu erkennen und bei Bedarf mit Unterstützung des Training Curriculums selbst Schulungen zu organisieren. Das Schulungskonzept des Training Curriculums enthält Einheiten und Materialien zu den folgenden Themen: 9 Weitere Informationen zum Online-Tool Toolbox siehe Website: http://www.betrad.eu. 17
1. Substanzkunde und Substitutionsbehandlung, 2. Altersbedingte Erkrankungen und Doppeldiagnosen, 3. Multiprofessionelle Fallkonferenz, 4. Ethische Probleme im Umgang mit alterndem Klientel, 5. Förderung von Inklusion und Integration, 6. Hintergrundinformationen zu den Systemen Suchthilfe, Pflege und medizinischer Bereich, 7. Gesundheitsförderung und Infektionsprophylaxe. Das Training Curriculum ist in englischer Sprache verfasst. Es enthält sechs Module mit insgesamt 20 Schulungseinheiten, die innerhalb eines 3-Tages-Trainings realisiert werden können. Da die Module nicht aufeinander aufbauen, ist es auch möglich, nur einzelne Module oder Einheiten anzubieten10. 10 Weitere Informationen und den Download zum Training Curriculum siehe Website: http://www.betrad.eu. 18
6. Handlungsempfehlungen 6.1 Handlungsempfehlungen auf Europäischer Ebene Um den spezifischen Bedürfnissen der alternden Drogenkonsumenten gerecht zu werden, können bestehende nicht altersspezifische Dienstleistungen, einschließlich Personalschulung oder Bereitstellung spezifischer Gruppen für alternde Konsumierende, soziale Aktivitäten oder Veranstaltungen angepasst werden. Es besteht ein Bedarf an integrierter, multidisziplinärer Betreuung und Case Management. Im Falle eines Mobilitätsverlusts könnten auch Interventionen im häuslichen Bereich oder mehr Aufklärung notwendig sein. Pflegedienste und Krankenschwestern sollten sensibel für die Bedürfnisse dieser kleinen, aber wachsenden Zielgruppe sein. Die andere Möglichkeit besteht darin, neue und spezialisierte Angebote und Programme zu schaffen. Hierfür sollten vielversprechende Interventionen und bestehende, neu geschaffene oder angepasste bewährte Versorgungsmodelle auf europäischer und nationaler Ebene identifiziert und genauer betrachtet werden (z. B. Kapitel 3 und als Werkzeug Kapitel 4). Ein weiterer wichtiger Punkt zur Verbesserung der Behandlung alternder Drogenkonsumierenden ist der Aufbau lokaler und starker interdisziplinärer Netzwerke und Kooperationen, einschließlich Ärzt_innen, Krankenpflege, Palliativmedizin, sozialer Dienste und Gleichaltrigen. Der interdisziplinäre, fachliche Austausch stellt eine wichtige Ressource für die Behandlung der Zielgruppe dar. Multiple somatische und psychische Komorbiditäten erschweren die Diagnosebehandlung älterer Drogenkonsument_innen (Kastelic 2014). Alternde Drogenkonsumierende sind mit Symptomen vorzeitiger körperlicher Alterungsprozess konfrontiert (Vogt 2011) und sind daher früher auf medizinische Versorgung und Pflege angewiesen. Drogenkonsum ist ein Risikofaktor für früher auftretende und schwerere Formen von Diabetes, neurologischen Störungen, Herz-Kreislauf- Erkrankungen, Leberzirrhose oder Krebs. Auch besteht Bedarf an niedrigschwelliger Zahnpflege. Darüber hinaus leidet die Zielgruppe an komplexen psychischen und psychiatrischen Störungen wie Angst oder Depression (Kastelic 2014) - aber niedrigschwellige sozialpsychiatrische Dienste für die Zielgruppe sind selten und sollten aus diesen Gründen ausgebaut werden. Es ist wichtig, Patient_innen mit chronischen Krankheiten wie Hepatitis C oder HIV eine andauernde Gesundheitsversorgung anzubieten sowie eine weitere Ausbreitung dieser Krankheiten zu verhindern, indem der barrierefreie Zugang zu niedrigschwelligen Harm Reduction angeboten wie Drogenkonsumräumen gesichert ist. Bei der Opioid-Substitutionsbehandlung sollte mehr Sorgfalt auf die Wahl des Medikaments, Dosierung, Verabreichungsform, Take-Home Möglichkeiten sowie auf schmerztherapeutische Behandlung gelegt werden (Kastelic 2014). Opioid-Substitutionsmedikamente (Methadon, Buprenorphin, Diacetylmorphin usw.) sollten im „zu Hause“ alternder Drogenkonsument_innen angeboten oder über die häusliche Pflege ausgegeben werden. Bei Patient_innen mit lang anhaltenden und schweren Abhängigkeiten sollte eine heroingestützte Behandlung in Erwägung gezogen werden (Johnston et al. 2017). Opioid- Substitution und auch heroingestützte Behandlung ist in einigen europäischen Ländern verfügbar. Eine 19
adäquate Schmerztherapie ist aufgrund der hohen Toleranz von Langzeit-Drogenkonsumierenden gegenüber Opioid-Analgetika notwendig. Schmerzmanagement und Palliativpflege sowie die psychosoziale Begleitung sterbender Drogenabhängiger werden außerdem zu wichtigen Themen. Um Obdachlosigkeit zu verhindern und zu beenden, könnten erste Wohnmodelle für alternde Drogenkonsumierende entwickelt werden, die unter instabilen Bedingungen leben. Beispiele hierfür finden sich in Finnland (Johnston et al. 2017) oder in den Niederlanden (z.B. Kapitel 3.1). Im Falle einer eingeschränkten Mobilität sollten die Wohnmodelle die Möglichkeit eines behindertengerechten Zugangs für den Transport bieten. Die Unterstützung von aufsuchender Sozialarbeit mit Ausweitung von Hausbesuchen in Form eines integrierten, multidisziplinären Ansatzes ist zum Erreichen der Zielgruppe, die bereits Teil des nichtaltersspezifischen Drogenhilfesystems sind von großer Bedeutung. Soziale Isolation, Marginalisierung und Isolation können durch die Bereitstellung von altersspezifischen Gruppen, Durchführung von sozialen Aktivitäten und Veranstaltungen oder durch die Förderung von Ehrenamt oder Peer-Group-Hilfen vermindert werden. Es ist wichtig, die Möglichkeiten des sozialen Austausches zu unterstützen. Bei der Arbeit mit dieser speziellen Klientel ist es wichtig, ihre Sorgen über alte und damit geschlechtsspezifische Probleme von Alterungsprozessen einzubeziehen. Zudem dienen solche Angebote der Strukturierung der Tage. Eine konsequente Routine hilft, soziale Isolation und Rückzug, Bewegungseinschränkungen, Gefühle der Nutzlosigkeit und Einsamkeit zu vermindern. Regierungen müssen mehr denn je Strategien entwickeln, um diese Zielgruppen zu unterstützen und unnötige Todesfälle auf europäischer und nationaler Ebene zu verhindern. (Pflege-) Heime werden häufig nicht dafür bezahlt, alternde Drogenkonsumierende zu betreuen und zu unterstützen und verfügen nicht über das Fachwissen, um Menschen mit Drogenproblemen zu adäquat zu versorgen. Die europäischen Länder müssen sich an diesen Stellen weiter entwickeln. Das Thema alternde Drogenkonsumierende ist in Politik und Forschung wenig vertreten. Es ist notwendig, mehr qualitative und quantitative Daten zu diesem Thema auf nationaler, aber auch auf europäischer Ebene zu sammeln. Darüber hinaus bedarf es an Fortbildungen für alle relevanten Hilfesysteme (Drogenhilfe, Geriatrie, Pflege, Medizin), um ein multiprofessionelles Case Management im Hinblick auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Ressourcen alternder Drogenkonsumierender zu implementieren. Die Weiterbildung sollte Themen wie den Umgang mit ethisch problematischen Situationen, Deeskalationstrainings, Wissen über Infektionen und Prophylaxe, Safer-Use- und Substanzwissen etc. umfassen. 20
6.2 Handlungsempfehlungen für Deutschland Um den epidemiologisch belegenten, durch den Struktur- und Generationswandel in Deutschland und das Altern der Nachkriegsgeneration vorangetriebenen Anstieg der Zahl alternder Drogenabhängiger in Deutschland aufzufangen und die Zielgruppe bestmöglich versorgen zu können, liegt der Schlüssel vor allem in der Zusammenarbeit unterschiedlicher Professionen. Die Kooperation von Altenhilfe und Suchthilfe muss weiter ausgebaut werden. Unter Einbezug des Gesundheitssystems lassen sich neue Versorgungskonzepte erschaffen, um die Zielgruppe bestmöglich versorgen zu können. So sollte gewährleistet sein, dass Substanzabhängige in stationären Altenhilfeeinrichtungen angemessen medikamentös behandelt werden können. Regelmäßige Fallbesprechungen und Transparenz in der Behandlung können einen sachgerechten Umgang mit Psychopharmaka, Opioiden und anderen Medikamenten erleichtern. Durch die Änderung der BtMVV wurde erst Anfang des Jahres 2017 die Abgabe von Opiat-Substitution durch Alten- und Krankenpflegepersonal beschlossen. Wie sich diese Verordnung auf die Aufnahme Opiatabhängiger in Altenhilfeeinrichtungen auswirkt, muss noch überprüft werden. Die vorhandenen Ressourcen in der Zusammenarbeit mehrerer Professionen liegen im gegenseitigen Kompetenz- und Wissenstransfer. Dieser sollte in Form eines Wissensmanagements zur besseren Ausbildung und Schulung beteiligter Professioneller genutzt werden und entsprechendes Basiswissen vermitteln. Dies schließt alle betroffenen Mitarbeitenden wie Krankenpflegende, Sozialarbeitende, Altenpflegende aber auch behandelnde Ärzt_innen mit ein. Fortbildungen sensibilisieren für das Thema Sucht im Alter und können dazu dienen, Erkrankungen rechtzeitig zu erkennen und am Wunsch des Betroffenen orientierte, adäquate Behandlungen leisten zu können. Zusätzlich können gute Weiterbildungen und Wissenstransfers eine positive Grundhaltung, ebenso wie eine Sensibilisierung gegenüber der Klientel begünstigen, statt sie zu tabuisieren und zu stigmatisieren. Deutschlandweit haben sich bereits einige Suchthilfe- aber auch Altenhilfeeinrichtungen mit der Versorgung älterer Substanzkonsumierender, vor allem der von Medikamenten und Alkohol, aber auch älterer Konsumierender illegaler Substanzen auseinandergesetzt und neue Konzepte und Empfehlungen (Bsp. Siehe Kapitel 3) entstehen lassen. Trotzdem ist das Thema noch nicht ausreichend in Fachverbänden und Politik angekommen. Die rechtlichen und finanziellen Möglichkeiten und Grenzen, die bisher die Zugangswege in adäquate Angebote stark erschweren, sind noch nicht klar und einheitlich geregelt. Ungeachtet des Rechts auf gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen, werden hier von vornherein bestimmte Zielgruppen durch individuelle Aufnahmebestimmungen der Altenhilfeangebote ausgeschlossen. In Deutschland mangelt es an aktuellen, repräsentativen Zahlen zum Thema altern mit Sucht, die nicht bloß auf Schätzungen basieren und welche die Zielgruppe, speziell die Menschen im gehobenen Alter miteinschließen. Es braucht mehr Struktur- Prozess- und Ergebnisevaluation zu evidenzbasierter Pflege bei Suchtkrankheit. Untersucht werden müsste hierbei auch, ob die spezifische Behandlung 21
substanzabhängiger Älterer nötig ist, oder die Betreuung auch in gut vernetzten und weitergebildeten, regulären Altenhilfeeinrichtungen gewährleistet werden kann. Politik, Altenhilfeeinrichtungen, Fachverbände und Suchthilfe müssen unter Nutzung ihres durch weiterführende wissenschaftliche Studien belegten spezifischen Wissens miteinander kooperieren und in den Kommunen dafür sorgen, dass betroffenen älteren Drogenkonsumierenden Zugangswege zu den Hilfesystemen geschaffen bzw. aufgezeigt werden. 22
7. Literaturverzeichnis Becker, Gabi. (2017): Unsere alternde Klientel. Herausforderungen für die niedrigschwellige Drogenarbeit. In: Heino Stöver, Daniela Jamin und Christina Padberg (Hg.): Ältere Drogenabhängige. Versorgung und Bedarfe. 1. Aufl. Frankfurt/Main: Fachhochschulverlag, S. 190–199. Bethel.regional (2018): Haus im Stift. Hilfe für chronisch mehrfach abhängigkeitskranke Menschen. Online verfügbar unter http://www.bethel-regional.de/tl_files/bethel-vor- ort/angebotsfinder/downloads/Flyer_Haus_im_Stift_2013.pdf, zuletzt geprüft am 07.04.2018. Bundesministerium für Gesundheit (15.03.2017): Bundesgesundheitsminister Gröhe: „Teufelskreis der Abhängigkeit unterbrechen“. Bundeskabinett beschließt Reform der betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften zur Substitutionsbehandlung von Drogenabhängigen. Berlin. Online verfügbar unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/4_Pressemitteilungen/2017/2017_1/17 0315_PM_Substitutionsverordnung.pdf. Cerreta, Francesca; Eichler, Hans-Georg; Rasi, Guido (2012): Drug policy for an aging population--the European Medicines Agency's geriatric medicines strategy. In: The New England journal of medicine 367 (21), S. 1972–1974. DOI: 10.1056/NEJMp1209034. Deutsches Institut für Sucht und Präventionsforschung (Hg.) (2017): "Alters-CM³". Drogenabhängigkeit im Alter: Erfahrungs-, lebenswelt- und versorgungs- systemorientiertes Case Management für ältere drogenabhängige Menschen in drei Regionen. Unter Mitarbeit von T. Hoff, J. Becker und U. Kuhn. Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen. Online verfügbar unter https://www.katho-nrw.de/katho- nrw/forschung-entwicklung/institute-der-katho-nrw/disup/forschungsprojekte/alters-cm3/, zuletzt geprüft am 04.04.2018. EMCDDA (2010): Treatment and care for older drug users. Lisbon. EMCDDA (Hg.) (2013): Ageing and addiction: challenges for treatment systems. Unter Mitarbeit von Alessandro Pirona, Bruno Guarita, Linda Montanari und André Noor. EMCDDA (2015): European Drug Report 2015. Luxembourg. Online verfügbar unter http://www.emcdda.europa.eu/attachements.cfm/att_239505_EN_TDAT15001ENN.pdf. EMCDDA (2017a): Europäischer Drogenbericht. Trends und Entwicklungen. Hg. v. European Monitoring Centre for Drug and Drug Addiction. Luembourg. Online verfügbar unter http://www.emcdda.europa.eu/system/files/publications/4541/TDAT17001DEN.pdf. EMCDDA (Hg.) (2017b): Germany. Country Drug Report. Lisbon. European Union (Hg.) (2017): EU Action Plan on Drugs 2017-2020. 23
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