Die Schweizer Handelsdiplomatie ist in Asien gefordert

Die Seite wird erstellt Daniel Esser
 
WEITER LESEN
Die Schweizer Handelsdiplomatie ist in Asien gefordert
ASIEN

               Die Schweizer Handelsdiplomatie
                     ist in Asien gefordert
Neue Allianzen und protektionistische Tendenzen in Asien stellen Unternehmen vor
Herausforderungen. Die Schweizer Aussenwirtschaftspolitik versucht gezielt Gegen-
steuer zu geben. Christine Büsser Mauron

Abstract Die wachstumsstarken asiatischen Märkte gewinnen zuneh-                wuchsen in Asien zwischen 2007 und 2017 mit
mend an Bedeutung für die Schweizer Wirtschaft. Regionale Mega-Ab-              jährlich 12 Prozent stärker als in Nordameri-
kommen wie das Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pa-            ka und Europa, wobei die Schweiz zu den zehn
cific-Partnership (CPTPP) und die geplante Regional Comprehensive                grössten Investoren in Asien zählt.3
Economic Partnership (RCEP) könnten die globalen Wertschöpfungsket-
                                                                                    Die asiatischen Märkte, ihre Strukturen so-
ten nachhaltig verändern. Im Spannungsfeld von Globalisierung und Pro-
tektionismus zielt die Schweizer Aussenwirtschaftspolitik darauf ab, den
                                                                                wie ihr Entwicklungs- und Integrationsstand
Firmen einen rechtlich abgesicherten, vorhersehbaren, möglichst hin-            sind äusserst divers. Dies lässt sich am Beispiel
dernis- und diskriminierungsfreien Zugang zu diesen Märkten zu sichern.         der Association of Southeast Asian Nations
Dazu gehört einerseits die Schaffung von soliden Rahmenbedingungen,              (Asean) aufzeigen (siehe Abbildung 2). Die zehn
zum Beispiel mittels Freihandelsabkommen und Investitionsschutzabkom-           Mitgliedsstaaten zählen zusammen fast 650
men, andererseits die Wahrung wirtschaftlicher Interessen im Ausland.           Millionen Einwohner und erwirtschafteten
                                                                                vergangenes Jahr insgesamt ein Bruttoinland-
                                                                                produkt (BIP) von 2,8 Billionen Dollar. Damit

                               D     er globale wirtschaftliche Brennpunkt
                                     verschiebt sich von Westen nach Osten.
                               Entsprechend wird Asien für Schweizer Unter-
                                                                                bilden die Asean-Staaten den sechstgrössten
                                                                                Wirtschaftsraum der Welt.
                                                                                    Das Gefälle zwischen den Asean-Staaten
                               nehmen zusehends wichtiger als Absatzmarkt,      ist enorm: Während Singapur 2017 ein durch-
                               als Investitions- und Produktionsstandort so-    schnittliches Pro-Kopf-Einkommen von 57 713
                               wie als Herkunftsmarkt für industrielle Halb-    Dollar aufwies und als 14.-wichtigster Han-
                               fabrikate zur Weiterverarbeitung. Der Aussen-    delspartner der Schweiz weltweit figurierte,
                               handel zwischen der Schweiz und Asien hat        betrug das Pro-Kopf-Einkommen von Myan-
                               sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt:      mar gerade einmal 1278 Dollar, und das Land
                               Bereits findet knapp ein Viertel des gesamten    stand lediglich an 99. Stelle der schweizeri-
                               Aussenhandels mit asiatischen Staaten statt      schen Handelspartner. 4
                               (siehe Abbildung 1).                                 Ende 2015 lancierte der Staatenverbund of-
                                   Im Jahr 2017 ging knapp ein Fünftel der      fiziell die Asean-Wirtschaftsgemeinschaft mit
                               schweizerischen Exporte im Umfang von 90         der Absicht, die Region als einen einheitlichen,
                               Milliarden Franken in die Region Asien-Ozea-     wettbewerbsfähigen Markt weiter in die Welt-
                               nien1– das ist ein grösserer Anteil als derje-   wirtschaft zu integrieren. Zwischen den sechs
1 Siehe Länder-                nige von Nordamerika.2 Trotz Frankenstärke       Asean-Staaten Brunei, Indonesien, Malaysia,
  information unter
  Seco.admin.ch.
                               stiegen die Exporte nach Asien-Ozeanien zwi-     Philippinen, Singapur und Thailand sind bereits
2 EZV (2018): Aussenhan-       schen 2007 und 2017 um gegen 200 Prozent.        heute 99 Prozent der Zölle entweder abgeschafft
  delsstatistik (2018), ein-
  schliesslich Handel mit      Besonders hoch war die Zunahme in China,         worden oder liegen unter 5 Prozent. Zwischen
  Gold und anderen Edel-
  metallen.
                               wo die Exporte im vergangenen Jahr ein Volu-     den übrigen vier Mitgliedsstaaten Kambodscha,
3 IWF (2017): Coordina-        men von 24 Milliarden Franken erreichten. Da-    Laos, Myanmar und Vietnam ist dies noch nicht
  ted Direct Investment
  Survey CDIS.                 mit ist das Land hinter der EU und den USA der   der Fall. Wenig überraschend gestalten sich je-
4 IWF (2018): World            drittwichtigste Handelspartner der Schweiz.      doch der Abbau nicht tarifärer Handelshemm-
  Economic Outlook,
  Oktober.                     Auch die ausländischen Direktinvestitionen       nisse sowie die Harmonisierung von Normen

4    Die Volkswirtschaft 1–2 / 2019
Die Schweizer Handelsdiplomatie ist in Asien gefordert
China ist ein wichtiger
­Absatzmarkt für Schweizer
 Firmen. Shoppingstrasse in
 Schanghai.
                              KEYSTONE
ASIEN

                               und Standards im heterogenen Staatenverbund                                             sen Verhandlung seit 2013 läuft: die Regional
                               schwierig. Trotz der Integrationsbemühungen                                             Comprehensive Economic Partnership (RCEP),
                               macht der Asean-interne Handel gemäss Welt-                                             welche die Wirtschaftsbeziehungen zwischen
                               bank nur rund ein Viertel des Gesamthandels                                             Australien, China, Indien, Japan, Neuseeland
                               aus. Zum Vergleich: In Ostasien, das unter an-                                          und Südkorea und den zehn Asean-­      Staaten
                               derem die Länder China, Japan und Südkorea                                              konsolidieren soll. Das RCEP-Abkommen wür-
                               umfasst, beträgt die Quote 35 Prozent. Deut-                                            de knapp 40 Prozent des globalen BIP abdecken
                               lich tiefer ist sie hingegen in Südasien (Bangla-                                       und 3,4 Milliarden Konsumenten umfassen.
                               desch, Indien, Pakistan, Sri Lanka etc.), das zu                                        Allerdings ist das Abkommen weniger ambitiös
                               den wirtschaftlich am wenigsten integrierten                                            ausgestaltet als das CPTPP. So sind im RCEP
                               Regionen der Welt gehört. Dort macht der intra-                                         unter anderem keine Bestimmungen über das
                               regionale Handel lediglich 5 Prozent aus.                                               öffentliche Beschaffungswesen, zu Staatsfir-
                                                                                                                       men oder Arbeits- und Umweltstandards vor-
                               Regionale Mega-Abkommen                                                                 gesehen.

                               Vier Asean-Länder – Brunei, Malaysia, Singa-                                            Schweiz setzt auf Freihandel
                               pur und Vietnam – haben dieses Jahr gemein-
                               sam mit Australien, Chile, Japan, Kanada, Me-                                           Mittelfristig werden über zwei Drittel des welt-
                               xiko, Neuseeland und Peru das Comprehensive                                             weiten Mittelklasse-Wachstums in Asien statt-
                               and Progressive Agreement for Trans-­Pacific-                                           finden. Entsprechend dürfte die Nachfrage
                               Partnership (CPTPP) unterzeichnet. Mit dem                                              nach schweizerischen Konsumgütern, Hoch-
                               erfolgreichen Abschluss haben sie, trotz des                                            qualitäts- und Luxusprodukten weiter steigen.
                               Rückzugs der USA, ein starkes Zeichen für                                               Bereits 2030 wird die Mittelklasse der Region
                               den Freihandel gesetzt. Die CPTPP-Partner ge-                                           schätzungsweise fünfmal so gross wie jene
                               nerieren 14 Prozent des weltweiten BIP und                                              Europas sein. Vor diesem Hintergrund will
                               schaffen mit dieser Vereinbarung einen integ-                                           die schweizerische Aussenwirtschaftspolitik
                               rierten asiatisch-pazifischen Wirtschaftsraum                                           möglichst optimale Rahmenbedingungen für
                               mit einer halben Milliarde Einwohner. Falls                                             Schweizer Unternehmen in Asien schaffen.
                               weitere Länder zum CPTPP stossen, könnte es                                             Eines der wichtigsten Instrumente sind Frei-
                               dereinst das weltweit wichtigste plurilatera-                                           handelsabkommen (FHA).
                               le Handelsabkommen werden und eine Neu-                                                     Im Verbund der Europäischen Freihan-
                               ordnung von globalen Wertschöpfungsketten                                               delsassoziation (Efta) verfügt die Schweiz in
                               bewirken – mit Konsequenzen auch für die                                                Asien über Freihandelsabkommen mit Singa-
                               Schweizer Wirtschaft.                                                                   pur (2003), Südkorea (2006), Hongkong, China
5 WTO (2018): Tariff
                                  Grosse Aufmerksamkeit zieht zudem ein                                                (2012) sowie den Philippinen (2018). Darüber
  ­Profile of Indonesia.       anderes Wirtschaftsabkommen auf sich, des-                                              hinaus hat sie bilaterale Freihandelsabkom-
                                                                                                                       men mit Japan (2009) und China (2014) abge-
                                                                                                                       schlossen. In diesem Jahr ist ein umfassendes
Abb. 1: Entwicklung des Schweizer Aussenhandels                                                                        Freihandelsabkommen der Efta mit Indonesien
                      1%                                        1%                                                     hinzugekommen. Das Abkommen mit dem be-
2007                                          2017
                       4%                                        6%                                                    völkerungsmässig viertgrössten Land der Welt
                             11%
                                                                         14%                                           ist für die Exportwirtschaft von grossem Nut-
                                       11%
                                                                                                                       zen, insbesondere da die indonesischen Durch-
                                                                                                                       schnittszölle mit 8 Prozent relativ hoch sind
    73%                                           55%
                                                                                                                       und die EU noch über kein solches Abkommen
                                                                                           EZV / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

                                                                            24%                                        verfügt.5 Dank dem Abkommen werden mittel-
                                                                                                                       fristig 98 Prozent der Schweizer Exporte nach
                                                                                                                       Indonesien von Zöllen befreit. Für dieses Ab-
                                                                                                                       kommen soll 2019 der parlamentarische Ge-
  Ozeanien       Afrika und Mittlerer Osten   Amerika   Asien    Europa und Zentralasien                               nehmigungsprozess beginnen.

6    Die Volkswirtschaft 1–2 / 2019
FOKUS

         Mit der Mongolei, Myanmar und Pakistan                              bestehen beispielsweise Differenzen im Be-
      wurden Zusammenarbeitserklärungen abge-                                reich geistiges Eigentum, die es hinsichtlich
/ in Vorbereitung
      schlossen. Diese schaffen einen institutionali-             Ea-Zusammenarbeitserklärungen
                                                                             eines erfolgreichen Verhandlungsabschlusses
      sierten Dialog zur Vertiefung der wirtschaftli-                        zu überbrücken gilt. Mit Thailand sind die Ver-
      chen Beziehungen.                                                      handlungen seit Längerem unterbrochen. Wei-
         Seit Längerem verhandelt die Schweiz im                             ter prüft die Schweiz momentan, ob die Han-
      Efta-Rahmen mit Indien, Malaysia und Viet-                             delsbeziehungen mit Pakistan gestärkt werden
      nam über Freihandelsabkommen. Allerdings                               können. Auch Taiwan wäre grundsätzlich
      gestalten sich diese Verhandlungen aus unter-                          ein interessanter Freihandelspartner für die
      schiedlichen Gründen schwierig. Mit Indien                             Schweiz.

       Abb. 2: Freihandelsabkommen der Schweiz in Asien/Ozeanien

                                                  Mongolei

                                                                                    Nordkorea

                                                                China                                Japan
                 Afghanistan                                                       Südkorea
                                                    Bhutan
                                        Nepal                           Hongkong        Taiwan

                                  Indien
                                                                            Laos
                 Pakistan
                                            Bangladesch
                                                                             Kambodscha
                                                  Myanmar                     Vietnam   Philippinen

                                                     Thailand           Singapur
                                               Sri Lanka                               Brunei

                                                      Malaysia

                                                                                     Indonesien
                                                                                                                   Papua-Neuguinea

                                                                                        Australien

            Bestehende Freihandelsabkommen
                                                                                                                                                                          SECO / SHUTTERSTOCK / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

            Verhandlungen abgeschlossen
            Laufende Verhandlungen
            Zusammenarbeitserklärung
            Asean-Staaten (fette Schrift)

                                                                                                      Neuseeland

                                                                                                                                     Die Volkswirtschaft 1–2 / 2019   7
ASIEN

    Das Spannungsfeld von Globalisierung und       vatsektors werden konkrete Anliegen wie Han-
Protektionismus ist heute eine Realität, in wel-   dels- und Investitionsprobleme vorgebracht.
cher sich Wirtschaftsakteure zurechtfinden         Regelmässig kommen dabei auch nicht tarifäre
müssen. Weltweit versuchen Regierungen zu-         Massnahmen zur Sprache, die für die Schweizer
sehends, bestimmte Sektoren der heimischen         Wirtschaft im entsprechenden Partnerland eine
Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz zu         Herausforderung darstellen.
schützen. In Asien etwa haben China, Indien            In Asien sind Schweizer Unternehmen
und Indonesien in den letzten zwei Jahren über-    in zunehmendem Mass von Lokalisierungs-
durchschnittlich viele Massnahmen in den für       vorschriften betroffen. Das heisst, es wird
die Schweizer Wirtschaft wichtigen Export-         ein hoher Anteil lokaler Wertschöpfung ver-
branchen Biotech, Metall-, Elektro- und Ma-        langt. Innovative Unternehmen, etwa aus der
schinenindustrie eingeführt.                       Pharmaindustrie, werden oftmals durch un-
    Zur Verunsicherung bei Unternehmen hat         genügenden Patentschutz vor Schwierigkei-
auch die Aufkündigung von bilateralen Investi-     ten gestellt. Zusätzlich machen den Schwei-
tionsschutzabkommen durch einzelne Schwel-         zer Wirtschaftsakteuren in vielen asiatischen
lenländer beigetragen. So hat sowohl Indonesien    Ländern die Rechtsunsicherheit, aufwendige
im Jahr 2015 als auch Indien ein Jahr später das   und teils intransparente administrative Abläu-
jeweilige Investitionsschutzabkommen mit der       fe, Korruption sowie der Fachkräftemangel zu
Schweiz gekündigt. Dadurch sind unerwünsch-        schaffen.
te Rechtslücken im bilateralen Vertragsrahmen,         Im Rahmen der Wahrung wirtschaftli-
namentlich für neue Investitionen, entstanden.     cher Interessen berücksichtigt das Seco nicht
Obwohl inzwischen mit beiden Staaten Neuver-       nur sektorielle, sondern auch firmenspezifi-
handlungen aufgenommen worden sind, bleibt         sche Anliegen. Dazu berät es gemeinsam mit
ungewiss, ob das vorgängig hohe Schutzniveau       der diplomatischen Vertretung vor Ort die be-
auch in Zukunft gewährt werden kann.               troffenen Firmen bei Bedarf gezielt. Um diese
    Angesichts solcher Herausforderungen           wichtige Aufgabe auch in Zukunft kompetent
hat die Schweizer Wirtschafts- und Handels-        wahrzunehmen, ist die Schweiz bestrebt, ihr
diplomatie in den letzten Jahren an Bedeu-         aussenwirtschaftspolitisches Beziehungsnetz
tung gewonnen. Ein wichtiges Instrument            fortlaufend auszubauen.
sind offizielle Wirtschaftsmissionen mit Pri-
vatsektordelegationen, welche Bundesrat Jo-
hann Schneider-Ammann in den letzten Jahren
mehrfach nach Asien führten. Eine wertvolle
Plattform bieten zudem die sogenannten Ge-
mischten Wirtschaftskommissionen, die das
Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) mit di-
versen asiatischen Partnerländern unterhält. In       Christine Büsser Mauron
diesen institutionalisierten wirtschaftspoliti-       Leiterin, Ressort Bilaterale Wirtscha sbeziehungen
                                                      Asien/Ozeanien, Staatssekretariat für Wirtscha (Seco)
schen Dialogen mit formellem Einbezug des Pri-

8   Die Volkswirtschaft 1–2 / 2019
Sie können auch lesen