Die Schweizer Handelsdiplomatie ist in Asien gefordert
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ASIEN Die Schweizer Handelsdiplomatie ist in Asien gefordert Neue Allianzen und protektionistische Tendenzen in Asien stellen Unternehmen vor Herausforderungen. Die Schweizer Aussenwirtschaftspolitik versucht gezielt Gegen- steuer zu geben. Christine Büsser Mauron Abstract Die wachstumsstarken asiatischen Märkte gewinnen zuneh- wuchsen in Asien zwischen 2007 und 2017 mit mend an Bedeutung für die Schweizer Wirtschaft. Regionale Mega-Ab- jährlich 12 Prozent stärker als in Nordameri- kommen wie das Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pa- ka und Europa, wobei die Schweiz zu den zehn cific-Partnership (CPTPP) und die geplante Regional Comprehensive grössten Investoren in Asien zählt.3 Economic Partnership (RCEP) könnten die globalen Wertschöpfungsket- Die asiatischen Märkte, ihre Strukturen so- ten nachhaltig verändern. Im Spannungsfeld von Globalisierung und Pro- tektionismus zielt die Schweizer Aussenwirtschaftspolitik darauf ab, den wie ihr Entwicklungs- und Integrationsstand Firmen einen rechtlich abgesicherten, vorhersehbaren, möglichst hin- sind äusserst divers. Dies lässt sich am Beispiel dernis- und diskriminierungsfreien Zugang zu diesen Märkten zu sichern. der Association of Southeast Asian Nations Dazu gehört einerseits die Schaffung von soliden Rahmenbedingungen, (Asean) aufzeigen (siehe Abbildung 2). Die zehn zum Beispiel mittels Freihandelsabkommen und Investitionsschutzabkom- Mitgliedsstaaten zählen zusammen fast 650 men, andererseits die Wahrung wirtschaftlicher Interessen im Ausland. Millionen Einwohner und erwirtschafteten vergangenes Jahr insgesamt ein Bruttoinland- produkt (BIP) von 2,8 Billionen Dollar. Damit D er globale wirtschaftliche Brennpunkt verschiebt sich von Westen nach Osten. Entsprechend wird Asien für Schweizer Unter- bilden die Asean-Staaten den sechstgrössten Wirtschaftsraum der Welt. Das Gefälle zwischen den Asean-Staaten nehmen zusehends wichtiger als Absatzmarkt, ist enorm: Während Singapur 2017 ein durch- als Investitions- und Produktionsstandort so- schnittliches Pro-Kopf-Einkommen von 57 713 wie als Herkunftsmarkt für industrielle Halb- Dollar aufwies und als 14.-wichtigster Han- fabrikate zur Weiterverarbeitung. Der Aussen- delspartner der Schweiz weltweit figurierte, handel zwischen der Schweiz und Asien hat betrug das Pro-Kopf-Einkommen von Myan- sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt: mar gerade einmal 1278 Dollar, und das Land Bereits findet knapp ein Viertel des gesamten stand lediglich an 99. Stelle der schweizeri- Aussenhandels mit asiatischen Staaten statt schen Handelspartner. 4 (siehe Abbildung 1). Ende 2015 lancierte der Staatenverbund of- Im Jahr 2017 ging knapp ein Fünftel der fiziell die Asean-Wirtschaftsgemeinschaft mit schweizerischen Exporte im Umfang von 90 der Absicht, die Region als einen einheitlichen, Milliarden Franken in die Region Asien-Ozea- wettbewerbsfähigen Markt weiter in die Welt- nien1– das ist ein grösserer Anteil als derje- wirtschaft zu integrieren. Zwischen den sechs 1 Siehe Länder- nige von Nordamerika.2 Trotz Frankenstärke Asean-Staaten Brunei, Indonesien, Malaysia, information unter Seco.admin.ch. stiegen die Exporte nach Asien-Ozeanien zwi- Philippinen, Singapur und Thailand sind bereits 2 EZV (2018): Aussenhan- schen 2007 und 2017 um gegen 200 Prozent. heute 99 Prozent der Zölle entweder abgeschafft delsstatistik (2018), ein- schliesslich Handel mit Besonders hoch war die Zunahme in China, worden oder liegen unter 5 Prozent. Zwischen Gold und anderen Edel- metallen. wo die Exporte im vergangenen Jahr ein Volu- den übrigen vier Mitgliedsstaaten Kambodscha, 3 IWF (2017): Coordina- men von 24 Milliarden Franken erreichten. Da- Laos, Myanmar und Vietnam ist dies noch nicht ted Direct Investment Survey CDIS. mit ist das Land hinter der EU und den USA der der Fall. Wenig überraschend gestalten sich je- 4 IWF (2018): World drittwichtigste Handelspartner der Schweiz. doch der Abbau nicht tarifärer Handelshemm- Economic Outlook, Oktober. Auch die ausländischen Direktinvestitionen nisse sowie die Harmonisierung von Normen 4 Die Volkswirtschaft 1–2 / 2019
ASIEN und Standards im heterogenen Staatenverbund sen Verhandlung seit 2013 läuft: die Regional schwierig. Trotz der Integrationsbemühungen Comprehensive Economic Partnership (RCEP), macht der Asean-interne Handel gemäss Welt- welche die Wirtschaftsbeziehungen zwischen bank nur rund ein Viertel des Gesamthandels Australien, China, Indien, Japan, Neuseeland aus. Zum Vergleich: In Ostasien, das unter an- und Südkorea und den zehn Asean- Staaten derem die Länder China, Japan und Südkorea konsolidieren soll. Das RCEP-Abkommen wür- umfasst, beträgt die Quote 35 Prozent. Deut- de knapp 40 Prozent des globalen BIP abdecken lich tiefer ist sie hingegen in Südasien (Bangla- und 3,4 Milliarden Konsumenten umfassen. desch, Indien, Pakistan, Sri Lanka etc.), das zu Allerdings ist das Abkommen weniger ambitiös den wirtschaftlich am wenigsten integrierten ausgestaltet als das CPTPP. So sind im RCEP Regionen der Welt gehört. Dort macht der intra- unter anderem keine Bestimmungen über das regionale Handel lediglich 5 Prozent aus. öffentliche Beschaffungswesen, zu Staatsfir- men oder Arbeits- und Umweltstandards vor- Regionale Mega-Abkommen gesehen. Vier Asean-Länder – Brunei, Malaysia, Singa- Schweiz setzt auf Freihandel pur und Vietnam – haben dieses Jahr gemein- sam mit Australien, Chile, Japan, Kanada, Me- Mittelfristig werden über zwei Drittel des welt- xiko, Neuseeland und Peru das Comprehensive weiten Mittelklasse-Wachstums in Asien statt- and Progressive Agreement for Trans-Pacific- finden. Entsprechend dürfte die Nachfrage Partnership (CPTPP) unterzeichnet. Mit dem nach schweizerischen Konsumgütern, Hoch- erfolgreichen Abschluss haben sie, trotz des qualitäts- und Luxusprodukten weiter steigen. Rückzugs der USA, ein starkes Zeichen für Bereits 2030 wird die Mittelklasse der Region den Freihandel gesetzt. Die CPTPP-Partner ge- schätzungsweise fünfmal so gross wie jene nerieren 14 Prozent des weltweiten BIP und Europas sein. Vor diesem Hintergrund will schaffen mit dieser Vereinbarung einen integ- die schweizerische Aussenwirtschaftspolitik rierten asiatisch-pazifischen Wirtschaftsraum möglichst optimale Rahmenbedingungen für mit einer halben Milliarde Einwohner. Falls Schweizer Unternehmen in Asien schaffen. weitere Länder zum CPTPP stossen, könnte es Eines der wichtigsten Instrumente sind Frei- dereinst das weltweit wichtigste plurilatera- handelsabkommen (FHA). le Handelsabkommen werden und eine Neu- Im Verbund der Europäischen Freihan- ordnung von globalen Wertschöpfungsketten delsassoziation (Efta) verfügt die Schweiz in bewirken – mit Konsequenzen auch für die Asien über Freihandelsabkommen mit Singa- Schweizer Wirtschaft. pur (2003), Südkorea (2006), Hongkong, China 5 WTO (2018): Tariff Grosse Aufmerksamkeit zieht zudem ein (2012) sowie den Philippinen (2018). Darüber Profile of Indonesia. anderes Wirtschaftsabkommen auf sich, des- hinaus hat sie bilaterale Freihandelsabkom- men mit Japan (2009) und China (2014) abge- schlossen. In diesem Jahr ist ein umfassendes Abb. 1: Entwicklung des Schweizer Aussenhandels Freihandelsabkommen der Efta mit Indonesien 1% 1% hinzugekommen. Das Abkommen mit dem be- 2007 2017 4% 6% völkerungsmässig viertgrössten Land der Welt 11% 14% ist für die Exportwirtschaft von grossem Nut- 11% zen, insbesondere da die indonesischen Durch- schnittszölle mit 8 Prozent relativ hoch sind 73% 55% und die EU noch über kein solches Abkommen EZV / DIE VOLKSWIRTSCHAFT 24% verfügt.5 Dank dem Abkommen werden mittel- fristig 98 Prozent der Schweizer Exporte nach Indonesien von Zöllen befreit. Für dieses Ab- kommen soll 2019 der parlamentarische Ge- Ozeanien Afrika und Mittlerer Osten Amerika Asien Europa und Zentralasien nehmigungsprozess beginnen. 6 Die Volkswirtschaft 1–2 / 2019
FOKUS Mit der Mongolei, Myanmar und Pakistan bestehen beispielsweise Differenzen im Be- wurden Zusammenarbeitserklärungen abge- reich geistiges Eigentum, die es hinsichtlich / in Vorbereitung schlossen. Diese schaffen einen institutionali- Ea-Zusammenarbeitserklärungen eines erfolgreichen Verhandlungsabschlusses sierten Dialog zur Vertiefung der wirtschaftli- zu überbrücken gilt. Mit Thailand sind die Ver- chen Beziehungen. handlungen seit Längerem unterbrochen. Wei- Seit Längerem verhandelt die Schweiz im ter prüft die Schweiz momentan, ob die Han- Efta-Rahmen mit Indien, Malaysia und Viet- delsbeziehungen mit Pakistan gestärkt werden nam über Freihandelsabkommen. Allerdings können. Auch Taiwan wäre grundsätzlich gestalten sich diese Verhandlungen aus unter- ein interessanter Freihandelspartner für die schiedlichen Gründen schwierig. Mit Indien Schweiz. Abb. 2: Freihandelsabkommen der Schweiz in Asien/Ozeanien Mongolei Nordkorea China Japan Afghanistan Südkorea Bhutan Nepal Hongkong Taiwan Indien Laos Pakistan Bangladesch Kambodscha Myanmar Vietnam Philippinen Thailand Singapur Sri Lanka Brunei Malaysia Indonesien Papua-Neuguinea Australien Bestehende Freihandelsabkommen SECO / SHUTTERSTOCK / DIE VOLKSWIRTSCHAFT Verhandlungen abgeschlossen Laufende Verhandlungen Zusammenarbeitserklärung Asean-Staaten (fette Schrift) Neuseeland Die Volkswirtschaft 1–2 / 2019 7
ASIEN Das Spannungsfeld von Globalisierung und vatsektors werden konkrete Anliegen wie Han- Protektionismus ist heute eine Realität, in wel- dels- und Investitionsprobleme vorgebracht. cher sich Wirtschaftsakteure zurechtfinden Regelmässig kommen dabei auch nicht tarifäre müssen. Weltweit versuchen Regierungen zu- Massnahmen zur Sprache, die für die Schweizer sehends, bestimmte Sektoren der heimischen Wirtschaft im entsprechenden Partnerland eine Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz zu Herausforderung darstellen. schützen. In Asien etwa haben China, Indien In Asien sind Schweizer Unternehmen und Indonesien in den letzten zwei Jahren über- in zunehmendem Mass von Lokalisierungs- durchschnittlich viele Massnahmen in den für vorschriften betroffen. Das heisst, es wird die Schweizer Wirtschaft wichtigen Export- ein hoher Anteil lokaler Wertschöpfung ver- branchen Biotech, Metall-, Elektro- und Ma- langt. Innovative Unternehmen, etwa aus der schinenindustrie eingeführt. Pharmaindustrie, werden oftmals durch un- Zur Verunsicherung bei Unternehmen hat genügenden Patentschutz vor Schwierigkei- auch die Aufkündigung von bilateralen Investi- ten gestellt. Zusätzlich machen den Schwei- tionsschutzabkommen durch einzelne Schwel- zer Wirtschaftsakteuren in vielen asiatischen lenländer beigetragen. So hat sowohl Indonesien Ländern die Rechtsunsicherheit, aufwendige im Jahr 2015 als auch Indien ein Jahr später das und teils intransparente administrative Abläu- jeweilige Investitionsschutzabkommen mit der fe, Korruption sowie der Fachkräftemangel zu Schweiz gekündigt. Dadurch sind unerwünsch- schaffen. te Rechtslücken im bilateralen Vertragsrahmen, Im Rahmen der Wahrung wirtschaftli- namentlich für neue Investitionen, entstanden. cher Interessen berücksichtigt das Seco nicht Obwohl inzwischen mit beiden Staaten Neuver- nur sektorielle, sondern auch firmenspezifi- handlungen aufgenommen worden sind, bleibt sche Anliegen. Dazu berät es gemeinsam mit ungewiss, ob das vorgängig hohe Schutzniveau der diplomatischen Vertretung vor Ort die be- auch in Zukunft gewährt werden kann. troffenen Firmen bei Bedarf gezielt. Um diese Angesichts solcher Herausforderungen wichtige Aufgabe auch in Zukunft kompetent hat die Schweizer Wirtschafts- und Handels- wahrzunehmen, ist die Schweiz bestrebt, ihr diplomatie in den letzten Jahren an Bedeu- aussenwirtschaftspolitisches Beziehungsnetz tung gewonnen. Ein wichtiges Instrument fortlaufend auszubauen. sind offizielle Wirtschaftsmissionen mit Pri- vatsektordelegationen, welche Bundesrat Jo- hann Schneider-Ammann in den letzten Jahren mehrfach nach Asien führten. Eine wertvolle Plattform bieten zudem die sogenannten Ge- mischten Wirtschaftskommissionen, die das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) mit di- versen asiatischen Partnerländern unterhält. In Christine Büsser Mauron diesen institutionalisierten wirtschaftspoliti- Leiterin, Ressort Bilaterale Wirtscha sbeziehungen Asien/Ozeanien, Staatssekretariat für Wirtscha (Seco) schen Dialogen mit formellem Einbezug des Pri- 8 Die Volkswirtschaft 1–2 / 2019
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