Sommer 2019 eins Der weite Weg zum Frieden - Oxfam Deutschland
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eins DAS MAGAZIN DER ENTWICKLUNGSORGANISATION OXFAM Sommer 2019 Der weite Weg zum Frieden Ein Heft über Kriege, Krisen und Hoffnungsschimmer Menschen retten: Ja, wiederaufbau: nein Über die Schwierigkeit nachhaltiger Hilfe in Syrien Ohne vertrauen geht es nicht Ein Interview über die eskalierende Lage in der DR Kongo
DURST ODER CHOLERA? © Tommy Trenchard | Oxfam Jeder Schluck kann tödlich sein. Doch wer Durst hat, hat nicht immer die Wahl – so wie dieser geflüchtete Rohingya. Kein Mensch sollte aus solch fauligen und verkeimten Wasserlöchern trinken müssen! JETZT SPENDEN! www.oxfam.de/wasserspende Spendenkonto: IBAN: DE 8737 0205 0000 0809 0500 Stichwort: Wasserspende
Liebe Leserin, lieber Leser, Seite 4 „Frieden ist nicht alles“, so formulierte es einmal Willy Brandt, Heimat in Trümmern: Weltweit sind Millionen Menschen auf der Flucht vor „aber alles ist ohne den Frieden nichts.“ Der Satz hat bis heute Kriegen und Konflikten. Ihre Häuser sind zerstört, Notunterkünfte bieten oft wenig Schutz – wie diese Behausungen aus Ästen und Stoff im Jemen. Mehr nichts von seiner Aussagekraft eingebüßt. als 3 Millionen Menschen sind in dem Land auf der Flucht, 24 Millionen sind auf Nothilfe angewiesen. Dem Barometer des Heidelberger Instituts für Internationale Konfliktforschung zufolge bewegt sich die Zahl der Kriege und gewaltsamen Konflikte auf erschreckend hohem Niveau. 2018 verzeichneten die Forscher*innen weltweit 16 Kriege und 372 Konflikte. Das sind zwar weniger als im Vorjahr, INHALT jedoch deutlich mehr als vor 20 Jahren, als neun Kriege und 119 Konflikte gezählt wurden. Zudem behielten viele Konflikte 04 Jemen: Frieden braucht Frauen ihre Intensität, wie in Syrien, im Jemen, in Afghanistan, in der Oxfams Nothilfe unter schwierigen Bedingungen Zentralafrikanischen Republik oder in Somalia. 07 schlupflöcher Für Waffen In all diesen Ländern ist Oxfam vor Ort, leistet lebensrettende Stopp der Rüstungsexporte ist ein erster Erfolg Nothilfe, unterstützt die Menschen dabei, sich neue Existenz- grundlagen zu schaffen oder fördert die Teilhabe marginali- 08 MENSCHEN RETTEN: JA, sierter Gruppen. Denn Frieden ist mehr als die Abwesenheit WIEDERAUFBAU: NEIN von Krieg, wie der holländische Philosoph Baruch de Spinoza Über die Schwierigkeit nachhaltiger Hilfe in Syrien bereits im 17. Jahrhundert wusste: „Friede ist eine Tugend, eine Geisteshaltung, eine Neigung zu Güte, Vertrauen und 10 Burundi: Frisiersalons Titelbild: © Ameen Al-Ghaberi/Gabreeze Yemen | Oxfam. Diese Seite: © iKlicK Fotostudio, © VFX ADEN | Oxfam Gerechtigkeit.“ und friedenskomitees Dieses Heft widmet sich Oxfams Arbeit in gewaltsamen Kämpfer*innen gehen versöhnliche Wege Konflikten und dem oft weiten Weg zum Frieden. Für unsere Rubrik „Eine Frage – drei Menschen“ (S. 15) haben 12 DR KONGO: OHNE VERTRAUEN wir in drei Krisenregionen nachgefragt, was nötig ist, um GEHT ES NICHT dort Frieden zu schaffen. Ganz im Sinne Spinozas antwortet Interview über den Kampf gegen Hunger und Ebola Jean Famory Kamissoko, Generalsekretär unserer Partner- organisation STOP-SAHEL in Mali: „Wenn allen Opfern 14 Oxfam Shops: Näher dran Gerechtigkeit widerfährt, werden Vergebung, Dialog und als wir denken Versöhnung möglich.“ Ehrenamtliche unterstützen Frauen in Südafrika Dazu können wir dank Ihrer Unterstützung einen Beitrag 15 Eine Frage, Drei MeNschen leisten. Welche Facetten diese Arbeit hat, erfahren Sie Wie kann Frieden möglich werden? auf den folgenden Seiten. 16 Letzte Seite Ihre Über Oxfam / Impressum Mit (*) markierte Namen wurden von der Redaktion geändert bzw. gekürzt. Oxfam setzt sich für Menschen in prekären Situationen ein – beispielsweise auf der Flucht Marion Lieser vor Verfolgung oder in ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen. Wir sehen aus Respekt Geschäftsführende Vorstandsvorsitzende, und zum Schutz der Menschen, zum Beispiel vor Repressionen oder Stigmatisierung, Oxfam Deutschland e.V. von der Namensnennung ab. EINS | Sommer 2019 3
Jemen In einem Land mit 30,5 Millionen Einwohner*innen sind mehr als 24 Millionen Menschen auf Nothilfe angewiesen: Im Jemen spielt sich die derzeit größte humanitäre Katastrophe weltweit ab – fernab vom Interesse der Weltöffentlichkeit. Einer der größten Nothilfeeinsätze rettet täglich Menschen- leben – unter schwierigen Bedingungen. Und der Weg zum Frieden ist noch weit. Julia Jahnz Anfang des Jahres reisten Dr. Aisha Seit der Vereinigung des Süd- und Nord- oder einer Tasse Tee. Wenn jemand krank Thawab, Dalia Qasim und Laila Alsha- jemen im Jahr 1990 wurde das Land immer wird, können wir nicht viel tun. Wir gehen bibi, Leiterinnen dreier Partnerorgani- wieder von gewaltsamen Auseinanderset- zur Apotheke, und manchmal lassen sie sationen Oxfams im Jemen, nach Genf. zungen erschüttert – bis der „Arabische uns dort anschreiben, manchmal aber Regierungsvertreter*innen kamen hier zu Frühling“ im Jahr 2011 die Chance einer auch nicht.“ einer Geberkonferenz zusammen, um über friedlichen Entwicklung brachte. 2015 die Zukunft des Jemens zu sprechen. Das zerbrach diese Hoffnung, als eine Allianz Mehr als drei Millionen Kinder, Frauen Ziel der jemenitischen NGO-Vertreterinnen: unter Beteiligung der aus dem Norden des und Männer sind im eigenen Land auf der ein Appell an die Öffentlichkeit und die Jemen stammenden Huthi-Miliz die Haupt- Flucht – eine Möglichkeit, den Jemen zu Geberländer, die Menschen in ihrer Heimat stadt Sana’a eroberte. Der international verlassen, haben sie nicht. Die Wüste, das zu unterstützen. anerkannte Übergangspräsidenten Abed Meer und die Grenze zu Saudi Arabien sind Rabbo Mansur Hadi musste ins Exil fliehen. für die meisten Menschen unüberwindliche Menschen wie den elfjährigen Salah(*). Hindernisse. Andersherum gelangen kaum Schon zweimal floh der Junge vor der Eine von Saudi-Arabien geführte Koalition noch lebenswichtige Güter wie Nahrungs- Gewalt – doch sie holte ihn erneut ein. „Vor kam der Hadi-Regierung zu Hilfe. Vor allem mittel, Medikamente oder Treibstoff ins eineinhalb Monaten wurden meine Cousins ihre zahlreichen Luftangriffe – logistisch Land: Mit extremen Einfuhrbeschrän- und Cousinen von Artilleriegranaten getrof- und mit Waffen unterstützt von den USA, kungen hat die Kriegskoalition die Bevöl- fen“, berichtet er. Bei dem Angriff wurden Frankreich und Großbritannien – haben kerung in Geiselhaft genommen. zwei Mädchen getötet: Bilder, die er wohl immense Verwüstungen angerichtet und nicht mehr vergessen wird. Tausende Menschenleben gefordert. Auch Viele Menschen sind wie Ibrahim vor den Deutschland hat Kriegswaffen an die Koali- Kämpfen in abgelegene Regionen geflo- Statt zur Schule geht Salah arbeiten, denn tion geliefert (siehe Seite 7). Immer wieder hen, in denen es kaum Infrastruktur gibt. Geld und Nahrungsmittel sind knapp: Er zerstören Bomben Schulen, Krankenhäuser Ohne festes Einkommen und mit nur spär- sammelt leere Flaschen und Plastik, sucht und andere zivile Einrichtungen. Doch auch lichen Möglichkeiten, etwas zu verdienen, nach Feuerholz, das er verkaufen kann, die Huthis sind schon öfter militärisch können sie sich Lebensmittel, Medika- oder hütet Vieh in der Nachbarschaft. Der rücksichtslos gegen zivile Ziele vorgegan- mente und andere dringend benötigte Junge schätzt sich glücklich, drei Mahl- gen und haben die Nothilfe behindert. Artikel nicht leisten. Oxfam unterstützt zeiten pro Tag zu bekommen – er kennt sie deshalb nicht nur mit Wasser, Nahrung viele Familien, die hungern müssen. NOTHILFE AM LIMIT und Sanitäreinrichtungen, sondern greift „Gottseidank haben wir bis jetzt überlebt, bedürftigen Familien auch finanziell unter trotz aller Probleme“, sagt er. „Aber erst Auf die Nothilfe internationaler Organisa- die Arme. „Mit dem Geld von Oxfam zahlen wenn dieser Krieg vorbei ist, werden wir tionen sind Menschen wie Ibrahim(*) drin- wir unsere Schulden zurück oder kaufen Ruhe finden.“ gend angewiesen. „Früher hatten wir unser Mehl und Reis davon“, sagt Ibrahim. „Die Land, Vieh und Arbeit, es ging uns gut“, Laden- und Apothekenbesitzer wissen, Im Jemen haben Kämpfe zwischen Regierungs- erinnert er sich. „Als der Krieg ausbrach, dass Oxfam mich unterstützt, darum geben truppen, ihren ausländischen Verbündeten und haben wir alles verloren.“ In der abgele- sie mir eine Frist bis Ende des Monats, um Oppositionsgruppen das Land zerstört und viele genen Gegend, in die er geflohen ist, findet zu bezahlen.“ Menschen getötet. Das Bild links zeigt die Zer- störung nach einem Luftangriff auf die Haupt- der Familienvater keine Arbeit. „Wir essen, stadt Sana’a im Mai 2019, bei dem zahlreiche was immer wir kriegen können. Manchmal Seit mehr als 30 Jahren arbeitet Oxfam im Menschen ums Leben gekommen sind. bekommen meine Kinder Brot mit Wasser Jemen, der schon vor diesem Krieg zu den EINS | Sommer 2019 5
Auf dem Weg zu einem dauerhaften Frie- © Sami M. Jassar (2) | Oxfam den kommt Frauen eine besondere Rolle zu. Die Vereinten Nationen fördern deshalb überall auf der Welt Frauen, um Friedens- prozesse voranzubringen. Auch Oxfam setzt auf die Frauen im Jemen: „Sie sind oft die ersten, die bei akuten Krisen handeln, und sie wissen deshalb sehr genau, was die Menschen wirklich brauchen. Außer- Vor den Kämpfen in seiner Heimat ist Ibrahim(*) Der elfjährige Salah(*) musste mit ansehen, dem vermitteln Frauen bereits häufig in ein abgelegenes Gebiet geflohen. Er hat wie zwei seiner Cousinen bei einem Angriff ums bei Konflikten in ihren Gemeinschaften, keine Möglichkeit, seine sechsköpfige Leben kamen. „Ich hoffe, dass diejenigen, die beispielsweise um Wasser oder Land. Und, Familie zu ernähren, und ist auf Oxfams den Krieg beenden können, wie die Vereinten Nothilfe angewiesen. Nationen, sich beeilen“, sagt er. so traurig es ist: Dass infolge des Kriegs immer mehr Jemenitinnen ihre Familien allein ernähren müssen, hat ihre Stellung ärmsten Ländern der Welt gehörte. „An Die Zahl derjenigen, die dringend Unter- weiter gestärkt“, so Robert Lindner. Maßnahmen, mit denen Menschen sich stützung brauchen, ist aber weit höher: aus der Armut befreien können, ist derzeit Allein 14 Millionen Menschen sind von einer In Genf berichteten Dr. Aisha Thawab, nicht zu denken“, sagt Oxfams Experte für akuten Hungersnot bedroht.“ Dalia Qasim und Laila Alshabibi sehr Krisen und Konflikte Robert Lindner. „Im anschaulich von ihrer täglichen Arbeit Moment geht es darum, dass die Menschen EINE BOTSCHAFT und informierten über die schwie- überleben.“ Trotz der ständigen Angriffe AN DIE WELT rige Lage vor Ort. „Wir haben zahlreiche leisten Oxfam-Teams landesweit in den am Entscheidungsträger*innen getroffen stärksten betroffenen Provinzen Nothilfe. Je länger die Kämpfe dauern, desto und mit ihnen die größten Hindernisse, vor Manchmal müssen Büros jedoch wegen der verzweifelter wird die Lage dieser denen wir in der Nothilfe stehen, disku- Sicherheitslage geschlossen oder verlegt Menschen. Ein Ende ist jedoch nicht abzu- tiert“, sagt Dr. Aisha Thawab. „Sie haben werden. sehen. Zwar saßen die Konfliktparteien im versprochen, unsere Arbeit zu erleichtern November 2018 erstmals an einem Tisch: und uns zu unterstützen.“ Darüber hinaus gilt es, logistische In Stockholm schlossen sie einen Waffen- Probleme und bürokratische Hürden stillstand für einige Orte, unter anderem Auf der Konferenz machten die Geber- zu überwinden. Um trotzdem zu den die Hafenstadt Al-Hudeida. Dort können staaten finanzielle Zusagen für die nach Menschen zu gelangen, kooperiert Oxfam nun wieder einige Schiffe anlegen, die wie vor unterfinanzierte Nothilfe im Jemen. © Sami M. Jassar (2), VFX ADEN | Oxfam mit nationalen und lokalen Regierungs- lebenswichtige Versorgungsgüter ins Land „Oxfam schätzt die Versprechen, die von behörden. „Hilfreich sind dabei die guten bringen. „Die Konfliktparteien halten sich den Gebern gemacht wurden, sehr“, so Beziehungen, die in den vergangenen aber nur teilweise an das Abkommen und Dina Elmamoun, Oxfams Expertin für Rechte Jahrzehnten entstanden sind“, so Robert versuchen weiterhin, militärische Vorteile in Krisen und Konflikten im Jemen. „Aber Lindner. „Gemeinsam mit jemenitischen für sich zu gewinnen“, sagt Robert Lindner. was der Jemen wirklich braucht, ist Frie- Partnerorganisationen leisten die Oxfam- „Der Druck, die Waffen gänzlich niederzule- den, einen sofortigen Waffenstillstand, das Teams derzeit humanitäre Hilfe für mehr als gen, ist scheinbar auf beiden Seiten noch Ende der Konflikte sowie den Schutz der drei Millionen Kinder, Frauen und Männer. nicht groß genug.“ Zivilbevölkerung.“ Jetzt die Menschen im Jemen unterstützen! Für 25 € kann eine sechs- 205 € kostet ein Wassertank, Mit 3.000 € errichtet Oxfam köpfige Familie eine Woche der mehr als 60 Menschen mit eine Doppel-Latrine für bis zu lang essen und trinken. Wasser versorgt. 40 Personen. Nutzen Sie das beiliegende Spendenformular oder spenden Sie online: www.oxfam.de/spenden 6 EINS | Sommer 2019
© Bassam Al-Thulaya | Oxfam Zerstörung im Jemen: 20.000 Luftangriffe ver- übte die saudi-arabische Militärkoaltion trotz Einschränkungen der Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien in den vergangenen vier Jahren. Die Bundesregierung hat den Exportstopp von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien um ein halbes Jahr verlängert. So wenig perfekt das Moratorium auch ist, es ist ein erster Erfolg. Liz Wehmeier Seit Beginn des Jemen-Krieges 2015 hat land, nennt die Verlängerung des Export- verfügen die Staaten über einen großen die Bundesregierung Rüstungsexporte im stopps dennoch einen Erfolg – vor allem Auslegungsspielraum. Frankreich oder Wert von über einer Milliarde Euro nach mit Blick auf internationale Abkommen zur Italien gehen etwa deutlich großzügiger Saudi-Arabien genehmigt. Allerdings nicht Exportkontrolle von Rüstungsgütern. mit Genehmigungen für den Export von ohne auf Kritik aus der Opposition und der Kriegswaffen in Krisenländer um als Zivilgesellschaft zu stoßen. Dem König- KLUFT ZWISCHEN Deutschland.“ reich, das die regierungstreue Militärallianz THEORIE UND PRAXIS im Jemen anführt, werden immer wieder Die Ausnahmen, die sich im Falle Saudi- Menschenrechtsverletzungen vorgewor- „Wir waren Mitbegründer der Control Arms Arabiens durch EU-Gemeinschaftspro- fen. Nichtsdestotrotz erlaubte die Große Kampagne, die 2014 durch die Ratifizierung jekte wie zum Beispiel Eurofighter- oder Koalition alleine im vergangenen Jahr, des internationalen Waffenhandelsver- Tornado-Kampfflugzeuge ergeben, Rüstungsgüter im Wert von 416 Millionen trags, des Arms Trade Treaty, erfolgreich kritisiert der Jemen-Experte als enorme Euro an den Wüstenstaat zu exportieren. abgeschlossen wurde. Dank dieses recht- Schlupflöcher. „Es fehlt eine einheitliche, Als die Ermordung des saudi-arabischen lich verbindlichen UN-Abkommens haben restriktive Handhabung des Waffen- Journalisten und Regime-Kritikers Jamal wir nun bessere Argumente als zuvor, um handelsvertrages innerhalb der EU. Da Kashoggi bekannt wurde, setzte die die Regierung zum Einlenken zu bewe- müssen wir weiter Druck ausüben.“ Trotz Bundesregierung die Waffenlieferungen gen und Rüstungsexporte an Staaten zu aller Einschränkungen verübte die saudi- vorerst aus und verlängerte den Rüstungs- verhindern, die systematisch Menschen- arabische Militärkoalition in den vergan- exportstopp im März um ein halbes Jahr rechte verletzen oder Kriegsverbrechen genen vier Jahren 20.000 Luftangriffe, bis zum 30. September. Allerdings gibt es begehen“, erklärt Robert Lindner. Dennoch unter denen vor allem die jemenitische Ausnahmen in Bezug auf deutsche Zuliefe- sieht er eine deutliche Kluft zwischen Zivilbevölkerung leidet. „Eine einheitliche, rungen für EU-Gemeinschaftsprojekte. Theorie und Praxis. „Es gibt auf interna- menschenrechtsorientierte, europäische Robert Lindner, Experte für humanitäre tionaler und auch auf EU-Ebene relativ Rüstungspolitik ist daher dringender Krisen und Konflikte bei Oxfam Deutsch- gute und restriktive Regeln, aber de facto denn je“, sagt Robert Lindner. EINS | Sommer 2019 7
© Dania Kareh | Oxfam Familienvater Mohammad(*) im zerstörten Ghuta: „Lange Zeit war es sehr schwierig, sich mit dem Lebensnotwendigsten zu versorgen.“ Syrien Die meisten Syrer*innen leben nach wie vor in ihrem Heimatland – unter schwierigen Bedingungen: In dem zerstörten Land fehlt es an Trinkwasser, Unterkünften und Elektrizität. Doch politische Bedenken behindern nachhaltige Unterstützung. Nikolai Link Syrien liegt nach acht Jahren Krieg in hilfswerks UNHCR in Nachbarländer geflo- und ihren Verbündeten mit der bewaff- Trümmern: Jedes dritte Haus ist beschä- hen, nach Europa hat es nur ein Bruchteil neten Gruppierung IS und lokalen Milizen digt oder zerstört, in besonders umkämpf- geschafft. Weitere sechseinhalb Millionen zwischen 2012 und 2016 um die Kontrolle ten Gebieten wie der Stadt Rakka sind es Menschen mussten ihre Heimat verlas- der größten syrischen Stadt Aleppo ist vier von fünf. Schulen und Krankenhäuser, sen und in anderen Landesteilen Zuflucht sie mit ihren sieben Kindern und ihrem Elektrizitätswerke und Fabriken, Wasser- suchen, fast zwölf Millionen sind ange- Ehemann aus ihrem Haus in der ländlichen leitungen und Straßen, Kulturdenkmäler wiesen auf humanitäre Hilfe, wie sie Oxfam Gemeinde Huajjenneh geflohen. Als sie und Bäckereien: zerschossen, zerbombt, und andere Nichtregierungsorganisationen zurückkehrten, waren die Tiere, von deren geplündert. Weite Teile der größten Städ- leisten. Erträgen Nouf und ihre Angehörigen vor te Syriens sind in einem Maß zerstört wie dem Krieg leben konnten, weg – gestohlen Berlin oder Hamburg nach dem Zweiten HÜHNER STATT in den Wirren der Kämpfe und der Flucht. Weltkrieg. HILFSLIEFERUNGEN „Schon vor dem Krieg haben wir nur ein bescheidenes Leben geführt“, berichtet Mehr als fünfeinhalb Millionen Menschen Zu ihnen gehört Nouf(*), 44. Vor den Kämp- sie, „aber als wir zurückkehrten, waren sind nach Angaben des UNO-Flüchtlings- fen zwischen syrischen Regierungstruppen wir abhängig von Hilfslieferungen und 8 EINS | Sommer 2019
mussten mitunter mit leerem Magen zu begangenen Menschenrechtsverletzungen Bett gehen.“ nicht in Sicht ist“, sagt Wolfgang Prangl. „Da könnte internationale Wiederaufbau- Nach 8 Jahren Krieg liegt Syrien in Trümmern. Das ist bald Vergangenheit: Oxfam hat, hilfe leicht als voreilige Rehabilitierung auch dank der Unterstützung von eines problematischen Regimes aufge- Spender*innen, im Umland Aleppos 250 fasst werden.“ „Menschen retten: ja“, lautet Familien mit Hühnern und Hühnerfutter deshalb die Formel der Geberstaaten, aber versorgt. Auch Nouf soll davon profitieren: auch „Wiederaufbau finanzieren: eher nein“. „Die Eier werden helfen, meine Kinder zu ernähren, und wenn wir den Rest verkau- Was das konkret bedeutet, weiß 4 von 5 fen, können wir uns weitere Dinge leisten, Mohammad(*), 66, der mit seiner Familie Menschen in Syrien leben in Armut. die wir dringend brauchen – wie Kleidung während der Kämpfe in der Oase Ghuta nahe oder Medikamente.“ Damaskus überlebt hat. Nach den Kämpfen ging die Unsicherheit weiter. Das Abwas- TANKWAGEN ODER sersystem war zerstört, nach Regenfällen WASSERLEITUNGEN stand oft die Straße unter Wasser, und in den Pfützen brüteten Insekten, die Krank- 6,2 Millionen „Derart nachhaltige Verbesserungen wären heiten übertragen. Mohammad: „Lange Menschen sind in andere auch bei der Infrastruktur wünschenswert“, Zeit war es sehr schwierig, sich mit dem Landesteile geflohen. erklärt Wolfgang Prangl, Leiter des Teams Lebensnotwendigsten zu versorgen, dazu Humanitäre Hilfe bei Oxfam Deutschland. gehört auch Trinkwasser. Wir haben dann „Doch staatliche Geber zögern aus politi- selbstgegrabene Brunnen in der Nachbar- schen Erwägungen, mehr als nur kurzfristig schaft genutzt, bei denen die Wasserquali- wirksame Nothilfe zu fördern.“ tät fragwürdig war.“ +5 Millionen Menschen sind aus Syrien in die Nachbarländer geflohen. „In der Tat tragen die syrische Regierung Oxfam versorgt in solchen Fällen Gemein- und ihre Verbündeten einen großen Teil den mit Trinkwasser aus Tankwagen. In der Verantwortung für die Zerstörung von Ghuta hat Oxfam auch die Abwasserent- Fast 2 von 3 Gebäuden und Infrastruktur. Dazu kommt, sorgung instandgesetzt und so über 10.000 Syrer*innen benötigen dass ein unabhängiger Prozess zur Auf- Menschen sicheres Wasser und Schutz humanitäre Hilfe. arbeitung der von allen Konfliktparteien vor Krankheiten ermöglicht. Das Problem: Während Trinkwasser aus Tankwagen als Nothilfe gilt, betrachten internationale Nouf(*) kehrte mit ihrer Familie nach Aleppo zurück. Mit Oxfams Unterstützung hält sie jetzt Geldgeber die Instandsetzung von Wasser- fühlt sich die internationale Gemeinschaft Hühner und macht sich von Hilfslieferungen leitungen als Wiederaufbau. „Für das eine verantwortlich, dem anderen stehen poli- unabhängig. tische Hürden im Weg“, sagt Wolfgang Prangl. Und weiter: „Das ergibt keinen Sinn. Ein Jahr lang 1.000 Liter Trinkwasser pro Tag in Tankwagen anzuliefern, kostet etwa 90.000 US-Dollar. Für etwa die Hälf- te des Geldes kann man provisorisch eine Wasserleitung reparieren, die diese Menge täglich über fünf Jahre bereitstellt. Die Situation in Syrien ist dramatisch genug, auch ohne dass man sie zusätzlich büro- kratisiert. Die internationale Gemeinschaft muss ihre Vorstellungen von Nothilfe und Wiederaufbau an die Bedürfnisse der Menschen anpassen.“ Was bedeutet es, auf © Dania Kareh | Oxfam der flucht zu sein? Das erzählen Syrer*innen im Video. Jetzt mehr erfahren und Oxfams Arbeit in Syrien unterstützen: www.oxfam.de/syrien 9
Burundi Gewaltsame Konflikte, Misstrauen, Angst vor Eskalation: Der Frieden in Burundi ist brüchig. Auf den Hügeln der Provinz Bujumbura Rural stärken ihn einstige Bürgerkriegskämpfer*innen. Franziska Rötzsch Dunkelgrüne Hügel prägen die Provinz uns: Wenn sie zurückkehren, werden sie tive“, sagt sie. „Ich dachte, ich würde für Bujumbura Rural im Westen Burundis. uns töten oder nachts unsere Besitztümer immer weglaufen oder töten.“Doch als die Hügel, auf denen stehlen.“ heute 48-Jährige vor 17 Jahren die Orga- Dörfer sich weit nisation OAP (Organisation d'Appui à l'auto ins Land verteilen. Diejenigen, vor denen ich Zwischen 1993 und 2009 Promotion – dt.: Organisation zur Hilfe zur Hügel, die während geflohen bin, sind jetzt meine bekämpften sich Hutu und Selbsthilfe) kennenlernte, wurde alles des Bürgerkrieges Kunden. Diejenigen, denen ich Tutsi in Burundi in einem anders. „Diejenigen, vor denen ich geflo- bewaffneten Hass geschworen habe, sind blutigen Bürgerkrieg, der hen bin, sind jetzt meine Kunden. Dieje- Kämpfer*innen jetzt meine Freunde. mehr als 300.000 Menschen nigen, denen ich Hass geschworen habe, Rückzugsorte das Leben kostete und sind jetzt meine Freunde.“ boten. 700.000 zur Flucht zwang. EX-KOMBATTANTIN Die Provinz Bujumbura Rural Auf den Hügeln Bujumbura Rurals setzt Kämpfer*innen wie FLORIDE NIBIGIRA war besonders stark betrof- sich OAP für Frieden ein – seit 2013 mit Charlotte Niyonzi- fen. Der Anteil der einstigen Unterstützung von Oxfam. Die Organisation ma. Auf den Hügeln ihrer Heimat war die Bürgerkriegskämpfer*innen an der stärkt das Vertrauen zwischen einstigen Ex-Kombattantin früher nicht gern gese- Bevölkerung ist auch heute noch hoch. Kämpfer*innen und der Bevölkerung und hen. „Die Menschen hier hatten ein sehr gibt ehemaligen Kombattant*innen und schlechtes Bild von uns“, erzählt sie. „Sie Auch Floride Nibigira kämpfte im Bürger- arbeitslosen Jugendlichen mit Berufsaus- hielten uns für Mörder. Sie sagten über krieg. „Damals hatte ich keine Perspek- bildungen und Komitees zur Konfliktlösung Mit sieben Jahren geriet er an eine Rebellengruppe, kämpfte zehn Jahre im Bürgerkrieg. Heute ist Albert Nishimirimana Friseur. © J. Schindler | Oxfam 10 EINS | Sommer 2019
eine Perspektive abseits von Waffen und Gewalt. „OAP hat uns zusammengebracht und uns gelehrt, über Frieden und gegen- seitige Liebe nachzudenken“, sagt Floride Nibigira. „Das hat uns die Augen geöffnet: Aus Krieg kann nichts Gutes entstehen.“ Mehr als 50 Friedenskomitees gibt es inzwischen auf den Hügeln Bujumbura Rurals. Gemeinsam lösen sie Konflikte zwischen den Bewohner*innen – poli- tische und private. Allein in der dreijäh- rigen Testphase des Projekts schafften die Ex-Kombattant*innen so 358 Konflikte friedlich aus der Welt. Und: In den jüngsten © OAP politischen Krisen blieb es in Bujumbura Rural relativ friedlich. „Die Menschen hielten uns für Mörder“: Charlotte Niyonzima kämpfte Auch seit dem offiziellen Ende des im Bürgerkrieg. Heute engagiert sie sich für den Frieden. Bürgerkriegs kommt es in Burundi immer wieder zu gewaltvollen Auseinander- setzungen – beispielsweise nach den Straftaten und politische Instrumentalisie- „Damit verdiene ich mir ein regelmäßiges Präsidentschaftswahlen 2015. Mehr als rung können Folge dieser Perspektivlosig- und ehrliches Einkommen. Ich kann meine 300.000 Menschen sind seither aus ihrer keit sein. Auf der anderen Seite misstraut Familie ernähren und ihr ein besseres Heimat geflohen – unter ihnen auch zahl- die Bevölkerung ihnen deswegen.“ Ihre Leben bieten.“ reiche Menschenrechtsaktivist*innen, Integration wird dadurch noch schwie- Journalist*innen und Oppositions- riger. Deshalb setzt das Projekt dort an und Auch Ex-Kombattant Evariste Havyari- politiker*innen. 2020 stehen erneut unterstützt die früheren Kämpfer*innen mana erlernte das Friseurhandwerk. Mit Präsidentschafts- und auch Parlaments- und arbeitslose Jugendliche auf dem Weg dem verdienten Geld kaufte er sich Tiere. wahlen an. zu einem stabilen und selbstbestimmten „Früher habe ich gebettelt. Ich wollte Leben. nicht arbeiten“, erzählt er. „Heute ziehe WEG ZU EINEM SELBST- ich neben dem Friseurberuf Enten auf. Und BESTIMMTEN LEBEN Albert Nishimirimana ist den gleichen Weg ich bin einer Spargruppe beigetreten. Ich gegangen. Mit sieben Jahren geriet er an schaffe es, etwas zu sparen, und durch „Die Menschen in Burundi haben Angst vor die Rebellengruppe FNL, zehn Jahre war Kredite kann ich kaufen, was ich brauche.“ einer erneuten Eskalation des Konfliktes“, er im Bürgerkrieg, verlor in den Kämpfen Mit seinem Wissen möchte der 38-Jährige sagt Jana Schindler, Projektreferentin bei ein Bein. „Die Schulungen von OAP haben jetzt andere unterstützen – sowohl, was Oxfam Deutschland. „Auf der einen Seite mir geholfen, mich neu zu orientieren“, das Friseurhandwerk angeht, als auch fehlt es den ehemaligen Kämpfer*innen sagt er. Heute ist der 28-Jährige Vater von die friedliche Lösung von Konflikten. „Im und Jugendlichen oft an einer Perspektive. fünf Kindern und ausgebildeter Friseur. Friseurberuf möchte ich andere schulen, damit auch sie sich eine Existenz aufbauen können. Im Friedenskomitee vermitteln wir Ferkel, Schulbücher oder eine bei Streit, begleiten Menschen in unserer Entenfamilie: Ein Geschenk von Umgebung, die in Not sind, und bilden vor OxfamUnverpackt ermöglicht Oxfams allem junge Menschen aus“, sagt er. „Ich Arbeit vor Ort – und macht Freund*innen, habe verstanden, dass es das Beste war, Verwandte und Bekannte glücklich. mich zu ändern und friedlich mit anderen Das Geschenk wirkt dort, wo das zusammenzuleben.“ Geld am nötigsten gebraucht wird. Das Ferkel steht symbolisch für die Schweinezucht in Burundi – neben den Frisiersalons eine weitere Ge- Jetzt mehr erfahren: schäftsidee, mit der sich ehemalige Im Video sprechen Exkombattant*innen Kämpfer*innen eine Existenz aufbauen. über ihre neuen Perspektiven und ihr Engagement für den Frieden: oxfamunverpackt.de/geschenk-ferkel www.oxfam.de/friedenskomitees EINS | Sommer 2019 11
Aufklärung im Kampf gegen Ebola: In der DR Kongo informiert Oxfam über die tödliche Krankheit. DR Kongo © John Wessels | Oxfam Krieg, Konflikte, Krankheiten: Die Situation in der Demokratischen Republik (DR) Kongo bleibt dramatisch. Über Ursachen, Auswege und den Kampf gegen Ebola sprechen im Interview Tamba Emmanuel Danmbi-Saa, Leiter von Oxfams humanitärer Hilfe im Land, und Michael Sladeczek, Oxfam-Experte für Krisen und Konflikte in der DR Kongo. Interview Raimon Klein In der Demokratischen Republik Kongo ten oder Ethnien. Darüber hinaus gibt es Was muss geschehen, damit es leiden mehr als 13 Millionen Menschen sehr viele bewaffnete Gruppen – alleine in Frieden gibt? akuten Hunger – in 2018 stieg die Zahl den östlichen Regionen mehr als 100. So der Hungernden um 70 Prozent. Was ist kommt es immer wieder zu neuen Gewalt- Michael Sladeczek: Man muss den bewaff- der Grund dafür? ausbrüchen, seit 2016 etwa in Gegenden neten Gruppen Alternativen aufzeigen, wie Kasai, Ituri und Tanganjika, aus denen wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten Michael Sladeczek: In der DR Kongo gibt es zusammengenommen fast zwei Millionen können, und ihnen die Möglichkeit zur verschiedene regionale Konflikte, wobei Menschen fliehen mussten. Ein weiteres Wiedereingliederung in die Gesellschaft alle ihre eigene Dynamik haben: Dahin- Beispiel für diese schreckliche Gewalt bieten. Darüber hinaus muss man die Pro- ter stecken lokale Machtkämpfe, wirt- war das Massaker von Yumbi im Dezember bleme an den Wurzeln anpacken – Gewalt, schaftliche Interessen oder Spannungen 2018, als in wenigen Tagen mehr als 500 Ungleichheit sowie den Kampf um Land zwischen verschiedenen Gemeinschaf- Menschen getötet wurden. und Ressourcen. Viele Regionen sind so DR KONGO: DRAMATISCHE LAGE DURCH GEWALT UND EBOLA Seit Jahrzehnten ist das zentralafrika- Ebola ist eine seltene und ansteckende humanitärer Soforthilfe und langfristigen nische Land von humanitären Krisen und Viruserkrankung, die oftmals tödlich endet. Maßnahmen unterstützen. In der Ebola- ungelösten Konflikten gezeichnet. In Typische Symptome sind plötzlich auftre- Bekämpfung hat Oxfam über 360.000 den vergangenen zwei Jahren hat sich tendes Fieber, Kopf- und Halsschmerzen Menschen mit Trinkwasser, Hygiene-und die Situation aufgrund der zunehmenden sowie Erbrechen, Durchfall und Blutungen. Präventionsmaßnahmen erreicht. Schon Anzahl von Konflikten sowie des erneuten Anstecken kann man sich, wenn man mit kleine Spenden können hier viel bewirken: Ebola-Ausbruchs massiv verschlechtert. infizierten Organen, Blut, anderen Körper- Für 15 Euro stattet Oxfam zum Beispiel zehn Anhaltende Kämpfe haben allein im Früh- flüssigkeiten oder erkrankten Tieren in Menschen mit Hygiene-Sets aus, damit sie jahr 2019 im Osten des Landes über 60.000 Kontakt kommt. sich besser vor gefährlichen Krankheiten Menschen vertrieben. Ihre dramatische wie Ebola schützen können. Mit 29 Euro Situation wird durch die regionale Nähe zu Oxfam arbeitet seit beinahe 60 Jahren finanziert ein*e Spender*in Wassereimer den vom Ebola-Virus betroffenen Gebieten in dem Land und konnte – auch dank mit Hahn, Henkel und Deckel, in denen zehn verschärft. zahlreicher Spender*innen – im vergan- Menschen in Notsituationen ihr Trinkwasser genen Jahr 1,3 Millionen Menschen mit sicher aufbewahren können. 12 EINS | Sommer 2019
KURZ NOTIERT Zusätzlich bieten wir existenzsichernde kommission veröffentlicht Weiterbildungen an, etwa wie man Ernte- Abschlussbericht überschüsse vermarkten kann. Daneben Nachdem im Februar 2018 die Vorfälle sexu- arbeiten wir natürlich auch im Bereich eller Ausbeutung durch Oxfam-Mitarbeiter © Katja Herold | Oxfam Wasser, Sanitär und Hygiene (WASH). Von in Haiti im Jahr 2011 publik wurden, setzte den mehr als 150.000 Menschen, die wir Oxfam eine unabhängige Kommission ein, um damit erreichen, sind 60 Prozent Frauen unseren Umgang mit Vorfällen dieser Art zu und Kinder, die in Vertriebenencamps oder untersuchen. Im Juni hat sie ihren Abschluss- in schutzbedürftigen Aufnahmegemein- bericht veröffentlicht. Er legt den Finger in Raimon Klein (v.l.), Michael Sladeczek und schaften leben. die Wunden und konfrontiert uns mit unange- Tamba Emmanuel Danmbi-Saa im Gespräch. nehmen Wahrheiten. Genau darum hatten wir In der DR Kongo sind mehr als 2.000 gebeten. Denn wir sind überzeugt, dass man instabil, weil die Konflikte so unberechen- Menschen an der Ebola-Epidemie gestor- sich nur dann wirklich verändern kann, wenn bar sind. Häufig werden eigentlich befrie- ben, die seit August 2018 im Osten des man sich seinen Fehlern und Schwächen dete Gebiete plötzlich wieder aus dem Landes wütet. Warum ist es so schwierig, stellt. Diesen Veränderungswillen erkennt Nichts angegriffen. Das führt dazu, dass die Krankheit unter Kontrolle zu bringen? die Kommission in ihrem Bericht ausdrücklich es in der DR Kongo mit über fünf Millionen an und macht deutlich, dass sich die große Menschen die höchste Zahl an Binnenver- Tamba Emmanuel Danmbi-Saa: Die Krank- Mehrzahl der Mitarbeiter*innen bei Oxfam mit triebenen auf dem afrikanischen Konti- heit breitet sich in einer Konfliktregion viel Engagement und großer Überzeugung nent gibt. Dabei benötigen alle humanitäre aus, was die Arbeit für uns humanitäre für unsere Werte und Ziele einsetzt. Lesen Hilfe: die Rückkehrer, die neuen Vertrie- Helfer*innen schwierig und gefährlich Sie dazu die Stellungnahme der geschäfts- benen sowie die Menschen, die bereits vor macht. Sehr herausfordernd ist zudem, führenden Vorstandsvorsitzenden von Oxfam längerer Zeit ihre Heimat verlassen muss- überhaupt Zugang zu einigen sehr abgele- Deutschland e.V., Marion Lieser: ten und nicht zurückkehren können, weil genen Ebola-Gebieten zu bekommen. Vor www.oxfam.de/blog-abschlussbericht dort immer noch gekämpft wird. allem aber müssen wir das Vertrauen der Menschen gewinnen. Denn viele zweifeln Was unternimmt Oxfam, um die kongole- an der Existenz der Epidemie und glau- Supermärkte im Check: Aldi Süd sische Bevölkerung zu unterstützen? ben, dass Ebola frei erfunden sei. Dieses überholt Lidl und Rewe Misstrauen führt zur Ablehnung unserer Menschenrechte sind in den internationalen Tamba Emmanuel Danmbi-Saa: In der Regi- Arbeit und leider auch zu Gewalt: Behand- Lieferketten deutscher Supermärkte noch on Kasai haben wir Bargeld an mehr als lungszentren werden angegriffen und immer Nebensache, doch mehrere deutsche 9.000 Haushalte verteilt, womit wir fast niedergebrannt, Gesundheitshelfer*innen Ketten haben kleine Fortschritte gemacht. 50.000 Menschen erreicht haben, die sich werden attackiert und getötet. Das zeigt der Oxfam Supermarkt-Check 2019. von dem Geld beispielsweise Lebensmit- Basis der Analyse sind rund 100 Bewertungs- tel kaufen konnten. In anderen Konflikt- Wie arbeitet Oxfam daran, das Vertrauen kriterien auf Grundlage der UN-Leitprin- regionen wie Tanganjika oder Süd-Kivu der Menschen zu gewinnen? zipien für Wirtschaft und Menschenrechte. haben wir mehr als 300.000 Menschen mit In vier Kategorien konnten die Supermärkte sauberem Trinkwasser und der Bereitstel- Michael Sladeczek: Wir sind zu dem Punkte sammeln: Transparenz und Rechen- lung von sanitären Einrichtungen unter- Schluss gekommen: Solange die Bevölke- schaft, Rechte für Arbeiter*innen, Rechte stützt. In der Provinz Ituri gibt es zudem rung nicht direkt an den Hilfsmaßnahmen für Kleinbäuer*innen sowie Frauenrechte. ein von Oxfam Deutschland mitfinanziertes beteiligt ist, vertraut sie diesen auch Aldi Süd verbesserte sich im Gegensatz zum Projekt, in dem wir gefährdete Gruppen nicht. Daher möchten wir die Gemein- Vorjahr am meisten: Der Discounter erfüllt schützen. Wir fördern die Bildung von loka- schaften nun auf allen Ebenen der Ebola- nun im Durchschnitt 19 Prozent der Kriterien len Komitees, die Risiken wie etwa Gewalt Bekämpfung beteiligen. Jede Gemeinde und überholt damit seine Konkurrenten Rewe gegen Frauen und Mädchen identifizie- wählt einen Repräsentanten oder eine und Lidl. Edeka ist mit nur einem Prozent ren und Aktionspläne für die Gemeinden Repräsentantin, der oder die an den absolutes Schlusslicht im internationalen ausarbeiten. Außerdem unterstützen wir Überwachungs-, Sensibilisierungs- oder Vergleich, der Discounter Aldi Nord liegt mit die Bevölkerung darin, ihre landwirtschaft- Impfmaßnahmen teilnehmen kann und die nur fünf Prozent ebenfalls im unteren Bereich. lichen Anbaumethoden zu verbessern – offizielle Kontaktperson zu den Hilfsorga- Der Weg zum fairen Supermarkt ist jedoch zum Beispiel durch innovative Produkte wie nisationen und der Regierung ist. noch lang, selbst der bestplatzierte britische dürrebeständigeres Saatgut oder Tech- Supermarkt Tesco erreicht mit durchschnitt- niken, mit denen Böden besser vor Erosion lich 38 von 100 Prozent nicht einmal die Jetzt mehr erfahren: geschützt werden. Generell erhöhen wir Hier lesen Sie Antworten auf die Hälfte der möglichen Punkte im Supermarkt- die Ernährungssicherheit der Menschen, wichtigsten Fragen zu Ebola und Check 2019. indem wir Bargeld, Saatgut oder Werk- unterstützen Oxfams Arbeit: Hier geht’s zur Gesamtwertung: zeug wie Schaufeln und Harken verteilen. www.oxfam.de/ebola-fragen www.oxfam.de/supermarktcheck-2019 13
Colette Solomon (link) und Magrieta Prins von Women on Farms Project engagieren sich gegen giftige Pestizide auf südafrikanischen Weinfarmen. Christoph Albrecht-Heider und viele andere Engagierte in den Oxfam Shops in ganz Deutschland unterstützen sie mit Aktionstagen und Unterschriftensammlungen. SÜDAFrIKA Die Ehrenamtlichen aus den Oxfam Shops setzen sich für Arbeiter*innen auf Traubenfarmen ein. Bei Aktionstagen sammeln sie Unterschriften für ein Verbot von hochgiftigen Pestiziden beim Weinanbau in Südafrika. Anne Maria Prachtel In Fußgängerzonen, auf Straßenfesten tigt. Mit anderen Ehrenamtlichen hatte er sich, weiß Colette Solomon, die Leiterin von und Musikfestivals in vielen deutschen nun die Gelegenheit, mit drei Frauen von Women on Farms Project, aus erster Hand. Städten bauen ehrenamtliche Oxfam- Oxfams Partnerorganisation Women on Zusammen mit Oxfam wollen die Frauen Unterstützer*innen ihre Stände auf. Ihr Farms Project zu sprechen – per Video- erreichen, dass die südafrikanische Anliegen: Menschen über die Kampagne telefonat. Die Frauen aus Südafrika berich- Regierung die gefährlichen Pestizide „Gift auf Wein – das lass sein!“ zu infor- teten den Ehrenamtlichen davon, wie die endlich verbietet. mieren und möglichst viele Unterschrif- Arbeiter*innen in direkten Kontakt mit ten für ein Verbot hochgiftiger Pestizide gefährlichen Pestiziden kommen – Gift- Alles weit weg? Weit gefehlt! „Wir sind beim Weinanbau in Südafrika zu sammeln. stoffe, von denen in der Europäischen an dem Thema näher dran als wir denken, Die südafrikanische Frauenorganisation Union 67 verboten sind. 121 andere werden denn wir kaufen die Trauben und den Wein Women on Farms Project, die sich mit Oxfam vom internationalen Pestizid-Aktions- aus Südafrika in deutschen Supermärk- für bessere Arbeitsbedingungen in land- Netzwerk als hochgiftig eingestuft. ten“, erklärt Christoph Albrecht-Heider den wirtschaftlichen Betrieben einsetzt, hatte Leuten, mit denen er über die Kampagne um Unterstützung aus Deutschland gebe- Wenn diese Pestizide auf den Trauben- spricht. Er ist überzeugt: „Wenn wir die © Oxfam © Enrico Santifaller | Oxfam ten und die Ehrenamtlichen in den 54 Oxfam farmen versprüht werden, müssen die Arbeiter*innen unterstützen, vergrößern Shops machen sich das zur Herzenssache. Arbeiter*innen unmittelbar danach wieder wir ihre Chance, etwas zu bewirken.“ an die behandelten Reben. Manchmal Ein Engagierter aus dem Oxfam Shop Frank- verspritzen die Pestizid-Traktoren die Gift- furt-Nordend ist der 66-jährige Christoph stoffe sogar direkt neben den Menschen. Jetzt Einsetzen: Unterschreiben Sie für ein Verbot hoch- Albrecht-Heider. Seit 1981 arbeitet er als Mit schlimmen gesundheitlichen Folgen: giftiger Pestizide. Entweder im Oxfam Journalist und hat sich oft mit Arbeits- Starke Hautreizungen und chronische Shop um die Ecke oder online unter: bedingungen in armen Ländern beschäf- Atemwegserkrankungen wie Asthma häufen www.oxfam.de/pestizidestoppen 14 EINS | Sommer 2019 EINKAUFEN, SACHEN SPENDEN, MITMACHEN www.oxfam-shops.de
SAMINA ANSARI MENSCHENRECHTSAKTIVISTIN UND OXFAM-BERATERIN BEI FRAUEN-, FRIEDENS- UND SICHERHEITSPROJEKTEN IN AFGHANISTAN Die Situation in Afghanistan ist turen aufgelöst werden. Um Konflikte auf hochkomplex. Damit der politische lokaler Ebene zu entschärfen, müssen wir Konflikt gelöst werden kann, müssen Afghan*innen unabhängig ihres Geschlechts, wir der sozialen Spaltung in der afgha- ihrer ethnischen Herkunft oder ihres Glaubens nischen Gesellschaft entgegenwirken – Zugang zu Ressourcen ermöglichen. Die Frie- insbesondere zwischen Stadt- und Land- densgespräche können nur gelingen, wenn alle bevölkerung. Wir müssen Möglichkeiten beteiligten Akteur*innen einem Waffenstill- schaffen, damit die neue Generation die stand zustimmen. Dies betrifft insbesondere die Verantwortung für die Zukunft ihres Landes Taliban – hier wäre jedoch deutlich mehr Druck übernehmen kann und alte Machtstruk- von internationalen Regierungen nötig. EINE FRAGE, DREI MENSCHEN JEAN FAMORY KAMISSOKO GENERALSEKRETÄR VON OXFAMS PARTNERORGANISATION STOP-SAHEL IN MALI Seit 2012 befindet sich mein Land Die Versöhnung in den Herzen und Köpfen Mali in einer beispiellosen Krise. Vor braucht einen wehrhaften, unpartei- allem im Norden des Landes hat sich ein ischen Rechtsstaat: Wenn allen Opfern Vakuum gebildet: Der Staat ist dort nicht Gerechtigkeit widerfährt, werden Verge- mehr effektiv präsent, bewaffnete Milizen bung, Dialog und Versöhnung möglich. und kriminelle Netzwerke schüren den Doch das kann nur in Zusammenarbeit mit Konflikt und fördern die Not der schutz- der internationalen Gemeinschaft gelin- losen Bevölkerung. Ein stabiler, friedlicher gen. Auch Malis Nachbarländer müssen Alltag, in dem die Menschen wieder an mit offenen Karten spielen, indem sie morgen denken und planen können, wird bewaffneten Gruppen ihre Unterstützung erst mit der vollständigen Entwaffnung entziehen und an der Umsetzung der aller bewaffneten Gruppen zurückkehren. UN-Sanktionen mitwirken. Um den Konflikt in der Zentralafrika- Zentralafrikanische Republik weiter dezen- nischen Republik beizulegen, ist es tralisiert werden, damit staatliche oder von zentraler Bedeutung, die kämpfenden regionale Behörden in allen Landesteilen © Monges Samba, © Oxfam, © Samina Ansari Gruppen zu entwaffnen, zu demobilisieren präsent sind. Dadurch kann das Gefühl und in die Gesellschaft zu integrieren. Es der Marginalisierung und des Alleingelas- braucht das Engagement aller Beteiligten senseins – ein Hauptfaktor, warum sich und einen Aktionsplan für eine vollständige die Menschen den Rebellen anschließen – Abrüstung im gesamten Land. Außerdem reduziert werden. Darüber hinaus müssen MONGES SAMBA sollten wir stärker mit den Nachbarlän- wir etwas gegen die hohe Jugendarbeits- OXFAM-EXPERTE FÜR DEN dern zusammenarbeiten, um den Waffen- losigkeit in unserem Land unternehmen, FRIEDENSPROZESS IN DER handel sowie den Handel mit Rohstoffen damit die jungen Menschen andere ZENTRALAFRIKANISCHEN und Bodenschätzen zu beenden, die den Perspektiven haben, als sich bewaffneten REPUBLIK Konflikt finanzieren. Zudem muss die Gruppen anzuschließen. 15
Überrasche …und unterstütze mit ENTzückenden dabei Menschen, Hochzeitsgeschenken… die in Armut leben. Jetzt bestellen auf: WAS IST OXFAM? Oxfam ist eine internationale Nothilfe- und Entwicklungsorganisation, die weltweit IMPRESSUM Menschen mobilisiert, um Armut aus eigener Kraft zu überwinden. Dafür arbeiten Herausgeber: Oxfam Deutschland e. V. im Oxfam-Verbund 19 Oxfam-Organisationen gemeinsam mit 3.600 lokalen Partnern Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin in mehr als 90 Ländern. Tel: (030) 45 30 69 - 0 V.i.S.d.P.: Marion Lieser Weltweit findet Oxfam praxisnahe, innovative Wege, auf denen Familien sich aus der Chefredakteur: Steffen Küßner Armut befreien und eine bessere Zukunft für sich schaffen können. Bei Krisen und Redaktion: Franziska Rötzsch, Annika Zieske Katastrophen retten wir Leben und helfen, Existenzen wieder aufzubauen. Und wir Bildredaktion: Katja Herold setzen uns dafür ein, dass Menschen in Armut lokale und globale Entscheidungen Gestaltung: martinbrombacher.de beeinflussen können, die ihr Leben betreffen. Druck: Oktoberdruck, Berlin Gedruckt auf 100% Recyclingpapier. Dabei arbeitet Oxfam stets mit Partnerorganisationen zusammen: Seite an Seite mit www.oxfam.de/eins Frauen und Männern in Not beenden wir die Ungerechtigkeiten, die zu Armut führen. www.twitter.com/oxfam_de www.facebook.com/oxfam.de Zur Finanzierung dieser Arbeit tragen rund 3.400 ehrenamtliche Mitarbeiter*innen in derzeit 54 Oxfam Shops bei. Diese werden von der Oxfam Deutschland Shops gGmbH Spendenkonto betrieben, einem hundertprozentigen Tochterunternehmen des Oxfam Deutschland e.V. IBAN: DE87370205000008090500 BIC: BFSWDE33XXX Haben Sie Fragen oder Anregungen zu einem unserer Artikel? Schreiben Sie uns an Bank für Sozialwirtschaft EINS@oxfam.de. Wenn Sie EINS in Zukunft nicht mehr erhalten möchten, schicken Konto: 80 90 500 Deutscher Spendenrat e.V. Sie uns bitte eine kurze Nachricht. BLZ: 370 205 00
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