Neueste Rechtsprechung im deutschen Markenrecht 2020

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Neueste Rechtsprechung im deutschen Markenrecht 2020
Neueste Rechtsprechung
          im
deutschen Markenrecht

        2020
Neueste Rechtsprechung im deutschen Markenrecht 2020
© Eisenführ Speiser
  Patentanwälte Rechtsanwälte PartGmbB

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Neueste Rechtsprechung im deutschen Markenrecht 2020
INHALT

Überblick ...................................................................................................................................................... 2
      Verletzungsverfahren
      1. Keine Verpflichtung eines Unterlassungsschuldners zur Löschung von
         Folgeeintragungen ......................................................................................................................... 3
         EuGH, Urteil vom 02.07.2020, C-684/19 – mk advokaten/MBK Rechtsanwälte
      2. Keine Rechtsverletzung durch das Lagern markenrechtsverletzender Waren ........................ 6
            EuGH, Urteil vom 02.04.2020, C-567/18 – Coty/Amazon
      3. Querlieferungen innerhalb eines selektiven Vertriebssystems ................................................. 8
         BGH, Urteil vom 15.10.2020, I ZR 147/18 – Querlieferungen
      4. Verwendung der Domain  für Rechtsanwaltsdienstleistungen
         verletzt Rechte an der Marke SCHUFA ...................................................................................... 10
         LG München I, Urteil vom 25.06.2020, 17 HK O 3700/20
      Schutzfähigkeit / Löschungsverfahren / Widerspruchsverfahren
      5. Berücksichtigung von wahrscheinlichen Verwendungsarten bei der Beurteilung der
         Unterscheidungskraft einer Marke ............................................................................................. 12
         BGH, Beschluss vom 30.01.2020, I ZB 61/17 – #darferdas? II
      6. Schutzfähigkeit für Schokoladenwarenverpackung ................................................................. 14
            BGH, Beschluss vom 23.07.2020, I ZB 42/19 – Quadratische
            Tafelschokoladenverpackung II
      7. Zur Bösgläubigkeit wegen fehlender Benutzungsabsicht bei der Anmeldung
         einer Marke ................................................................................................................................... 16
            EuGH, Urteil vom 29.01.2020, C-371/18 – Sky ./. SkyKick
      8. Ein „X“ am Ende macht noch keinen Unterschied – Begriff der rechtserhaltenden
         Benutzung im Widerspruchsverfahren und Bewertung der Ähnlichkeit von Zeichen
         mit hohen beschreibenden Anklängen ...................................................................................... 18
            BGH, Urteil vom 06.02.2020, I ZB 21/19 – INJEKT/INJEX
      9. Freihaltebedürftige beschreibende Angabe für Sahneeis (Plombir) ......................................... 21
            BPatG, Beschluss vom 04.03.2020, 28 W (pat) 27/13
Neueste Rechtsprechung im deutschen Markenrecht 2020
ÜBERBLICK

Mit dieser Ausgabe der „Neuesten Rechtsprechung im          hatten sich im vergangenen Jahr unter anderem erneut
deutschen Markenrecht“ erscheint bereits zum fünften        mit dem Umfang des markenrechtlichen Unterlassungs-
Mal die von den Rechtsanwälten der Praxisgruppe Mar-        anspruchs, der Haftung verschiedener Akteure im Inter-
ken bei EISENFÜHR SPEISER zusammengestellte Über-           nethandel sowie der Verletzung von Markenrechten
sicht zu aktuellen, praxisrelevanten Gerichtsentscheidun-   durch Angaben in Domains zu befassen. Darüber hinaus
gen. Die Praxisgruppe Marken bündelt die Kompetenzen        hat sich der EuGH zu bösgläubigen Markenanmeldungen
der Kanzlei im Markenrecht standortübergreifend und dis-    bei fehlender Benutzungsabsicht geäußert. Mit Blick auf
kutiert in diesem Rahmen regelmäßig Neuerungen in           die Schutzfähigkeit von Marken ging es im Jahr 2020 um
Rechtsprechung und Praxis. Gemeinsam kann die Praxis-       die Einbeziehung wahrscheinlicher Verwendungsformen
gruppe aus einer Erfahrung von mehr als 50 Jahren           bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit eines Zeichens
schöpfen. Davon profitieren unsere Mandanten.               und die Schutzfähigkeit einer gut bekannten quadrati-
                                                            schen Schokoladenverpackung. Ebenso diskutiert wird
Für die Rechtsprechungsübersicht 2020 haben wir insge-      der Begriff der rechtserhaltenden Benutzung im Wider-
samt neun aktuelle und praxisrelevante Entscheidungen       spruchsverfahren sowie das Freihaltebedürfnis bei be-
zusammengetragen und aufbereitet. Jede Entscheidung         schreibenden Angaben.
ist mit der persönlichen Bewertung des jeweiligen Bear-
beiters versehen.                                           Wir wünschen eine interessante Lektüre. Sollten Sie Fra-
                                                            gen oder Anmerkungen zu einzelnen Entscheidungen ha-
Die Entscheidungen betreffen sowohl gerichtliche (Ver-      ben, sprechen Sie uns gerne an.
letzungs-)Verfahren als auch Löschungsverfahren und
Verfahren zur Schutzfähigkeit von Marken. Die Gerichte      April 2021                        EISENFÜHR SPEISER

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Neueste Rechtsprechung im deutschen Markenrecht 2020
VERLETZUNGSVERFAHREN

1. Keine Verpflichtung eines Unterlassungsschuldners zur Löschung von Folgeein-
   tragungen

   EuGH, Urteil vom 02.07.2020, C-684/19 – mk advokaten/MBK Rechtsanwälte

   HINTERGRUND

   In seiner jüngeren Spruchpraxis hat der Bundesgerichts-      Die hiesige Entscheidung behandelt eine Auseinander-
   hof (BGH) in mehreren wettbewerbs- und markenrechtli-        setzung zweier Rechtsanwaltskanzleien um die marken-
   chen Entscheidungen die für den Schuldner eines Unter-       rechtsverletzende Bewerbung von Rechtsdienstleistun-
   lassungsanspruchs bestehenden Verpflichtungen erwei-         gen. Abweichend von der eingangs erwähnten Recht-
   tert und konkretisiert. Neben dem bloßen Unterlassen         sprechung hat sie nicht den Rückruf von Waren aus den
   (weiterer) rechtsverletzender Handlungen bestehen für        Vertriebswegen zum Gegenstand, sondern die Beseiti-
   Schuldner auch Pflichten, durch aktives Handeln die          gung von Anzeigen im Internet. Auch hierbei stellt sich
   durch seine ursprünglichen Handlungen geschaffenen           jedoch die Frage, wie weit die Verpflichtungen des
   Beeinträchtigungen zulasten des Unterlassungsgläubi-         Schuldners    eines   Unterlassungsanspruchs      reichen,
   gers wieder zu beseitigen. Nach der erwähnten Recht-         rechtsverletzende Zustände außerhalb seines unmittelba-
   sprechung, über deren Entwicklung wir an dieser Stelle       ren Verantwortungsbereichs durch aktives Handeln zu
   bereits mehrfach berichtet haben (siehe „Neueste Recht-      beseitigen.
   sprechung im deutschen Markenrecht 2016“ S. 5 f. und
   2018 S. 8 f.), können sich die Pflichten aus dem Unterlas-
   sungsgebot bis hin zur Verpflichtung zum Rückruf von
   Waren aus den Vertriebswegen ausweiten.

   ENTSCHEIDUNG

   Die Gläubigerin, eine Sozietät von Rechtsanwälten aus        Örtliche“ beauftragt. Diesen Eintrag ließ sie nach dem Ur-
   Mönchengladbach, ist Inhaberin einer u. a. für Rechts-       teil des LG Düsseldorf vollständig löschen. Die Gläubige-
   dienstleistungen eingetragenen deutschen Marke „MBK          rin stellte in der Folgezeit jedoch fest, dass eine Google-
   Rechtsanwälte“. Die Schuldnerin, ebenfalls eine Rechts-      Suche nach dem Begriff „mbk Rechtsanwälte“ weiterhin
   anwaltssozietät mit Sitz in Kleve, übte ihre Tätigkeit zu-   Treffer auf anderen Websites anzeigte, die Unterneh-
   nächst unter der Bezeichnung „mbk Rechtsanwälte“ und         menseinträge zur Schuldnerin enthielten. Auf Antrag der
   der niederländischen Entsprechung „mbk advokaten“            Gläubigerin verhängte das LG Düsseldorf deswegen ge-
   aus. Auf eine Verletzungsklage der Gläubigerin hin verur-    gen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld.
   teilte das Landgericht Düsseldorf die Schuldnerin, es zu
   unterlassen, die Bezeichnung „mbk“ im geschäftlichen         Das Landgericht entschied, die Schuldnerin sei nicht nur
   Verkehr für Rechtsdienstleistungen zu benutzen. Dieses       verpflichtet gewesen, den von ihr selbst in Auftrag gege-
   Urteil ist rechtskräftig.                                    benen Ersteintrag zu löschen, sondern auch alle weiteren
                                                                Einträge in gängigen Online-Verzeichnissen, die das Zei-
   Die Schuldnerin hatte unter der entsprechenden Bezeich-      chen „mbk“ enthielten, denn die auf den fraglichen
   nung einen Eintrag im Online-Telefonverzeichnis „Das         Websites enthaltenen Anzeigen kämen der Schuldnerin

   I. Verletzungsverfahren / 1. Keine Verpflichtung eines Unterlassungsschuldners zur Löschung von
   Folgeeintragungen                                                                                                     3
Neueste Rechtsprechung im deutschen Markenrecht 2020
zugute und gingen auf den von ihr unmittelbar in Auftrag      Der EuGH bestätigt die Zweifel des OLG Düsseldorf. Der
gegebenen Ersteintrag zurück. Gegen den Beschluss des         Leitsatz der Entscheidung lautet:
Landgerichts legte die Schuldnerin Beschwerde ein.
                                                              „Art. 5 Abs. 1 [MarkenRL] ist dahin auszulegen, dass
Das Oberlandesgericht Düsseldorf legte die Sache dem          eine im geschäftlichen Verkehr auftretende Person,
EuGH zur Vorabentscheidung vor. Nach der Rechtspre-           die auf einer Webseite eine Anzeige hat platzieren las-
chung deutscher Gerichte sei ein Schuldner, der durch         sen, durch die eine Marke eines Dritten verletzt wird,
eine Erstbenutzung im Internet die Markenrechte eines         das mit dieser Marke identische Zeichen nicht benutzt,
Dritten verletzt, nicht nur verpflichtet, die entsprechende   wenn Betreiber anderer Webseiten diese Anzeige
Ersteintragung zu löschen, sondern müsse ferner unter         übernehmen, indem sie sie auf eigene Initiative und
Zuhilfenahme der gängigen Suchmaschinen untersu-              im eigenen Namen auf diesen anderen Webseiten
chen, ob Drittwebsites diese Eintragung, auch ohne seine      veröffentlichen.“
Zustimmung, übernommen haben und gegebenenfalls
zumindest ernsthaft versuchen, eine Löschung auf die-         Zur Begründung führt er aus: Der Ausdruck „benutzen“
sen Websites zu erreichen. Begründet werde diese An-          im Sinne der Richtlinie erfordere ein aktives Verhalten
sicht damit, dass diese Folgeeintragungen auf die rechts-     und eine unmittelbare oder mittelbare Herrschaft über die
widrige Ersteintragung des Schuldners zurückzuführen          Benutzungshandlung. Ein Benutzen in diesem Sinne sei
sind und diesem zudem wirtschaftlich zugutekommen.            demnach anzunehmen in Bezug auf den Ersteintrag in
Die Gefahr, dass Eintragungen von anderen Websites un-        „Das Örtliche“, den die Schuldnerin selbst in Auftrag ge-
gefragt übernommen würden, müsse daher der Verletzer          geben hatte. Nicht zuzurechnen seien der Schuldnerin
tragen. Dieser müsse daher auch die mit der Löschung          hingegen selbständige Handlungen anderer Wirtschafts-
verbundenen Aufwendungen und Mühen auf sich neh-              teilnehmer, wie die der Betreiber der Drittwebsites, mit
men.                                                          denen sie keine unmittelbare oder mittelbare Beziehung
                                                              unterhält und die nicht in ihrem Auftrag handeln, sondern
Das OLG äußert Zweifel, dass dies mit der Rechtspre-          auf eigene Initiative und im eigenen Namen. Die Bestim-
chung des EuGH zur Auslegung des Artikels 5 Abs. 1 Mar-       mung könne nicht dahin ausgelegt werden, dass eine
kenrechtsrichtlinie in ihrer damaligen Fassung (heute Ar-     Person unabhängig von ihrem Verhalten als Benutzer ei-
tikel 10 MarkenRL) vereinbar ist, wonach es sich bei          nes Zeichens angesehen werden kann, nur weil diese Be-
Folgeeintragungen nicht um markenrechtsverletzende            nutzung ihr möglicherweise einen wirtschaftlichen Vorteil
Benutzungshandlungen des Schuldners handelt. Eine Be-         verschafft.
nutzung setze danach ein aktives Handeln voraus. Selb-
ständige Handlungen Dritter seien demjenigen, der ledig-
lich den Ersteintrag auf einer bestimmten Website in Auf-
trag gegeben hat, nicht zuzurechnen.

BEWERTUNG

Die Entscheidung des EuGH ist zu begrüßen. Sie be-            Der EuGH stellt klar, dass dies nicht ausschließt, dass ein
grenzt die vom BGH aufgestellten weitreichenden Hand-         Gläubiger ggf. nach nationalem Recht wirtschaftliche Vor-
lungspflichten des Unterlassungsschuldners zumindest          teile des Schuldners von diesem einfordern kann und
ein wenig. Bei markenrechtlichen Auseinandersetzungen         dass auch das Recht, gegen die Betreiber der Drittwebs-
ist der Schuldner damit nicht verpflichtet, Websites unab-    ites vorzugehen, unberührt bleibt. Etwaige wirtschaftli-
hängiger Dritter dahingehend zu untersuchen, ob diese         che Vorteile des Schuldners rechtfertigen jedoch nicht,
den Ersteintrag ohne seine Zustimmung übernommen              die autonomen Handlungen unabhängiger Dritter als Be-
haben.                                                        nutzungshandlungen des Schuldners zu behandeln.

                    I. Verletzungsverfahren / 1. Keine Verpflichtung eines Unterlassungsschuldners zur Löschung von
4                                                                                                 Folgeeintragungen
Nach der deutschen Rechtsprechung ist der Unterlas-            den Verkehr gebracht hat, zumindest wirtschaftliche Be-
sungsschuldner, der markenrechtsverletzende Inhalte            ziehungen zu seinen Abnehmern unterhält. Es fehlt also
auf seiner Website hatte und diese aufgrund der Unter-         die Voraussetzung, dass er zu ihnen „keine unmittelbare
lassungspflicht entfernt hat, auch verpflichtet, bei Google    oder mittelbare Beziehung unterhält“. Gleichwohl ist
und anderen gängigen Suchmaschinen eine Reindexie-             denkbar, dass der EuGH auch die Handlungen unabhän-
rung der Suchergebnisse zu beantragen, damit die Marke         giger Abnehmer dem Unterlassungsschuldner nicht ohne
in den Suchergebnissen nicht mehr im Zusammenhang              weiteres zurechnen würde – sollte ihm diese Frage end-
mit der Website erscheint. Zumindest, wenn die Auf-            lich einmal vorgelegt werden.
nahme in die Suchergebnisse nicht vom Schuldner veran-
lasst war, sondern alleine auf die Initiative von Google er-   Im Nachgang hatte das OLG Düsseldorf noch zu prüfen,
folgte, sollte sich diese Verpflichtung mit der Entschei-      ob die Schuldnerin die Folgeeintragungen durch ihr Ver-
dung des EuGH erledigt haben.                                  halten veranlasst hat oder die Betreiber dieser Websites
                                                               auf eigene Initiative und im eigenen Namen gehandelt ha-
Dass der BGH diese Entscheidungen zum Anlass nimmt,            ben. Mit zwischenzeitlich ergangenen Beschluss vom
die ausufernde Rückrufrechtsprechung zu korrigieren, ist       13. Oktober 2020 hat das OLG Düsseldorf die landge-
hingegen wenig wahrscheinlich. Zum einen betrifft diese        richtliche Entscheidung aufgehoben und den Ordnungs-
Rechtsprechung teilweise nationales Wettbewerbsrecht           mittelantrag zurückgewiesen. Es gebe keine Anzeichen,
und nicht harmonisiertes Markenrecht. Zum anderen ist          dass die Schuldnerin die Folgeeintragungen veranlasst
die Sachlage nicht vollständig deckungsgleich. Der Fall        hatte. (Kirschner)
unterscheidet sich insofern von der Situation des Rück-
rufs, als ein Verletzer, der rechtsverletzende Waren in

I. Verletzungsverfahren / 1. Keine Verpflichtung eines Unterlassungsschuldners zur Löschung von
Folgeeintragungen                                                                                                    5
2. Keine Rechtsverletzung durch das Lagern markenrechtsverletzender Waren

   EuGH, Urteil vom 02.04.2020, C-567/18 – Coty/Amazon

   HINTERGRUND

   Werden markenrechtsverletzende Waren vertrieben, so           EuGH die Frage vorzulegen, ob der gutgläubige Lagerist
   stellt sich für den Inhaber der jeweiligen Marke die Frage,   „Besitzer“ der eingelagerten Ware ist. Bei der Bestim-
   wie die Durchsetzung seiner Rechte am effektivsten            mung des „Besitzens“ ist dabei zu berücksichtigen, dass
   möglich ist. Zu diesem Zweck liegt der Gedanke nahe,          Art. 9 Abs. 3 b) UMV nur zu Anwendung kommt, wenn
   nicht die einzelnen Anbieter der markenverletzenden Wa-       die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Hierfür ist
   ren heranzuziehen, sondern denjenigen in Anspruch zu          entscheidend, dass eine Marken-„Benutzung“ vorliegt.
   nehmen, der die Ware lagert oder diese ausliefert.            Die Frage, ob der nicht definierte Begriff der „Benut-
                                                                 zung“ im Sinne des Art. 9 Abs. 2 UMV auch das reine
   Die für die Praxis durchaus relevante Frage der Haftung       Einlagern von Ware umfasst, war Gegenstand der Ent-
   desjenigen, der die Ware einlagert, war bisher vom EuGH       scheidung des EuGH.
   noch nicht entschieden worden. Anlässlich des hier be-
   sprochenen Falls hatte der BGH die Möglichkeit, dem

   ENTSCHEIDUNG

   Die Entscheidung beruht auf einem Streit zwischen Coty,       Rechtsfolge, nämlich das Beenden der verletzenden
   für die u. a. die Marke Davidoff geschützt ist, und Ama-      Handlung, kann nur dann sinnvoll durchgesetzt werden,
   zon. Im Amazon Marketplace wurde von einem Dritten            wenn der Anspruchsgegner überhaupt eine Herrschaft
   rechtsverletzend ein Parfüm unter diesem Namen ange-          über die Benutzungshandlung hat.
   boten. Coty nahm daraufhin unter anderem die Amazon
   FC Graben GmbH in Anspruch, die die Lagerung und die          Hierneben stellt er klar, dass eine „Benutzung“ eines mit
   Versendung der Waren vornahm. Coty ist der Auffas-            der Marke identischen oder ähnlichen Zeichens jedenfalls
   sung, dass diese Amazon-Tochter durch das Lagern von          dann vorliegt, wenn der Dritte das Zeichen für seine ei-
   markenrechtsverletzenden Waren, ohne von der Verlet-          gene kommerzielle Kommunikation benutzt. Unter Ver-
   zung Kenntnis zu haben, eine Markenrechtsverletzung           weis auf seine Entscheidungen Google und Google
   begeht, da sie die Waren „besitze“.                           France (EuGH (Große Kammer), Urteil vom 23. 03. 2010,
                                                                 C-236/08 bis C-238/08)) stellt der EuGH jedoch klar, dass
   Der EuGH lehnt eine Rechtsverletzung durch das Lagern         eine solche Nutzung nicht bereits dann vorliegt, wenn zu-
   der markenrechtsverletzenden Waren jedoch ab, schloss         gelassen wird, dass die Kunden ein Zeichen benutzen,
   sich insoweit der Ansicht des BGH an und stellte sich der     das mit den Waren oder dem Zeichen des Markenrechts-
   Position des Generalanwalts entgegen.                         inhabers ähnlich oder identisch ist.

   In seiner Entscheidung betont der EuGH unter Verweis          Eine „Benutzung“ des Zeichens liegt jedoch vor, wenn
   auf seine Entscheidung Daimler ((Urteil vom 03.03.2016,       ein Wirtschaftsteilnehmer Waren, die markenrechtlich
   C-179/15, Rn. 39, 40, 41), dass eine „Benutzung“ einer        geschützte Zeichen tragen, zum Zweck des Inverkehr-
   markenrechtlich geschützten Ware nur dann in Betracht         bringens einführt oder sie an den Lagerinhaber aushän-
   kommt, wenn ein aktives Verhalten vorliegt und eine un-       digt. Dieser Grundsatz gelte aber nicht zwangsläufig auch
   mittelbare oder mittelbare Herrschaft über die Benut-         für denjenigen, der als Lagerinhaber nur die Dienstleis-
   zungshandlung vorliegt. Die in der Norm geregelte             tung der Lagerung von markenrechtlich geschützten Zei-

   6             I. Verletzungsverfahren / 2. Keine Rechtsverletzung durch das Lagern markenrechtsverletzender Waren
chen vornimmt (m. V. a. EuGH, Urteil vom 16.07.2015,        Betracht kommen kann, wenn derjenige, der die Ware
C-379/14 – TOP Logistics). Unter Heranziehung der Ent-      einlagert, das Ziel verfolgt, die Ware anzubieten oder in
scheidung Frisdranken Industrie Winters (EuGH, Urteil       den Verkehr zu bringen. Wenn dies nicht gegeben ist, so
vom 15.12.2011, C-119/10) stellt der EuGH heraus, dass      scheidet sowohl die „Benutzung“ der Ware selbst als
eine „Benutzung“ jedenfalls dann nicht vorliegen kann,      auch das „Benutzen“ des Zeichens im Rahmen der eige-
wenn nur technische Voraussetzungen geschaffen wer-         nen kommerziellen Kommunikation aus.
den, um das Zeichen zu „benutzen“. Der Erbringer dieser
Leistung benutzt das Zeichen nämlich nicht selbst.          Im vorliegenden Fall lagen diese Voraussetzungen nicht
                                                            vor, da Amazon FC Graben die mit einem markenrechtlich
Sodann betont der EuGH unter Verweis auf den Wortlaut       geschützten Zeichen versehene Ware weder zum Ver-
Art. 9 Abs. 2 lit. b UMV („Besitz zu benannten Zwecken“),   kauf angeboten noch in Verkehr gebracht hatte.
dass eine „Benutzung“ durch die Einlagerung nur dann in

BEWERTUNG

Für die Bestimmung der Verletzung einer Marke durch ei-     Das Urteil des EuGH stellt jedoch keinen „Freifahrt-
nen Lageristen ist in Folge der Entscheidung danach zu      schein“ für Amazon aus. Zum einen betont der EuGH,
fragen, ob die Einlagerung nur die Dienstleistung des La-   dass es durchaus möglich erscheint, dass Amazon selbst
gerns erfasst, oder ob derjenige, der die Lagerung vor-     auch einzelne Waren für eigene Zwecke besitzt oder
nimmt, mit dieser das Ziel verfolgt, die Waren mit dem      selbst anbietet. Zum anderen lässt der EuGH offen, ob
markenrechtlich geschützten Zeichen selbst anzubieten       der Betreiber eines Online-Marketplace gegebenenfalls
oder in den Verkehr zu bringen.                             unter den Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 RL
                                                            2000/31 (E-Commerce-Richtlinie) fallen könnte, er also
Durchaus interessant ist dabei die Ansicht des General-     als Hoster gilt, der nicht stets für die gespeicherten In-
anwalts, der zur Bestimmung der „Benutzung“ auf den         halte der einzelnen Nutzer verantwortlich ist, und wenn
gesamten Konzern abstellen will. Wird, wie vorliegend       dies nicht der Fall sein sollte, ob der Betreiber als „Mit-
vom EuGH angenommen, für die Bestimmung der Benut-          telsperson“ im Sinne von Art. 11 S. 1 RL 2004/48 (Durch-
zungshandlung nur auf die einzelne Tochter abgestellt, so   setzungs-Richtlinie) anzusehen ist. (Eberhardt)
könnte die Verfolgung von Markenrechtsverletzungen
durch die Gründung von Tochterunternehmen erschwert
werden.

I. Verletzungsverfahren / 2. Keine Rechtsverletzung durch das Lagern markenrechtsverletzender Waren                  7
3. Querlieferungen innerhalb eines selektiven Vertriebssystems

   BGH, Urteil vom 15.10.2020, I ZR 147/18 – Querlieferungen

   HINTERGRUND

   In dieser Auseinandersetzung von Schwergewichten –            Endverbraucher-Mengen, nämlich maximal 3 gleiche Pro-
   auf Klägerseite der Coty-Konzern (weltgrößter Hersteller      dukte (Ausschluss des Großhandelsgeschäfts). Dies war
   von Parfums für den Massenmarkt), auf der Beklagten-          auf die Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EU-
   seite Gesellschaften des Amazon-Konzerns – ging es um         Staaten plus Island, Liechtenstein und Norwegen –
   den Vertrieb von Parfums unter der Marke „Joop!“. Die         „EWR“) beschränkt. An Abnehmer außerhalb dieses Ter-
   Klägerin ist Lizenznehmerin der Markeninhaberin. Sie          ritoriums durfte ein Vertriebspartner nicht verkaufen, ge-
   hatte Testkäufe bei der Beklagten auf amazon.de durch-        nauso wenig von diesen einkaufen. Die Vertriebspartner
   geführt. Bei den erhaltenen Produkten handelte es sich        mussten ferner ein bestimmtes jährliches Mindestein-
   zwar um Original-Produkte, die Klägerin behauptete aber,      kaufsziel erreichen, wobei die von anderen Vertriebspart-
   die konkreten Produkte seien von ihr nach Dubai geliefert     nern gekauften oder an diese verkauften Produkte nicht
   worden. Die Beklagte entgegnete, sie habe die Ware von        zur Erreichung dieser Ziele mitgezählt wurden.
   einem autorisierten Vertragshändler eines europäischen,
   zum Konzern der Klägerin gehörenden Unternehmens er-          Das Landgericht München I verurteilte die Beklagte u. a.
   worben.                                                       zur Unterlassung und Auskunftserteilung, das Oberlan-
                                                                 desgericht München hielt diese Verurteilung aufrecht.
   Coty hatte ein selektives Vertriebssystem installiert, nach
   dem die Vertriebspartner nur an Endverbraucher oder an-
   dere Vertriebspartner verkaufen dürfen, und zwar nur in

   ENTSCHEIDUNG

   Der Bundesgerichtshof (BGH) hob dieses Urteil auf und         identischen Marke für identische Waren ohne Zustim-
   verwies es zur erneuten Verhandlung an das OLG Mün-           mung des Markeninhabers verkauft wurde.
   chen zurück.
                                                                 Jedoch hielt er es nicht für ausreichend festgestellt, ob
   Zunächst stellte der BGH fest, dass die Klägerin aufgrund     „Erschöpfung“ an den verkauften Produkten eingetreten
   ihres Lizenzvertrages zur Geltendmachung der Unterlas-        sei. Die Erschöpfung ist im europäischen Markenrecht
   sungsansprüche berechtigt sei, aber nicht zur Geltend-        ein Ausschlussgrund für markenrechtliche Ansprüche.
   machung des Auskunftsanspruchs. Dieser diene der Vor-         Danach kann die Markeninhaberin Dritten die Benutzung
   bereitung des Schadensersatzanspruchs. Einem Lizenz-          der Marke für von der Markeninhaberin selbst (oder mit
   nehmer steht kein eigener Schadensersatzanspruch zu.          deren Zustimmung) im EWR in Verkehr gebrachte Waren
   Es sei auch von den Gerichten keine Feststellung getrof-      nicht untersagen. Dies soll den freien Warenverkehr von
   fen worden, dass die Klägerin zur Geltendmachung des          Original-Produkten innerhalb des europäischen Binnen-
   Schadensersatzanspruchs von der Markeninhaberin er-           markts gewährleisten, damit die nationalen Märkte nicht
   mächtigt worden sei oder diese ihn ihr abgetreten habe.       vom Markeninhaber unter Rückgriff auf das Markenrecht
                                                                 abgeschottet werden können (etwa zur Erzielung höherer
   Hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs bejahte der           Preise in einzelnen Staaten).
   BGH eine Markenverletzung, weil ein Produkt mit einer

   8                            I. Verletzungsverfahren / 3. Querlieferungen innerhalb eines selektiven Vertriebssystems
In der Regel hat der Beklagte, der sich auf die Erschöp-    Der Bundesgerichtshof sah dies anders: Eine Gefahr der
fung beruft, diese auch zu beweisen. Nach bestehender       Abschottung der nationalen Märkte könne in dem vorlie-
Rechtsprechung des BGH und des Europäischen Ge-             genden Vertriebssystem denkbar sein. Denn es seien
richtshofs ist die Beweislast aber umzukehren, wenn die     zwar Verkäufe zwischen Vertriebspartnern in verschiede-
Beweisregel es dem Markeninhaber ermöglichen könnte,        nen EWR-Staaten gestattet, aber der Verkauf im Groß-
die nationalen Märkte abzuschotten. Denn wenn der Be-       handelsumfang sei ausgeschlossen und solche Verkäufe
klagte seine Bezugsquelle offenlegen müsste, könnte der     würden nicht auf die Mindesteinkaufsziele angerechnet.
Markeninhaber auf diese Quelle in seinem Vertriebssys-      Dies könne beschränkend auf den grenzüberschreiten-
tem einwirken, damit solche Verkäufe in Zukunft unter-      den Warenverkehr wirken und die Beibehaltung von
bleiben. So wurde in der Vergangenheit höchstrichterlich    Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten be-
entschieden, dass bei ausschließlichen Vertriebssyste-      günstigen.
men (nur ein Vertriebspartner pro Staat, dem auch nur der
Verkauf innerhalb des Staates erlaubt ist) der Beklagte     Die Beklagte hatte vorliegend bereits in den Vorinstanzen
nur nachweisen muss, dass eine tatsächliche Gefahr der      vorgetragen, dass Preisunterschiede bei den relevanten
Abschottung der Märkte besteht, woraufhin der Marken-       Waren zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten bestehen
inhaber nachzuweisen hat, dass die streitgegenständli-      und das Vertriebssystem zur Beschränkung des Verkehrs
chen Produkte keine von ihm im EWR in Verkehr gebrach-      geeignet sei. Diesen Ausführungen hätte nach Auffassung
ten Original-Produkte waren.                                des BGH das Berufungsgericht nachgehen müssen. Wenn
                                                            es sich bei der Prüfung nach der Zurückverweisung des
Im vorliegenden Fall bestand aber kein solches aus-         Rechtsstreits ergebe, dass Preisunterschiede zwischen
schließliches Vertriebssystem, sondern ein selektives       den Mitgliedstaaten bestehen, würde dies angesichts der
Vertriebssystem – die Vertriebspartner durften nur an be-   vorstehend ausgeführten Regelungen des Vertriebssys-
stimmte Abnehmer verkaufen, aber dies durchaus inner-       tems die Gefahr einer Abschottung der nationalen Märkte
halb des gesamten EWR. Dementsprechend hielt das            begründen. In der Konsequenz müsste die Klägerin nach-
Oberlandesgericht München das Vertriebssystem für           weisen, dass diese Preisunterschiede auf andere Ursa-
ausreichend so ausgestaltet, dass keine Abschottung na-     chen zurückzuführen sind, oder dass die relevanten Waren
tionaler Märkte erfolge.                                    von ihr außerhalb des EWR in Verkehr gebracht wurden.

BEWERTUNG

Der BGH dehnt die Anforderungen an ein „erschöpfungs-       Abschottung der nationalen Märkte und damit zur Auf-
konformes“ Vertriebssystem aus, indem nicht nur – wie       rechterhaltung von Preisunterschieden führen kann.
bisher von der Rechtsprechung entschieden – jedenfalls      Diese Rechtsprechung ist also bei der Aufstellung selek-
keine passiven Verkäufe außerhalb des zugewiesenen          tiver Vertriebssysteme zu berücksichtigen. Ferner sollten
Gebiets verboten werden dürfen, sondern auch ein            bestehende Vertriebssysteme auf Einklang mit dieser
grundsätzlich erlaubter grenzüberschreitender Verkauf in-   Rechtsprechung überprüft werden. (Brecht)
nerhalb des EWR nicht durch andere vertragliche Rege-
lungen so eingeschränkt werden darf, dass er zu einer

I. Verletzungsverfahren / 3. Querlieferungen innerhalb eines selektiven Vertriebssystems                            9
4. Verwendung der Domain  für Rechtsanwaltsdienstleistun-
   gen verletzt Rechte an der Marke SCHUFA

   LG München I, Urteil vom 25.06.2020, 17 HK O 3700/20

   HINTERGRUND

   Die Klägerin als bekannte Kreditschutzorganisation ist In-   Beklagte ist Rechtsanwalt und bot über die Website
   haberin der Marke SCHUFA für korrespondierende               www.schufa-anwalt.de rechtsanwaltliche Dienstleistun-
   Dienstleistungen. Sie erteilt insbesondere Bonitätsaus-      gen, insbesondere auch im Zusammenhang mit dem Lö-
   künfte und stellt Betroffenen Datenkopien zur Verfügung      schen von Negativeinträgen bei der Klägerin, an.
   bzw. löscht auf berechtigten Antrag Negativeinträge. Der

   ENTSCHEIDUNG

   Das Landgericht erließ auf Antrag der Klägerin eine einst-   MarkenG erfüllt, da sich die beiderseitigen Dienstleistun-
   weilige Verfügung, mit der dem Beklagten u. a. die Ver-      gen überschnitten und wegen der Verwendung des Be-
   wendung der Domain  untersagt              standteils „schufa“ zumindest wirtschaftliche Verbindun-
   wurde. Der Beklagte legte hiergegen Widerspruch ein          gen der Parteien vermutet würden. Zudem könne sich die
   und berief sich insbesondere auf die Ausnahmebestim-         Klägerin auf einen Bekanntheitsschutz ihrer Marke stüt-
   mung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, da die Domain rein       zen.
   produktbeschreibend für die von ihm angebotenen
   Rechtsanwaltsdienstleistungen sei.                           Auch die Schutzschranke des § 23 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG
                                                                greife nicht ein. Der Hinweis auf SCHUFA erfolge nicht
   Das Landgericht bestätigte die einstweilige Verfügung        bloß, um über die Merkmale der angebotenen anwaltli-
   hinsichtlich der Benutzung der Domain.                       chen Dienstleistungen zu informieren, zumal es kein spe-
                                                                zielles Rechtsgebiet „Schufa-Recht“ gebe. Die Benut-
   Das Gericht bejaht zunächst eine kennzeichenmäßige           zung der Marke SCHUFA sei auch nicht erforderlich, um
   Verwendung der Domain. Sie diene als Herkunftshinweis        Anwaltsdienstleistungen im Zusammenhang mit der Lö-
   auf die von dem Beklagten erbrachten Rechtsanwalts-          schung von Negativeinträgen anzubieten. Jedenfalls
   dienstleistungen. Zwar liege keine markenmäßige Ver-         stehe auch § 23 Abs. 2 MarkenG der Benutzung entge-
   wendung einer Bezeichnung vor, wenn sie als bloßer Gat-      gen, da diese nicht den anständigen Gepflogenheiten in
   tungsbegriff geführt werde, sodass die Verkehrskreise In-    Gewerbe oder Handel entspreche. Von der Domain gehe
   formationen zu diesem Gattungsbegriff erwarteten. Die        eine große Werbewirkung aus, und schließlich verwende
   Bezeichnung SCHUFA sei jedoch kein solcher Gattungs-         der Beklagte sie im Rahmen der eigenen Produktkenn-
   begriff. Deshalb sei der Verletzungstatbestand des § 14      zeichnung.

   BEWERTUNG

   Verletzungsansprüche aus einer Marke lassen sich bei ei-     Hingegen sind Ansprüche nicht begründet, wenn die Do-
   ner aktiv verwendeten Website nur durchsetzen, wenn          main eine bloße Adressfunktion hat oder die relevanten
   der Domainname kennzeichen- bzw. markenmäßig be-             Verkehrskreise in dem Namen eine bloße beschreibende
   nutzt und damit als Herkunftshinweis verstanden wird.        Angabe sehen. In diesem Fall erwarten sie Informationen

                                            I. Verletzungsverfahren / 4. Verwendung der Domain  für
   10                                              Rechtsanwaltsdienstleistungen verletzt Rechte an der Marke SCHUFA
zu der Sachangabe, aber kein spezielles Produktangebot     Fall lässt sich allerdings zu dem Fall des Oberlandesge-
eines bestimmten Anbieters. So hat der BGH beispiels-      richts Hamburg abgrenzen, da es im Hamburger Verfah-
weise in der Verwendung der Domain              ren um die Benennung einer „formlosen“ Kreditgewäh-
keine kennzeichnende Funktion gesehen, weil auf der        rung geht und im Münchener Fall um anwaltliche Dienst-
Website ausschließlich Informationen über den Künstler     leistungen im Zusammenhang mit der Marke SCHUFA.
Frank Zappa geboten       wurden    (BGH,   Urteil   vom   Deshalb ist das Argument des Landgerichts München I
31.05.2012, I ZR 135/10 – ZAPPA). Eine kennzeichnende      im Hinblick auf eine mögliche Autorisierung der anwaltli-
Funktion hätte erfordert, dass über die Website konkret    chen Dienstleistungen des Beklagten durch die Klägerin
auch Produkte, wie Tonträger oder Merchandise, angebo-     durchaus beachtlich.
ten worden wären. So ist es immer eine Einzelfallent-
scheidung, wann ein kennzeichenmäßiger Gebrauch ei-        Wenn eine kennzeichenmäßige Verwendung einer
nes Domainnamens vorliegt.                                 Marke festgestellt wird, ist noch ergänzend zu erwägen,
                                                           ob die Schutzschranke des § 23 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG
Das Landgericht München I hat als entscheidendes Argu-     eingreift, wenn die Merkmale oder Eigenschaften eines
ment angeführt, dass es das Rechtsgebiet des „Schufa-      Produkts als beschreibende Angabe adressiert werden.
Rechts“ nicht gebe, sodass damit der Hinweis auf die Be-   Diese Vorschrift soll allen Wirtschaftsteilnehmern die
zeichnung SCHUFA in dem Domainnamen nur kennzei-           Möglichkeit erhalten, für ihre Produkte beschreibende
chenmäßig verstanden werden könne. Hier hätte man          Angaben zu benutzen. Dazu muss die Verwendung der
sich eine eingehendere Begründung gewünscht. So hat        Marke eines Dritten aber konkret die Merkmale der ent-
beispielsweise das Hanseatische Oberlandesgericht          sprechenden Produkte bezeichnen. Ob dies vorliegend
Hamburg in der Domain  keine       geltend gemacht werden kann, erscheint aber fraglich,
kennzeichnende Verwendung der Bezeichnung SCHUFA           weil aus dem Domainnamen nicht unmittelbar ersichtlich
gesehen. Schließlich sei eine „SCHUFA-Auskunft“ ein        ist, um welche Dienstleistungen im Zusammenhang mit
weit verbreiteter Begriff und könne als Sachbeschreibung   der Bezeichnung SCHUFA es sich handeln könnte. (Ebert-
im Rahmen einer Kreditgewährung verstanden werden.         Weidenfeller)
Deshalb gehe es primär um eine spezielle Form der Kre-
ditvergabe ohne eine solche Auskunft. Der vorliegende

I. Verletzungsverfahren / 4. Verwendung der Domain  für
Rechtsanwaltsdienstleistungen verletzt Rechte an der Marke SCHUFA                                                11
SCHUTZFÄHIGKEIT / LÖSCHUNGSVERFAHREN / WIDERSPRUCHSVER-
   FAHREN

5. Berücksichtigung von wahrscheinlichen Verwendungsarten bei der Beurteilung
   der Unterscheidungskraft einer Marke

   BGH, Beschluss vom 30.01.2020, I ZB 61/17 – #darferdas? II

   HINTERGRUND

   Die nachfolgende Entscheidungsbesprechung knüpft an           Anmeldung wegen mangelnder Unterscheidungskraft
   die Besprechungen aus den letzten Ausgaben der „Neu-          und mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Auf-
   esten Rechtsprechung im deutschen Markenrecht“ an, in         druck eines Zeichens „#darferdas?“ auf der Vorderseite
   denen wir den Vorlagebeschluss des BGH und darauffol-         eines T-Shirts rein dekorativ bzw. als ein Diskussions-
   gend das Urteil des EuGH zur Unterscheidungskraft der         thema zu der Frage „Darf er das?“ und gerade nicht als
   Marke „#darferdas?“ diskutiert hatten. Der BGH legte          Herkunftshinweis verstanden werde. In der Rechtsbe-
   dem EuGH eine Frage vor, die die Auslegung des Artikel        schwerde rügte die Markenanmelderin, dass die Vo-
   3 Abs. 1 lit. b der Markenrichtlinie 2008 (heute Artikel 4    rinstanzen nur auf eine mögliche Benutzungsform abge-
   Abs. 1 lit. b der Markenrichtlinie) betraf. Der BGH wollte    stellt haben, dass hingegen andere übliche Benutzungs-
   hierzu insbesondere wissen, ob eine Marke Unterschei-         formen, wie das Aufnähen der Marke durch Etiketten,
   dungskraft aufweist, wenn es praktisch bedeutsame und         nicht berücksichtigt wurden. Damit stellte sich die Frage,
   naheliegende Möglichkeiten gibt, sie für die Waren und        ob auch solche Verwendungsformen zu berücksichtigen
   Dienstleistungen als Herkunftshinweis zu verwenden,           sind, die zwar im konkreten Fall nicht naheliegend, aber
   auch wenn es sich dabei nicht um die wahrscheinlichste        mit Blick auf die jeweilige Branche durchaus bedeutsam
   Form der Verwendung der Marke handelt.                        und möglich sind.

   Grundlage des Vorlagebeschlusses war die Zurückwei-
   sung der Marke „#darferdas?“ für diverse Bekleidungs-
   stücke. Sowohl das DPMA als auch das BPatG hatten die

   ENTSCHEIDUNG

   Nachdem der EuGH vorliegend entschieden hatte, dass           che praktisch bedeutsam sind. Hingegen sind Verwen-
   für die Eintragung einer Marke alle relevanten Tatsachen      dungsarten grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig,
   und Umstände zu berücksichtigen sind, einschließlich al-      die im Einzelfall entweder praktisch ohne Bedeutung sind
   ler wahrscheinlichen Verwendungsarten der angemelde-          oder aber als wenig wahrscheinlich erscheinen. Da im
   ten Marke, hat der BGH der Rechtsbeschwerde der Mar-          vorliegenden Falle neben der dekorativen Verwendung
   kenanmelderin stattgegeben.                                   der Marke „#darferdas?“ auch eine anderweitige Ver-
                                                                 wendung in Betracht kommt, insbesondere eine Verwen-
   In Einklang mit den Ausführungen des EuGH hat der BGH         dung in Form eines in der Bekleidungsbranche üblichen
   festgestellt, dass alle diejenigen Verwendungsarten zu        Etiketts, ist auch diese Verwendungsform in die Gesamt-
   berücksichtigen sind, die mit Blick auf die jeweilige Bran-   betrachtung zur Unterscheidungskraft der Marke mit ein-

                            II. Schutzfähigkeit / Löschungsverfahren / Widerspruchsverfahren / 5. Berücksichtigung von
   12                    wahrscheinlichen Verwendungsarten bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke
zubeziehen. Dass es in tatsächlicher Hinsicht nicht nahe-      tives Element auf der Vorderseite von Bekleidungsstü-
liegend ist, dass eine Verwendung der Marke auf einem          cken weitaus naheliegender erscheint, spielt bei der Be-
Etikett o. ä. erfolgt, sondern die Verwendung als dekora-      urteilung der Eintragbarkeit jedoch keine Rolle.

BEWERTUNG

Sofern es um die Unterscheidungskraft einer Marke              Möglichkeit einer Verwendung der Marke darstellt – in
geht, sind auch weiterhin nicht alle denkbaren Verwen-         Bezug auf die konkreten Umstände des Einzelfalles als
dungsformen zu berücksichtigen, sondern lediglich die-         nicht wahrscheinlich erscheint. Denn sollte der Marken-
jenigen, für die eine praktisch bedeutsame oder nahelie-       inhaber seine Marke in einer Art und Weise benutzen,
gende Möglichkeit der Verwendung des Zeichens für              die lediglich rein dekorativ oder anderweitig nicht her-
die in Rede stehenden Waren gegeben bzw. wahr-                 kunftshinweisend erfolgt, ist dies im Rahmen der Beur-
scheinlich ist. Zu berücksichtigen ist bei der Einzelfallbe-   teilung der rechtserhaltenden Benutzung, die eine mar-
trachtung auch die übliche Praxis der jeweiligen Bran-         kenmäßige Benutzung voraussetzt, zu berücksichtigen.
che.                                                           Auch in markenrechtlichen Streitigkeiten wird dieser
                                                               Punkt dann durch Prüfung der rechtserhaltenden und
Es obliegt allerdings dem Inhaber einer Marke, im Falle        markenmäßigen Benutzung der Marke angemessen zu
von deren Zurückweisung, gestützt auf eine praktisch           berücksichtigen sein. Markeninhaber sollten diesem As-
nicht relevante Verwendungsform, nachzuweisen, dass            pekt im Falle einer auch oder gerade vornehmlich deko-
die in Rede stehende Verwendungsform in der Praxis             rativ nutzbaren Marke besondere Aufmerksamkeit
doch die erforderliche Relevanz besitzt oder es aber zu-       schenken, um den Verlust der Marke zu vermeiden und
mindest wahrscheinlich ist, dass die Branche die Ver-          diese im Verletzungsfalle auch durchsetzen zu können.
wendungsform aufgrund konkreter Umstände doch als              (Holderied)
Unterscheidungsmerkmal auffasst.

Hingegen kommt es nicht darauf an, ob die Verwen-
dungsform – sofern sie grundsätzlich eine naheliegende

II. Schutzfähigkeit / Löschungsverfahren / Widerspruchsverfahren / 5. Berücksichtigung von
wahrscheinlichen Verwendungsarten bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke                          13
6. Schutzfähigkeit für Schokoladenwarenverpackung

   BGH, Beschluss vom 23.07.2020, I ZB 42/19 – Quadratische Tafelschokoladenverpackung II

   HINTERGRUND

   Dreidimensionale Formen können grundsätzlich als Mar-        als Marke (Nr. 398 69 970) schützen. Mondelez, der ame-
   ken geschützt werden, es sei denn, die Marke besteht         rikanische Süßwarenhersteller, dem Milka gehört, bean-
   ausschließlich aus einer Form, die der Ware einen „we-       tragte am 25. November 2010 beim DPMA die Löschung
   sentlichen Wert verleiht“. Solche Waren sind nach § 3 II     der Marke mit der Begründung, die angegriffene Marke
   Nr. 3 MarkenG vom Schutz als Marke ausgeschlossen,           bestehe ausschließlich aus einer Form, die zur Erreichung
   sofern „aus objektiven und verlässlichen Gesichtspunk-       einer technischen Wirkung erforderlich sei (§ 3 II Nr. 2
   ten“ hervorgeht, dass die Entscheidung der Verbraucher,      MarkenG). Das DPMA wies diesen Löschungsantrag ab.
   die betreffende Ware zu kaufen, in hohem Maße durch          Daraufhin zog Mondelez den Löschungsantrag nach § 3 II
   diesen (künstlerischen oder dekorativen) Wert beein-         Nr. 2 MarkenG zurück und berief sich im wiedereröffne-
   flusst wird.                                                 ten Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht
                                                                stattdessen auf die Schutzhindernisse nach § 3 Abs. 2 Nr.
   Die Frage, welche Rolle die Verpackungsform für die Ver-     2 MarkenG sowie § 3 II Nr. 3 MarkenG. Demnach sei das
   braucher spielt und welchen Wert sie dieser beimessen,       charakteristische Merkmal von Ritter Sport, die quadrati-
   war Gegenstand des Verfahrens vor dem Bundesge-              sche Form, durch die Art der Ware selbst bedingt (§ 3 II
   richtshof (BGH) in dem jahrelangen Rechtsstreit zwi-         Nr. 1 MarkenG) und verleihe dieser einen wesentlichen
   schen Ritter Sport und dem Milka-Hersteller Mondelez.        Wert (§ 3 II Nr. 3 MarkenG).

   Der Schokoladenhersteller Ritter ließ im Jahr 2001 die be-
   rühmte quadratische Form seiner Schokolade Ritter Sport

   ENTSCHEIDUNG

   Das Bundespatentgericht gab dem Antrag von Mondelez          weil das Schutzhindernis des § 3 II Nr. 1 MarkenG nicht
   zunächst statt und ordnete die Löschung der Marke an,        vorliege (BGH GRUR 2018, 404 – Quadratische Tafel-
   weil sie nach § 3 II Nr. 1 MarkenG schutzunfähig sei         schokoladenverpackung I). Gleichzeitig wurde der Fall
   (BPatG GRUR 2017, 275 – Quadratische Schokoladen-            an das Bundespatentgericht zurückverwiesen, um zu ent-
   verpackung).                                                 scheiden, ob die quadratische Form das charakteristische
                                                                Merkmal von Ritter Sport ist, die der Ware „einen we-
   Der Bundesgerichtshof sah dies 2017 jedoch anders und        sentlichen Wert verleiht“ und das Vorliegen des Schutz-
   stellte fest, dass die Form der Schokolade für sich ge-      hindernisses des § 3 II Nr. 3 MarkenG begründet. Das
   nommen keinen Nutzen für einen Verbraucher habe und          Bundespatentgericht gab Ritter Sport Recht und stellte
   daher kein wesentliches funktionales Merkmal sei. Zwar       fest, dass die angegriffene Form sich nicht wesentlich
   werde die angegriffene 3D-Marke von Ritter Sport durch       von der üblichen Warenform abhebe. Ferner verneinte
   die quadratische Form des Verpackungskörpers gekenn-         das Bundespatentgericht, wie zuvor der BGH, das Vorlie-
   zeichnet. Dieses Merkmal der Ritter Sport Schokolade         gen des Schutzhindernisses des § 3 II Nr. 1 MarkenG. Der
   stelle aber keine wesentliche „Gebrauchseigenschaft“         wesentliche Gebrauch einer Schokolade bestehe in dem
   dar, die durch die Beschaffenheit der Ware selbst bedingt    Verzehr der Schokolade und dabei sei es zweitrangig, ob
   sei. Der Markenschutz wurde daher zunächst bestätigt,        die Verpackung quadratisch oder rechteckig sei.

                                II. Schutzfähigkeit / Löschungsverfahren / Widerspruchsverfahren / 6. Schutzfähigkeit für
   14                                                                                    Schokoladenwarenverpackung
Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens vor dem           bestimmte betriebliche Herkunft hinzuweisen, nicht
Bundesgerichtshof war allein noch das Schutzhindernis       mehr gegeben sei. Die Verbraucher würden die Form der
des § 3 II Nr. 3 MarkenG. Maßgeblich bei der Entschei-      Ritter-Schokoladentafel als einen Hinweis auf die Her-
dung waren dabei Beurteilungskriterien wie die Art der in   kunft der Schokolade und ihre Qualität betrachten.
Rede stehenden Warenkategorie, der künstlerische Wert
der fraglichen Form, ihre Andersartigkeit im Vergleich zu   Auch die Tatsache, dass es sich bei der quadratischen
anderen auf dem jeweiligen Markt allgemein genutzten        Verpackung um eine ästhetisch besonders gelungene
Formen, ein bedeutender Preisunterschied gegenüber          Gestaltung handelt, stehe dem Schutz dieser Form als
ähnlichen Produkten oder die Ausarbeitung einer Ver-        Marke nicht entgegen. Die Entscheidung der Verbrau-
marktungsstrategie, die hauptsächlich die ästhetischen      cher, die betreffende Ware zu kaufen, werde nicht maß-
Eigenschaften der jeweiligen Ware herausstreicht. Die       geblich durch diese Form bestimmt. Die ästhetische
Wahrnehmung des Zeichens durch den Durchschnitts-           Formgebung erscheine den Verbrauchern nur als eine Zu-
verbraucher (Verkehrsauffassung) sei bei der Entschei-      tat zu der Ware, deren Nutz- oder Verwendungszweck
dung, ob dieses Schutzhindernis vorliegt, kein entschei-    auf anderen Eigenschaften beruhe.
dender Faktor, auch wenn sie ein nützliches Beurteilungs-
kriterium bei der Ermittlung der wesentlichen Merkmale      Mondelez’ Argument, dass der erforderliche wesentliche
des Zeichens bilden könne.                                  Wert der angegriffenen Form sich aus der hohen Ver-
                                                            kehrsdurchsetzung und dem daraus folgenden Wettbe-
Das Gericht entschied, dass die quadratische Form der       werbsvorteil der Markeninhaberin ergebe, hatte ebenfalls
angegriffenen Verpackung im Vergleich zu Verpackungen       keinen Erfolg. Dass Ritter Sport mit dem Werbespruch
in Rechteckform mit ungleichen Seitenlängen keinen re-      „Quadratisch. Praktisch. Gut.“ eine Vermarktungsstrate-
levanten künstlerischen oder gestalterischen Wert habe      gie betreibt, die spezifisch auf die angegriffene Form der
und keine wesentliche Andersartigkeit der Warenform         Ware beziehungsweise auf die Form der Verpackung be-
begründe. Die Form unterscheide sich nicht wesentlich       zogen ist, sei nicht von Bedeutung. Die Frage, ob die
von der für Tafelschokolade üblichen Rechteckform und       Form der Ware für den Markeninhaber einen besonderen
entspreche daher der relevanten „Grundform“; das            wirtschaftlichen Wert darstelle, weil sie sich im Verkehr
Quadrat sei eine Sonderform eines Rechtecks. Der ästhe-     als Hinweis auf die Herkunft der Ware durchgesetzt habe,
tische Wert einer solchen Produktform könne nicht so be-    spiele dabei keine Rolle.
deutend sein, dass die Hauptfunktion der Marke, auf eine

BEWERTUNG

Dem Ansinnen von Mondelez, die Verkehrsdurchsetzung         des § 3 II Nr. 3 MarkenG unter anderem davon abhängig
(§ 8 III MarkenG) der quadratischen Verpackung von Ritter   macht, welche Merkmale einen bestimmenden Einfluss
Sport als ein wesentliches wertverleihendes Merkmal im      auf die Kaufentscheidung der Verbraucher haben, eröffnet
Sinne des § 3 II Nr. 3 MarkenG geltend zu machen, hat der   jedoch einen neuen Interpretationsspielraum. Die Frage,
BGH mit seiner jüngsten Entscheidung einen Riegel vorge-    wie der wesentliche Wert einer Marke zu bestimmen ist
schoben (Rn. 46). Eine Entscheidung im Sinne von Mon-       und welche Kriterien die Gerichte und Markenämter ihrer
delez hätte womöglich dazu geführt, dass im Wettbewerb      Entscheidung zukünftig zugrunde legen sollen, ist keines-
besonders erfolgreiche und infolge ihrer Benutzung beson-   wegs endgültig geklärt. Es ist davon auszugehen, dass es
ders unterscheidungskräftige Warenformmarken aufgrund       den Markenämtern und Gerichten auch in Zukunft nicht
ihres wirtschlichen Erfolgs einer Löschung gemäß § 3 II     leichtfallen wird, klare Kriterien für die einzelnen Schutzhin-
Nr. 3 MarkenG unterliegen würden. Wirtschaftlich wert-      dernisse herauszuarbeiten, diese anzuwenden und an-
volle Wortformmarken wären dann generell schutzunfähig.     schließend gegenüber den Beteiligten verständlich zu
Die Tatsache, dass der Bundesgerichtshof das Vorliegen      kommunizieren. (Böhm)

II. Schutzfähigkeit / Löschungsverfahren / Widerspruchsverfahren / 6. Schutzfähigkeit für
Schokoladenwarenverpackung                                                                                              15
7. Zur Bösgläubigkeit wegen fehlender Benutzungsabsicht bei der Anmeldung einer
   Marke

   EuGH, Urteil vom 29.01.2020, C-371/18 – Sky ./. SkyKick

   HINTERGRUND

   Ursprünglich richteten sich die drei Klägerinnen, allesamt   8.000 Begriffe, mitunter für ganz offensichtlich nicht mit
   Unternehmen des bekannten Pay-TV Anbieters Sky, vor          dem geschäftlichen Zweck verbundene und ohne Benut-
   dem High Court of Justice (England and Wales) gegen          zungsabsicht eingetragene Waren (Peitschen, Bleichmit-
   zwei    verbundene   britische   Unternehmen     namens      tel…) sowie für äußerst breit gefasste Begriffe wie
   SkyKick. Sky warf SkyKick Verletzung verschiedener Sky-      „Computer Software“ oder „Telekommunikationsdienst-
   Marken vor. Als Retourkutsche erhob SkyKick Lö-              leistungen“ besetzen? Da es um die Auslegung europäi-
   schungswiderklage und monierte das äußerst breit ge-         schen Rechts ging, legte der High Court diese Frage dem
   fasste Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Sky-        Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Rahmen eines Vor-
   Klagemarken. Zugespitzt formuliert stellte SkyKick die       abentscheidungsverfahrens vor.
   Frage: Darf Sky das Register in 22 Klassen für mehr als

   ENTSCHEIDUNG

   Der EuGH beantwortete die erste Vorlagefrage bezüglich       darüber hinaus „objektive, sachdienliche und kohärente“
   der breit gefassten Verzeichnisse dahingehend, dass eine     Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Antragsteller ent-
   eingetragene Marke nicht allein aufgrund ihres breiten,      weder
   nicht präzise gefassten Verzeichnisses gelöscht werden
   kann. Dies entspreche keinem der erschöpfend in der          •      die Absicht hatte, in einer „den redlichen Handels-
   UMV aufgezählten Löschungsgründe. Auch liege in der                 bräuchen widersprechenden Weise Drittinteressen
   breiten Fassung kein Verstoß gegen die öffentliche Ord-             zu schaden“ oder
   nung.                                                        •      sich auch ohne Bezug zu einem konkreten Dritten ein
                                                                       ausschließliches Recht zu anderen als zu den zur
   Die zweite, interessantere Vorlagefrage hinsichtlich der            Funktion einer Marke gehörenden Zwecken ver-
   Bösgläubigkeit aufgrund der offensichtlich nicht vorlie-            schaffen wollte.
   genden Benutzungsabsicht der Marke für bestimmte Wa-
   ren oder Dienstleistungen beantwortete der EuGH wie          Auch ist dem EuGH zufolge ausdrücklich eine nur einen
   folgt: Nicht ausreichend für die Annahme von Bösgläubig-     Teil des Verzeichnisses betreffende Bösgläubigkeit denk-
   keit ist, dass der Markeninhaber keine wirtschaftliche Tä-   bar.
   tigkeit ausübt, die den angemeldeten Waren und Dienst-
   leistungen entspricht. Eine Anmeldung kann aber bei feh-     In der Folge wurden die Klagemarken nach Zurückwei-
   lender Benutzungsabsicht dann bösgläubig sein, wenn          sung der Sache an den High Court teilweise gelöscht.

                        II. Schutzfähigkeit / Löschungsverfahren / Widerspruchsverfahren / 7. Zur Bösgläubigkeit wegen
   16                                                      fehlender Benutzungsabsicht bei der Anmeldung einer Marke
BEWERTUNG

Der Begriff der Bösgläubigkeit bei Markenanmeldung ist       also zum Zwecke der Kennzeichnung von Waren und
nicht gesetzlich definiert. Es haben sich durch die Recht-   Dienstleistungen mit einem Herkunftshinweis angemel-
sprechung verschiedene Kriterien herausgebildet (z. B.       det wurde, sondern stattdessen die Beeinträchtigung
nachweisbare Kenntnis der Benutzung des angemelde-           Dritter verfolgt wird.
ten Zeichens durch einen Dritten bei Vorliegen einer
Schädigungsabsicht ohne eigene Benutzungsabsicht).           So folgt aus dieser Entscheidung, dass durchaus Vor-
Steckt hingegen eine kommerzielle Logik hinter der Ein-      sicht geboten ist bei der Anmeldung eines ohne kom-
tragung, spricht dies gegen das Vorliegen von Bösgläu-       merzielle Logik äußerst breit angemeldeten Verzeichnis-
bigkeit. Die Frage nach dem Vorliegen der Bösgläubig-        ses (z. B. als Defensivmarke). Die Maßstäbe für die Lö-
keit ist immer eine Einzelfallbetrachtung.                   schung aufgrund von Bösgläubigkeit wegen fehlender
                                                             Benutzungsabsicht sind gleichwohl hoch: das Verzeich-
Die Beantwortung der ersten Vorlagefrage betreffend          nis darf weiterhin breit, lediglich nicht völlig absurd,
die weiterhin zulässige breite Formulierung des Ver-         ohne jeden nachvollziehbaren Grund wahllos breit ge-
zeichnisses sorgte für Erleichterung bei den Markenin-       fasst sein. Und selbst dann droht die Löschung nur für
habern. Diese hatten schon Nachtschichten befürchtet,        den betroffenen Teil des Verzeichnisses.
um sämtliche Verzeichnisse eingetragener Marken zu
überprüfen und zu präzisieren. Weit gefasste Begriffe        Im Falle der Durchsetzung besonders breit angemelde-
wie „Computer Software“ oder „Telekommunikations-            ter Marken sollten etwaige Schwachstellen jedenfalls
dienstleistungen“ sind weiterhin zulässig (anders als        sorgfältig geprüft werden – umgekehrt gilt dies mit Blick
z. B. in Jurisdiktionen wie den USA, wo das USPTO re-        auf mögliche Angriffsflächen gegnerischer Marken.
gelmäßig sehr präzise Formulierungen verlangt).
                                                             Interessant wird auch der Ausgang des derzeit beim Ge-
Die Beantwortung der zweiten Vorlagefrage hingegen           richt der Europäischen Union (EuG) anhängigen „Mono-
bringt eine weitere Fallgruppe für eine mögliche (teil-      poly“-Verfahrens (Az: T-663/19) sein. Auch dort geht es
weise) Markenlöschung wegen Bösgläubigkeit mit sich:         um die Frage nach der Bösgläubigkeit bei Markenanmel-
Die Entscheidung betont zwar zum einen die Benut-            dung, allerdings aufgrund sog. Wiederholungsanmel-
zungsschonfrist, denn es muss einem Markenanmelder           dungen. Dies betrifft also den in der Praxis recht häufig
möglich sein, zunächst ein breites Verzeichnis anzumel-      vorkommenden Fall, dass eine Marke kurz vor oder nach
den. Trotzdem ist – unter hohen Voraussetzungen – eine       Ablauf der fünfjährigen Benutzungsschonfrist erneut an-
(teilweise) Löschung bei nachweislich fehlender Benut-       gemeldet wird, um so künstlich in den Genuss einer
zungsabsicht und weiterer Indizien für die Unredlichkeit     weiteren Benutzungsschonfrist zu kommen. Eine Ent-
der Anmeldung möglich. Dies ist insbesondere der Fall,       scheidung wird im Laufe des Jahres 2021 erwartet.
wenn eine Marke entgegen ihrer Herkunftsfunktion,            (Kampmann)

II. Schutzfähigkeit / Löschungsverfahren / Widerspruchsverfahren / 7. Zur Bösgläubigkeit wegen
fehlender Benutzungsabsicht bei der Anmeldung einer Marke                                                          17
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