Noch Strafzölle oder schon Wirtschaftskrieg? - Die Sorge wächst, dass der Handelskonflikt zwischen den USA und China die Vorstufe zu militärischen ...
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38 Noch Strafzölle oder schon Wirtschaftskr loya l # 9 2 0 1 9 Die Sorge wächst, dass der Handelskonflikt zwischen den USA und China die Vorstufe zu militärischen Auseinandersetzungen ist. Doch so dramatisch ist die Lage noch nicht Weltbühne
39 rieg? I von Joachim Krause In Politik und Medien ist immer wie- Ab den 1990er Jahren haben die USA, Ja- der von einem „Wirtschaftskrieg“ pan und die EU-Staaten den internatio- oder einem „Handelskrieg“ zwischen nalen Handel liberalisiert. China konn- den USA und der Volksrepublik China te durch eine rigorose merkantilistische die Rede. Doch: Man sollte mit dieser (staatlich gelenkte; Anm. d.Red.) Poli- Begrifflichkeit vorsichtig sein, denn tik vom industriellen Schwellenland echte Wirtschaftskriege gingen in der zur führenden Exportnation aufstei- Geschichte zumeist mit militärischen gen. Ganze Industriezweige und mitt- Kriegen einher - wie die gegen England lerweile auch ganze Dienstleistungs- gerichtete Kontinentalsperre Napole- sektoren verlagerten sich nach China. ons oder Großbritanniens Handels- In den US-amerikanischen und euro- blockade gegen Deutschland im Ersten päischen Staaten fand gleichzeitig eine und im Zweiten Weltkrieg. In Einzel- De-Industrialisierung statt, viele Ar- fällen sprach man von einem Handels- beitsplätze gingen verloren und konn- krieg oder gar einem Wirtschaftskrieg, ten nicht durch gleich- oder höherwer- wenn ein größeres Land versuchte, ei- tige Arbeitsplätze ausgeglichen werden. nem kleineren seinen Willen aufzu- Weil in China Staat und Industrie zwingen, ohne direkte militärische eng verquickt sind, wurden bestimmte Mittel einzusetzen. Im Fall der wirt- Technologien gezielt erworben oder ge- schaftlichen Beziehungen zwischen fördert, oft unter Missachtung internati- den USA und China sollte der Begriff onaler Regelungen. Das führte zu Wett- „Wirtschaftskrieg“ nicht Verwen- bewerbsverzerrungen zuungunsten dung finden: weder befinden sich bei- der etablierten Industriestaaten. Durch de Staaten in einem Krieg, in dem der den Aufstieg Chinas veränderte sich die eine den anderen durch wirtschaftli- Weltwirtschaft grundlegend. Enorme che Maßnahmen glaubt schwächen zu Ungleichgewichte entstanden und be- müssen, noch sind beide Seiten da- stehende Probleme verschärften sich. bei, der jeweils anderen Seite ihren Ein Beispiel ist das große Handelsbilanz- Willen durch massive wirtschaftliche defizit der USA gegenüber China und die Maßnahmen aufzuzwingen. Letzteres zunehmende Verschuldung der USA. dürfte angesichts der Größe und Stär- Doch China gibt sich schon lange ke beider Staaten ohnehin weitgehend nicht mehr damit zufrieden, die „Werk- erfolglos sein, auch wenn die Trump- bank der Welt“ zu sein. Das Land nutzt Häfen sind die Lebensadern der Regierung seit einem Jahr einen derar- in zunehmendem Maß seine industriel- Weltwirtschaft. Das Foto zeigt einen tigen Anlauf nimmt – bislang mit we- len und technologischen Kapazitäten, Containerhafen in Singapur nig Erfolg. um sich als militärischer Gegner der USA Tatsächlich sind die amerikanisch- aufzubauen und diese herauszufordern. chinesischen Beziehungen im Wirt- Aber China setzt nicht nur auf das Mili- schaftsbereich seit vielen Jahren prob- tär. Seine neugewonnene Macht nutzt es lembehaftet und harren einer Lösung. dafür, die Regeln des Welthandels, der Foto: chuttersnap / via unsplash.com Schon zu Zeiten der Obama-Regierung Finanzwelt und der politischen Bezie- wurde das erkannt, aber es geschah we- hungen nach seinen Vorstellungen neu nig, nicht zuletzt, weil Vorsicht angesagt zu gestalten. war – was für Präsident Donald Trump Zur Zeit der Obama-Regierung offenkundig ein Fremdwort ist. Im We- wurden diese Themen lebhaft disku- sentlichen haben sich die folgenden Pro- tiert und die US-Regierung versuch- bleme aufgetan: te, ihre Handelsbeziehungen neu Weltbühne
40 zu regeln. Die Regierung unter Barack soll mit Blick auf China dafür Sorge ge- Obama wollte mit anderen Industrie- tragen werden, dass Technologiefirmen, staaten zum Beispiel im Rahmen der die in sensitiven Bereichen, vor allem im „Verhandlungen über Transpazifische Bereich der nationalen Sicherheit, tätig und Transatlantische Partnerschaften sind, nicht durch chinesische Investo- für Handel und Investitionen“ (TTIP) ren aufgekauft oder durch chinesische ein Regelungsgerüst aufbauen, welches Staatsfirmen oder staatsnahe Firmen aus für faire Bedingungen im Handel mit- den Märkten verdrängt werden. einander sorgen sollte. Die massiven Seit vergangenem Jahr macht die Demonstrationen von linken Globali- Trump-Regierung mit ihrer bis dato nur sierungsgegnern in Europa gegen TTIP angekündigten Politik Ernst und hat vor und die ebenso kurzsichtigen protektio- allem – aber keinesfalls ausschließlich – nistischen Vorstellungen konservativer China im Visier. Unter Berufung auf eine und rechtspopulistischer Politiker in den Bestimmung (Section 232) des Trade Ex- USA haben diesen Ansatz zerstört. pansion Acts hat Präsident Trump aus Präsident Trump geht einen ande- Gründen der nationalen Sicherheit im ren Weg, um den Welthandel zugunsten Juli 2018 Zölle von 25 Prozent auf ver- der USA neu zu regeln und die US-Wirt- schiedene chinesische Produkte ver- schaft anzukurbeln. Er erhebt Zölle und hängt, deren Einfuhrwert pro Jahr etwa schließt persönlich „Deals“ mit einzel- bei 50 Milliarden US-Dollar lagen. Chi- nen Staaten ab. Ziel soll es sein, die ne- na verhängte Gegenzölle, reagierte aber gativen Begleiteffekte der jahrzehnte- sonst nicht. Deshalb verhängte Trump loya l # 9 2 0 1 9 lang erfolgreichen Globalisierung (vor im September 2018 auf weitere chinesi- allem den massiven Verlust industri- sche Waren Zölle – nun in der Größen- eller Arbeitsplätze) in den USA wieder ordnung von 200 Milliarden US-Dollar. wettzumachen, wobei nicht nur Chi- Im Dezember 2018 willigte Chi- na, sondern auch die Europäer als Pro- na in Verhandlungen mit den USA über blem gesehen werden. Der Beauftragte eine Neuregelung der Handelsbezie- des Präsidenten für Handelsfragen, Ro- hungen ein, die allerdings im Mai 2019 ne Währung (den Renminbi) abwerten, bert Lighthizer, gilt als der konzeptio- ergebnislos abgebrochen wurden. Des- was dazu führen dürfte, dass die Aus- nelle Kopf dieser Politik. Von Ländern, halb droht nun eine weitere Eskalati- wirkungen der Zölle deutlich schwä- die eine positive Handelsbilanz gegen- onsrunde: Ab Dezember 2019 werden cher ausfallen werden. über den USA haben, sollen Zugeständ- Zölle von zehn Prozent auf Mobiltelefo- In Peking stellt man sich darauf nisse erzwungen werden, um eine aus- ne, Laptops, bestimmtes Spielzeug und ein, dass mit der Trump-Regierung kei- geglichene Bilanz zu erreichen. Länder, manche Kleidungsstücke gelten – fast ne vernünftige Vereinbarung zu schlie- die mehr Waren in die USA exportie- der gesamte Warenverkehr wäre davon ßen sein wird und setzt nun auf das ren, als sie von dort einkaufen, sollen betroffen. Die chinesische Führung hat Prinzip Hoffnung. Mit einem anderen also mehr US-Waren abnehmen oder anfangs mit Vergeltungszöllen geant- US-Präsidenten könne entweder 2021, weniger in die USA verkaufen. Zudem wortet. Mittlerweile lässt sie die eige- spätestens aber 2025 eine andere Poli- tik einsetzen – so lautet die chinesische Hoffnung. Tatsächlich wird die Politik der Trump-Regierung in den USA au- ßerhalb der Republikanischen Partei aufs Heftigste kritisiert. Auch ist ihr Er- folg fraglich. Vor allem Ökonomen ge- hen davon aus, dass Trump zwar bisher Ab Dezember 2019 erheben die USA zögerlich behandelte Probleme deut- lich anspreche, aber seine Handlun- Zölle auf Mobiltelefone, Spielzeug gen nicht durchdacht sind. Mittelfristig würde sein aggressives Verhalten sowohl und Kleidungsstücke – also fast auf der US-Wirtschaft, als auch der gesam- ten Weltwirtschaft schaden, so Wirt- den gesamten Warenverkehr schaftsexperten. Zudem: Bisher habe Weltbühne
41 nen Trend, in dessen Verlauf sich China und die USA wirtschaftlich auseinander- entwickeln – mit voraussichtlich weit- reichenden politischen Folgen. Dieser Prozess hat gewisse Ähnlichkeiten mit der wirtschaftlichen Rivalität zwischen Großbritannien und Deutschland gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Man soll- te aber mit Vorhersagen vorsichtig sein. Tatsächlich ist der Ausgang die- ses Prozesses ungewiss – übrigens ge- nauso wie zu Anfang des 20. Jahrhun- derts, als eine Annäherung zwischen dem Deutschen Reich und dem briti- schen Empire durchaus eine reale Op- tion war und weitgehend an der Igno- ranz und der Selbstüberschätzung der deutschen Elite scheiterte. Der heutige Prozess der wirt- schaftlichen Entflechtung Chinas und der USA könnte das Vorspiel einer weit- gehenden Rivalität und anschließenden Blockbildung werden, die auch zu mili- Seit Mai boykottiert die US-Regierung den chinesischen Smartphone-Hersteller Huawei. Dessen Verkaufszahlen brachen daraufhin auch in Europa ein tärischen Auseinandersetzungen und zu wirklichen „Wirtschaftskriegen“ führt. Er könnte aber auch anders ausgehen. Sicher ist aber: Die politische Gestal- tung der wirtschaftlichen Beziehungen Trumps Politik gegenüber China kei- seinen eigenen Weg zu gehen, ohne von zwischen den USA und China wird ent- ne Veränderungen bewirkt und das ihm anderen (vor allem nicht von den USA) scheidende Weichenstellungen für die zur Verfügung stehende Instrumentari- abhängig zu sein. Das Ziel: eigene inter- Zukunft der Welt beinhalten. um sei weitgehend ausgereizt. nationale Institutionen, Infrastruktur Die große Frage ist: Wie wird China für Handel und ausländische Investiti- weiter reagieren? Der Führung in Peking onen sowie eine Kontrolle über digitale Prof. Dr. Joachim Krause ist Direktor des war lange Zeit wichtig, die vielen Vortei- Medien zu erreichen. Instituts für Sicherheitspolitik an der Univer- le und Vorsprünge des Westens wettzu- China wird sich andere Märkte er- sität Kiel, geschäftsführender Herausgeber machen und strukturelle Nachteile auf- schließen und vor allem das Projekt der von „SIRIUS“, der Zeitschrift für strategische zuheben. Den Chinesen stieß sauer auf, „Belt-and-Road-Initiative“ mit zusätz- Analysen, sowie Vorstandsvorsitzender der dass alle Regeln, Institutionen und In- lichem Elan betreiben. In Zentralasien Stiftung Wissenschaft und Demokratie. strumente der globalen Weltwirtschaft, und Afrika werden die Chinesen noch des Transports und der Kommunikati- mehr Straßen und Häfen bauen, welt- on von westlichen Staaten, hauptsäch- weit Freihandelsverträge abschließen lich von den USA, geprägt worden sind. und digitale Kommunikationsplattfor- Das trifft auf die internationalen Ver- men in vielen Ländern aufstellen. Au- träge zur Handelsliberalisierung eben- ßerdem werden sie noch mehr Geld in Foto: Wang Zhao / AFP / Getty Images so zu wie für die Mechanismen der Ver- ausländische Unternehmen investieren rechnung von Exporten und Importen und versuchen, Zugang zu Rohstoffen in westlichen Leitwährungen. Diese er- zu erhalten, die sie selbst im Land nicht folgen vor allem in US-Dollar. Die USA vorhalten können. dominieren zudem die Weltmeere, was Im derzeitigen „Wirtschaftskrieg“ die Chinesen als mögliche Bedrohung zwischen den USA und China wird es ihrer Sicherheit sehen. China wird des- keinen Sieger und keinen Verlierer ge- halb noch stärker als bisher versuchen, ben. Aber die Ereignisse markieren ei- Weltbühne
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