Neueste Rechtsprechung im deutschen Markenrecht 2020
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INHALT Überblick ...................................................................................................................................................... 2 Verletzungsverfahren 1. Keine Verpflichtung eines Unterlassungsschuldners zur Löschung von Folgeeintragungen ......................................................................................................................... 3 EuGH, Urteil vom 02.07.2020, C-684/19 – mk advokaten/MBK Rechtsanwälte 2. Keine Rechtsverletzung durch das Lagern markenrechtsverletzender Waren ........................ 6 EuGH, Urteil vom 02.04.2020, C-567/18 – Coty/Amazon 3. Querlieferungen innerhalb eines selektiven Vertriebssystems ................................................. 8 BGH, Urteil vom 15.10.2020, I ZR 147/18 – Querlieferungen 4. Verwendung der Domain für Rechtsanwaltsdienstleistungen verletzt Rechte an der Marke SCHUFA ...................................................................................... 10 LG München I, Urteil vom 25.06.2020, 17 HK O 3700/20 Schutzfähigkeit / Löschungsverfahren / Widerspruchsverfahren 5. Berücksichtigung von wahrscheinlichen Verwendungsarten bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke ............................................................................................. 12 BGH, Beschluss vom 30.01.2020, I ZB 61/17 – #darferdas? II 6. Schutzfähigkeit für Schokoladenwarenverpackung ................................................................. 14 BGH, Beschluss vom 23.07.2020, I ZB 42/19 – Quadratische Tafelschokoladenverpackung II 7. Zur Bösgläubigkeit wegen fehlender Benutzungsabsicht bei der Anmeldung einer Marke ................................................................................................................................... 16 EuGH, Urteil vom 29.01.2020, C-371/18 – Sky ./. SkyKick 8. Ein „X“ am Ende macht noch keinen Unterschied – Begriff der rechtserhaltenden Benutzung im Widerspruchsverfahren und Bewertung der Ähnlichkeit von Zeichen mit hohen beschreibenden Anklängen ...................................................................................... 18 BGH, Urteil vom 06.02.2020, I ZB 21/19 – INJEKT/INJEX 9. Freihaltebedürftige beschreibende Angabe für Sahneeis (Plombir) ......................................... 21 BPatG, Beschluss vom 04.03.2020, 28 W (pat) 27/13
ÜBERBLICK Mit dieser Ausgabe der „Neuesten Rechtsprechung im hatten sich im vergangenen Jahr unter anderem erneut deutschen Markenrecht“ erscheint bereits zum fünften mit dem Umfang des markenrechtlichen Unterlassungs- Mal die von den Rechtsanwälten der Praxisgruppe Mar- anspruchs, der Haftung verschiedener Akteure im Inter- ken bei EISENFÜHR SPEISER zusammengestellte Über- nethandel sowie der Verletzung von Markenrechten sicht zu aktuellen, praxisrelevanten Gerichtsentscheidun- durch Angaben in Domains zu befassen. Darüber hinaus gen. Die Praxisgruppe Marken bündelt die Kompetenzen hat sich der EuGH zu bösgläubigen Markenanmeldungen der Kanzlei im Markenrecht standortübergreifend und dis- bei fehlender Benutzungsabsicht geäußert. Mit Blick auf kutiert in diesem Rahmen regelmäßig Neuerungen in die Schutzfähigkeit von Marken ging es im Jahr 2020 um Rechtsprechung und Praxis. Gemeinsam kann die Praxis- die Einbeziehung wahrscheinlicher Verwendungsformen gruppe aus einer Erfahrung von mehr als 50 Jahren bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit eines Zeichens schöpfen. Davon profitieren unsere Mandanten. und die Schutzfähigkeit einer gut bekannten quadrati- schen Schokoladenverpackung. Ebenso diskutiert wird Für die Rechtsprechungsübersicht 2020 haben wir insge- der Begriff der rechtserhaltenden Benutzung im Wider- samt neun aktuelle und praxisrelevante Entscheidungen spruchsverfahren sowie das Freihaltebedürfnis bei be- zusammengetragen und aufbereitet. Jede Entscheidung schreibenden Angaben. ist mit der persönlichen Bewertung des jeweiligen Bear- beiters versehen. Wir wünschen eine interessante Lektüre. Sollten Sie Fra- gen oder Anmerkungen zu einzelnen Entscheidungen ha- Die Entscheidungen betreffen sowohl gerichtliche (Ver- ben, sprechen Sie uns gerne an. letzungs-)Verfahren als auch Löschungsverfahren und Verfahren zur Schutzfähigkeit von Marken. Die Gerichte April 2021 EISENFÜHR SPEISER 2 Überblick
VERLETZUNGSVERFAHREN 1. Keine Verpflichtung eines Unterlassungsschuldners zur Löschung von Folgeein- tragungen EuGH, Urteil vom 02.07.2020, C-684/19 – mk advokaten/MBK Rechtsanwälte HINTERGRUND In seiner jüngeren Spruchpraxis hat der Bundesgerichts- Die hiesige Entscheidung behandelt eine Auseinander- hof (BGH) in mehreren wettbewerbs- und markenrechtli- setzung zweier Rechtsanwaltskanzleien um die marken- chen Entscheidungen die für den Schuldner eines Unter- rechtsverletzende Bewerbung von Rechtsdienstleistun- lassungsanspruchs bestehenden Verpflichtungen erwei- gen. Abweichend von der eingangs erwähnten Recht- tert und konkretisiert. Neben dem bloßen Unterlassen sprechung hat sie nicht den Rückruf von Waren aus den (weiterer) rechtsverletzender Handlungen bestehen für Vertriebswegen zum Gegenstand, sondern die Beseiti- Schuldner auch Pflichten, durch aktives Handeln die gung von Anzeigen im Internet. Auch hierbei stellt sich durch seine ursprünglichen Handlungen geschaffenen jedoch die Frage, wie weit die Verpflichtungen des Beeinträchtigungen zulasten des Unterlassungsgläubi- Schuldners eines Unterlassungsanspruchs reichen, gers wieder zu beseitigen. Nach der erwähnten Recht- rechtsverletzende Zustände außerhalb seines unmittelba- sprechung, über deren Entwicklung wir an dieser Stelle ren Verantwortungsbereichs durch aktives Handeln zu bereits mehrfach berichtet haben (siehe „Neueste Recht- beseitigen. sprechung im deutschen Markenrecht 2016“ S. 5 f. und 2018 S. 8 f.), können sich die Pflichten aus dem Unterlas- sungsgebot bis hin zur Verpflichtung zum Rückruf von Waren aus den Vertriebswegen ausweiten. ENTSCHEIDUNG Die Gläubigerin, eine Sozietät von Rechtsanwälten aus Örtliche“ beauftragt. Diesen Eintrag ließ sie nach dem Ur- Mönchengladbach, ist Inhaberin einer u. a. für Rechts- teil des LG Düsseldorf vollständig löschen. Die Gläubige- dienstleistungen eingetragenen deutschen Marke „MBK rin stellte in der Folgezeit jedoch fest, dass eine Google- Rechtsanwälte“. Die Schuldnerin, ebenfalls eine Rechts- Suche nach dem Begriff „mbk Rechtsanwälte“ weiterhin anwaltssozietät mit Sitz in Kleve, übte ihre Tätigkeit zu- Treffer auf anderen Websites anzeigte, die Unterneh- nächst unter der Bezeichnung „mbk Rechtsanwälte“ und menseinträge zur Schuldnerin enthielten. Auf Antrag der der niederländischen Entsprechung „mbk advokaten“ Gläubigerin verhängte das LG Düsseldorf deswegen ge- aus. Auf eine Verletzungsklage der Gläubigerin hin verur- gen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld. teilte das Landgericht Düsseldorf die Schuldnerin, es zu unterlassen, die Bezeichnung „mbk“ im geschäftlichen Das Landgericht entschied, die Schuldnerin sei nicht nur Verkehr für Rechtsdienstleistungen zu benutzen. Dieses verpflichtet gewesen, den von ihr selbst in Auftrag gege- Urteil ist rechtskräftig. benen Ersteintrag zu löschen, sondern auch alle weiteren Einträge in gängigen Online-Verzeichnissen, die das Zei- Die Schuldnerin hatte unter der entsprechenden Bezeich- chen „mbk“ enthielten, denn die auf den fraglichen nung einen Eintrag im Online-Telefonverzeichnis „Das Websites enthaltenen Anzeigen kämen der Schuldnerin I. Verletzungsverfahren / 1. Keine Verpflichtung eines Unterlassungsschuldners zur Löschung von Folgeeintragungen 3
zugute und gingen auf den von ihr unmittelbar in Auftrag Der EuGH bestätigt die Zweifel des OLG Düsseldorf. Der gegebenen Ersteintrag zurück. Gegen den Beschluss des Leitsatz der Entscheidung lautet: Landgerichts legte die Schuldnerin Beschwerde ein. „Art. 5 Abs. 1 [MarkenRL] ist dahin auszulegen, dass Das Oberlandesgericht Düsseldorf legte die Sache dem eine im geschäftlichen Verkehr auftretende Person, EuGH zur Vorabentscheidung vor. Nach der Rechtspre- die auf einer Webseite eine Anzeige hat platzieren las- chung deutscher Gerichte sei ein Schuldner, der durch sen, durch die eine Marke eines Dritten verletzt wird, eine Erstbenutzung im Internet die Markenrechte eines das mit dieser Marke identische Zeichen nicht benutzt, Dritten verletzt, nicht nur verpflichtet, die entsprechende wenn Betreiber anderer Webseiten diese Anzeige Ersteintragung zu löschen, sondern müsse ferner unter übernehmen, indem sie sie auf eigene Initiative und Zuhilfenahme der gängigen Suchmaschinen untersu- im eigenen Namen auf diesen anderen Webseiten chen, ob Drittwebsites diese Eintragung, auch ohne seine veröffentlichen.“ Zustimmung, übernommen haben und gegebenenfalls zumindest ernsthaft versuchen, eine Löschung auf die- Zur Begründung führt er aus: Der Ausdruck „benutzen“ sen Websites zu erreichen. Begründet werde diese An- im Sinne der Richtlinie erfordere ein aktives Verhalten sicht damit, dass diese Folgeeintragungen auf die rechts- und eine unmittelbare oder mittelbare Herrschaft über die widrige Ersteintragung des Schuldners zurückzuführen Benutzungshandlung. Ein Benutzen in diesem Sinne sei sind und diesem zudem wirtschaftlich zugutekommen. demnach anzunehmen in Bezug auf den Ersteintrag in Die Gefahr, dass Eintragungen von anderen Websites un- „Das Örtliche“, den die Schuldnerin selbst in Auftrag ge- gefragt übernommen würden, müsse daher der Verletzer geben hatte. Nicht zuzurechnen seien der Schuldnerin tragen. Dieser müsse daher auch die mit der Löschung hingegen selbständige Handlungen anderer Wirtschafts- verbundenen Aufwendungen und Mühen auf sich neh- teilnehmer, wie die der Betreiber der Drittwebsites, mit men. denen sie keine unmittelbare oder mittelbare Beziehung unterhält und die nicht in ihrem Auftrag handeln, sondern Das OLG äußert Zweifel, dass dies mit der Rechtspre- auf eigene Initiative und im eigenen Namen. Die Bestim- chung des EuGH zur Auslegung des Artikels 5 Abs. 1 Mar- mung könne nicht dahin ausgelegt werden, dass eine kenrechtsrichtlinie in ihrer damaligen Fassung (heute Ar- Person unabhängig von ihrem Verhalten als Benutzer ei- tikel 10 MarkenRL) vereinbar ist, wonach es sich bei nes Zeichens angesehen werden kann, nur weil diese Be- Folgeeintragungen nicht um markenrechtsverletzende nutzung ihr möglicherweise einen wirtschaftlichen Vorteil Benutzungshandlungen des Schuldners handelt. Eine Be- verschafft. nutzung setze danach ein aktives Handeln voraus. Selb- ständige Handlungen Dritter seien demjenigen, der ledig- lich den Ersteintrag auf einer bestimmten Website in Auf- trag gegeben hat, nicht zuzurechnen. BEWERTUNG Die Entscheidung des EuGH ist zu begrüßen. Sie be- Der EuGH stellt klar, dass dies nicht ausschließt, dass ein grenzt die vom BGH aufgestellten weitreichenden Hand- Gläubiger ggf. nach nationalem Recht wirtschaftliche Vor- lungspflichten des Unterlassungsschuldners zumindest teile des Schuldners von diesem einfordern kann und ein wenig. Bei markenrechtlichen Auseinandersetzungen dass auch das Recht, gegen die Betreiber der Drittwebs- ist der Schuldner damit nicht verpflichtet, Websites unab- ites vorzugehen, unberührt bleibt. Etwaige wirtschaftli- hängiger Dritter dahingehend zu untersuchen, ob diese che Vorteile des Schuldners rechtfertigen jedoch nicht, den Ersteintrag ohne seine Zustimmung übernommen die autonomen Handlungen unabhängiger Dritter als Be- haben. nutzungshandlungen des Schuldners zu behandeln. I. Verletzungsverfahren / 1. Keine Verpflichtung eines Unterlassungsschuldners zur Löschung von 4 Folgeeintragungen
Nach der deutschen Rechtsprechung ist der Unterlas- den Verkehr gebracht hat, zumindest wirtschaftliche Be- sungsschuldner, der markenrechtsverletzende Inhalte ziehungen zu seinen Abnehmern unterhält. Es fehlt also auf seiner Website hatte und diese aufgrund der Unter- die Voraussetzung, dass er zu ihnen „keine unmittelbare lassungspflicht entfernt hat, auch verpflichtet, bei Google oder mittelbare Beziehung unterhält“. Gleichwohl ist und anderen gängigen Suchmaschinen eine Reindexie- denkbar, dass der EuGH auch die Handlungen unabhän- rung der Suchergebnisse zu beantragen, damit die Marke giger Abnehmer dem Unterlassungsschuldner nicht ohne in den Suchergebnissen nicht mehr im Zusammenhang weiteres zurechnen würde – sollte ihm diese Frage end- mit der Website erscheint. Zumindest, wenn die Auf- lich einmal vorgelegt werden. nahme in die Suchergebnisse nicht vom Schuldner veran- lasst war, sondern alleine auf die Initiative von Google er- Im Nachgang hatte das OLG Düsseldorf noch zu prüfen, folgte, sollte sich diese Verpflichtung mit der Entschei- ob die Schuldnerin die Folgeeintragungen durch ihr Ver- dung des EuGH erledigt haben. halten veranlasst hat oder die Betreiber dieser Websites auf eigene Initiative und im eigenen Namen gehandelt ha- Dass der BGH diese Entscheidungen zum Anlass nimmt, ben. Mit zwischenzeitlich ergangenen Beschluss vom die ausufernde Rückrufrechtsprechung zu korrigieren, ist 13. Oktober 2020 hat das OLG Düsseldorf die landge- hingegen wenig wahrscheinlich. Zum einen betrifft diese richtliche Entscheidung aufgehoben und den Ordnungs- Rechtsprechung teilweise nationales Wettbewerbsrecht mittelantrag zurückgewiesen. Es gebe keine Anzeichen, und nicht harmonisiertes Markenrecht. Zum anderen ist dass die Schuldnerin die Folgeeintragungen veranlasst die Sachlage nicht vollständig deckungsgleich. Der Fall hatte. (Kirschner) unterscheidet sich insofern von der Situation des Rück- rufs, als ein Verletzer, der rechtsverletzende Waren in I. Verletzungsverfahren / 1. Keine Verpflichtung eines Unterlassungsschuldners zur Löschung von Folgeeintragungen 5
2. Keine Rechtsverletzung durch das Lagern markenrechtsverletzender Waren EuGH, Urteil vom 02.04.2020, C-567/18 – Coty/Amazon HINTERGRUND Werden markenrechtsverletzende Waren vertrieben, so EuGH die Frage vorzulegen, ob der gutgläubige Lagerist stellt sich für den Inhaber der jeweiligen Marke die Frage, „Besitzer“ der eingelagerten Ware ist. Bei der Bestim- wie die Durchsetzung seiner Rechte am effektivsten mung des „Besitzens“ ist dabei zu berücksichtigen, dass möglich ist. Zu diesem Zweck liegt der Gedanke nahe, Art. 9 Abs. 3 b) UMV nur zu Anwendung kommt, wenn nicht die einzelnen Anbieter der markenverletzenden Wa- die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Hierfür ist ren heranzuziehen, sondern denjenigen in Anspruch zu entscheidend, dass eine Marken-„Benutzung“ vorliegt. nehmen, der die Ware lagert oder diese ausliefert. Die Frage, ob der nicht definierte Begriff der „Benut- zung“ im Sinne des Art. 9 Abs. 2 UMV auch das reine Die für die Praxis durchaus relevante Frage der Haftung Einlagern von Ware umfasst, war Gegenstand der Ent- desjenigen, der die Ware einlagert, war bisher vom EuGH scheidung des EuGH. noch nicht entschieden worden. Anlässlich des hier be- sprochenen Falls hatte der BGH die Möglichkeit, dem ENTSCHEIDUNG Die Entscheidung beruht auf einem Streit zwischen Coty, Rechtsfolge, nämlich das Beenden der verletzenden für die u. a. die Marke Davidoff geschützt ist, und Ama- Handlung, kann nur dann sinnvoll durchgesetzt werden, zon. Im Amazon Marketplace wurde von einem Dritten wenn der Anspruchsgegner überhaupt eine Herrschaft rechtsverletzend ein Parfüm unter diesem Namen ange- über die Benutzungshandlung hat. boten. Coty nahm daraufhin unter anderem die Amazon FC Graben GmbH in Anspruch, die die Lagerung und die Hierneben stellt er klar, dass eine „Benutzung“ eines mit Versendung der Waren vornahm. Coty ist der Auffas- der Marke identischen oder ähnlichen Zeichens jedenfalls sung, dass diese Amazon-Tochter durch das Lagern von dann vorliegt, wenn der Dritte das Zeichen für seine ei- markenrechtsverletzenden Waren, ohne von der Verlet- gene kommerzielle Kommunikation benutzt. Unter Ver- zung Kenntnis zu haben, eine Markenrechtsverletzung weis auf seine Entscheidungen Google und Google begeht, da sie die Waren „besitze“. France (EuGH (Große Kammer), Urteil vom 23. 03. 2010, C-236/08 bis C-238/08)) stellt der EuGH jedoch klar, dass Der EuGH lehnt eine Rechtsverletzung durch das Lagern eine solche Nutzung nicht bereits dann vorliegt, wenn zu- der markenrechtsverletzenden Waren jedoch ab, schloss gelassen wird, dass die Kunden ein Zeichen benutzen, sich insoweit der Ansicht des BGH an und stellte sich der das mit den Waren oder dem Zeichen des Markenrechts- Position des Generalanwalts entgegen. inhabers ähnlich oder identisch ist. In seiner Entscheidung betont der EuGH unter Verweis Eine „Benutzung“ des Zeichens liegt jedoch vor, wenn auf seine Entscheidung Daimler ((Urteil vom 03.03.2016, ein Wirtschaftsteilnehmer Waren, die markenrechtlich C-179/15, Rn. 39, 40, 41), dass eine „Benutzung“ einer geschützte Zeichen tragen, zum Zweck des Inverkehr- markenrechtlich geschützten Ware nur dann in Betracht bringens einführt oder sie an den Lagerinhaber aushän- kommt, wenn ein aktives Verhalten vorliegt und eine un- digt. Dieser Grundsatz gelte aber nicht zwangsläufig auch mittelbare oder mittelbare Herrschaft über die Benut- für denjenigen, der als Lagerinhaber nur die Dienstleis- zungshandlung vorliegt. Die in der Norm geregelte tung der Lagerung von markenrechtlich geschützten Zei- 6 I. Verletzungsverfahren / 2. Keine Rechtsverletzung durch das Lagern markenrechtsverletzender Waren
chen vornimmt (m. V. a. EuGH, Urteil vom 16.07.2015, Betracht kommen kann, wenn derjenige, der die Ware C-379/14 – TOP Logistics). Unter Heranziehung der Ent- einlagert, das Ziel verfolgt, die Ware anzubieten oder in scheidung Frisdranken Industrie Winters (EuGH, Urteil den Verkehr zu bringen. Wenn dies nicht gegeben ist, so vom 15.12.2011, C-119/10) stellt der EuGH heraus, dass scheidet sowohl die „Benutzung“ der Ware selbst als eine „Benutzung“ jedenfalls dann nicht vorliegen kann, auch das „Benutzen“ des Zeichens im Rahmen der eige- wenn nur technische Voraussetzungen geschaffen wer- nen kommerziellen Kommunikation aus. den, um das Zeichen zu „benutzen“. Der Erbringer dieser Leistung benutzt das Zeichen nämlich nicht selbst. Im vorliegenden Fall lagen diese Voraussetzungen nicht vor, da Amazon FC Graben die mit einem markenrechtlich Sodann betont der EuGH unter Verweis auf den Wortlaut geschützten Zeichen versehene Ware weder zum Ver- Art. 9 Abs. 2 lit. b UMV („Besitz zu benannten Zwecken“), kauf angeboten noch in Verkehr gebracht hatte. dass eine „Benutzung“ durch die Einlagerung nur dann in BEWERTUNG Für die Bestimmung der Verletzung einer Marke durch ei- Das Urteil des EuGH stellt jedoch keinen „Freifahrt- nen Lageristen ist in Folge der Entscheidung danach zu schein“ für Amazon aus. Zum einen betont der EuGH, fragen, ob die Einlagerung nur die Dienstleistung des La- dass es durchaus möglich erscheint, dass Amazon selbst gerns erfasst, oder ob derjenige, der die Lagerung vor- auch einzelne Waren für eigene Zwecke besitzt oder nimmt, mit dieser das Ziel verfolgt, die Waren mit dem selbst anbietet. Zum anderen lässt der EuGH offen, ob markenrechtlich geschützten Zeichen selbst anzubieten der Betreiber eines Online-Marketplace gegebenenfalls oder in den Verkehr zu bringen. unter den Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 RL 2000/31 (E-Commerce-Richtlinie) fallen könnte, er also Durchaus interessant ist dabei die Ansicht des General- als Hoster gilt, der nicht stets für die gespeicherten In- anwalts, der zur Bestimmung der „Benutzung“ auf den halte der einzelnen Nutzer verantwortlich ist, und wenn gesamten Konzern abstellen will. Wird, wie vorliegend dies nicht der Fall sein sollte, ob der Betreiber als „Mit- vom EuGH angenommen, für die Bestimmung der Benut- telsperson“ im Sinne von Art. 11 S. 1 RL 2004/48 (Durch- zungshandlung nur auf die einzelne Tochter abgestellt, so setzungs-Richtlinie) anzusehen ist. (Eberhardt) könnte die Verfolgung von Markenrechtsverletzungen durch die Gründung von Tochterunternehmen erschwert werden. I. Verletzungsverfahren / 2. Keine Rechtsverletzung durch das Lagern markenrechtsverletzender Waren 7
3. Querlieferungen innerhalb eines selektiven Vertriebssystems BGH, Urteil vom 15.10.2020, I ZR 147/18 – Querlieferungen HINTERGRUND In dieser Auseinandersetzung von Schwergewichten – Endverbraucher-Mengen, nämlich maximal 3 gleiche Pro- auf Klägerseite der Coty-Konzern (weltgrößter Hersteller dukte (Ausschluss des Großhandelsgeschäfts). Dies war von Parfums für den Massenmarkt), auf der Beklagten- auf die Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EU- seite Gesellschaften des Amazon-Konzerns – ging es um Staaten plus Island, Liechtenstein und Norwegen – den Vertrieb von Parfums unter der Marke „Joop!“. Die „EWR“) beschränkt. An Abnehmer außerhalb dieses Ter- Klägerin ist Lizenznehmerin der Markeninhaberin. Sie ritoriums durfte ein Vertriebspartner nicht verkaufen, ge- hatte Testkäufe bei der Beklagten auf amazon.de durch- nauso wenig von diesen einkaufen. Die Vertriebspartner geführt. Bei den erhaltenen Produkten handelte es sich mussten ferner ein bestimmtes jährliches Mindestein- zwar um Original-Produkte, die Klägerin behauptete aber, kaufsziel erreichen, wobei die von anderen Vertriebspart- die konkreten Produkte seien von ihr nach Dubai geliefert nern gekauften oder an diese verkauften Produkte nicht worden. Die Beklagte entgegnete, sie habe die Ware von zur Erreichung dieser Ziele mitgezählt wurden. einem autorisierten Vertragshändler eines europäischen, zum Konzern der Klägerin gehörenden Unternehmens er- Das Landgericht München I verurteilte die Beklagte u. a. worben. zur Unterlassung und Auskunftserteilung, das Oberlan- desgericht München hielt diese Verurteilung aufrecht. Coty hatte ein selektives Vertriebssystem installiert, nach dem die Vertriebspartner nur an Endverbraucher oder an- dere Vertriebspartner verkaufen dürfen, und zwar nur in ENTSCHEIDUNG Der Bundesgerichtshof (BGH) hob dieses Urteil auf und identischen Marke für identische Waren ohne Zustim- verwies es zur erneuten Verhandlung an das OLG Mün- mung des Markeninhabers verkauft wurde. chen zurück. Jedoch hielt er es nicht für ausreichend festgestellt, ob Zunächst stellte der BGH fest, dass die Klägerin aufgrund „Erschöpfung“ an den verkauften Produkten eingetreten ihres Lizenzvertrages zur Geltendmachung der Unterlas- sei. Die Erschöpfung ist im europäischen Markenrecht sungsansprüche berechtigt sei, aber nicht zur Geltend- ein Ausschlussgrund für markenrechtliche Ansprüche. machung des Auskunftsanspruchs. Dieser diene der Vor- Danach kann die Markeninhaberin Dritten die Benutzung bereitung des Schadensersatzanspruchs. Einem Lizenz- der Marke für von der Markeninhaberin selbst (oder mit nehmer steht kein eigener Schadensersatzanspruch zu. deren Zustimmung) im EWR in Verkehr gebrachte Waren Es sei auch von den Gerichten keine Feststellung getrof- nicht untersagen. Dies soll den freien Warenverkehr von fen worden, dass die Klägerin zur Geltendmachung des Original-Produkten innerhalb des europäischen Binnen- Schadensersatzanspruchs von der Markeninhaberin er- markts gewährleisten, damit die nationalen Märkte nicht mächtigt worden sei oder diese ihn ihr abgetreten habe. vom Markeninhaber unter Rückgriff auf das Markenrecht abgeschottet werden können (etwa zur Erzielung höherer Hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs bejahte der Preise in einzelnen Staaten). BGH eine Markenverletzung, weil ein Produkt mit einer 8 I. Verletzungsverfahren / 3. Querlieferungen innerhalb eines selektiven Vertriebssystems
In der Regel hat der Beklagte, der sich auf die Erschöp- Der Bundesgerichtshof sah dies anders: Eine Gefahr der fung beruft, diese auch zu beweisen. Nach bestehender Abschottung der nationalen Märkte könne in dem vorlie- Rechtsprechung des BGH und des Europäischen Ge- genden Vertriebssystem denkbar sein. Denn es seien richtshofs ist die Beweislast aber umzukehren, wenn die zwar Verkäufe zwischen Vertriebspartnern in verschiede- Beweisregel es dem Markeninhaber ermöglichen könnte, nen EWR-Staaten gestattet, aber der Verkauf im Groß- die nationalen Märkte abzuschotten. Denn wenn der Be- handelsumfang sei ausgeschlossen und solche Verkäufe klagte seine Bezugsquelle offenlegen müsste, könnte der würden nicht auf die Mindesteinkaufsziele angerechnet. Markeninhaber auf diese Quelle in seinem Vertriebssys- Dies könne beschränkend auf den grenzüberschreiten- tem einwirken, damit solche Verkäufe in Zukunft unter- den Warenverkehr wirken und die Beibehaltung von bleiben. So wurde in der Vergangenheit höchstrichterlich Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten be- entschieden, dass bei ausschließlichen Vertriebssyste- günstigen. men (nur ein Vertriebspartner pro Staat, dem auch nur der Verkauf innerhalb des Staates erlaubt ist) der Beklagte Die Beklagte hatte vorliegend bereits in den Vorinstanzen nur nachweisen muss, dass eine tatsächliche Gefahr der vorgetragen, dass Preisunterschiede bei den relevanten Abschottung der Märkte besteht, woraufhin der Marken- Waren zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten bestehen inhaber nachzuweisen hat, dass die streitgegenständli- und das Vertriebssystem zur Beschränkung des Verkehrs chen Produkte keine von ihm im EWR in Verkehr gebrach- geeignet sei. Diesen Ausführungen hätte nach Auffassung ten Original-Produkte waren. des BGH das Berufungsgericht nachgehen müssen. Wenn es sich bei der Prüfung nach der Zurückverweisung des Im vorliegenden Fall bestand aber kein solches aus- Rechtsstreits ergebe, dass Preisunterschiede zwischen schließliches Vertriebssystem, sondern ein selektives den Mitgliedstaaten bestehen, würde dies angesichts der Vertriebssystem – die Vertriebspartner durften nur an be- vorstehend ausgeführten Regelungen des Vertriebssys- stimmte Abnehmer verkaufen, aber dies durchaus inner- tems die Gefahr einer Abschottung der nationalen Märkte halb des gesamten EWR. Dementsprechend hielt das begründen. In der Konsequenz müsste die Klägerin nach- Oberlandesgericht München das Vertriebssystem für weisen, dass diese Preisunterschiede auf andere Ursa- ausreichend so ausgestaltet, dass keine Abschottung na- chen zurückzuführen sind, oder dass die relevanten Waren tionaler Märkte erfolge. von ihr außerhalb des EWR in Verkehr gebracht wurden. BEWERTUNG Der BGH dehnt die Anforderungen an ein „erschöpfungs- Abschottung der nationalen Märkte und damit zur Auf- konformes“ Vertriebssystem aus, indem nicht nur – wie rechterhaltung von Preisunterschieden führen kann. bisher von der Rechtsprechung entschieden – jedenfalls Diese Rechtsprechung ist also bei der Aufstellung selek- keine passiven Verkäufe außerhalb des zugewiesenen tiver Vertriebssysteme zu berücksichtigen. Ferner sollten Gebiets verboten werden dürfen, sondern auch ein bestehende Vertriebssysteme auf Einklang mit dieser grundsätzlich erlaubter grenzüberschreitender Verkauf in- Rechtsprechung überprüft werden. (Brecht) nerhalb des EWR nicht durch andere vertragliche Rege- lungen so eingeschränkt werden darf, dass er zu einer I. Verletzungsverfahren / 3. Querlieferungen innerhalb eines selektiven Vertriebssystems 9
4. Verwendung der Domain für Rechtsanwaltsdienstleistun- gen verletzt Rechte an der Marke SCHUFA LG München I, Urteil vom 25.06.2020, 17 HK O 3700/20 HINTERGRUND Die Klägerin als bekannte Kreditschutzorganisation ist In- Beklagte ist Rechtsanwalt und bot über die Website haberin der Marke SCHUFA für korrespondierende www.schufa-anwalt.de rechtsanwaltliche Dienstleistun- Dienstleistungen. Sie erteilt insbesondere Bonitätsaus- gen, insbesondere auch im Zusammenhang mit dem Lö- künfte und stellt Betroffenen Datenkopien zur Verfügung schen von Negativeinträgen bei der Klägerin, an. bzw. löscht auf berechtigten Antrag Negativeinträge. Der ENTSCHEIDUNG Das Landgericht erließ auf Antrag der Klägerin eine einst- MarkenG erfüllt, da sich die beiderseitigen Dienstleistun- weilige Verfügung, mit der dem Beklagten u. a. die Ver- gen überschnitten und wegen der Verwendung des Be- wendung der Domain untersagt standteils „schufa“ zumindest wirtschaftliche Verbindun- wurde. Der Beklagte legte hiergegen Widerspruch ein gen der Parteien vermutet würden. Zudem könne sich die und berief sich insbesondere auf die Ausnahmebestim- Klägerin auf einen Bekanntheitsschutz ihrer Marke stüt- mung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, da die Domain rein zen. produktbeschreibend für die von ihm angebotenen Rechtsanwaltsdienstleistungen sei. Auch die Schutzschranke des § 23 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG greife nicht ein. Der Hinweis auf SCHUFA erfolge nicht Das Landgericht bestätigte die einstweilige Verfügung bloß, um über die Merkmale der angebotenen anwaltli- hinsichtlich der Benutzung der Domain. chen Dienstleistungen zu informieren, zumal es kein spe- zielles Rechtsgebiet „Schufa-Recht“ gebe. Die Benut- Das Gericht bejaht zunächst eine kennzeichenmäßige zung der Marke SCHUFA sei auch nicht erforderlich, um Verwendung der Domain. Sie diene als Herkunftshinweis Anwaltsdienstleistungen im Zusammenhang mit der Lö- auf die von dem Beklagten erbrachten Rechtsanwalts- schung von Negativeinträgen anzubieten. Jedenfalls dienstleistungen. Zwar liege keine markenmäßige Ver- stehe auch § 23 Abs. 2 MarkenG der Benutzung entge- wendung einer Bezeichnung vor, wenn sie als bloßer Gat- gen, da diese nicht den anständigen Gepflogenheiten in tungsbegriff geführt werde, sodass die Verkehrskreise In- Gewerbe oder Handel entspreche. Von der Domain gehe formationen zu diesem Gattungsbegriff erwarteten. Die eine große Werbewirkung aus, und schließlich verwende Bezeichnung SCHUFA sei jedoch kein solcher Gattungs- der Beklagte sie im Rahmen der eigenen Produktkenn- begriff. Deshalb sei der Verletzungstatbestand des § 14 zeichnung. BEWERTUNG Verletzungsansprüche aus einer Marke lassen sich bei ei- Hingegen sind Ansprüche nicht begründet, wenn die Do- ner aktiv verwendeten Website nur durchsetzen, wenn main eine bloße Adressfunktion hat oder die relevanten der Domainname kennzeichen- bzw. markenmäßig be- Verkehrskreise in dem Namen eine bloße beschreibende nutzt und damit als Herkunftshinweis verstanden wird. Angabe sehen. In diesem Fall erwarten sie Informationen I. Verletzungsverfahren / 4. Verwendung der Domain für 10 Rechtsanwaltsdienstleistungen verletzt Rechte an der Marke SCHUFA
zu der Sachangabe, aber kein spezielles Produktangebot Fall lässt sich allerdings zu dem Fall des Oberlandesge- eines bestimmten Anbieters. So hat der BGH beispiels- richts Hamburg abgrenzen, da es im Hamburger Verfah- weise in der Verwendung der Domain ren um die Benennung einer „formlosen“ Kreditgewäh- keine kennzeichnende Funktion gesehen, weil auf der rung geht und im Münchener Fall um anwaltliche Dienst- Website ausschließlich Informationen über den Künstler leistungen im Zusammenhang mit der Marke SCHUFA. Frank Zappa geboten wurden (BGH, Urteil vom Deshalb ist das Argument des Landgerichts München I 31.05.2012, I ZR 135/10 – ZAPPA). Eine kennzeichnende im Hinblick auf eine mögliche Autorisierung der anwaltli- Funktion hätte erfordert, dass über die Website konkret chen Dienstleistungen des Beklagten durch die Klägerin auch Produkte, wie Tonträger oder Merchandise, angebo- durchaus beachtlich. ten worden wären. So ist es immer eine Einzelfallent- scheidung, wann ein kennzeichenmäßiger Gebrauch ei- Wenn eine kennzeichenmäßige Verwendung einer nes Domainnamens vorliegt. Marke festgestellt wird, ist noch ergänzend zu erwägen, ob die Schutzschranke des § 23 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG Das Landgericht München I hat als entscheidendes Argu- eingreift, wenn die Merkmale oder Eigenschaften eines ment angeführt, dass es das Rechtsgebiet des „Schufa- Produkts als beschreibende Angabe adressiert werden. Rechts“ nicht gebe, sodass damit der Hinweis auf die Be- Diese Vorschrift soll allen Wirtschaftsteilnehmern die zeichnung SCHUFA in dem Domainnamen nur kennzei- Möglichkeit erhalten, für ihre Produkte beschreibende chenmäßig verstanden werden könne. Hier hätte man Angaben zu benutzen. Dazu muss die Verwendung der sich eine eingehendere Begründung gewünscht. So hat Marke eines Dritten aber konkret die Merkmale der ent- beispielsweise das Hanseatische Oberlandesgericht sprechenden Produkte bezeichnen. Ob dies vorliegend Hamburg in der Domain keine geltend gemacht werden kann, erscheint aber fraglich, kennzeichnende Verwendung der Bezeichnung SCHUFA weil aus dem Domainnamen nicht unmittelbar ersichtlich gesehen. Schließlich sei eine „SCHUFA-Auskunft“ ein ist, um welche Dienstleistungen im Zusammenhang mit weit verbreiteter Begriff und könne als Sachbeschreibung der Bezeichnung SCHUFA es sich handeln könnte. (Ebert- im Rahmen einer Kreditgewährung verstanden werden. Weidenfeller) Deshalb gehe es primär um eine spezielle Form der Kre- ditvergabe ohne eine solche Auskunft. Der vorliegende I. Verletzungsverfahren / 4. Verwendung der Domain für Rechtsanwaltsdienstleistungen verletzt Rechte an der Marke SCHUFA 11
SCHUTZFÄHIGKEIT / LÖSCHUNGSVERFAHREN / WIDERSPRUCHSVER- FAHREN 5. Berücksichtigung von wahrscheinlichen Verwendungsarten bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke BGH, Beschluss vom 30.01.2020, I ZB 61/17 – #darferdas? II HINTERGRUND Die nachfolgende Entscheidungsbesprechung knüpft an Anmeldung wegen mangelnder Unterscheidungskraft die Besprechungen aus den letzten Ausgaben der „Neu- und mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Auf- esten Rechtsprechung im deutschen Markenrecht“ an, in druck eines Zeichens „#darferdas?“ auf der Vorderseite denen wir den Vorlagebeschluss des BGH und darauffol- eines T-Shirts rein dekorativ bzw. als ein Diskussions- gend das Urteil des EuGH zur Unterscheidungskraft der thema zu der Frage „Darf er das?“ und gerade nicht als Marke „#darferdas?“ diskutiert hatten. Der BGH legte Herkunftshinweis verstanden werde. In der Rechtsbe- dem EuGH eine Frage vor, die die Auslegung des Artikel schwerde rügte die Markenanmelderin, dass die Vo- 3 Abs. 1 lit. b der Markenrichtlinie 2008 (heute Artikel 4 rinstanzen nur auf eine mögliche Benutzungsform abge- Abs. 1 lit. b der Markenrichtlinie) betraf. Der BGH wollte stellt haben, dass hingegen andere übliche Benutzungs- hierzu insbesondere wissen, ob eine Marke Unterschei- formen, wie das Aufnähen der Marke durch Etiketten, dungskraft aufweist, wenn es praktisch bedeutsame und nicht berücksichtigt wurden. Damit stellte sich die Frage, naheliegende Möglichkeiten gibt, sie für die Waren und ob auch solche Verwendungsformen zu berücksichtigen Dienstleistungen als Herkunftshinweis zu verwenden, sind, die zwar im konkreten Fall nicht naheliegend, aber auch wenn es sich dabei nicht um die wahrscheinlichste mit Blick auf die jeweilige Branche durchaus bedeutsam Form der Verwendung der Marke handelt. und möglich sind. Grundlage des Vorlagebeschlusses war die Zurückwei- sung der Marke „#darferdas?“ für diverse Bekleidungs- stücke. Sowohl das DPMA als auch das BPatG hatten die ENTSCHEIDUNG Nachdem der EuGH vorliegend entschieden hatte, dass che praktisch bedeutsam sind. Hingegen sind Verwen- für die Eintragung einer Marke alle relevanten Tatsachen dungsarten grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig, und Umstände zu berücksichtigen sind, einschließlich al- die im Einzelfall entweder praktisch ohne Bedeutung sind ler wahrscheinlichen Verwendungsarten der angemelde- oder aber als wenig wahrscheinlich erscheinen. Da im ten Marke, hat der BGH der Rechtsbeschwerde der Mar- vorliegenden Falle neben der dekorativen Verwendung kenanmelderin stattgegeben. der Marke „#darferdas?“ auch eine anderweitige Ver- wendung in Betracht kommt, insbesondere eine Verwen- In Einklang mit den Ausführungen des EuGH hat der BGH dung in Form eines in der Bekleidungsbranche üblichen festgestellt, dass alle diejenigen Verwendungsarten zu Etiketts, ist auch diese Verwendungsform in die Gesamt- berücksichtigen sind, die mit Blick auf die jeweilige Bran- betrachtung zur Unterscheidungskraft der Marke mit ein- II. Schutzfähigkeit / Löschungsverfahren / Widerspruchsverfahren / 5. Berücksichtigung von 12 wahrscheinlichen Verwendungsarten bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke
zubeziehen. Dass es in tatsächlicher Hinsicht nicht nahe- tives Element auf der Vorderseite von Bekleidungsstü- liegend ist, dass eine Verwendung der Marke auf einem cken weitaus naheliegender erscheint, spielt bei der Be- Etikett o. ä. erfolgt, sondern die Verwendung als dekora- urteilung der Eintragbarkeit jedoch keine Rolle. BEWERTUNG Sofern es um die Unterscheidungskraft einer Marke Möglichkeit einer Verwendung der Marke darstellt – in geht, sind auch weiterhin nicht alle denkbaren Verwen- Bezug auf die konkreten Umstände des Einzelfalles als dungsformen zu berücksichtigen, sondern lediglich die- nicht wahrscheinlich erscheint. Denn sollte der Marken- jenigen, für die eine praktisch bedeutsame oder nahelie- inhaber seine Marke in einer Art und Weise benutzen, gende Möglichkeit der Verwendung des Zeichens für die lediglich rein dekorativ oder anderweitig nicht her- die in Rede stehenden Waren gegeben bzw. wahr- kunftshinweisend erfolgt, ist dies im Rahmen der Beur- scheinlich ist. Zu berücksichtigen ist bei der Einzelfallbe- teilung der rechtserhaltenden Benutzung, die eine mar- trachtung auch die übliche Praxis der jeweiligen Bran- kenmäßige Benutzung voraussetzt, zu berücksichtigen. che. Auch in markenrechtlichen Streitigkeiten wird dieser Punkt dann durch Prüfung der rechtserhaltenden und Es obliegt allerdings dem Inhaber einer Marke, im Falle markenmäßigen Benutzung der Marke angemessen zu von deren Zurückweisung, gestützt auf eine praktisch berücksichtigen sein. Markeninhaber sollten diesem As- nicht relevante Verwendungsform, nachzuweisen, dass pekt im Falle einer auch oder gerade vornehmlich deko- die in Rede stehende Verwendungsform in der Praxis rativ nutzbaren Marke besondere Aufmerksamkeit doch die erforderliche Relevanz besitzt oder es aber zu- schenken, um den Verlust der Marke zu vermeiden und mindest wahrscheinlich ist, dass die Branche die Ver- diese im Verletzungsfalle auch durchsetzen zu können. wendungsform aufgrund konkreter Umstände doch als (Holderied) Unterscheidungsmerkmal auffasst. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob die Verwen- dungsform – sofern sie grundsätzlich eine naheliegende II. Schutzfähigkeit / Löschungsverfahren / Widerspruchsverfahren / 5. Berücksichtigung von wahrscheinlichen Verwendungsarten bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke 13
6. Schutzfähigkeit für Schokoladenwarenverpackung BGH, Beschluss vom 23.07.2020, I ZB 42/19 – Quadratische Tafelschokoladenverpackung II HINTERGRUND Dreidimensionale Formen können grundsätzlich als Mar- als Marke (Nr. 398 69 970) schützen. Mondelez, der ame- ken geschützt werden, es sei denn, die Marke besteht rikanische Süßwarenhersteller, dem Milka gehört, bean- ausschließlich aus einer Form, die der Ware einen „we- tragte am 25. November 2010 beim DPMA die Löschung sentlichen Wert verleiht“. Solche Waren sind nach § 3 II der Marke mit der Begründung, die angegriffene Marke Nr. 3 MarkenG vom Schutz als Marke ausgeschlossen, bestehe ausschließlich aus einer Form, die zur Erreichung sofern „aus objektiven und verlässlichen Gesichtspunk- einer technischen Wirkung erforderlich sei (§ 3 II Nr. 2 ten“ hervorgeht, dass die Entscheidung der Verbraucher, MarkenG). Das DPMA wies diesen Löschungsantrag ab. die betreffende Ware zu kaufen, in hohem Maße durch Daraufhin zog Mondelez den Löschungsantrag nach § 3 II diesen (künstlerischen oder dekorativen) Wert beein- Nr. 2 MarkenG zurück und berief sich im wiedereröffne- flusst wird. ten Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht stattdessen auf die Schutzhindernisse nach § 3 Abs. 2 Nr. Die Frage, welche Rolle die Verpackungsform für die Ver- 2 MarkenG sowie § 3 II Nr. 3 MarkenG. Demnach sei das braucher spielt und welchen Wert sie dieser beimessen, charakteristische Merkmal von Ritter Sport, die quadrati- war Gegenstand des Verfahrens vor dem Bundesge- sche Form, durch die Art der Ware selbst bedingt (§ 3 II richtshof (BGH) in dem jahrelangen Rechtsstreit zwi- Nr. 1 MarkenG) und verleihe dieser einen wesentlichen schen Ritter Sport und dem Milka-Hersteller Mondelez. Wert (§ 3 II Nr. 3 MarkenG). Der Schokoladenhersteller Ritter ließ im Jahr 2001 die be- rühmte quadratische Form seiner Schokolade Ritter Sport ENTSCHEIDUNG Das Bundespatentgericht gab dem Antrag von Mondelez weil das Schutzhindernis des § 3 II Nr. 1 MarkenG nicht zunächst statt und ordnete die Löschung der Marke an, vorliege (BGH GRUR 2018, 404 – Quadratische Tafel- weil sie nach § 3 II Nr. 1 MarkenG schutzunfähig sei schokoladenverpackung I). Gleichzeitig wurde der Fall (BPatG GRUR 2017, 275 – Quadratische Schokoladen- an das Bundespatentgericht zurückverwiesen, um zu ent- verpackung). scheiden, ob die quadratische Form das charakteristische Merkmal von Ritter Sport ist, die der Ware „einen we- Der Bundesgerichtshof sah dies 2017 jedoch anders und sentlichen Wert verleiht“ und das Vorliegen des Schutz- stellte fest, dass die Form der Schokolade für sich ge- hindernisses des § 3 II Nr. 3 MarkenG begründet. Das nommen keinen Nutzen für einen Verbraucher habe und Bundespatentgericht gab Ritter Sport Recht und stellte daher kein wesentliches funktionales Merkmal sei. Zwar fest, dass die angegriffene Form sich nicht wesentlich werde die angegriffene 3D-Marke von Ritter Sport durch von der üblichen Warenform abhebe. Ferner verneinte die quadratische Form des Verpackungskörpers gekenn- das Bundespatentgericht, wie zuvor der BGH, das Vorlie- zeichnet. Dieses Merkmal der Ritter Sport Schokolade gen des Schutzhindernisses des § 3 II Nr. 1 MarkenG. Der stelle aber keine wesentliche „Gebrauchseigenschaft“ wesentliche Gebrauch einer Schokolade bestehe in dem dar, die durch die Beschaffenheit der Ware selbst bedingt Verzehr der Schokolade und dabei sei es zweitrangig, ob sei. Der Markenschutz wurde daher zunächst bestätigt, die Verpackung quadratisch oder rechteckig sei. II. Schutzfähigkeit / Löschungsverfahren / Widerspruchsverfahren / 6. Schutzfähigkeit für 14 Schokoladenwarenverpackung
Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens vor dem bestimmte betriebliche Herkunft hinzuweisen, nicht Bundesgerichtshof war allein noch das Schutzhindernis mehr gegeben sei. Die Verbraucher würden die Form der des § 3 II Nr. 3 MarkenG. Maßgeblich bei der Entschei- Ritter-Schokoladentafel als einen Hinweis auf die Her- dung waren dabei Beurteilungskriterien wie die Art der in kunft der Schokolade und ihre Qualität betrachten. Rede stehenden Warenkategorie, der künstlerische Wert der fraglichen Form, ihre Andersartigkeit im Vergleich zu Auch die Tatsache, dass es sich bei der quadratischen anderen auf dem jeweiligen Markt allgemein genutzten Verpackung um eine ästhetisch besonders gelungene Formen, ein bedeutender Preisunterschied gegenüber Gestaltung handelt, stehe dem Schutz dieser Form als ähnlichen Produkten oder die Ausarbeitung einer Ver- Marke nicht entgegen. Die Entscheidung der Verbrau- marktungsstrategie, die hauptsächlich die ästhetischen cher, die betreffende Ware zu kaufen, werde nicht maß- Eigenschaften der jeweiligen Ware herausstreicht. Die geblich durch diese Form bestimmt. Die ästhetische Wahrnehmung des Zeichens durch den Durchschnitts- Formgebung erscheine den Verbrauchern nur als eine Zu- verbraucher (Verkehrsauffassung) sei bei der Entschei- tat zu der Ware, deren Nutz- oder Verwendungszweck dung, ob dieses Schutzhindernis vorliegt, kein entschei- auf anderen Eigenschaften beruhe. dender Faktor, auch wenn sie ein nützliches Beurteilungs- kriterium bei der Ermittlung der wesentlichen Merkmale Mondelez’ Argument, dass der erforderliche wesentliche des Zeichens bilden könne. Wert der angegriffenen Form sich aus der hohen Ver- kehrsdurchsetzung und dem daraus folgenden Wettbe- Das Gericht entschied, dass die quadratische Form der werbsvorteil der Markeninhaberin ergebe, hatte ebenfalls angegriffenen Verpackung im Vergleich zu Verpackungen keinen Erfolg. Dass Ritter Sport mit dem Werbespruch in Rechteckform mit ungleichen Seitenlängen keinen re- „Quadratisch. Praktisch. Gut.“ eine Vermarktungsstrate- levanten künstlerischen oder gestalterischen Wert habe gie betreibt, die spezifisch auf die angegriffene Form der und keine wesentliche Andersartigkeit der Warenform Ware beziehungsweise auf die Form der Verpackung be- begründe. Die Form unterscheide sich nicht wesentlich zogen ist, sei nicht von Bedeutung. Die Frage, ob die von der für Tafelschokolade üblichen Rechteckform und Form der Ware für den Markeninhaber einen besonderen entspreche daher der relevanten „Grundform“; das wirtschaftlichen Wert darstelle, weil sie sich im Verkehr Quadrat sei eine Sonderform eines Rechtecks. Der ästhe- als Hinweis auf die Herkunft der Ware durchgesetzt habe, tische Wert einer solchen Produktform könne nicht so be- spiele dabei keine Rolle. deutend sein, dass die Hauptfunktion der Marke, auf eine BEWERTUNG Dem Ansinnen von Mondelez, die Verkehrsdurchsetzung des § 3 II Nr. 3 MarkenG unter anderem davon abhängig (§ 8 III MarkenG) der quadratischen Verpackung von Ritter macht, welche Merkmale einen bestimmenden Einfluss Sport als ein wesentliches wertverleihendes Merkmal im auf die Kaufentscheidung der Verbraucher haben, eröffnet Sinne des § 3 II Nr. 3 MarkenG geltend zu machen, hat der jedoch einen neuen Interpretationsspielraum. Die Frage, BGH mit seiner jüngsten Entscheidung einen Riegel vorge- wie der wesentliche Wert einer Marke zu bestimmen ist schoben (Rn. 46). Eine Entscheidung im Sinne von Mon- und welche Kriterien die Gerichte und Markenämter ihrer delez hätte womöglich dazu geführt, dass im Wettbewerb Entscheidung zukünftig zugrunde legen sollen, ist keines- besonders erfolgreiche und infolge ihrer Benutzung beson- wegs endgültig geklärt. Es ist davon auszugehen, dass es ders unterscheidungskräftige Warenformmarken aufgrund den Markenämtern und Gerichten auch in Zukunft nicht ihres wirtschlichen Erfolgs einer Löschung gemäß § 3 II leichtfallen wird, klare Kriterien für die einzelnen Schutzhin- Nr. 3 MarkenG unterliegen würden. Wirtschaftlich wert- dernisse herauszuarbeiten, diese anzuwenden und an- volle Wortformmarken wären dann generell schutzunfähig. schließend gegenüber den Beteiligten verständlich zu Die Tatsache, dass der Bundesgerichtshof das Vorliegen kommunizieren. (Böhm) II. Schutzfähigkeit / Löschungsverfahren / Widerspruchsverfahren / 6. Schutzfähigkeit für Schokoladenwarenverpackung 15
7. Zur Bösgläubigkeit wegen fehlender Benutzungsabsicht bei der Anmeldung einer Marke EuGH, Urteil vom 29.01.2020, C-371/18 – Sky ./. SkyKick HINTERGRUND Ursprünglich richteten sich die drei Klägerinnen, allesamt 8.000 Begriffe, mitunter für ganz offensichtlich nicht mit Unternehmen des bekannten Pay-TV Anbieters Sky, vor dem geschäftlichen Zweck verbundene und ohne Benut- dem High Court of Justice (England and Wales) gegen zungsabsicht eingetragene Waren (Peitschen, Bleichmit- zwei verbundene britische Unternehmen namens tel…) sowie für äußerst breit gefasste Begriffe wie SkyKick. Sky warf SkyKick Verletzung verschiedener Sky- „Computer Software“ oder „Telekommunikationsdienst- Marken vor. Als Retourkutsche erhob SkyKick Lö- leistungen“ besetzen? Da es um die Auslegung europäi- schungswiderklage und monierte das äußerst breit ge- schen Rechts ging, legte der High Court diese Frage dem fasste Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Sky- Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Rahmen eines Vor- Klagemarken. Zugespitzt formuliert stellte SkyKick die abentscheidungsverfahrens vor. Frage: Darf Sky das Register in 22 Klassen für mehr als ENTSCHEIDUNG Der EuGH beantwortete die erste Vorlagefrage bezüglich darüber hinaus „objektive, sachdienliche und kohärente“ der breit gefassten Verzeichnisse dahingehend, dass eine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Antragsteller ent- eingetragene Marke nicht allein aufgrund ihres breiten, weder nicht präzise gefassten Verzeichnisses gelöscht werden kann. Dies entspreche keinem der erschöpfend in der • die Absicht hatte, in einer „den redlichen Handels- UMV aufgezählten Löschungsgründe. Auch liege in der bräuchen widersprechenden Weise Drittinteressen breiten Fassung kein Verstoß gegen die öffentliche Ord- zu schaden“ oder nung. • sich auch ohne Bezug zu einem konkreten Dritten ein ausschließliches Recht zu anderen als zu den zur Die zweite, interessantere Vorlagefrage hinsichtlich der Funktion einer Marke gehörenden Zwecken ver- Bösgläubigkeit aufgrund der offensichtlich nicht vorlie- schaffen wollte. genden Benutzungsabsicht der Marke für bestimmte Wa- ren oder Dienstleistungen beantwortete der EuGH wie Auch ist dem EuGH zufolge ausdrücklich eine nur einen folgt: Nicht ausreichend für die Annahme von Bösgläubig- Teil des Verzeichnisses betreffende Bösgläubigkeit denk- keit ist, dass der Markeninhaber keine wirtschaftliche Tä- bar. tigkeit ausübt, die den angemeldeten Waren und Dienst- leistungen entspricht. Eine Anmeldung kann aber bei feh- In der Folge wurden die Klagemarken nach Zurückwei- lender Benutzungsabsicht dann bösgläubig sein, wenn sung der Sache an den High Court teilweise gelöscht. II. Schutzfähigkeit / Löschungsverfahren / Widerspruchsverfahren / 7. Zur Bösgläubigkeit wegen 16 fehlender Benutzungsabsicht bei der Anmeldung einer Marke
BEWERTUNG Der Begriff der Bösgläubigkeit bei Markenanmeldung ist also zum Zwecke der Kennzeichnung von Waren und nicht gesetzlich definiert. Es haben sich durch die Recht- Dienstleistungen mit einem Herkunftshinweis angemel- sprechung verschiedene Kriterien herausgebildet (z. B. det wurde, sondern stattdessen die Beeinträchtigung nachweisbare Kenntnis der Benutzung des angemelde- Dritter verfolgt wird. ten Zeichens durch einen Dritten bei Vorliegen einer Schädigungsabsicht ohne eigene Benutzungsabsicht). So folgt aus dieser Entscheidung, dass durchaus Vor- Steckt hingegen eine kommerzielle Logik hinter der Ein- sicht geboten ist bei der Anmeldung eines ohne kom- tragung, spricht dies gegen das Vorliegen von Bösgläu- merzielle Logik äußerst breit angemeldeten Verzeichnis- bigkeit. Die Frage nach dem Vorliegen der Bösgläubig- ses (z. B. als Defensivmarke). Die Maßstäbe für die Lö- keit ist immer eine Einzelfallbetrachtung. schung aufgrund von Bösgläubigkeit wegen fehlender Benutzungsabsicht sind gleichwohl hoch: das Verzeich- Die Beantwortung der ersten Vorlagefrage betreffend nis darf weiterhin breit, lediglich nicht völlig absurd, die weiterhin zulässige breite Formulierung des Ver- ohne jeden nachvollziehbaren Grund wahllos breit ge- zeichnisses sorgte für Erleichterung bei den Markenin- fasst sein. Und selbst dann droht die Löschung nur für habern. Diese hatten schon Nachtschichten befürchtet, den betroffenen Teil des Verzeichnisses. um sämtliche Verzeichnisse eingetragener Marken zu überprüfen und zu präzisieren. Weit gefasste Begriffe Im Falle der Durchsetzung besonders breit angemelde- wie „Computer Software“ oder „Telekommunikations- ter Marken sollten etwaige Schwachstellen jedenfalls dienstleistungen“ sind weiterhin zulässig (anders als sorgfältig geprüft werden – umgekehrt gilt dies mit Blick z. B. in Jurisdiktionen wie den USA, wo das USPTO re- auf mögliche Angriffsflächen gegnerischer Marken. gelmäßig sehr präzise Formulierungen verlangt). Interessant wird auch der Ausgang des derzeit beim Ge- Die Beantwortung der zweiten Vorlagefrage hingegen richt der Europäischen Union (EuG) anhängigen „Mono- bringt eine weitere Fallgruppe für eine mögliche (teil- poly“-Verfahrens (Az: T-663/19) sein. Auch dort geht es weise) Markenlöschung wegen Bösgläubigkeit mit sich: um die Frage nach der Bösgläubigkeit bei Markenanmel- Die Entscheidung betont zwar zum einen die Benut- dung, allerdings aufgrund sog. Wiederholungsanmel- zungsschonfrist, denn es muss einem Markenanmelder dungen. Dies betrifft also den in der Praxis recht häufig möglich sein, zunächst ein breites Verzeichnis anzumel- vorkommenden Fall, dass eine Marke kurz vor oder nach den. Trotzdem ist – unter hohen Voraussetzungen – eine Ablauf der fünfjährigen Benutzungsschonfrist erneut an- (teilweise) Löschung bei nachweislich fehlender Benut- gemeldet wird, um so künstlich in den Genuss einer zungsabsicht und weiterer Indizien für die Unredlichkeit weiteren Benutzungsschonfrist zu kommen. Eine Ent- der Anmeldung möglich. Dies ist insbesondere der Fall, scheidung wird im Laufe des Jahres 2021 erwartet. wenn eine Marke entgegen ihrer Herkunftsfunktion, (Kampmann) II. Schutzfähigkeit / Löschungsverfahren / Widerspruchsverfahren / 7. Zur Bösgläubigkeit wegen fehlender Benutzungsabsicht bei der Anmeldung einer Marke 17
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