NOTWENDIGE ULTIMA RATIO IMPFPFLICHT 10 / 2021 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

 
WEITER LESEN
STANDPUNKTE 10 / 2021

                          BENJAMIN-IMMANUEL HOFF, HEIKE WERNER,
                          ALEX ANDER FISCHER UND SUSANNE HENNIG-WELLSOW

                          NOTWENDIGE ULTIMA RATIO
                          ­IMPFPFLICHT
                          Das aktuelle Pandemiegeschehen mit einer vierten Infektionswelle sowie deren Inzidenz- und Hospitalisierungswerten bei
                          einer gegenüber dem ursprünglichen Wildtyp signifikant ansteckenderen Delta-Variante und bei gleichzeitig zu niedriger
                          Impfquote haben eine Debatte um die Einführung einer Impfpflicht entfacht. Aufgrund der hohen Emotionalität, mit der in
                          Deutschland generell über Impfungen diskutiert wird, einschließlich Missverständnissen, Fehlinterpretationen bzw. be-
                          wussten Fake News, ist es zwingend erforderlich, in der Debatte klar und transparent zu argumentieren.
                             Eine Impfpflicht ist keine Zwangsimpfung. Die Durchsetzung von Impfpflichten durch körperlichen Zwang ist weder
                          rechtlich noch moralisch zu rechtfertigen. Eine Impfpflicht wird deshalb hier als sanktionsbewehrtes Instrument ver-
                          standen. Wir plädieren für eine allgemeine Impfpflicht statt einer berufsbezogenen Impfpflicht. Unabhängig von einer
                          allgemeinen Impfpflicht sind weiterhin effektive Maßnahmen in der Bevölkerungskommunikation und -aufklärung um-
                          zusetzen. Dabei sind Maßnahmen zu wählen, die soziale Lagen berücksichtigen und geeignet sind, gesundheitliche Un-
                          gleichheiten abzubauen. Eine Impfpflicht erfordert eine entsprechende gesetzliche Regelung. Das Infektionsschutzgesetz
                          bietet dafür keinen ausreichenden Rahmen.

                          AUSGANGSLAGE                                                    erste Spritze bekommen haben 58,8 Millionen Menschen
                          Die COVID-19-Pandemie geht in den zweiten Winter. Zu kei-       (70,7 Prozent). Eine Auffrischungsimpfung erhielten 6,6 Mil-
                          nem Zeitpunkt war in Deutschland die Infektionsrate der an      lionen Menschen.
                          COVID-19 Erkrankten so hoch wie mehr als eineinhalb Jah-           Obwohl damit bundesweit mehr als zwei Drittel der Bevöl-
                          re nach Ausbruch des Pandemiegeschehens. Die Erkrankung         kerung geimpft sind, variieren die Impfquoten regional, aber
                          basiert zudem nicht mehr auf dem ursprünglichen Wildtyp         auch in einzelnen Bevölkerungsgruppen erheblich. In eini-
                          des Virus, sondern auf der inzwischen dominierenden mutier-     gen Regionen Deutschlands, darunter Teile Sachsens, aber
ROSA LUXEMBURG STIFTUNG

                          ten sogenannten Delta-Variante, die nach bisherigen Erkennt-    auch Thüringens, liegen die Impfquoten signifikant niedriger.
                          nissen um 60 bis 80 Prozent ansteckender ist als der Wildtyp.   Sie betragen in diesen Regionen nur etwas mehr als 50 Pro-
                            Seit Anfang des Jahres 2021 stehen mehrere zugelassene        zent der impffähigen Bevölkerung. Vom Ziel einer Impfquo-
                          Impfstoffe zur Verfügung, mittels derer – eine ausreichende     te von mindestens 85 Prozent der impffähigen Bevölkerung
                          Impfquote in der Bevölkerung vorausgesetzt – es gelingen        sind wir innerhalb Deutschlands weit entfernt.
                          kann, die Pandemie zu bewältigen und zumindest ein ende-           Angesichts dessen wird innerhalb der wissenschaftlichen,
                          misches Geschehen zu erreichen.                                 medialen und politischen Öffentlichkeit über eine COVID-
                            Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat in mehreren Emp-      19-Impfpflicht sowohl für einzelne Berufsgruppen als auch
                          fehlungen den Kreis derjenigen, für die eine Impfung empfoh-    für diejenige Bevölkerung, für die seitens der STIKO eine
                          len wird, ausgeweitet, sogenannte auffrischende Booster-Imp-    Impfempfehlung ausgesprochen wird, diskutiert. Das gel-
                          fungen empfohlen und wird aller Voraussicht nach die Impfung    tende Recht kennt keine Impfpflicht im engeren Sinne, sieht
                          von Kindern im Alter von 5 bis 12 Jahren empfehlen.             man von bestimmten Sonderregelungen für Soldat*innen
                            In den vergangenen Tagen nahmen die Impfungen – auf           ab. Das Verteidigungsministerium hat die Corona-Schutz-
                          zu niedrigem Niveau – weiter Fahrt auf. Am 22. November         impfung für die Männer und Frauen in der Bundeswehr am
                          2021 gab es erstmals wieder so viele Erstimpfungen wie          24. November 2021 duldungspflichtig gemacht.
                          zuletzt vor zwei Monaten: 84.478. Vollständig geimpft sind         Auch die Verfasser*innen dieses Beitrags sehen in der
                          laut Robert-Koch-Institut (RKI) nun 56,6 Millionen Menschen     Impfpflicht eine wohl unumgängliche Ultima Ratio zur Be-
                          oder 68,1 Prozent aller Einwohner*innen. Mindestens eine        wältigung des Pandemiegeschehens.
Aufgrund der erheblichen grundrechtlichen, individuellen       zu einem COVID-19-Impfstoff sind vergleichbare Überlegun-
Eingriffstiefe und der zu befürchtenden Vertiefung der sich       gen, die den sozialen Ungleichheiten Rechnung tragen und
innerhalb des Pandemiegeschehens herausgebildeten ge-             von Beginn an einem entsprechenden zielgruppenspezifi-
sellschaftlichen Bruchlinien ist es erforderlich, exakt zu klä-   schen Ausgleich betonen, nicht enthalten.
ren, was unter einer Impfpflicht genau verstanden wird, die          Die COVID-19-Pandemie verstärkte nicht nur soziale Un-
rechtlichen Grundlagen zu definieren und Fragen der prakti-       gleichheiten, sondern legte auch strukturelle Verwerfungen
schen Umsetzung ebenso zu beschreiben wie mögliche we-            im Gesundheitssystem offen. Hierzu gehört insbesondere
niger einschneidende Maßnahmen.                                   die über Jahrzehnte vollzogene Schwächung des Öffentli-
   Die Impfpflicht wird im politischen Raum inzwischen von        chen Gesundheitsdienstes (Kuhn/Wildner 2020; BÄK 2020)
einer Allianz von Konservativen bis Progressiven befürwor-        dessen Belastung und zu oft Überlastung durch das Span-
tet. Dies spricht für die notwendige Breite eines gesellschaft-   nungsverhältnis zwischen nationalen und regionalen Zu-
lichen Konsenses. Wenn die Ministerpräsidenten von Bayern         ständigkeiten des Pandemiemanagements verstärkt wurde
und Baden-Württemberg, Markus Söder (CSU) und Win-                (Gerlinger et al. 2021).
fried Kretschmann (Grüne) in einem Beitrag der Frankfurter           Der ÖGD verlor kontinuierlich Teile seiner aufgabenbe-
Allgemeinen Zeitung formulieren «Trägheit, Sorglosigkeit,         zogenen, institutionellen und ressourcenbezogenen Ver-
Fehleinschätzungen, Verschwörungsmythen und fehlendes             ankerung durch Entstaatlichung und die Umwandlung
Vertrauen in wissenschaftliche Erkenntnisse – das alles führt     von Pflichtaufgaben in kommunalrechtlich «freiwillige Auf-
dazu, dass wir wieder massive Einschränkungen des öffent-         gaben». Die verbliebenen Aufgaben des ÖGD standen in
lichen Lebens bis hin zu einem erneuten Lockdown disku-           Konkurrenz zur ambulanten bzw. stationären Krankenver-
tieren müssen», ist dies zwar grundsätzlich zutreffend, aber      sorgung. Gleichzeitig wuchsen dem ÖGD lebenslagenbe-
blind für diejenigen sozialen Lagen, deren Vernachlässigung       zogene Aufgaben zu, die eine vernetzte Aufgabenerfüllung
auch in der Bewältigung dieser Pandemie problematisch ist.        erforderlich machten, da sie sich der Bewältigung durch das
So haben die Lockdowns die sozialen Ungleichheiten insbe-         kommunale Gesundheitsamt allein entzogen. Dafür waren
sondere auch beim Bildungszugang spürbar verschärft. So-          die Gesundheitsämter jedoch gemeinhin sowohl personell
ziale Ungleichheiten und Defizite im Gesundheitswesen zu          als auch kapazitär nicht ausgestattet (vgl. Grunow/Grunow-
analysieren und soziale Lagen einzubeziehen ist aus unse-         Lutter 2000: 306).
rer Sicht unverzichtbar für ein erfolgreiches und gerechtig-         Mit dem «Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst»
keitsorientiertes Pandemiemanagement. Die soziale Frage           wurde dieser Entwicklung erstmals entgegengesteuert. Für
ist demnach auch in die Debatte um eine Impfpflicht einzu-        eine Impfkampagne, die sozialräumlich und lebenslagenbe-
beziehen, wie wir nachstehend zeigen.                             zogen auf einem handlungsfähigen ÖGD aufbaut, kommt
                                                                  der Pakt zu spät. Seine Umsetzung ist demzufolge bereits ein
GESUNDHEITLICHE UNGLEICHHEITEN UND                                Beitrag zu den Schlussfolgerungen aus der Pandemiebewäl-
STRUKTURELLE DEFIZITE DES ÖFFENTLICHEN                            tigung.
GESUNDHEITSDIENSTES (ÖGD)                                            Im Sinne von Rudolf Virchow, der Medizin als eine sozia-
Der Zusammenhang zwischen der sozialen Lage einerseits            le Wissenschaft und Politik als Medizin im Großen verstand,
und dem Gesundheitszustand andererseits ist aufgrund ei-          plädieren wir bei der Umsetzung des «Pakts für den ÖGD» für
ner kaum überschaubaren Zahl wissenschaftlicher Untersu-          die Durchsetzung des Ansatzes «Health in all Policies», also
chungen (RKI 2019; Siegrist/Staudinger 2019; Mielck 2009)         eines Politikkonzepts, das die Verbesserung der Gesundheit
unbestritten. Dieser Zusammenhang zwischen sozialem Sta-          und die Vermeidung von Krankheit unter Berücksichtigung
tus und Morbidität bzw. Mortalität wird zumeist als «gesund-      der spezifischen sozialen Lagen und Ressourcen beinhaltet.
heitliche Ungleichheit» bezeichnet (Mielck 2009: 7).              Schon deshalb, weil beispielsweise Klima- und Gesundheits-
  Diese sozialen Ungleichheiten müssen sich in der Diskus-        politik nicht voneinander zu trennen sind.
sion und Entscheidung über die Impfpflicht niederschlagen.
Unter anderem ist zu prüfen, ob eine als zu gering einge-         ETHISCHE UND RECHTLICHE DIMENSIONEN
schätzte Impfquote ihre Ursache auch in einer gegenüber           EINER COVID-19-IMPFPFLICHT
den bestehenden sozialen Ungleichheiten «blinden» oder            Bevor Ende 2020 die ersten COVID-19-Impfstoffe zugelas-
zumindest regional nicht ausreichend sensiblen Impfkam­           sen wurden, äußerten sich Vertreter*innen aus Wissenschaft
pagne haben könnte. In diesem Fall wären zunächst ziel-           und Politik weitgehend übereinstimmend im Sinne der Kanz-
gruppenspezifische und settingorientierte Impfanstren-            lerin Merkel: «Niemand wird gezwungen, sich impfen zu las-
gungen zu unternehmen, bevor eine allgemeine Impfpflicht          sen, sondern das ist eine freiwillige Entscheidung.» Noch im
normiert wird.                                                    Sommer dieses Jahres sprach sie sich, ebenso wie weitere
  Zur gesundheitlich besonders vulnerablen Gruppe gehö-           politische und auch wissenschaftliche Akteur*innen, gegen
ren beispielsweise Menschen ohne gesicherten Aufenthalts-         den französischen Weg der Impfpflicht in einzelnen Berufs-
status (GFF 2021; BÄK 2013; Hoff 2011). Bereits 2019 emp-         gruppen aus.
fahl der Deutsche Ethikrat, dass diese Gruppe aufgrund der           Wenn wir nun eine Impfpflicht als Ultima Ratio betrach-
restriktiven aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen Zugang           ten und in der gegenwärtigen Pandemiesituation für deren
zu geschützten Impfmöglichkeiten erhalten und ärztlichen          Umsetzung plädieren, so sind wir uns bewusst, dass Tat-
Hilfsorganisationen, die diese Option anbieten, Rechtssi-         jana Heid zuzustimmen ist, die in der Frankfurter Allgemei-
cherheit garantiert und Unterstützung gewährt werden sollte       nen Zeitung vom 23. November 2021 formulierte: «Vielleicht
(Ethikrat 2019: 86).                                              mehr noch als in früheren Wellen rächen sich derzeit Aussa-
  Im Positionspapier der gemeinsamen Arbeitsgruppe aus            gen, die sich später nicht halten lassen. Etwa die, dass es in
Mitgliedern der STIKO, des Deutschen Ethikrats und der Leo-       Deutschland keine Impfpflicht geben werde […]. Dass nun
poldina aus dem November 2020 zur Regelung des Zugangs            doch eine Impfpflicht zumindest für bestimmte Berufsgrup-        2
pen kommen soll, geht nur noch zum Preis eines möglichen            anderer Menschen tangiert sind. Dabei sind, wie der Ethik-
    Vertrauensverlusts.»                                                rat darlegt, «nicht nur die Ausführungshandlungen, sondern
       Die Diskussion über die Impfpflicht gegen COVID-19 muss          auch die Unterlassungshandlungen zu berücksichtigen. Wer
    deshalb davon geprägt sein, klar und transparent zu fassen,         es unterlässt, sich (oder diejenigen Menschen, für die er oder
    was unter einer Impfpflicht verstanden wird, welche Maß-            sie verantwortlich ist) einer Masernimpfung zu unterziehen,
    nahmen konkret vorgesehen sind und welche Pflichten sich            fügt mit hoher Wahrscheinlichkeit (gegebenenfalls anony-
    für jede*n einzelne*n Bürger*in ergeben.                            men) anderen einen Schaden zu.» (Ethikrat 2019: 79)
       Wir unterscheiden, basierend auf den Ausarbeitungen des             Der Ethikrat gab seinerzeit einer Regelung im Rahmen von
    Deutschen Ethikrats, zwischen einer gesetzlich normierten           sozial verbindlichen Ethos-Regeln den Vorrang, wenngleich
    Pflicht, deren Nichteinhaltung sanktionsbewehrt ist, und ei-        er betonte, dass sich diese Einschätzung «beim Eintreten be-
    ner «dem Ethos zugehörigen ‹Tugendpflicht›, also einer rei-         sonderer Gefahrenlagen ändern [könne]. So wäre eine Ver-
    nen Moralpflicht» (Ethikrat 2019: 35).                              schärfung von Tugend- zu Rechtspflichten beispielsweise
       Die gesellschaftliche Impfpraxis ist, wie der Ethikrat aus-      zu rechtfertigen, wenn eine akute Gefährdung der Gesund-
    führt, geradezu ein «Musterbeispiel solidarischen Han-              heit großer Teile der Bevölkerung rigide Interventionen erfor-
    delns», das Individualwohl und Gemeinwohl miteinander               derte.» (ebd.: 78) Denn «der Anspruch Dritter auf Schutz vor
    verschränkt. Denn Infektionskrankheiten, die von Mensch zu          Fremdschädigung kann zu einem Eingriff in das Selbstbe-
    Mensch verbreitet werden, sind auch dadurch gekennzeich-            stimmungsrecht berechtigen, gegebenenfalls auch mit der
    net, dass sich manche Menschen nicht ausreichend gegen              Konsequenz eines Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit,
    diese Infektion schützen können, selbst wenn sie dies woll-         sofern die Gefahr groß und unmittelbar drohend ist und sich
    ten. Hierzu gehören beispielsweise Menschen mit einer ein-          nicht auf andere, weniger eingreifende Weise abwenden
    geschränkten Immunabwehr, aber auch diejenigen, die trotz           lässt» (ebd.: 82)
    Zweitimpfung keinen ausreichenden Schutz entwickeln.
       Neben den sozialen Ungleichheiten innerhalb der Natio-           PFLICHTEN UNTERHALB DER IMPFPFLICHT
    nalstaaten bestehen auch globale gesundheitliche Ungleich-          Im Aufsatz «Impfpflicht – jetzt also doch?» beschreiben die
    heiten, was sich unter anderem im unterschiedlichen Zu-             Gesundheitswissenschaftlerin Cornelia Betsch et al. wirksa-
    gang zu Impfstoffen in den entwickelten westlichen Ländern          me und weniger eingreifende verpflichtende Maßnahmen.
    und den Ländern des globalen Südens einschließlich der              Die Prämisse dieser Überlegungen, die auf der Abwägung
    entsprechenden Impfquoten zeigt. Da also der Impfstoffzu-           der positiven und negativen Effekte einer Impfpflicht beru-
    gang in den verschiedenen Weltregionen nicht gleichmäßig            hen, ist, dass sich nicht impfen zu lassen genauso aufwendig
    und insbesondere nicht gerecht verteilt ist, gefährden Unge-        sein sollte, wie sich impfen zu lassen. Fehlender Solidaritäts-
    impfte auch bei Reisen in entsprechende Regionen diejeni-           und Gemeinsinn sollte demnach nicht belohnt werden. Sie
    gen mit unzureichendem Zugang zur Impfvorsorge.                     nennen folgende Möglichkeiten:
       Infektionskrankheiten schaffen zwar eine gemeinsame              1)	Verpflichtender Impftermin: Nicht alle, die keine Impfung
    Gefahrenlage, deren Abwehrmöglichkeiten individuell und                in Anspruch nehmen, tun dies aus Überzeugung. Viel-
    aufgrund sozialer Ungleichheit asymmetrisch verteilt sind.             mehr hat die Wahrnehmung einer Impfung weniger Prio-
    Die moralische Pflicht zur Impfung ist insoweit aus Solidari-          rität. Wer einen Impftermin zugesandt bekommt, der ab-
    täts- und Gerechtigkeitserwägungen abzuleiten.                         zusagen ist, hat genauso viel Aufwand, wie diejenigen, die
       Wachter führt diese Argumentation weiter, indem er dar-             einen Impftermin vereinbaren. Darüber hinaus kommuni-
    legt, dass sich in der Impfpflicht Freiheit und Solidarität inei-      ziert die automatische Zusendung eines Impftermins die
    nanderfügen: «Da Freiheit nur real erlebt werden kann, wenn            Impfung als soziale Norm (Betsch et al. 2021: 3). Zu be-
    der Handelnde darauf vertrauen darf, dass ihm in elementa-             rücksichtigen ist, dass einerseits bekannt sein muss, wer
    rer Not eine mögliche und zumutbare Hilfe nicht vorenthal-             noch nicht geimpft ist, und dass Termine auch verfallen
    ten wird, fügt sich der Solidaritätsgedanke in den Kontext ei-         können, statt abgesagt zu werden.
    nes freiheitlichen Legitimationsmodells ein. Übertragen auf         	Einem Bericht des Handelsblatts zufolge erhielten die
    eine Impfpflicht bedeutet dies, dass nicht in erster Linie auf         meisten Bürger*innen in Griechenland durch SMS oder
    den Schutz des zu Impfenden selbst abzustellen ist. Für sein           ­E-Mail einen Impftermin zugesandt. Die Kontaktdaten ent-
    eigenes Wohlbefinden ist der Einzelne insoweit, als ihm dies            stammten einem System, das am Beginn der Pandemie
    durch ein Impfangebot ermöglicht wurde, selbst zuständig.               zur Entlastung der Arztpraxen entwickelt worden sei (WD
    Sich selbst auf eigene Verantwortung in Gefahr zu begeben,              Bundestag 2021d: 12).
    ist zu Recht auch sonst nicht verboten. Wohl aber kann von          2)	Verpflichtende Impfberatung: Es kann eine Verpflichtung
    dem Einzelnen unter Solidaritätsgesichtspunkten verlangt                zur Impfberatung durch zertifizierte Impfberater*innen
    werden, die Voraussetzungen einer eigenen sterilen Immu-                festgelegt werden, deren Nichtwahrnehmung negativ
    nität zu schaffen, welche eine Infektion und Weitergabe der             sanktioniert wird. Nach Auffassung von Betsch et al. ist
    Viren auf andere verhindert.» (Wachter 2021)                            die individuelle Impfentscheidung nach dieser Beratung
       Dabei ist wiederum zu berücksichtigen, dass die Impfung,             weiterhin frei, fußt jedoch einerseits auf einer wissen-
    die einen Eingriff in die körperliche Integrität einer Person be-       schaftlich fundierten Grundlage. Die Impfberatungspflicht
    deutet, eine weitergehende Begründung erfordert. Diejeni-               kann mit der Terminpflicht kombiniert werden. Erkenntnis-
    gen wiederum, die individuelle religiöse oder weltanschauli-            se aus Fallbeispielen zeigen laut Betsch et al. (2021: 4),
    che Gründe gegen eine Impfentscheidung vorbringen, oder                 dass sich die Impfquote erhöht und Clusterbildungen von
    die Auffassung vertreten, dass eine Entscheidung für oder               Ungeimpften vermieden werden.
    gegen eine Impfung eine rein private Entscheidung sei, müs-         	Die Zertifizierung der Impfberater*innen soll laut Betsch et
    sen die Einschränkung vergegenwärtigen, dass individuelle               al. vorbeugen, dass impfkritische Ärzt*innen aus der Impf-
3   Entscheidungen ihre Grenze dort finden, wo die Interessen               beratung ein Geschäftsmodell entwickeln (ebd.). Bereits
der Ethikrat hatte in seiner Stellungnahme die Empfeh-         IMPFPFLICHT IST NICHT GLEICH ZWANGS­
   lung formuliert, gegenüber Ärzt*innen, «die öffentlich (ins-   IMPFUNG – BEGRÜNDUNG, SANKTIONEN UND
   besondere in sozialen Medien) Fehlinformationen über die       ANREIZE.
   Masernimpfung verbreiten, […] berufsrechtliche Sanktio-        Wie wir bereits ausführten, sollen gesetzliche Zwänge
   nen zu verhängen» (Ethikrat 2019: 88).                         grundsätzlich nur als Ultima Ratio zum Einsatz kommen. In
	Eine verpflichtende Beratung ist grundsätzlich kein neu-        Übereinstimmung mit denjenigen, die für eine Impfpflicht
   es Instrument, denn § 34 Abs. 10a Infektionsschutzgesetz       plädieren, weil sie der Auffassung sind, dass alle anderen
   (IfSG) sieht die Verpflichtung der Erziehungsberechtigten      niedrigschwelligeren Maßnahmen an ihre Grenzen gestoßen
   vor, bei Kindern, die in einen Kindergarten aufgenommen        sind und auch eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen
   werden, den Nachweis einer vorhergehenden ärztlichen           nicht ausreichend ist, beschreiben wir in diesem Abschnitt,
   Beratung zum Impfschutz vorzulegen. Bei fehlendem              was wir unter einer Impfpflicht verstehen und welcher recht-
   Nachweis kann das zuständige Gesundheitsamt die sor-           liche Weg zu wählen ist.
   geberechtigte Person zu einem Beratungsgespräch einla-            Zunächst müssen jedoch, mit Blick auf die laufende und
   den.                                                           sich voraussichtlich polarisierende Debatte um die Impf-
Diese Ansätze lassen sich zusätzlich mit Maßnahmen der            pflicht Argumente für und gegen die Impfpflicht abgewo-
aufsuchenden, zielgruppenspezifischen und settingorien-           gen werden. Der Staatsrechtler Uwe Volkmann argumentier-
tierten Impfstrategie verbinden.                                  te am 21. November2021 im Deutschlandfunk, dass bereits
                                                                  heute die «Ausgrenzung der Ungeimpften» durch eine «mo-
IMPFPFLICHT FÜR BESTIMMTE BERUFS­                                 ralische Dauerbeschallung» begleitet würde, die schädliche
GRUPPEN IN DER COVID-19-PANDEMIE                                  Auswirkungen auf das gesellschaftliche Klima habe. Dem-
­U NZUREICHEND                                                    gegenüber wäre eine Impfpflicht eine klare und einfache Lö-
In der bisherigen Impfkampagne wurde unter anderem da-            sung, da sie auf das Recht statt auf moralische Ausgrenzung
rauf orientiert, dass diejenigen, die in besonders belasteten     setzen würde.
Berufen des Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesens tä-             Betsch et al. (2021: 5 ff.) identifizieren fünf Argumente für
tig sind respektive körpernahe Dienstleistungen ausüben, ei-      eine Impflicht und fünf mögliche Nachteile; sie sind in nach-
nem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sind.                    folgender Übersicht zusammengestellt (siehe Tabelle auf der
   Derjenige Teil der Beschäftigten in den genannten Berufs-      folgenden Seite).
gruppen, der aufgrund eigener Entscheidung keinen ausrei-            Die Durchsetzung einer Impfpflicht mittels körperlichen
chenden Impfschutz hat, stellt für die ihm anvertrauten Per-      Zwangs ist aus unserer Sicht nicht zu rechtfertigen und wird
sonen ein Risiko dar, die Infektion an sie weiterzugeben.         deshalb von uns weder vorgeschlagen noch begründet. Wir
   Deshalb wird in der gegenwärtigen Debatte über die Impf-       betonen deshalb analog zu Betsch et al., dass auch bei ei-
pflicht auch argumentiert, dass eine berufsgruppenspezifi-        ner rechtlich normierten und sanktionierten Impfpflicht kein
sche Impfpflicht einerseits notwendig und andererseits eine       Mensch zu einer Impfung gezwungen werden wird.
geringere gesellschaftliche Eingriffstiefe habe als eine allge-      Eine rechtlich normierte Impfpflicht bedeutet nach unse-
meine Impfpflicht.                                                rer Auffassung, dass ungeimpfte Personen ein noch zu be-
   Der Ethikrat bejahte in seiner Stellungnahme von 2019          stimmendes Set an Sanktionen zu vergegenwärtigen haben.
aus Gründen des Gemeinschaftsschutzes «zumindest ein              Darunter können Zugangsbeschränkungen zu gesellschaft-
starkes moralisches Gebot zur Impfung für solche Perso-           lichen Bereichen fallen, die nicht zur Grundversorgung ge-
nen […], die beruflich ein erhöhtes Risiko tragen, sich zu in-    hören (vgl. die derzeit geltenden 2G-Regelungen), oder wie
fizieren und die Infektion an Dritte, insbesondere anfällige      bei der Masernimpfpflicht die Verhängung von Geldbußen
und damit besonders vulnerable Personen weiterzugeben.            oder das Verbot, bestimmten Berufen beispielsweise im
Dies gilt umso mehr, als sie mit ihrer Berufswahl freiwillig      Bildungs-, Sozial- und Gesundheitswesen nachzugehen
eine erhöhte Verantwortung übernommen haben.» Er plä-             (Betsch et al. 2021: 4).
dierte deshalb mit Ausnahme eines Mitglieds für eine mit             Vorgeschlagen wurde zudem, dass Bürger*innen, die
Tätigkeitsverboten sanktionierbare Impfpflicht für Berufs-        nach dem 1. Februar 2022 an COVID-19 erkranken und nicht
gruppen in besonderer Verantwortung. In einer Ad-hoc-             mindestens zweimal geimpft bzw. nach einer Genesung
Stellungnahme aus dem laufenden Jahr unterstrich er die-          einmal geimpft sind, keine Entgeltfortzahlung bei Arbeits-
ses Plädoyer (Ethikrat 2021).                                     unfähigkeit mehr erhalten oder die Krankenkassen für die
   Seitens der Ärzteschaft wurde zum Beginn des laufenden         genannte Personengruppe keine Behandlungskosten finan-
Jahres, wie verschiedene Medienberichte dokumentierten,           zieren, die nachweislich durch eine COVID-19-Erkrankung
eine berufsbezogene Impfpflicht abgelehnt. Begründet wur-         ausgelöst wurden. Einer entsprechenden Beschlusslage
de die Ablehnung mit der Befürchtung, dass angesichts der         hatten in der Gesundheitsministerkonferenz die beiden lin-
sowieso bereits bestehenden personellen Belastung des             ken Gesundheitsministerinnen Heike Werner (Thüringen)
Gesundheitswesens (Pflegenotstand) die Androhung einer            und Claudia Bernhard (Bremen) nicht zugestimmt. Der Um-
berufsbezogenen Impfpflicht bestimmte Beschäftigte mo-            stand, dass Beamt*innen von dem seit dem 1. November
tivieren könnte, ihren Beruf zu verlassen bzw. die Durch-         2021 geltenden Wegfall der Lohnfortzahlung ausgenom-
setzung der Impfpflicht diesen Effekt zusätzlich verstärken       men sind, verstärkt die diesem Weg innewohnende Unge-
könnte.                                                           rechtigkeit.
   Obwohl wir grundsätzlich der Abwägung des Ethikrats               Denkbar wäre grundsätzlich auch, dass eine bundesge-
folgen können, der eine Impfpflicht insbesondere für Be-          setzliche Regelung Vorgaben für den Zugang Ungeimpfter
rufsgruppen in besonderer Verantwortung befürwortet, er-          zur Personenbeförderung normiert (WD Bundestag 2021a),
scheint dies im gegenwärtigen Pandemiegeschehen nicht             doch dürfte dies vermutlich nicht den Bereich der Grundver-
ausreichend und auch nicht ausreichend gerecht.                   sorgung des öffentlichen Nahverkehrs umfassen.                     4
Argumente für eine Impfpflicht                                      Mögliche Nachteile einer Impfpflicht

     Eine Impfpflicht ist sozial und stärkt das Gemeinwohl, da           Eine Impfpflicht entbindet nicht von der Aufklärung, wes-
     durch eine relevante Erhöhung der Impfquote Gesundheit,             halb die aktive und niedrigschwellige Aufklärung weiter-
     Gesundheitsversorgung und Wohlbefinden der Gesamtbe-                hin essenziell bleibt.
     völkerung gesteigert werden können.

     Die Impfpflicht kann effektiv sein, da wissenschaftliche Un-        Eine Impfpflicht kann psychologische Nebenwirkungen
     tersuchungen zeigen, dass in bestimmten Bereichen die               haben. So zeigen Untersuchungen, dass diejenigen, die
     Impfquoten höher sind als ohne Impfpflicht.                         eine Impfpflicht ablehnen, künftig auch andere freiwillige
                                                                         Impfungen verweigern.

     Eine Impfpflicht gegen COVID ist aktuell akzeptiert, wie ent-       Eine Impfpflicht kann das Signal aussenden, dass freiwil-
     sprechende Daten zeigen.                                            lige Impfungen weniger wichtig seien und deshalb
                                                                         «Impffaulheit» befördern.

     Eine Impfpflicht kann sich positiv auf die Gesellschaft auswir-     Eine zielgruppenspezifische Impfpflicht (z.B. 60+) kann
     ken, da Impfen zum sozialen Vertrag wird: «Ich schütze dich,        zwar die Impfbereitschaft in der betreffenden Gruppe er-
     du schützt mich».                                                   höhen, aber die Impfbereitschaft in Bevölkerungsgrup-
                                                                         pen senken, für die es keine Empfehlung gibt.

     Eine Impfpflicht stärkt das Vertrauen derjenigen in die staatli-    Eine Impfpflicht braucht begleitende Maßnahmen, um
     chen Institutionen, die sich haben impfen lassen und wenn           die Akzeptanz der Maßnahmen und das Vertrauen so-
     sich mehr Menschen impfen lassen, und in der Folge ihre Be-         wohl in das Gesundheitssystem als auch in die politi-
     fürchtungen nicht bestätigt sehen, stärkt dies auch das Ver-        schen Entscheider*innen zu stärken.
     trauen in Impfungen allgemein.

       Neben den vorstehend genannten Sanktionen ist von un-            che Maßnahme, insbesondere auf regionaler Ebene statt im
    terschiedlicher Seite, unter anderem durch den Bundestags-          bundeseinheitlichen Rahmen, ausreichend sind oder einer
    abgeordneten Christian Görke (DIE LINKE) der Vorschlag ei-          gesonderten gesetzlichen Regelung bedürfen. In den nach-
    nes Impfbonus unterbreitet worden. Im Gespräch sind Boni            folgenden Ausführungen konzentrieren wir uns auf diese
    in Höhe von 100 bis 400 EUR. Angesichts der bereits millio-         Frage und verweisen für weitere Abwägungen, insbeson-
    nenfach vorgenommenen Impfungen stellt sich die Frage,              dere im Hinblick auf individuelle Schutzgüter etc., auf ent-
    inwieweit ein solches Bonussystem diejenigen bevorteilt, die        sprechende Untersuchungen (WD Bundestag 2016, 2021b
    bislang eine Impfung als nachrangig angesehen haben, aber           u. 2021c; Schaks/Krahnert 2015).
    deren Impfung auch durch Instrumente wie zum Beispiel ei-              Abgeleitet aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 19 Grundgesetz (GG),
    nen verpflichtenden Impftermin erreichbar wären.                    der dem Bund die Zuständigkeit innerhalb der konkurrieren-
       Darüber hinaus würde eine solche Mittelallokation im             den Gesetzgebung für Maßnahmen gegen gemeingefähr-
    Umfang von geschätzt 37,5 Milliarden Euro Tritt­b rett­             liche und übertragbare Krankheiten zuweist, hat dieser das
    fahrer*innen motivieren, die Impfung hinauszuzögern, um             Infektionsschutzgesetz erlassen. Nach allgemeiner Lesart
    vom Bonus profitieren zu können. Kritisch bewertet einem            enthält das IfSG für eine generelle Impfpflicht keine Ermäch-
    Medienbericht zufolge Dominik Ernste vom Institut der deut-         tigung, doch werden sowohl der Bund (§ 20 Abs. 6 IfSG) als
    schen Wirtschaft (IW) in Köln den Vorschlag aus verhalten-          auch die Länder (§ 20 Abs. 7 IfSG) ermächtigt, mittels Erlass
    sökonomischer Sicht, da der monetäre Anreiz die ethische            einer Rechtsverordnung anzuordnen, «dass bedrohte Teile
    Verpflichtung (Solidaritätsgedanke) aushebeln würde, wäh-           der Bevölkerung an Schutzimpfungen teilzunehmen haben,
    rend Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und           wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren
    Konjunkturforschung (IMK) angesichts der aktuellen Inflati-         Verläufen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu
    on negative Effekte befürchtet (Holewik/Behrens 2021).              rechnen ist». (WD Bundestag 2016: 3)
       Betsch et al. betonen in ihrer Abwägung von Gründen für             Weder der Bund noch die Länder haben bislang von die-
    und gegen eine Impfpflicht, dass das Vertrauen Ungeimpf-            ser Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung Ge-
    ter in staatliche Institutionen geringer ist als das der Geimpf-    brauch gemacht.
    ten. Der Verzicht auf eine Impfpflicht dürfte das Vertrauen            Soweit eine Impfpflicht für bedrohte Teile der Bevölke-
    dieser Personen in staatliche Institutionen zumindest we-           rung im Falle des aktuellen Pandemiegeschehens und der
    niger erhöhen als der zu befürchtende Vertrauensverlust             Schwere seiner Verlaufsform, einschließlich der drohen-
    der Geimpften, der entsteht, wenn nur sie die Konsequen-            den Überlastung des Gesundheitswesens, als ein verfas-
    zen aus der geringen Impfquote zu tragen haben (Betsch et           sungsrechtlich gerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Le-
    al. 2021: 7). Unter diesem Gesichtspunkt setzen Impfboni            ben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG
    Fehlanreize.                                                        angesehen wird, wird dennoch davon ausgegangen, dass
                                                                        dies nicht auf der Norm des § 20 Abs. 6 und 7 IfSG aufbau-
    REGELUNGSKOMPETENZ UND DERZEITIGE                                   en dürfe (Rixen 2021). Denn diese sieht Schutzimpfungen
    RECHTSLAGE EINER COVID-19-IMPFPFLICHT                               nur für «bedrohte Teile der Bevölkerung» vor, weshalb eine
    In der gegenwärtigen Debatte um eine mögliche Impfpflicht           generelle Impfpflicht zur Herstellung von Herdenimmuni-
    bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, ob die im           tät, durch ein eigenständiges Bundesgesetz zu regeln wäre
5   Infektionsschutzgesetz getroffenen Regelungen für eine sol-         (Wolff 2020: 3).
LITERATUR                                                         Kretschmann, Winfried/Söder, Markus (2021): Die Impf-
BÄK – Bundesärztekammer (2013): Patientinnen und Pa­              pflicht schützt die Freiheit, in: Frankfurter Allgemeine Zei-
tien­ten ohne legalen Aufenthaltsstatus in Krankenhaus und        tung, 23.11.2021, S. 8.
Praxis, www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_up-              Kuhn, Joseph/Wildner, Manfred (2020): Corona-Krise und
load/downloads/Faltblatt_Patienten-ohne-Aufenthaltssta-           öffentlicher Gesundheitsdienst, in: GGW 4/2020, S. 15–22,
tus_30112013.pdf.                                                 www.wido.de/fileadmin/Dateien/Dokumente/Publikatio-
BÄK – Bundesärztekammer (2020): Lehren aus der Corona-            nen_Produkte/GGW/2020/wido_ggw_042020_kuhn_wild-
Pandemie: Dauerhafte Stärkung des Öffentlichen Gesund-            ner.pdf.
heitsdienstes dringend erforderlich. Eine Positionierung der      Mielck, Andreas (2009): Soziale Ungleichheit und Gesund-
Bundesärztekammer zur Ausgestaltung und Umsetzung des             heit. Einführung in die aktuelle Diskussion, Bern.
Pakts für den Öffentlichen Gesundheitsdienst, www.bunde-          Rixen, Stephan (2021): Rechtmäßigkeit und Semantik der
saerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-             Impfpflicht. Zur aktuellen Diskussion über eine Pflicht zur
Ordner/Positionen/2020-07-20_Positionspapier_OEGD.pdf.            COVID-19-Impfung, https://verfassungsblog.de/rechtmaes-
Betsch, Cornelia et al. (2021): Impfpflicht – jetzt doch?, in:    sigkeit-und-semantik-der-impfpflicht/.
PsyArxiv Preprints, https://doi.org/10.31234/osf.io/pmx3w.        RKI – Robert-Koch-Institut (2019): Soziale Unterschiede in
Deutscher Ethikrat (2019): Impfen als Pflicht? Stellungnah-       Deutschland: Mortalität und Lebenserwartung, in: Journal of
me, www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Stellungnah-         Health Monitoring 1/2019, www.rki.de/DE/Content/Gesund-
men/deutsch/stellungnahme-impfen-als-pflicht.pdf.                 heitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDown-
Deutscher Ethikrat (2021): Zur Impfpflicht gegen Covid-19         loadsJ/JoHM_01_2019_Soz_Unterschiede_Mortalitaet.
für Mitarbeitende in besonderer beruflicher Verantwortung.        pdf?__blob=publicationFile.
Ad-hoc-Empfehlung, www.ethikrat.org/fileadmin/Publikati-          Schaks, Nils/Krahnert, Sebastian (2015): Die Einfüh-
onen/Ad-hoc-Empfehlungen/deutsch/ad-hoc-empfehlung-               rung einer Impfpflicht zur Bekämpfung der Masern. Ei-
berufsbezogene-impfpflicht.pdf.                                   ne zulässige staatliche Handlungsoption, in: MedR 33,
Gerlinger, Thomas/Schmidt, Phillip Florian/Lückenbach             S. 860–866, www.researchgate.net/profile/Nils-Schaks/pu-
Caspar (2021): Öffentliche Gesundheitsdienste in der CO-          blication/314545541_Die_Einfuhrung_einer_Impfpflicht_
VID-19-Pandemie. Strategien und Praktiken in ausgewählten         zur_Bekampfung_der_Masern_Eine_zulassige_staatli-
europäischen Nachbarländern, in: Bundesgesundheitsblatt           che_Handlungsoption/links/5c98becca6fdccd460388f0e/
2021, S. 472–480, https://doi.org/10.1007/s00103-021-             Die-Einfuehrung-einer-Impfpflicht-zur-Bekaempfung-der-
03295-z                                                           Masern-Eine-zulaessige-staatliche-Handlungsoption.pdf.
GFF – Gesellschaft für Freiheitsrechte (2021): Ohne Angst         Siegrist, Johannes/Staudinger, Ursula M. (Hrsg.) (2019):
zum Arzt. Das Recht auf Gesundheit von Menschen ohne ge-          Gesundheitliche Ungleichheit im Lebensverlauf. Neue For-
regelten Aufenthaltsstatus in Deutschland. Eine grund- und        schungsergebnisse und ihre Bedeutung für die Prävention,
menschenrechtliche Bewertung der Übermittlungspflicht im          Leopoldina-Forum Nr. 2, Nationale Akademie der Wissen-
Aufenthaltsgesetz, https://gleichbehandeln.de/wp-content/         schaften Leopoldina, Halle (Saale), www.leopoldina.org/up-
uploads/2021/05/210504_RZ_GFF_Studie_Recht-auf-Ge-                loads/tx_leopublication/2019_Leo_Forum_02_Gesundheitli-
sundheit_screen_DS.pdf.                                           che_Ungleichheit_01.pdf.
Grunow, Dieter/Grunow-Lutter, Vera (2000): Der öffentliche        STIKO – Ständige Impfkommission (2020): Wie soll der
Gesundheitsdienst im Modernisierungsprozess. Eine Unter-          Zugang zu einem COVID-19-Impfstoff geregelt werden?
suchung über Handlungsspielräume und Restriktionen im             Po­si­tions­papier der gemeinsamen Arbeitsgruppe aus Mit-
Rahmen kommunaler Gesundheitspolitik, Weinheim/Mün-               gliedern der Ständigen Impfkommission, des Deutschen
chen.                                                             Ethikrates und der Nationalen Akademie der Wissenschaf-
Heid, Tatjana (2021): Fatale Übersetzungsfehler. In der po-       ten Leopoldina, https://corona-transition.org/IMG/pdf/2020_
litischen Kommunikation zur Corona-Pandemie läuft vieles          positionspapier_covid-19-impfstoff_final.pdf.
schief, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.11.2021, S. 8.     Wachter, Matthias (2021): Impfzwang als Institutionen-
Heumann, Pierre et al. (2021): «Wo das Impfen besser              schutz. Warum Solidarität und Freiheit in Bezug auf die Impf-
läuft», in: Handelsblatt, 23.2.2021, zit. in: Wissenschaftliche   pflicht ein falsches Dilemma ist, https://verfassungsblog.de/
Dienste des Deutschen Bundestages: Impfstrategien der             impfzwang-als-institutionenschutz/.
Bundesländer und anderer europäischer Staaten. Mögliche           WD – Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundes-
Gründe für unterschiedlich hohe Impfquoten, S. 12, www.           tages (2016): Verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Impf-
bundestag.de/resource/blob/865982/03c9bbc788e394cff0              pflicht, www.bundestag.de/resource/blob/413560/40484c9
0064e977352bdb/WD-9-076-21-pdf-data.pdf.                          18e669002c4bb60410a317057/WD-3-019-16-pdf-data.pdf.
Hoff, Benjamin-Immanuel (2011): Eine Stadt für alle? Prob-        WD – Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundes-
leme der gesundheitlichen Versorgung von Menschen ohne            tages (2021a): Zur Impfpflicht bei der Personenbeförderung,
Aufenthaltsstatus bzw. ohne ausreichende Krankenversiche-         www.bundestag.de/resource/blob/829892/648baa6fb08c4
rung, in: Holm, Andrej/Lederer, Klaus/Naumann, Matthias           630f145c625737807e9/WD-5-016-21-pdf-data.pdf.
(Hrsg.): Linke Metropolenpolitik. Erfahrungen und Perspek-        WD – Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundes-
tiven am Beispiel Berlin, Münster, S. 161–182.                    tages (2021b): Verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer
Holewik, Frederike/Behrens, Nele (2021): «Bonus für Boos-         Pflicht zur Impfung von Kindern gegen COVID-19, www.
ter-Impfungen ist falsch», t-online.de, www.t-online.de/fi-       bundestag.de/resource/blob/854090/d3e9e990e9f54c-
nanzen/news/unternehmen-verbraucher/id_91162236/                  1d01aed1880a35d0f8/WD-3-113-21-pdf-data.pdf.
impfpraemie-oekonom-rechnet-mit-linken-vorschlag-ab-ae-
usserst-fragwuerdig-.html.
                                                                                                                                  6
WD – Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundes-            Benjamin-Immanuel Hoff ist Chef der Staatskanzlei des
tages (2021c): Übersicht zu bisherigen Impfpflichten in         Freistaates Thüringen. Heike Werner ist Thüringer Ministerin für
Deutschland, www.bundestag.de/resource/blob/852946/9f           Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie. Alexander
5bd5f7b4dd2f3b5f9e4584b98390fa/WD-9-003-21-pdf-da-              Fischer ist Staatssekretär in der Berliner Senatsverwaltung für
ta.pdf.                                                         Integration, Arbeit und Soziales. Susanne Hennig-Wellsow ist
WD – Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundes-            Mitglied des Deutschen Bundestags und Vorsitzende der Partei
tages (2021d): Impfstrategien der Bundesländer und ande-        DIE LINKE. Alle Autor*innen geben im Beitrag ihre persönliche
rer europäischer Staaten. Mögliche Gründe für unterschied-      Meinung wieder.
lich hohe Impfquoten, www.bundestag.de/resource/blob/8
65982/03c9bbc788e394cff00064e977352bdb/WD-9-076-
21-pdf-data.pdf.
Wolff, Johanna (2020): Demokratie im Ausnahmezustand.
Darf es eine Impfpflicht gegen Corona geben?, http://library.
fes.de/pdf-files/dialog/16339.pdf.

                                                                IMPRESSUM
                                                                STANDPUNKTE 10/2021 erscheint online
                                                                und wird herausgegeben von der Rosa-Luxemburg-Stiftung
                                                                V. i. S. d. P.: Alrun Kaune-Nüßlein
                                                                Straße der Pariser Kommune 8A · 10243 Berlin · www.rosalux.de
                                                                ISSN 1867-3171
                                                                Redaktionsschluss: November 2021
                                                                Lektorat: TEXT-ARBEIT, Berlin
                                                                Layout/Satz: MediaService GmbH Druck und Kommunikation

                                                                Diese Publikation ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit
                                                                der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Sie wird kostenlos abgegeben
                                                                und darf nicht zu Wahlkampfzwecken verwendet werden.
Sie können auch lesen