STELLUNGNAHME ZUM REGIONALPLANENTWURF MITTELHESSEN IM RAHMEN DER OFFENLAGE

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STELLUNGNAHME ZUM REGIONALPLANENTWURF MITTELHESSEN IM RAHMEN DER OFFENLAGE
Gesellschaft für rationelle Energienutzung mbH

STELLUNGNAHME ZUM REGIONALPLANENTWURF
MITTELHESSEN IM RAHMEN DER OFFENLAGE

Der Regionalplanentwurf Mittelhessen bedarf aus Sicht der hessenENERGIE einer grundlegen-
den Überarbeitung: zum einen wegen der fehlerbehafteten Bewertung der Windhöffigkeit von
potenziellen Vorranggebieten sowie der mangelnden Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeits-
aspekten und zum anderen wegen der lückenhaften Datenbasis im Bereich des Artenschutzes,
die zur pauschalen Ausgrenzung von Flächen herangezogen wird, was insgesamt zu einer fal-
schen Gewichtung von Belangen des Naturschutzes führt. In seiner jetzigen Fassung würde die
Regionalplanung in Mittelhessen keinesfalls die im Interesse der Energiewende landesplanerisch
gesetzten Ziele erreichen können. Zudem sollte der Planungswille der einzelnen Gemeinden, die
Windkraft vor Ort nutzen wollen, in dem Planentwurf gebührende Berücksichtigung finden.

Nachstehend werden diese Aussagen näher erläutert:

1. Windhöffigkeit

Der Teilregionalplan Energie Mittelhessen (TRPM) verfolgt das Ziel einer nachhaltigen und zu-
kunftsfähigen Sicherung der Energieversorgung in Mittelhessen unter Berücksichtigung von
Umwelt- und Klimaschutz die sich an den Prinzipien der Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit,
Wirtschaftlichkeit sowie Effizienz orientieren (Absatz 2.1.1 Seite 7). Dies ist zu begrüßen.

Der Entwurf wird den deklarierten Zielen jedoch nicht gerecht. Denn der TRPM liefert aufgrund
der Vorgaben, auf denen er aufbaut, nicht die Basis für den hohen Beitrag der Windenergie im
Umfang von 28 TWh, der für eine kostengünstige und nachhaltige Versorgung mit Energie aus
erneuerbaren Quellen in Hessen erforderlich wäre. Aus Sicht der hessenENERGIE mangelt es
dem TRPM in Bezug auf die Windenergienutzung vor allem an einer sorgfältigen Auseinander-
setzung mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Ausbaus der Windenergie in Hessen,
die gleichermaßen durch die Physik wie durch Vorgaben des Gesetzgebers auf Bundesebene im
Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) definiert werden.

Die Windgeschwindigkeit geht in der dritten Potenz in die Formel ein, die den nutzbaren Energie-
gehalt des Windes beschreibt und bestimmt damit in den Stromertrag der Anlagen wesentlich.
Ohne an dieser Stelle auf die Sensitivität der Wirtschaftlichkeit von Windenergieprojekten auf
einzelne Rahmendaten detailliert eingehen zu können, macht diese physikalische Gesetz-
mäßigkeit deutlich, dass dem Windpotential bei der Abwägung von vorrangig zu nutzenden
Standorten eine herausragende Bedeutung zukommen muss.

Gemäß den Empfehlungen des Hessischen Energiegipfels und den Vorgaben im LEP-Entwurf
sollen bei der Ausweisung von Vorranggebieten die wirtschaftlichsten Standorte bevorzugt be-
rücksichtigt werden. So wird begründet, dass Vorranggebiete in 140 m Höhe über Grund Windge-
schwindigkeiten von mindestens 5,75 m/sec. aufweisen müssen. Damit hat die Landesregierung
einen unteren Anhaltewert eingeführt, der ein Mindestmaß an Wirtschaftlichkeit entsprechender

                                                                                          Seite 1 (von 7)
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Investitionen sicher stellen soll. Das Ziel der Erschließung möglichst windstarker Standorte ent-
spricht grundsätzlich den physikalischen Gegebenheiten. Denn es wäre falsch sich zu der
Annahme verleiten zu lassen, ein Standort mit 5,4 m/s sei im Vergleich zu einem Standort mit 6,0
m/s um 10 % schlechter im Windertrag. Da die Windgeschwindigkeit mit der dritten Potenz in die
Formel für den von einer Fläche zu erntenden Energieertrag eingeht, beträgt die Minderung des
potenziellen Ertrags durch die reduzierte Windgeschwindigkeit mehr als 27 Prozent. Von daher ist
die Bedeutung der Windhöffigkeit eines Standorts für die Stromgestehungskosten von ent-
scheidender Bedeutung, wie die nachstehend dargestellten Ergebnisse von modellhaften Berech-
nungen der hessenENERGIE für unterschiedliche Anlagentypen belegen (s. Grafik 1).

                         Stromgestehungskosten als Funktion der mittleren
                                     Windgeschwindigkeit                                                                E-82
  11,00 Ct/kWh
                                                                                                                        E-101
  10,50 Ct/kWh
  10,00 Ct/kWh                                                                                                          E-115

   9,50 Ct/kWh                                                                                                          V 112
   9,00 Ct/kWh
                                                                                                                        N 117
   8,50 Ct/kWh
   8,00 Ct/kWh                                                                                                          GE 2,5 120
   7,50 Ct/kWh                                                                                                          EEG-Anfangsverg.
   7,00 Ct/kWh                                                                                                          2014
                                                                                                                        EEG-Anfangsverg.
   6,50 Ct/kWh                                                                                                          2015
   6,00 Ct/kWh                                                                                                          Altmaier/Rösler
             8,00 m/s        7,60 m/s     7,20 m/s     6,80 m/s     6,40 m/s     6,00 m/s      5,60 m/s

Grafik 1:           Stromgestehungskosten für unterschiedliche Windenergieanlagen nach Berechnungen der
                    hessenENERGIE

Prämissen der Berechnung
- Inbetriebnahme 2014 mit Anfangsvergütung=8,66 Ct/kWh zzgl. SDL-Bonus von 0,47 Ct/kWh
- 80% Fremdkapitalanteil zu 4,0 % über 15 Jahre verzinst, Zinsbelastung linear verteilt auf volle 20 Jahre
- 20 % Eigenkapitalanteil mit 8,0 % verzinst
- Abschreibungen linear auf 20 Jahre verteilt
- Wartung und Instandhaltung im Mittel von 1,5 Ct/kWh über 20 Jahre
- Pachtentgelte 5,0 % der Einspeiseerlöse
- Betriebsführung 2,0 % der Einspeiseerlöse
- Fixkosten incl. Anlagenrückbau ca. 30.000 € WEA und Jahr

Die Daten zu den Windenergieanlagen für diese Berechnung stammen aus aktuellen Markt-
recherchen der hessenENERGIE; und die Kostenansätze für Finanzierung, Betrieb, Wartung und
Instandhaltung sowie für die Nutzungsentschädigung (Pachten) wurden eher niedrig gewählt.

Demnach liegt unter den heutigen gesetzlichen Rahmenbedingungen die das EEG 2012 vorgibt,
für Projekte mit einer Inbetriebnahme in 2014 der „break-even-point“ bei einer Windgeschwin-
digkeit von rund 5,8 m/s für die ‚besten‘ der betrachteten Anlagentypen. In 2015 ist wegen der
Degression der Einspeisevergütung und wegen des Wegfalls des System-Dienstleistungs-Bonus
allerdings bereits eine Windgeschwindigkeit von mindestens rund 6,0 m/s für das Erreichen der
Wirtschaftlichkeitsschwelle nötig, sofern nicht die Preise für Windenergieanlagen und/oder sonsti-
ge Kosten in erheblichem Umfang sinken.

                                                                                                                    Seite 2 (von 7)
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Die Graphik macht auch deutlich, dass die Ergebnisse in starkem Maße mit dem Anlagentyp
variieren: Anlagen mit einem größerem Rotordurchmesser im Bereich von 110 bis 120 Metern
erreichen die Wirtschaftlichkeitsschwelle bereits bei einer geringeren Vergütung. Alle namhaften
Hersteller haben mit Hochdruck solche effizienteren Anlagen mit stark vergrößerter Rotor-
kreisfläche und mit Nabenhöhen im Bereich von 140 m speziell zur Nutzung von Standorten mit
relativ niedrigen Windgeschwindigkeiten im Binnenland entwickelt und sind dabei, sie in den
Markt zu bringen. Mit diesen Anlagen, deren Markteinführung aber gerade erst begonnen hat
bzw. bei denen die Entwicklungsphase noch nicht abgeschlossen ist (wie z.B. E115 oder GE 2,5-
120), kann es gelingen, die im aktuell geltenden EEG vorgesehene Degression und den Wegfall
des System-Dienstleistungs-Bonus an durchschnittlichen Standorten in Hessen zu kompensieren
– zumal wenn diese Effizienzsteigerung bei konstanten bzw. nachgebenden Anlagenpreisen er-
reicht wird. Nicht mehr möglich wäre allerdings ein weiterer Zubau an solchen Standorten in
Hessen, wenn die von den Bundesministern Altmaier und Rösler vorgeschlagene drastische
Kürzung auf 8 Cent je kWh kurzfristig umgesetzt würde (siehe Graphik).

Vor diesem Hintergrund mag die Vorgabe der Landesregierung an die Regionalplanung für die
Ausweisung von Vorranggebieten eine Mindestwindgeschwindigkeit von 5,75 m/s zu Grunde zu
legen zunächst akzeptabel scheinen. Denn der Intention einer Konzentration auf besonders
windhöffige Standorte wird man aus Gründen der Wirtschaftlichkeit zustimmen. Jedoch verfügt
die Regionalplanung über keine verlässliche Basis für die Beurteilung der potenziell verfügbaren
Flächen im Hinblick auf ihre Windhöffigkeit.

Als Grundlage für die Identifizierung windhöffiger Gebiete in Hessen dient der Regionalplanung
die von der TÜV-SÜD Industrie Service GmbH im Auftrag der Landesregierung erarbeitete und
2011 publizierte Windpotenzialkarte, die aber erhebliche Unschärfen und sehr wahrscheinlich
systematische Verzerrungen aufweist. (Siehe hierzu im Einzelnen die Stellungnahmen der Fa.
CUBE zum TRPM.) Andere, von erfahrenen Fachplanungsbüros im Auftrag von Projektent-
wicklern erstellte Karten weisen für identische Flächen in Hessen abweichende Windgeschwin-
digkeiten aus, obwohl die zu Grunde liegenden Modelle sich methodisch ähneln. Ein wichtiger
Grund dafür dürfte die stärkere Nutzung der Produktionsergebnisse einer größeren Zahl
bestehender Windparks als Basisdaten sein. In der strukturierten hessischen Mittelgebirgsland-
schaft und insbesondere im Vogelsberg gibt es nach diesen Karten in erheblichem Umfang
Gebiete mit durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten von 6 m/s und mehr, die in der Poten-
zialkarte des TÜV-SÜD mit 5,5 m/s ausgewiesen sind. In einer Reihe von Fällen ist dies auch
durch detaillierte Windgutachten belegt, die auf Grundlage verlässlicher Daten aus benachbarten
Windparks konkrete Standorte bewerten. (Entsprechende Unterlagen wurden von betroffenen
Kommunen aus dem Vogelsberg mit ihren Stellungnahmen zum TRPM vorgelegt.) Umgekehrt
kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass Flächen in den westlichen Teilen von
Mittelhessen mit einer Windgeschwindigkeit von 5,75 m/s in der Karte des TÜV-SÜD sich bei
genauerer Untersuchung als weniger windhöffig erweisen.

Bei Orientierung der Regionalplanung an der Windpotenzialkarte des TÜV-SÜD besteht somit die
Gefahr, das an sich sinnvolle Ziel einer Ausweisung von möglichst windhöffigen Gebieten als
Vorrangflächen zu verfehlen. Deshalb müsste die Regionalplanung mindestens ergänzend und
korrigierend auf andere Informationsquellen abstellen, die von Kommunen und/oder Projekt-
entwicklern zu Windpotenzialflächen eingebracht werden.

In dem vorgelegten Entwurf ist es der Regionalplanung zudem nicht gelungen, einen hohen Anteil
von windstarken Standorten als Vorrangflächen auszuweisen. Wie aus der obigen Graphik ables-
bar ist, wäre es unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten erforderlich, dass der weit überwiegende
Anteil der Vorrangflächen durchschnittliche Windgeschwindigkeiten von mindestens 6 m/s aufwei-
sen müsste, damit Investitionsvorhaben unter den Bedingungen des geltenden EEG auch nach
2015 wirtschaftlich darstellbar bleiben. Dies ist im vorliegenden Entwurf jedoch nicht der Fall.

                                                                                           Seite 3 (von 7)
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Damit wird der Anspruch verfehlt, durch den Regionalplan für einen längeren Zeitraum von bis zu
zehn Jahren eine sinnhafte Grundlage für den Ausbau der Windenergie in Hessen unter Beach-
tung der Wirtschaftlichkeit bereit zu stellen.

Eine überschlägige Ermittlung der hessenENERGIE hat ergeben, dass über 50 % der im Entwurf
vorgesehenen Vorrangflächen im Bereich von rund 5,75 m/s Windgeschwindigkeit liegt. Nur rund
ein Viertel der Vorrangflächen bewegen sich im Bereich von rund 6 m/s und weniger als 5 % der
Vorrangflächen sind in den windstarken Gebieten Mittelhessens mit mehr als 6,5 m/s vorgesehen
(siehe Grafik 2). Diese windstarken Standorte wurden nahezu durchgängig aus Gründen des
Arten- und Biotopschutzes vorsorglich ausgeklammert, wobei die Argumente aber in der Sache
keineswegs überzeugen (s.u.).

  Berechnung                                                  Grafik 2:
  (Anzahl der      Windhöffigkeit Fläche (ha) Fläche (%)      Mittlere Windgeschwindigkeit in den
   Flächen)                                                   geplanten Vorranggebieten im
                                                              TRPM-Entwurf
       2                5,25           2,00        0,01%
       727               5,5          725,33       4,40%
      8849              5,75         8828,65      53,57%
      4325                6          4315,05      26,18%
      1882              6,25         1877,67      11,39%
       681               6,5          679,43       4,12%
       54               6,75           53,88       0,33%
      16520        Gesamtfläche      16482,01      100%

Wenn man meint, auf die Ausschließungswirkung nicht verzichten zu können, dann ist für die
Festlegung von Windvorranggebieten eine zumindestens auf mittlere Frist angelegte, auf den gel-
tenden Rechtsrahmen des Bundesrechts (EEG) abgestimmte und dadurch nachhaltig umsetz-
bare Kozeption unverzichtbar. Ausgewiesene Windvorranggebiete, die nach Absenkung der Ein-
speisevergütung in 2015, also innerhalb von nur zwei Jahren, nicht mehr wirtschaftlich erschlos-
sen werden können, können leicht zu einer reinen Alibiplanung werden. Eine verlässliche und
nachhaltige Grundlage für einen wirtschaftlich darstellbaren Ausbau der Windenergie in Mittel-
hessen liefert der TRPM in der vorliegenden Entwurfsfassung noch nicht. Dies bleibt noch zu
leisten.

2. Fehlgewichtung von Naturschutzbelangen

Bei der Planaufstellung wurde zunächst richtigerweise das Ziel verfolgt, Standorte mit einer
Windgeschwindigkeit oberhalb von 6,25 m/s hoch zu gewichten bzw. mit einem Eignungskrite-
rium zu versehen. Andere Eignungskriterien betrafen z.B. die Nähe zu Freileitungen oder bereits
bestehende Windparks sowie ein vermutetes geringes oder mittleres Konfliktpotential in Bezug
auf Fledermäuse. Dieses Konzept wurde im weiteren Verlauf des Planungsprozesses offenbar
nicht durchgehalten. Vielmehr wurde die Vorgehensweise so abgeändert, dass naturschutz-
fachlichen Aspekten faktisch ein Vorrang vor allen anderen Gesichtspunkten eingeräumt wurde,
indem NATURA 2000-Gebiete ohne detaillierte Prüfung der Schutzzwecke fast zur Gänze pau-
schal ausgeklammert wurden – und dies obwohl die der Regionalplanung zugänglichen Daten
(insbesondere die Ergebnisse der von der Landesregierung beauftragte PNL-Studie) eine solche
Abwägung auf der Ebene der Regionalplanung gar nicht zulassen, da die Datenbasis an vielen

                                                                                          Seite 4 (von 7)
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Stellen lückenhaft und nicht aktuell ist. Zudem beruht die Ermittlung von artenschutzrechtlich
angeblich konfliktträchtigen Gebieten keineswegs auf gesichertem Wissen sondern stellt auf
vielfach willkürliche und nicht nachvollziehbar begründete Abstandsempfehlungen ab. (Hierzu sei
auf das Naturschutzfachliche Gutachten des Ingenieurbüro für Umweltplanung SCHMAL +
RATZBOR verwiesen, das der schriftlichen Stellungnahme der hessenENERGIE zum „Entwurf
zur Änderung des Landesentwicklungsplans Hessen 2000 - Vorgaben zur Nutzung der Windener-
gie“ vom Oktober 2012 beigefügt war.)

Zu kritisieren ist nicht nur der pauschale Ausschluss von weiten Teilen der windhöffigsten Flä-
chen Mittelhessens im Vogelsberg ohne detaillierte Prüfung; sondern auch dort, wo für mögliche
Vorranggebiete eine Abwägung vorgenommen wurde, sind fehlerhafte Gewichtungen von Natur-
schutzbelangen unverkennbar. Die von der Oberen Naturschutzbehörde im Zuge der Erstellung
des TRPM vorgenommenen Abwägungen sind offenkundig stark durch den „Leitfaden zur natur-
schutzfachlichen Beurteilung der Belange bei Windkraftanlagen“ der Hessischen Landesregie-
rung beeinflusst worden. Dieser Leitfaden basiert seinerseits auf dem o.g. Konzept der Vorgabe
pauschaler Abstandsregelungen und Konfliktvermutungen, die fachlich nicht überzeugen können.
Deshalb finden sich im Entwurf des TRPM naturschutzfachliche Fehlgewichtungen bei der Ablei-
tung von Begründungen aus ‚Steckbriefen‘ für den Ausschluss von möglichen Vorranggebieten.
Beispielhaft kann hier etwa auf den Steckbrief für das Gebiet VRG WE Nr. 5149 verwiesen
werden:

   Wegen des hohen Nadelwaldanteils liegt nach Auffassung der Behörde kein geeignetes oder
   entwicklungsfähiges Habitat im Hinblick auf das Erhaltungsziel von windkraftsensiblen Vogelarten vor.
   Jedoch wird ein Konfliktpotential wegen windkraftsensibler Vögel (Baumfalke, Wespenbussard,
   Rotmilan) gesehen. Allerdings wird zugestanden, dass mögliche Konflikte mit einem Rotmilan-Bruthorst
   im 1 km-Radius nordöstlich des Gebiets voraussichtlich auf örtlicher Ebene zu lösen wären; ebenso
   auch eventuelle Konflikte mit einem weiteren Rotmilanhorst am Nordrand des Gebiets und einem
   Baumfalkenhorst am Südrand des Gebiets, da die Flugbeziehungen jeweils Richtung Offenland
   weisen. Auch im 3 km-Radius um einen Schwarzstorchhorst westlich des Gebiets, dessen Status
   unklar ist, gibt es nach dem Steckbrief vermutlich keine wesentlichen Flugbeziehungen. Deshalb wird
   insgesamt die Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen des Vogelschutzgebiets „bei kumulativer
   Betrachtung möglicher Konflikte“ als unklar eingeschätzt. Es wird aber dennoch entschieden, die
   Fläche nicht als Vorranggebiet für Windenergie auszuweisen, da Verträglichkeit mit den Erhaltungs-
   zielen „bei kumulativer Betrachtung möglicher Konflikte“ unklar sei.

Aus fachlicher Sicht stellt sich die Frage, wie etwaige Konflikte, die mit hoher Wahrscheinlichkeit
lösbar sind oder auch gar nicht eintreten werden, kumulativ betrachtet werden sollen. Aus
formaler Sicht ist der Ansatz einer kumulative Betrachtung möglicher Konflikte bei der Frage nach
der Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines NATURA 2000-Gebiets zudem unangebracht.
Wenn ein bestimmtes Erhaltungsziel erheblich beeinträchtigt wird, ist die Verträglichkeit einer
Planung oder eines Projekts nicht gegeben. Wenn eine Planung oder ein Projekt sich auf zwei
oder drei Erhaltungsziele auswirkt, aber kein Erhaltungsziel erheblich beeinträchtigt wird, ist die
Verträglichkeit durchaus gegeben. Dies hat sich in der Praxis der Umsetzung von Windenergie-
Projekten im Vogelsberg bestätigt. Die kumulative Betrachtung etwaiger (lösbarer oder wahr-
scheinlich nicht bestehender) Konflikte und die daraus abgeleiteten mögliche Unverträglichkeit
der Planung mit den Erhaltungszielen des EU-Vogelschutzgebiets ist somit als Begründung für
die Nichtaufnahme des Gebiets 5149 fachlich nicht akzeptabel und beinhaltet eine fehlerhafte
Gewichtung von Aspekten des Naturschutzes.

Leider handelt es sich bei dieser exemplarisch benannten Abwägung nicht um einen Einzelfall.
Bei Durchsicht der jeweils angeführten Gründe für die Ergebnisse der Abwägung gewinnt man
den Eindruck, naturschutzfachliche Argumente würden benutzt, um eine gewollte Verteilung von
Windenergiestandorten in Mittelhessen zu erreichen, in der die dem Naturschutz als politisch

                                                                                               Seite 5 (von 7)
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sensibel geltenden, aber besonders windhöffigen Hochlagen der Mittelgebirge weitgehend
ausgespart bleiben.

Nach Anwendung von harten und weichen Ausschlusskriterien wurde bei der Aufstellung des
TRPM für Mittelhessen eine Fläche von rund 8,4 % als sogenannte technische Potentialfläche er-
mittelt. Danach wurden im Arbeitsschritt Nr. 4 die Flächen in Konfliktstufen eingeteilt, um natur-
schutzfachliche Belange im Rahmen der Abwägung minimieren zu können. Als Grundlage dien-
ten vorliegende Informationen über Natura 2000-Gebiete, zu den Kernzonen des Naturschutz-
                                                      großprojekts Vogelsberg, das PNL-Gutach-
                                                      ten, das ITN-Gutachten sowie Daten zu
                                                      wertvollen Waldbiotopen.

                                                       Für das sogenannte technische Potential
                                                       errechnete die Regionalplanung 50 % bzw.
                                                       einen Anteil von 4,2 % in Mittelhessen mit
                                                       der Konfliktstufe 1 bis 3. Ein hoher Anteil
                                                       von 41 % des verfügbaren technischen Po-
                                                       tenzials wurde der Konfliktstufe 5 bis 6 zu-
                                                       geordnet.

Grafik 3: Konflikträume

Da die Vorgabe der Ausweisung von 2 % Windvorrangflächen nach diesem Arbeitsschritt mit
einer technischen Potentialfläche von 8,4 % überfüllt war, wurde schließlich im Arbeitsschritt Nr. 5
anhand der Restriktionskriterien I abgewogen. Konkret meint dies, dass vor allem Gebiete mit
angeblich hohem avifaunistischem Konfliktpotenzial ausgeschieden wurden. Als Ergebnis lagen
nach dieser Abwägung rund 87 % der verbliebenen möglichen Vorranggebiete innerhalb der Kon-
fliktstufe 1-3 und lediglich 7 % in der Konfliktstufe 5-6. Damit wurde, wie von Seiten des Regie-
rungspräsidiums am 15. November 2012 in einer Sitzung des zuständigen Ausschusses der
Regionalversammlung zutreffend festgestellt wurde, dem Artenschutz ein hohes Gewicht einge-
räumt. Allerdings geschah dies offenbar zu Lasten der eigentlich erforderlichen Abwägung mit
dem Ziel einer Ausweisung von möglichst windhöffigen und damit im Rahmen des EEG wirt-
schaftlich erschließbaren Standorten. Eine solche Abwägung wurde nicht gebietsweise vorge-
nommen, sondern den Belangen des Naturschutzes ist durch Anwendung von fachlich nicht
nachvollziehbar begründeten Pauschal-Annahmen und Ausschluss-Kriterien ein ungerechtfertigt
hohes Gewicht beigemessen worden. Dies hat zum weitgehenden Verzicht auf die Ausweisung
von windhöffigen Standorten in den Hochlagen der Mittelgebirge geführt und damit zur Ausklam-
merung eines Großteils der Flächen, auf denen eine kosteneffiziente Windenergienutzung in
Mittelhessen möglich wäre.

Überdies ist darauf hinzuweisen, dass diese Räume in Mittelhessen dünn besiedelt und
strukturschwach sind, was auf politischer Ebene Anlass zu vielfältigen Aktivitäten war und ist, um
diesen Strukturproblemen entgegenzuwirken. Der vorliegende Entwurf TRPM geht allerdings in
eine andere Richtung, denn er macht es vielen an der Windenergie interessierten Kommunen in
diesen Regionen faktisch unmöglich, die mit der Erschließung von Windstandorten verbundenen
wirtschaftlichen Impulse bei sich zur Stärkung des ländlichen Raums zu nutzen. Entgegen den
eigenen Bekundungen der Regionalplanung wurde den kommunale Planungswünschen bei der
Erstellung des Entwurfs des TRPM kein ähnlich hohes Gewicht zugemessen wie dem ‚Wunsch‘
nach einem weitestgehenden Ausschluss von NATURA 2000-Gebieten.

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Gesellschaft für rationelle Energienutzung mbH

3. Fazit

Der vorliegende Entwurf des TRPM kann wegen der fehlerbehafteten Bewertung der Wind-
höffigkeit von möglichen Vorranggebieten sowie wegen der mangelhaften Berücksich-
tigung von Wirtschaftlichkeit und Effizienz bei der Auswahl von Windstandorten bei
gleichzeitiger unbegründeter Übergewichtung von Naturschutzbelangen nicht überzeugen.

Der Entwurf bedarf dringend der Überarbeitung, damit ein deutlich größerer Teil der
Windvorrangflächen Standorte mit höheren Windgeschwindigkeiten oberhalb von 6 m/s
werden. Denn nur so ist gewährleistet, dass trotz der durch das EEG vorgegebenen sin-
kenden Einspeisevergütungen in den kommenden Jahren in Mittelhessen ein wirtschaft-
licher Ausbau der Windenergie möglich bleibt.

Die erkennbar fehlerhafte Übergewichtung von Naturschutzbelangen im Entwurf des TRPM
müsste korrigiert werden, damit nicht mehr die überwiegende Zahl der windstarken
Standorte in Mittelhessen pauschal wegen angeblicher, aber nicht nachgewiesener
Artenschutz-Konflikte ausgeschieden wird, obwohl eventuelle Konflikte durch konkrete
Maßnahmen, die im BImSchG-Verfahren festgelegt werden können, durchaus vermeidbar
bzw. lösbar wären.

Zudem müssten die Planungswünsche der Kommunen in der Planaufstellung stärker
berücksichtigt werden. Denn nur gemeinsam mit den Akteuren vor Ort können die
Aufgaben der Energiewende erfolgreich angegangen werden.

hessenENERGIE Gesellschaft für rationelle Energienutzung mbH

Wiesbaden, April 2013

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