November 2020 - Merlin Stuttgart
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2020, Merlin und Corona Das Jahr fing ziemlich gut an. Im Januar ging ein grandioses Pop Freaks-Festival über die Bühne: Die Düsseldorf Düsterboys und der Wiener Voodoo-Jürgens spielten vor ausverkauftem Haus, Anja Rüt- zel las über Take That, Mine und die Dives diskutierten über Frauen in der Musikbranche, Children, eben genannte Dives, Wolf Mountains und weitere Bands lieferten mit ihren Konzerten Perlen der Pop- Kultur ab und eine vielbeachtete Plakatausstellung schenkte uns schließlich Pop Freaks für die Augen. Weiterhin ging unser Projekt „Von Hogwarts nach Wakanda“ in die zweite Staffel: beschirmt von Landtagspräsidentin Muhterem Aras diskutierten Jugendliche über die Pressefreiheit am Beispiel von Harry Potter und darüber, wie Batman und seine Gegner eine freie Gesellschaft verhindern. Luther Allison spielte ein mitreissendes Blues-Konzert und auch beim Blues Caravan mit Jeremiah Johnson, Whitney Shay und Ryan Perry kamen Freunde markanter Gitarrensounds voll auf ihre Kosten. Unsere Familiensonntage mit der Sendung mit der Maus waren wei- terhin der familiäre Treffpunkt des Westens, unsere soziokulturelle Grundversorgung mit Improtheater, Stadtteilkino, Kurzgeschichten, dark monday und Songslam wie immer extrem gut besucht und die legendären Die Sterne spielten am 8. März ein unvergessenes, knall- volles Konzert vor mitsingfreudigem Publikum und bewiesen einmal mehr, warum Konzerte nicht nur glücklich, sondern auch klug machen: Von allen Gedanken schätz ich doch am meisten die interessanten.
Distanz als Form von Nähe Am Montag, den 9. März wurde unsere Kollegin, die in der Geschäfts- Im Juli kamen die Kollegen aus der Kurzarbeit zurück, es wurde im führung die Bereiche Personal, Finanzen, Raumvermeitungen und ganze Haus gebohrt und geschraubt, denn wir mußten nicht nur Verwaltung im Griff hat, aufgrund ihrer Schwangerschaft vom Spuckschutz aufhängen und Streaming-Technik installieren. Auch Arzt nach Hause geschickt und wir mußten uns telefonisch bis die seit 2 Jahren geplante Sanierung unserer Lüftungsanlage zum Ende ihrer geplanten Elternzeit im August 2021 von ihr ver- wurde endlich durchgeführt. Unser Vermieter hat sich hier groß- abschieden. Wenige Tage später, am Freitag, den 13. März, wurde zügig gezeigt und tritt mit einer 6stelligen Summe in Vorleistung, wegen der Pandemie der Lockdown verhängt und das Merlin stellte die das Merlin dank Zuschusserhöhung durch die Stadt qua Miet- den Betrieb bis auf Weiteres ein. Der Schock saß tief. erhöhung in den nächsten 10 Jahren abbezahlen wird. Eine Planung wie gerufen, denn zwei Monate später wurden Aerosole und Lüf- Alle operativen Mitarbeitenden gingen in Kurzarbeit, übrig blieben tungen zum Thema Nummer 1 in der Infektionssicherheit. Booker und Geschäftsführerin, die mit der Absage und Verschiebung von über 100 Veranstaltungen und Raumvermietungen beschäftigt Mit 100% frischer Luft, mit Abstand, Masken und Hygieneschulung, waren. Die geplante Elternzeitvertretung der Kollegin wurde ebenso mit ausgeklügeltem Putzplan, literweise Desinfektionsmitteln und abgesagt, denn diese Personalkosten wurden nun erstmal gespart ambitionierter Wegeführung durchs Haus konnten wir ab August und der Bereich mit „Bordmitteln“ übernommen. Es folgten insgesamt wieder Veranstaltungen durchführen. Auch unsere Raummieter 4,5 Monate Betriebsschließung, die wir mit meterweise Verwaltungs- kehrten zurück und das Haus war wieder von oben bis unten voll arbeit verbrachten. Immerhin konnten wir erfolgreich am Bundes- belegt: ob Ergotherapie-Seminare im 1. Obergeschoss, Eigentü- programm „Neustart“ teilnehmen, denn unser Antrag auf Förde- merversammlungen im 2. Stock oder Elternabende benachbarter rung der Infektionssicherheit wurde bewilligt. Ebenso erfolgreich Kitas im Saal: viele Organisationen und Vereine waren und sind wurde unser Antrag beim Land beschieden, den wir im Programm froh, unsere Räume für ihre Termine und Treffen nutzen zu können, Kultursommer2020 gestellt hatten, und mit dem wir unser redu- da die meisten in den eigenen Räumlichkeiten die Abstände nicht ziertes Festival „Kleine Klinke“ im August durchführen konnten. einhalten können. Gleichwohl sind die Einnahmen aus den Raum- vermietungen zurück gegangen, denn den meisten Mietern mussten Bei aller Freude über bewilligte Programme: diese Gelder müssen wir ein „Upgrade“ in den nächstgrößeren Raum geben, welches auch verwaltet und abgerechnet werden. Also noch mehr Verwal- sie gar nicht bezahlen konnten. Alle Vermietungen mit mehr als 40 tungsarbeit. Personen wurden wegen der Abstandsregeln storniert.
Der Sommer bescherte uns mit unserem Festival „Kleine Klinke“ launige Abende im Biergarten, mit unseren aus dem Saal gestream- ten Konzerten auf großer Leinwand und glücklichen Künstler*innen und Gästen, die endlich mal wieder auf ein Konzert gehen durften. Beziehungsweise sitzen mußten, aber der Mensch ist ja gottlob variabel. Voller Zuversicht wurde das Programm aufrecht erhalten und der Herbst in Angriff genommen. Unser Publikum war verständnis- voll und diszipliniert, es wurde sich sorgfältig in die Kontaktlisten eingetragen und im ganzen Haus herrschte Maskenpflicht, trotz- dem sieht unbeschwerter Kulturgenuss noch ein bißchen anders aus. Nicht Mitsingen und Tanzen zu dürfen ist bei guter Musik schwer, Improtheater ohne Mitmachnummern etwas karg und das ausgelassene Lachen bleibt einem mit Maske schonmal im Halse stecken. Auf unsere geliebten Familiensonntage mit dem public viewing der Sendung mit der Maus und einem Haus voller Kinder mussten wir komplett verzichten und die Workshops der Reihe „Von Hogwarts nach Wakanda“ wurden ins Internet verlegt. Hinzu kommt, daß wir selbst mit den stark eingeschränkten Kapazitäten von 40 Gästen pro Veranstaltung (bei Stehkonzerten hatten wir früher 200, bei bestuhlten Veranstaltungen 100 Leute im Haus) nicht alle Karten verkauft kriegten und der Thekenumsatz selbst- redend keine Rekorde erreichte. Trotz all dieser Widrigkeiten konnten wir eine ganze Reihe schö- ner Lesungen, Konzerte und Theaterabende veranstalten, und so haben wir, aufbauend auf den Erfahrungen des Sommers, einen Antrag beim Bund im Programm Neustart2 gestellt und eine Be- willigung erhalten: wir sind sehr dankbar, daß unser Programm im ersten Halbjahr 2021 mit 50.000€ unterstützt wird, mit diesem Zuschuss können wir den Künstler*innen trotz geringer Eintritts- einnahmen Festgagen auszahlen, zusätzlich werden die laufen- den Kosten wie Personal und Miete abgefedert. Dadurch steht das Merlin auch im kommenden Jahr trotz Pandemie und einge- schränktem Kulturprogramm recht sicher da.
Der Herbst lief ganz gut an, bis die kälteren Temperaturen die Infektionszahlen wieder in die Höhe trieben. Ende Oktober be- schlossen wir, angesichts der bedrohlichen Pandemielage, unsere Kulturveranstaltungen für zunächst 14 Tage abzusagen, nicht zu- letzt auch, um unsere Mitarbeiter*innen zu schützen. Das Merlin lebt von ehrenamtlicher Mitarbeit an Theke und Kasse, aber die Ehrenamtlichen kamen schon seit einiger Zeit nur noch zögerlich zu ihren Abenddiensten. Unsere Hauptamtlichen, insbesondere die Abendleitung und Technik, sind auch bei bestem Schutz dem Kontakt mit über 40 Menschen ausgesetzt, dieses Risiko wollten wir zurückfahren. Dann kam die Nachricht des nächsten Lock- downs, und so ist die Bühne wieder geschlossen bis mindestens Ende November – wer weiß, ob wir dieses Jahr den Kulturbetrieb nochmal öffnen. Finanziell kommen wir in diesem Jahr einigermaßen gut durch die Pandemie und das Merlin ist nicht existenziell bedroht. Den mas- siven Einnahmeverlusten durch die 4,5-monatige Schließung im Frühjahr und jetzt aktuell im November sowie den Verlusten durch Rückgang an Eintrittsgeldern, Thekenumsatz und Raumvermietun- gen in den wenigen Betriebsmonaten, stehen einige unerwartete Einnahmen entgegen: die Elternzeitvertretung der einen Kollegin wurde nicht besetzt und eine andere Kollegin konnte nicht aus der Elternzeit zurück kommen, weil sie wegen Schul-/Kita-Schließung keine Kinderbetreuung hatte. Die Stellen der beiden fehlenden Kol- leginnen, eine Vollzeit und die andere Teilzeit, haben wir zunächst nicht besetzt und konnten so die entsprechenden Personalkosten einsparen. Hinzu kommen recht hohe Erstattungen der Kranken- kassen, weil wir als Kleinbetrieb für jeden Tag, den die Hauptamt- lichen krank (oder im Beschäftigungsverbot, in Reha oder Quaran- täne) sind, das Gehalt erstattet bekommen. Die Hauptamtlichen waren zudem monatelang in Kurzarbeit. Unser Vermieter hat dankenswerterweise die Miete reduziert und wir haben, wie ge- sagt, Sonderzuschüsse beim Land (20.000€) und Bund (18.000€) beantragt und bekommen. Unser treues Publikum hat uns zudem mit Spenden und Verzicht auf Ticketerstattung von insgesamt ca. 12.000€ auf die Füße geholfen: vielen Dank!
Wie schon im Frühjahr nutzen wir nun die veranstaltungsfreie Zeit, um das Haus weiter auf Vordermann zu bringen, es wird auf- geräumt, ausgemistet und nahezu jede Schraube nochmal nach- gezogen. In 36 Jahren Kulturarbeit ohne Schließzeiten ist unfass- bar viel Zeug im Merlin liegen geblieben, wir finden alte Schätze und längst Vergessenes, wir optimieren unser Netzwerk, richten home office ein, organiseren unsere virtuelle Mitgliederversamm- lung, schreiben Haushaltspläne und Jahresberichte, schauen jeden Tag auf Konto und auf die Infektionszahlen und gehen voller Zuversicht davon aus, daß dies der letzte Lockdown ist und bleibt. Das Merlin ist bestens ausgerüstet für infektionssichere Ver- anstaltungen und so hoffen wir, daß wir jetzt mit der Schließung die Infektionszahlen runterdrücken können, um im Januar mit dem PopFreaks-Festival ins neue Jahr starten zu können. Wir haben eine Menge Ideen, ob analog, virtuell oder hybird, wir planen weiter unbeirrt aufregende Konzerte, angesagte Festivals, liebevollen Kinderkam, anregende Lesungen und aufwühlendes Theater. Und irgendwann gucken wir auch wieder zusammen am Sonntag die Sendung mit der Maus. Klingt komisch, ist aber so.
Kulturverein Merlin e.V. Leitung: Annette Loers Kathrin Schönecker (in Elternzeit) Team: Nora Auth, Raumvermietungen & Verwaltung Sophia Baur, Back-Office Arne Hübner, Programm (Konzerte), Grafik Bernd Heiden, Hausmeister Mitch Meister, Veranstaltungstechnik Carola Seebach, Kommunikation Ute Weller, Gastro Vorstand: Carolin Götz Christoph Hoyer Michalina Pietrzyk Beirat: Irene Armbruster, Geschäftsführerin der Bürgerstiftung Stuttgart Walter Ercolino, Leiter des Popbüros der Region Stuttgart Edeltraud Hollay, langjährige kulturpolitisch aktive Stadträtin Martin Klumpp, Prälat i.R. Eric Neumann, kulturpolitischer Sprecher der Stuttgarter Gemeinderatsfraktion der FDP Augustenstraße 72 info(at)merlinstuttgart.de Guntrun Müller-Ensslin, kulturpolitische Sprecherin der Stuttgarter Fraktionsgemeinschaft Die FrAKTION 70178 Stuttgart www.merlinstuttgart.de Dejan Perc, kulturpolitischer Sprecher der Stuttgarter Gemeinderatsfraktion der SPD www.blog.merlinstuttgart.de Thorsten Puttenat, kulturpolitischer Sprecher der Stuttgarter Fraktionsgemeinschaft PULS facebook.de/merlinkultur Jürgen Sauer, kulturpolitischer Sprecher der Stuttgarter Gemeinderatsfraktion der CDU Tel: 0711/ 61 85 49 twitter.com/merlinstuttgart Dr. Martin Schairer, Bürgermeister für Recht, Sicherheit und Ordnung LHS Stuttgart, a.D. Fax: 0711/ 615 76 76 instagram.com/merlinstuttgart Andreas Winter, kulturpolitischer Sprecher der Stuttgarter Gemeinderatsfraktion der Grünen
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