NEUES ZUR RÜCKEN-PROBLEMATIK BEI GROSSEN HUNDERASSEN
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SV-ZEITUNG 05-10_SV-Ztg._Mai_08 07.05.10 10:31 Seite 302 SV-ZEITUNG AUS DER MEDIZIN DR. MED. VET. NELE ONDREKA/DR. MED. VET. KERSTIN AMORT NEUES ZUR RÜCKEN- PROBLEMATIK BEI GROSSEN HUNDERASSEN Morphologische und genetische ein und müssen an das Symptomspek - Grundlagen zur lumbosakralen Stenose trum und den Grad der Stenosierung angepasst werden. Dr. med. vet. Nele Ondreka Klinikum Veterinärmedizin Rückenprobleme unterschiedlichster Klinik für Kleintiere Ursachen sind unter Gebrauchs- und Justus-Liebig-Universität Gießen Hobbyhunden aller Größen und Gebäu- dekonformationen weit verbreitet. Von Der Begriff lumbosakrale Stenose be- der lumbosakralen Stenose im Besonde - schreibt die räumliche Einengung des ren sind fast ausschließlich großwüchsi- Wirbelkanals im hinteren Abschnitt der ge Hunde betroffen. Grundsätzlich Wirbelsäule am Übergang zwischen kommt dieses Erkrankungsbild bei allen Lendenwirbelsäule und Kreuzbein - eine großen Rassen vor. Besonders häufig tre- Region, die bei der Kraftübertragung von ten die lumbosakrale Stenose und deren der Hintergliedmaße auf den Rumpf Folgeerscheinungen jedoch beim Deut- besonderem mechanischem Stress unter- schen Schäferhund (DSH) auf. worfen ist. Infolge der Verengung des lumbosakralen Wirbelkanals kann es bei Faktoren, die zu einer Verengung des gleichzeitiger Erkrankung der Band - Wirbelkanals führen, können von Geburt scheibe leichter zur Kompression der dort an vorliegen oder sich im Laufe der Indi - liegenden Nervenwurzeln kommen. Ein vidualentwicklung ausbilden. Abnorm großer Anteil der Rückenprobleme der geformte Wirbel, Stufenformationen des großwüchsigen Hunderassen ist auf eine Wirbelkanals und die primäre Wirbel- Kompression von Nervenfaserbündeln kanalstenose (Abbildung 4, 5, 6 und 7) zurückzuführen, die am Rückenmarkende gehören zu den angeborenen Miss - entspringen und aufgrund ihres Aus - bildungen am lumbosakralen Übergang, sehens als Cauda equina (lat. = Pferde - die betroffene Hunde zur Ausprägung schweif, Abbildung 1 und 2) bezeichnet eines CES prädisponieren. Im Gegensatz werden. Resultat der Nervenfaserkom - dazu manifestieren sich skelettale pression ist ein Symptomkomplex, das so Entwicklungsstörungen der Wirbel wie genannte Cauda equina Syndrom (CES). Osteochondrosen (Abbildung 6) während Betroffene Hunde zeigen neben einer der postnatalen Skelettreifung. Bekannt Reihe von fakultativ auftretenden neuro- ist außerdem, dass sekundär im Laufe des logischen Ausfallerscheinungen häufig Lebens auftretende arthrotische Zubil - eine charakteristische Schwäche- und dungen sukzessive zu einer Einengung Schmerzsymptomatik der Hinterhand. In des Wirbelkanals und damit zur degene- besonders schwerwiegenden Fällen kann rativen Form der lumbosakralen Stenose es auch zur Ausprägung einer Harn- und führen können. Jede der angeborenen Kotinkontinenz kommen. Mögliche the- und erworbenen Ursachen einer lumbo- rapeutische Maßnahmen schließen sakralen Stenose kann singulär oder in Schonung, Applikation verschiedener Kombination mit anderen Faktoren auf- Analgetika oder den Einsatz unterschied- treten. Darüber hinaus verdeutlichen licher etablierter Operationstechniken Ergebnisse aus der klinischen Forschung 302 SV-ZEITUNG MAI 10
SV-ZEITUNG 05-10_SV-Ztg._Mai_08 07.05.10 10:31 Seite 303 Abb. 1 Abb. 1: Schematische Zeichnung der Anatomie der hinteren Lendenwirbelsäule und des Kreuzbeins (Os sacrum) im Längsschnitt - links ist vorne, rechts ist hinten. Die braun dargestellten Nervenfasern der Cauda equina liegen umgeben von einem Fett- polster zentral im Wirbelkanal. Im Rah- men der lumbosakralen Stenose können alle abgebildeten Knochen- und Weich- teilstrukturen inklusive der Bandscheibe (Discus intervertebralis) erkranken. Abb. 2: Längsschnitt durch ein Sektionspräparat der hinteren Lendenwirbelsäule und das Kreuzbein. Die Bandscheibe (Discus inter- vertebralis) zwischen den letzen beiden Lendenwirbeln (L6 und L7) und zwischen dem letzten Lendenwirbel (L7) und dem Kreuzbein (S1) zeigt jeweils eine mittel- bzw. geringgradige Vorwölbung in den Wirbelkanal, der dadurch enger wird. Die Nervenfasern der Cauda equina sind aber in diesem Fall noch von einem ausreichen- den Fettpolster umgeben - dieser Hund zeigte noch keine klinischen Symptome. Abb. 2 unter Zuhilfenahme der Kernspintomo- graphie, dass neben ungünstigen anato- mischen Voraussetzungen die Erkran- kung der Bandscheibe am Übergang zwi- schen Lendenwirbelsäule und Kreuzbein eine zentrale Rolle im Rahmen des CES spielt. Nach wie vor ist jedoch die Ur- sache für das gehäufte Auftreten der lumbosakralen Stenose bei großen Hunderassen bzw. im Speziellen beim DSH ungeklärt, weshalb sich diverse zurückliegende und aktuelle Unter - suchungen aus verschiedenen For - schungszentren auf diese Rasse konzen- trieren. Am Klinikum Veterinärmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen wer- den zur Erforschung der lumbosakralen Stenose moderne und konventionelle bildgebende Techniken gleichermaßen eingesetzt. Neben pathomorphologi- schen Studien der lumbosakralen Band - scheibe mit Hilfe der Kernspintomo - graphie, werden die diagnostischen Mög - lichkeiten einfach anzuwendender und kostengünstiger Screeningverfahren wie sche Grundlagen zur lumbosakralen sakralen Übergangs von 1.267 jungen kli- der traditionellen Röntgentechnik unter- Stenose am Beispiel des DSH untersucht. nisch gesunden Hunden konnte dabei sucht. In einer groß angelegten Röntgen - Anhand einer vergleichenden Unter - gezeigt werden, dass zwischen der studie wurden anatomische und geneti- suchung von Röntgenbildern des lumbo- Morphologie des lumbosakralen Über- MAI 10 SV-ZEITUNG 303
SV-ZEITUNG 05-10_SV-Ztg._Mai_08 07.05.10 10:31 Seite 304 SV-ZEITUNG AUS DER MEDIZIN Abb. 3 Abb. 3: Normale Röntgenaufnahme der hinteren Lendenwirbelsäule und des Kreuzbeins in seitlicher Lagerung. Die knöchernen Strukturen sind glatt begrenzt, der Wirbelkanal ist weit. Abb. 4: Seitliche Röntgenaufnahme der hinteren Lendenwirbelsäule und des Kreuzbeins. Im Vergleich zum Normalbefund im oberen Bild fällt auf, dass sich der Wirbelkanal auf Höhe des lumbosakralen Übergangs sehr deutlich verjüngt. Es liegt eine ange- borene Stenose vor, die aber bei diesem 12 Monate alten Deutschen Schäferhund noch nicht zu einer klinischen Erkrankung geführt hat. Abb. 4 Abb. 5: Röntgenaufnahme des lumbosakralen Übergangs in seitlicher Lagerung eines 18 Monate alten Deutschen Schäferhunds mit einem lumbosakralen Übergangswir- bel. Als Folge der Missbildung ist es zur hochgradigen Ausbildung von Arthrosen und zu Verengung des Wirbelkanals gekommen. Abb. 6: Seitliche Röntgenaufnahme des lumbosa- kralen Übergangs eines 12 Monate alten Deutschen Schäferhunds mit einer Osteochondrose des Kreuzbeins. Die Verknöcherung der vorderen Kontur des Kreuzbeins ist unvollständig, ein isoliertes Knochenteilchen liegt auf Höhe des Wirbelkanals. Abb. 5 Abb. 7: Seitliche Röntgenaufnahme der hinteren Lendenwirbelsäule und des Kreuzbeins eines 13 Monate alten Deutschen Schäfer- hunds mit einer Stufenbildung auf Höhe der lumbosakralen Verbindung. Die weiße Linie verdeutlicht die Stufenformation am Boden des Wirbelkanals. gangs von Deutschen Schäferhunden im Vergleich zu anderen Hunderassen sowohl primär als auch sekundär gravie- rende Unterschiede bestehen. Es konnte demonstriert werden, dass der lumbosa- krale Wirbelkanal des DSH nicht nur von Geburt an enger ist, sondern sich am 304 SV-ZEITUNG MAI 10
SV-ZEITUNG 05-10_SV-Ztg._Mai_08 07.05.10 10:31 Seite 305 Abb. 6 Deutschen Schäferhund könnten also erklären, warum Hunde dieser Rasse besonders oft an einem CES erkranken. Auf Basis der Abstammungsinforma- tionen aus der Pedigreedatei des Vereins für Deutsche Schäferhunde (SV) e. V. wurde neben der morphologischen Untersuchung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Tierzucht und Verer- bungsforschung der Tierärztlichen Hochschule Hannover eine genetische Analyse der erhobenen Daten durchge- führt, um die Erblichkeit der untersuch- ten Faktoren zu ermitteln. Für nahezu alle überprüften Parameter konnten mittlere bis hohe Werte für die Erblichkeit nachgewiesen werden, was die genetische Grundlage der lumbosa- kralen Stenose unterstreicht. Insgesamt Abb. 7 ergeben sich also günstige Vorausset - zungen für züchterische Maßnahmen zur Verbesserung der anatomischen Konformation des lumbosakralen Über- gangs beim Deutschen Schäferhund. Um das Erkrankungsrisiko dieser Rasse im Bezug auf das Cauda equina Syndrom zu senken, sind zum Beispiel zuchtselektive Maßnahmen analog zur Hauptrönt- genuntersuchung auf Hüft- und Ellbo- gengelenksdysplasie anhand einer zusätzlichen Röntgenaufnahme des lum- bosakralen Übergangs denkbar. So sollten insbesondere Veränderungen, die in jedem Fall zu einer Erkrankung der lum- bosakralen Verbindung führen wie die Osteochondrose des Kreuzbeins oder lumbosakrale Übergangswirbel zum Zuchtausschluss der betroffenen Tiere führen und Hunde mit einem weiten Wirbelkanal bevorzugt in die Zucht ein- Übergang zwischen Lendenwirbelsäule zudem noch signifikant größer als bei geschlossen werden. Aus den Ergebnis- und Kreuzbein auch deutlicher verjüngt anderen Rassen. Bemerkenswert ist sen der bisher durchgeführten Unter- als bei anderen Rassen. Auch missgebil- außerdem, dass die DSH nicht nur signifi- suchungen lassen sich folglich Kriterien dete lumbosakrale Wirbel und Osteo - kant häufiger, sondern auch schon deut- ableiten, die bei der Zuchtselektion zur chondrosen am Kreuzbein, die bewiese- lich früher von sekundär-degenerativen Reduktion von häufig auftretenden nermaßen zu einer Erkrankung der lum- Veränderungen im Sinne von Arthrosen Rückenproblemen bei großen Hunderas- bosakralen Verbindung beitragen, traten der lumbosakralen Verbindung betroffen sen beachtet werden sollten. In Zukunft beim DSH gehäuft auf. Während die waren. können vermutlich molekulargenetische Präsenz eines lumbosakralen Übergangs- Methoden, mit denen sich weitere wirbels bei den DSH nur tendenziell Alle beschriebenen Veränderungen gel- Forschungsprojekte in Kooperation mit höher war, erwies sich die Osteochon - ten als Risikofaktoren für die Entwick - der Tierärztlichen Hochschule Hannover drose des Kreuzbeins als signifikant häu- lung klinischer Symptome im Sinne eines beschäftigen, endgültigen Aufschluss figer als bei anderen Rassen. Des Weite- Cauda equina Syndroms. Deren signifi- über den exakten Vererbungsmecha- ren haben die DSH doppelt so häufig eine kant gehäuftes Auftreten bzw. die ver- nismus der lumbosakralen Stenose geben Stufenbildung am Boden des Wirbel - gleichsweise ungünstige anatomische und damit gegebenenfalls die Elimina- kanals auf Höhe der lumbosakralen Konformation des Übergangs zwischen tion von Anlageträgern schon vor ihrem Verbindung. Diese Stufenformation war Lendenwirbelsäule und Kreuzbein beim potenziellen Zuchteinsatz ermöglichen. MAI 10 SV-ZEITUNG 305
SV-ZEITUNG 05-10_SV-Ztg._Mai_08 07.05.10 10:31 Seite 306 SV-ZEITUNG AUS DER MEDIZIN Kernspintomographie Abb. 8 des lumbosakralen Überganges Dr. med. vet. Kerstin Amort Klinikum Veterinärmedizin Klinik für Kleintiere Justus-Liebig-Universität Gießen Bei der Entwicklung der degenerativen lumbosakralen Stenose und dem daraus resultierenden sogenannten „ Cauda equina Kompressionssyndrom“ (siehe Beitrag N. Ondreka) steht die Band - scheibe im lumbosakralen Übergang im Zentrum des Geschehens. Bei der Dege- neration der Bandscheibe kommt es zur Veränderung ihrer biochemischen Zu- sammensetzung. Proteoglycane wie zum Beispiel Aggrecan sind der Grund für die große Wasserbindungsfähigkeit des Gallertkerns der Bandscheibe, dem soge- bisher in der Tiermedizin wenigen der Bandscheibendegeneration sind. Zu nannten Nucleus pulposus. Bei der Forschungseinrichtungen vorbehalten. den prädisponierenden Faktoren gehören Alterung des Nucleus pulposus nimmt Das Mittel der Wahl zur direkten Dar- die Osteochondrose der Sakrumend- der Proteoglycan und Wassergehalt ab stellung der Bandscheibe und gleichzeiti- platte, der lumbosakrale Übergangswir- und wird durch Kollagenfasern ersetzt gen Beurteilung der Nervenwurzeln ist bel oder auch eine „Stufenbildung“ zwi- und die Wasserbindungsfähigkeit des die Kernspintomographie (auch: Magnet- schen dem letzten Lendenwirbel und Nucleus pulposus nimmt ab. Dabei geht resonanztomographie). Dieses Verfahren dem Kreuzbein. die Stoßkissenfunktion der Bandscheibe wird in der Humanmedizin bereits seit Einige Rassen schienen häufiger von die- verloren. Gleichzeitig kommt es zur Zer- mehreren Jahrzehnten eingesetzt. Auch ser Art der „Rückenproblematik“ betrof- reißung des umgebenden Faserknor- in der klinischen Tiermedizin hat die fen zu sein als andere. Sehr häufig waren pelringes, dem Anulus fibrosus. Resultat Verfügbarkeit der Geräte in den letzten Deutsche Schäferhunde erkrankt. Aus ist der Vorfall von Bandscheibenmaterial Jahren zugenommen. Mit der besseren dieser Beobachtung entstand die Frage, in den Wirbelkanal. Durch das vorgefalle- Verfügbarkeit der Kernspintomographie ob das gehäufte Auftreten des ne Material werden die Ausläufer des hat die kynologische Forschung ein Schäferhundes in der Population der Rückenmarkes, die Nervenstränge, die als Mittel erhalten, dass eine direkte Dar- Hunde, die am Cauda equina Syndrom „Cauda equina“ (lat.: Pferdeschwanz) stellung der Bandscheibe in-vivo möglich leiden, durch den gehäuften Einsatz der bezeichnet werden, komprimiert. Dies macht. Schäferhunde im Sport und die damit führt zu Ausfällen der betroffenen Ner- größere Belastung entstand, oder ob eine venbahnen, die in der Regel die Hinter- Da bei dieser Untersuchungstechnik vor Rasseprädisposition als mögliche gliedmaßen sowie den Mastdarm- und allem körpereigene Wasserstoffprotonen Ursache in Frage kommt. Außerdem Blasensphinkter innervieren. untersucht werden bietet die Magnet - konnten bereits einige morphologische resonanztomographie die Möglichkeit Besonderheiten am lumbosakralen Über- Meist schreitet die Bandscheibende- eine (semi-) quantitative Aussage über gang des Deutschen Schäferhundes fest- generation langsam voran, die Band - den Wassergehalt des Nucleus pulposus gestellt werden, die den Schäferhund von scheibe wölbt sich langsam immer wei- zu treffen und gleichzeitig das Ausmaß anderen Rassen unterscheiden. ter in den Wirbelkanal. Zu Beginn der des Bandscheibenvorfalles und der Um diesen Fragen nachzugehen wurde Erkrankung zeigen die betroffenen Nervenwurzelkompression fest zu halten. die Lendenwirbelsäule von Deutschen Hunde meist Schmerzhaftigkeit beim Schäferhunden im Alter von bis zu 2 Springen oder Treppensteigen und eine Durch die Möglichkeit zur freien Wahl Jahren mit Hilfe der Kernspintomo- daraus folgende „Arbeitsunwilligkeit“. der Schnittebene können alle anatomi- graphie untersucht und mit Hunden Bei anhaltender Belastung der Band - schen Strukturen überlagerungsfrei dar- anderer großer Rassen verglichen und scheibe schreiten die degenerativen gestellt werden. Vorangegangene Stu - gesunde Hunde im Vergleich zu erkrank- Veränderungen fort und die klinische dien, die das Auftreten des Cauda equina ten Hunden betrachtet. Um den Degene- Symptomatik steigert sich bis hin zur Kompressionssyndroms untersucht rationsgrad der Bandscheibe festzuhalten Lähmung der Hintergliedmaßen. haben, konnten einige prädisponierende wurden Graduierungssysteme aus Faktoren zur Bandscheibendegeneration Human- und Veterinärmedizin einge- Die direkte Darstellung der beschriebe- feststellen. Unklar war, ob die beobachte- setzt und die Signalintensität der Band- nen Bandscheibenveränderungen war ten Veränderungen Auslöser oder Folge scheibe, die ihrem Wassergehalt ent- 306 SV-ZEITUNG MAI 10
SV-ZEITUNG 05-10_SV-Ztg._Mai_08 07.05.10 10:31 Seite 307 Abb. 9 Abb. 8: Aufsicht auf den lumbosakralen Übergang von oben (dorsale Schichtorientierung): Die in der Schemazeichnung (rechts) oran- ge dargestellten Cauda equina Fasern sind im kernspintomographischen Bild (links) mit orangen Pfeilen markiert. Sie stellen sich als hellgraue divergierende Fasern dar, die dem Rückenmark (roter Pfeil) ent- springen. Abb. 9: Seitliche Ansicht des lumbosakralen Über- ganges im anatomischen Schnitt (links) und in der Kernspintomographie (rechts) beim jungen gesunden Hund. „L“ markiert die Lendenwirbel 5 bis 7. „S“ steht für das Os sacrum (lat. für Kreuzbein). Abb. 10: Seitliche Ansicht der Lendenwirbelsäule eines an der degenerativen lumbosakralen Stenose erkrankten Hundes. Der Pfeil mar- kiert die degenerativ veränderte und vor- gewölbte Bandscheibe im lumbosakralen auf die anatomische Konformation des Übergang. Diese Bandscheibe hat ihr hel- lumbosakralen Überganges vorhanden les mandelförmiges Flüssigkeitssignal ver- sind. Hier ließen sich allerdings nur ge- loren. Eine knöcherne Neubildung unter- ringe Korrelationen zu den degenerativen halb dieser Bandscheibe dient als Hinweis Veränderungen der lumbosakralen Band - auf einen chronischen Prozess. Die davor scheibe feststellen. Das Geschlecht oder gelegenen Bandscheiben zeigen dennoch die Zuchtrichtung (Leistungszucht contra ein vollständiges Flüssigkeitssignal (rote Exterieurzucht) hatten in der durchge- Pfeile). führten Studie keinen signifikanten Einfluss auf die Alterung der lumbosakra- len Bandscheibe. Auffällig ist, dass deutli- spricht, mit einer sogenannten „Histo- che Degenerationsanzeichen schon bei metrie“ festgehalten. In die Auswertungen gingen die Abb. 10 Untersuchungen von 126 Deutschen Schäferhunden und 52 Hunden aus 10 weiteren vergleichbaren Rassen ein. Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem die lumbosakrale Bandscheibe des Deut - schen Schäferhundes einen signifikant geringeren Wassergehalt aufweist als die Bandscheibe der Vergleichshunde. Das zeigt, dass die Degeneration der lumbosa- kralen Bandscheibe unabhängig von der Alterung der übrigen Bandscheiben statt- findet. Wie erwartet nahm der Wasser- gehalt der Bandscheibe bei allen unter- suchten Hunden mit zunehmendem Alter ab. Gleichzeitig konnte festgestellt werden, dass deutliche Unterschiede im Hinblick MAI 10 SV-ZEITUNG 307
SV-ZEITUNG 05-10_SV-Ztg._Mai_08 07.05.10 10:31 Seite 308 SV-ZEITUNG AUS DER MEDIZIN Abb. 11 Zusammenfassende Anmerkungen zu den Artikeln zum Cauda Equina Syndrom-CES Dr. Bernd Tellhelm E-mail: Bernd.Tellhelm@vetmed.uni-giessen.de Aus den beiden Artikeln von Nele On - dreka und Kerstin Amort ist klar zu erse- hen, dass die zentrale Bedeutung bei der Entstehung eines CES der Bandscheibe am Übergang Lendenwirbelsäule/Kreuz- bein zukommt. Daneben spielen aber morphologische Veränderungen der Wirbelsäulen- elemente in diesem Bereich als sekundä- re Faktoren, die die Weite des Wirbelkanals bzw. die Stabilität der jungen Hunden beobachtet werden Bandscheibe beeinflussen, eine wichtige konnten. Statistisch relevante Unter- Rolle. Für einige dieser Faktoren wurden schiede zwischen den Zuchtrichtungen Abb. 11: relativ hohe Heritabilitäten gefunden. Leistung/Exterieur ließen sich in Hinblick Querschnitt durch die Bandscheibe eines Dies könnte die Basis für eine züchteri- auf 3 Merkmale nachweisen: die lumbo- gesunden Hundes (links) und einer dege- sche Selektion bieten. sakrale Bandscheibe der Hunde aus der nerativ veränderten Bandscheibe mit Exterieurzucht zeigte sich im Mittel gleichzeitigem Vorfall von hypointensem Drei Gründe sprechen z. Zt. dagegen, ein dicker und breiter und im Vergleich zu (dunklem) Bandscheibenmaterial, das obligatorisches Selektionsverfahren auf den Hunden aus der Leistungszucht zeig- durch den orangen Pfeil gekennzeichnet der Basis allein der morphologischen te die Bandscheibe zwischen dem 6. und ist. Die Bandscheibe hat das zentral gele- Veränderungen einzuführen. 7. Lendenwirbel eine deutlichere gene helle Flüssigkeitssignal vollständig Signalintensität. verloren (roter Pfeil). 1. Zu dem Grundproblem, der frühen Degeneration der Bandscheibe, liegen Deutsche Schäferhunde wiesen im Mittel noch keine gesicherten Erkenntnisse eine dickere Bandscheibe auf, als die Bandscheibendegeneration und speziell zur Vererbung vor. Die Studien haben Hunde der anderen Rassen. Außerdem der lumbosakralen Stenose bewiesen hat zwar gezeigt, dass der Deutsche konnten vorangegangene Studien in und in Zukunft bei der Früherkennung Schäferhund signifikant häufiger, frü- Hinblick auf die Stufenbildung im lum- und Beurteilung klinisch betroffener her und ausgeprägter Degenerationen bosakralen Übergang bestätigt werden. Hunde eine wichtige Rolle spielt. Als der lumbosakralen Bandscheibe zeigt, Deutsche Schäferhunde zeigten eine 1,8 Screeningverfahren erscheint sie aller- die geringen Zahlen reichen aber noch fach größere Stufe, als die Hunde der dings aufgrund der noch limitierten nicht für eine sichere Aussage aus. Vergleichsgruppe und damit einen Verfügbarkeit und der hohen Kosten und Hinweis zur Entwicklung der DLSS. Bei der zur Untersuchung notwendigen 2. Bevor ein aufwändiges Selektionsver - der Bewertung der Ergebnisse muss Sedation der Hunde nicht geeignet. fahren auf der Basis von Röntgenbil- berücksichtigt werden, dass in der hier dern gestartet werden kann, müssen vorgestellten Studie bisher nur insge- Danksagung erst noch Kriterien festgelegt werden, samt 180 Hunde berücksichtigt werden die zu einem Zuchtausschluss führen. konnten, die zufällig ausgewählt waren. Wir danken dem Verein für Deutsche Dies gilt besonders für die angeborene Statistische Aussagen sind zwar als rele- Schäferhunde (SV) e. V. für die fachliche Wirbelkanalstenose und die vant zu werten, um aber eine eindeutige und finanzielle Unterstützung unserer Stufenbildung. Aussage treffen zu können wäre eine Forschungsprojekte. Allerdings muss dringend empfohlen größere Studienpopulation wünschens- werden, Hunde, bei denen der Nach- wert. Außerdem gilt unser Dank PD Dr. habil. weis einer OCD am Kreuzbein oder Kathrin Friederike Stock und Prof. Dr. einer ausgeprägten Form des lumbosa- Zusammenfassend kann gesagt werden, Ottmar Distl aus dem Institut für kralen Übergangswirbels vorliegt, aus dass die Magnetresonanztomographie Tierzucht und Vererbungsforschung der der Zucht zu nehmen. Die Bedeutung sich als ein wertvolles und äußerst hilf- Tierärztlichen Hochschule Hannover für dieser Befunde für die Entstehung des reiches Mittel bei der Einteilung der die hervorragende Zusammenarbeit. CES ist gesichert. 308 SV-ZEITUNG MAI 10
SV-ZEITUNG 05-10_SV-Ztg._Mai_08 07.05.10 10:31 Seite 309 3. Die Zusammenhänge zwischen frühe- Die beiden vorgestellten Untersuchun- rer und ausgeprägter Degeneration der gen bieten aber dem interessierten Bandscheibe und den das Auftreten Züchter schon Anhaltspunkte für eine eines CES begünstigenden, morphologi- Selektion auf positive morphologische schen Veränderungen, müssen noch Merkmale am lumbosakralen Übergang weiter abgeklärt werden. Im Rahmen der Wirbelsäule, die das Risiko für das weiterer Studien sollen auch die Auftreten eines CES verringern können. Möglichkeiten einer molekulargeneti- schen Selektion geprüft werden. FOTOECKE Einsender: Claudia Petter MAI 10 SV-ZEITUNG 309
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